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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 26.01.2005
Aktenzeichen: 1 Ss 318/04
Rechtsgebiete: StVG


Vorschriften:

StVG § 24a
Das Führen eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung des berauschenden Mittels Methamphetamin erfüllt nicht den Tatbestand des § 24a Abs. 2, 3 StVG, weil es sich bei Methamphetamin nicht um eine der in der Anlage zu § 24a StVG enumerativ aufgeführten Substanzen handelt. Eine Ahndung nach § 24a Abs. 2, 3 StVG ist jedoch dann möglich, wenn sich das Methamphetamin bereits teilweise zu Amphetamin abgebaut hatte und das Vorhandensein des Abbauprodukts Amphetamin für einen Zeitpunkt während der Fahrt im Blut nachgewiesen werden kann.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

1 Ss 318/04

9250941602031 Thür. Polizeiverwaltungsamt

In dem Bußgeldverfahren

wegen Ordnungswidrigkeit

hat auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Gera vom 04.10.2004 der Senat für Bußgeldsachen des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Richter am Oberlandesgericht Dr. Schwerdtfeger als Vorsitzenden, Richter am Oberlandesgericht Schulze und Richterin am Oberlandesgericht Pesta

am 26. Januar 2005 beschlossen:

Tenor:

Das Urteil des Amtsgerichts Gera vom 04.10.2004 wird aufgehoben.

Der Betroffene wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

I.

Das Thüringer Polizeiverwaltungsamt - Zentrale Bußgeldstelle - erließ am 09.03.2004 gegen den Betroffenen wegen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung eines berauschenden Mittels im Straßenverkehr am 05.12.2003 in Gera einen Bußgeldbescheid, in dem eine Geldbuße von 250,00 € festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat Dauer angeordnet wurde. Ein zunächst eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) war von der Staatsanwaltschaft Gera mit Verfügung vom 04.02.2004 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, weil eine relative Fahruntüchtigkeit mangels deutlicher Ausfallerscheinungen nicht festgestellt werden konnte.

Gegen diesen am 17.03.2004 zugestellten Bußgeldbescheid legte der Betroffene durch seinen Verteidiger am 24.03.2004 Einspruch ein.

Daraufhin verurteilte das Amtsgericht Gera den Betroffenen in der Hauptverhandlung vom 04.10.2004 in Anwesenheit wegen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Wirkung des berauschenden Mittels Methamphetamins zu einer Geldbuße von 250,00 € und ordnete ein Fahrverbot von einem Monat Dauer an. Zugleich bestimmte es, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Am 11.10.2004 legte der Betroffene durch seinen Verteidiger Rechtsbeschwerde ein und begründete diese, nachdem das vollständig abgefasste Urteil am 01.11.2004 zugestellt worden war, am 01.12.2004 mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 13.01.2005 beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Gera vom 04.10.2004 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht Gera zurückzuverweisen.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

Der Betroffene war aus Rechtsgründen freizusprechen, weil das ihm mit dem Bußgeldbescheid vom 09.03.2004 zur Last gelegte Verhalten keinen Bußgeldtatbestand erfüllt. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen § 24a Abs. 2 und 3 StVG vor, wonach ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig unter der Wirkung eines in der Anlage zu § 24a StVG genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt.

Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Urteil zur Tat Folgendes festgestellt:

"Der Betroffene befuhr am 05.12.2003 um 1.20 Uhr die E.-T.-Straße in G. unter der Wirkung des berauschenden Mittels Methamphetamin. Die dem Betroffenen um 02.26 Uhr entnommene Probe ergab einen Gehalt von 145,8 ng/ml Methamphetamin."

Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Verstoßes gegen § 24a Abs. 2, 3 StVG nicht, weil es sich bei der im Blut des Betroffenen festgestellten Substanz Methamphetamin nicht um eine in der Anlage zu § 24a StVG genannte Substanzen handelt.

Die beim Betroffenen festgestellte Substanz Methamphetamin ist nicht gleichbedeutend mit der in der Liste der berauschenden Mittel und Substanzen aufgeführten Substanz Methylendioxymethamphetamin (MDMA). Ebenso wenig handelt es sich um die ebenfalls in der Liste angeführte Substanz Amphetamin.

Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 24a Abs. 2 StVG nur das Vorhandensein bestimmter chemischer Substanzen im Blut dem Ordnungswidrigkeitentatbestand zu Grunde gelegt. Dies ergibt sich aus der enumerativen Aufzählung der berauschenden Mittel und Substanzen in der Anlage zu § 24a StVG und aus der Ausgestaltung der Änderungsmöglichkeit dieser Anlage durch § 24a Abs. 5 StVG, die es erleichtert, auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu reagieren und weitere chemische Substanzen in die Liste der berauschenden Mittel und Substanzen aufzunehmen (siehe BayObLG NZV 2004, 267, 268). Wegen der exakten Bezeichnung der berauschenden Mittel und der chemischen Substanzen in der Anlage zu § 24a StVG kann die chemische Substanz Methamphetamin nicht im Wege der Auslegung der chemischen Substanz Amphetamin zugeordnet werden (so auch BayObLG a.a.O. S. 268).

Eine entsprechende Anwendung des § 24a Abs. 2 und 3 StVG auf das Führen eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung anderer als in der Anlage zu § 24a StVG genannter berauschender Mittel im Straßenverkehr ist angesichts des klaren gesetzgeberischen Willens, des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift und vor allem wegen des auch im Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden Analogieverbots (§ 3 OWiG, Art. 103 Abs. 2 GG; Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 3 Rn. 9) ausgeschlossen (so bezüglich Methamphetamin bereits BayObLG a.a.O. S. 268).

Allein der Gesetzgeber bzw. das von ihm ermächtigte Bundesministerium kann bewirken, dass auch Fälle wie dieser von dem Bußgeldtatbestand des § 24a Abs. 2 und 3 StVG erfasst werden, indem die in der Anlage zu § 24a StVG genannten berauschenden Mittel und Substanzen um die Substanz Methamphetamin erweitert wird. Dies erscheint dem Senat angesichts der erwiesenen Wirkungen von Methamphetamin auf das Verhalten von Kraftfahrern (siehe dazu Knecht Kriminalistik 2002, 402, 403 f.; BayObLG a.a.O. S. 267 f) dringend geboten.

Eine ordnungsrechtliche Ahndung der vorliegenden Tat wird auch nicht deshalb möglich, weil Methamphetamin im menschlichen Körper zum Teil zu Amphetaminen abgebaut wird. Dass dieser Abbau bei dem Betroffenen bereits eingesetzt hatte und - was entscheidend ist (siehe BayObLG a.a.O. S. 268) - zu einer nachweisbaren Konzentration von Amphetamin im Blut des Betroffenen geführt hatte, hat das Amtsgericht nämlich gerade nicht festgestellt (und konnte angesichts des eindeutigen Ergebnisses des von der Polizei eingeholten rechtsmedizinischen Gutachtens über die chemisch-toxikologische Untersuchung von Blut auf Drogen vom 16.01.2004 auch nicht festgestellt werden).

Die vom Gesetzgeber gewählte Anknüpfung der Wirkung an einen nachgewiesene chemische Substanz im Blut eines Fahrzeugführers setzt gerade voraus, dass diese konkrete Substanz zum Zeitpunkt des Führens des Kraftfahrtzeuges vorlag. Dass sie erst zu einem späteren Zeitpunkt durch Stoffwechseleinwirkung entstanden ist, erfüllt den Tatbestand genauso wenig wie die Aufnahme einer solchen Substanz zu einem Zeitpunkt nach dem Führen eines Kraftfahrzeuges (siehe BayObLG a.a.O. S. 268).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO, 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG.



Ende der Entscheidung

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