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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 08.02.2007
Aktenzeichen: 1 U 713/06
Rechtsgebiete: ThürKO


Vorschriften:

ThürKO § 64 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
1 U 713/06

hat der 1. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 07.07.2006 abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin erwarb von der Beklagten durch den notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrag vom 13.10.1992 der Notarin N (UR-NR: 1268/1992) mehrere in G gelegene Gewerbegrundstücke zu einem Kaufpreis von ...............DM. Nach § 1 Abs. 2 des notariellen Kaufvertrages beinhaltete der Kaufpreis die Anliegerbeiträge für die in § 2 Abs. 1 des Vertrages genannten Anlagen. Die in § 2 des notariellen Kaufvertrages vereinbarte Vertragsklausel enthielt folgende Regelung der Parteien:

"(1) Die Verkäuferin wird das von dem Käufer erworbene Grundstück zusammen mit weiteren Grundstücken erschließen.

Mit Zahlung des sich nach § 1 Ziff. 2 ergebenden Kaufpreises sind auch die der Gemeinde entstehenden Aufwendungen für die Aufschließung des Gewerbegebietes abgegolten, und zwar für die Herstellung der öffentlichen Straßen und Wege, die Kanalisation zur Ableitung des Abwassers (Schmutz- und Regenwasser) aus den Verkehrsflächen und aus den Baugrundstücken, Regenrückhaltebecken nebst erforderlicher Kläreinrichtung, der Wasserversorgungsanlagen, der Straßenbeschilderung ohne Verkehrszeichen, der Straßenbeleuchtung, der öffentlichen Grünflächen, der Bebauungs- und Erschließungsplanung, einschließlich der entsprechenden Ingenieurhonorare u.a. In dem Betrag der Aufschließungskosten sind bereits erhaltene bzw. künftige Zuschüsse zur Förderung der Infrastruktur aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GA-Mittel) berücksichtigt.

(2) Mit Zahlung der Aufschließungskosten sind die Baugrundstücke freigestellt von der erstmaligen Erhebung aller nach Bundes- und Landesrecht in Verbindung mit den Ortssatzungen zu erhebenden Anlieger- und Anschlussbeiträgen in diesem Bebauungsplangebiet einschl. evtl. Kosten nach dem Kommunalabgabengesetz (KAG).

(3) Die Gebühren und Abgaben, z. B. für die Verbesserung, Benutzung, Verwaltung, Instandsetzung und Erweiterung der Erschließungsanlagen nach Maßgabe vorhandener bzw. künftiger Ortssatzungen der Gemeindeverwaltung bleiben hiervon unberührt. ..."

Wegen der weiteren Einzelheiten des notariellen Kaufvertrages wird auf Bl. 5 - 19 d. A. Bezug genommen.

In der Folgezeit nahm die Beklagte die Erschließung der Gewerbegrundstücken der Klägerin vor.

Mit Wirkung zum 22.02.1994 trat die Beklagte zunächst dem Abwasser- und Wasserzweckverband W bei, an den sie durch den notariell beurkundeten Vertrag vom 18.12.1998 des Notars X (UR-Nr. 2320) die sich in ihren Gemarkungsgrenzen befindlichen Abwasseranlagen übertrug. Nachdem der Abwasserzweckverband W aufgelöst worden war, stimmte die Beklagte mit Wirkung zum 30.11.2000 dem Beitritt zu dem Wasser- und Abwasserzweckverband Z zu. Durch die Veröffentlichung der geänderten Verbandsatzung des aufnehmenden Zweckverbandes Z wurde die Mitgliedschaft der Beklagten in der Folge konstitutiv wirksam.

Durch den Bescheid vom 04.12.2002 erhob der Wasser- und Abwasserzweckverband Z für das in der Gemarkung G Flur-Nr. 4, Flurstück 438 liegende Grundstück der Klägerin einen Herstellungsbeitrag i.H.v. .......€ zur Deckung des Investitionsaufwandes für die öffentliche Entwässerungseinrichtung. Wegen der Einzelheiten des Bescheides wird auf die Anlage 2 zur Klageschrift (Bl. 20, 21 d. A.) Bezug genommen. Die Klägerin legte durch Schreiben ihres Rechtsanwaltes vom 11.12.2002 gegen diesen Beitragsbescheid Widerspruch ein, über den bislang nicht entschieden worden ist. Auf Antrag der Klägerin setzte der Wasser- und Abwasserzweckverband Z durch das Schreiben vom 26.03.2004 die Vollziehung des Beitragsbescheides aus. Die Klägerin forderte mit Schreiben vom 16.03.2004 die Beklagte auf, sie von der Forderung aus dem Beitragsbescheid vom 04.12.2002 freizustellen.

Die Klägerin verlangt mit der Klage, die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie von allen Zahlungsverpflichtungen freizustellen, die aus der Erhebung von Anschlussbeiträgen für die erstmalige Herstellung der öffentlichen Entwässerungseinrichtungen für das Gemarkung G Flur 4, Flurstück 438 entstehen.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen (Bl. 79 - 85 d. A.).

Das Landgericht hat durch Urteil vom 07.07.2006 festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von allen Zahlungsverpflichtungen aus der Erhebung von Anschlussbeiträgen für die erstmalige Herstellung der öffentlichen Entwässerungseinrichtung für das Grundstück G freizustellen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt.

Mit der form- und fristgemäß eingelegten Berufung erstrebt sie die Abweisung der Klage. Die Beklagte ist der Ansicht, das Landgericht habe bei der Auslegung der in § 2 Abs. 1 des notariellen Kaufvertrages enthaltenen Vertragsklausel verkannt, dass die Beklagte die Klägerin ausschließlich von Anliegern und Anschlussbeiträgen habe freistellen sollen, die in dem Bebauungsplangebiet angefallen seien. Von dieser Verpflichtung der Beklagten sei der durch den Beitragsbescheid vom 04.12.2002 geltend gemachte Herstellungsbeitrag nicht erfasst, da dieser für Investitionen erhoben werde, die außerhalb des Bebauungsplangebietes für die sogenannte äußere Erschließung getätigt worden seien. Der in dem notariellen Kaufvertrag vereinbarte Freistellungsanspruch der Klägerin beziehe sich nur auf die Kosten, die für die innere Erschließung des Gewerbegebietes entstanden seien. Das ergebe sich aus dem Wortlaut der in § 2 Abs. 2 enthaltenen Vertragsklausel, wonach der Freistellungsanspruch der Klägerin sich nur auf diejenigen Kosten erstrecke, die in dem Bebauungsplangebiet für die erstmalige Herstellung der Erschließung der Gewerbegrundstücke angefallen seien. Der Vertragsregelung könne auch nicht entnommen werden, dass die Beklagte die Klägerin von Anschlussbeiträgen habe freistellen wollen, die durch Dritte erhoben würden. Dagegen spreche der in § 2 Abs. 2 des notariellen Kaufvertrags verwendete Begriff der Ortssatzung, unter den lediglich Satzungen des örtlichen Satzungsgebers und nicht eines Zweckverbandes fallen würden. Der Beklagten sei es im Rahmen des Beitritts zu dem Zweckverband auch nicht möglich gewesen, die Klägerin von den außerhalb des Bauungsplangebietes anfallenden Kosten freizustellen. Eine mit dem Zweckverband insoweit getroffene vertragliche Regelung hätte gegen den Grundsatz der Einnahmebeschaffung nach § 54 ThürKO verstoßen und wäre nichtig gewesen. Das Landgericht habe zudem verkannt, dass eine vertragliche Regelung, welche die Klägerin vor jeglicher Inanspruchnahme durch den Zweckverband freigestellt hätte, gegen § 64 Abs. 2 ThürKO verstoßen hätte. Nach dieser Vorschrift dürfe eine Kommune Gewährverträge und Verpflichtungen aus ähnlichen Rechtsgeschäften, die ein Einstehen für eine fremde Schuld zum Gegenstand hätten, grundsätzlich nur abschließen, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendig sei. Die Freistellung der Klägerin von den zukünftigen Herstellungsbeiträgen eines Zweckverbandes habe indes nicht zu den Aufgaben der Beklagten gehört. Selbst wenn ein derartige Freistellungsverpflichtung von den der Beklagten obliegenden Aufgaben umfasst gewesen wäre, hätte diese nach § 64 Abs. 2 Satz 2 ThürKO der Genehmigung durch die Rechtsaufsicht bedurft. Der Erteilung einer solchen Genehmigung hätte aber entgegen gestanden, dass ein - auf die Freistellung von zukünftigen Herstellungsbeiträgen eines Zweckverbandes gerichtetes - Rechtsgeschäft wegen des Verschleuderungsverbotes nicht mit § 67 Abs. 5 ThürKO vereinbar gewesen wäre.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Erfurt vom 07.07.2006, Az. 9 O 2459/05, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil als richtig. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe sich der in § 2 Abs. 2 des notariellen Kaufvertrages vereinbarten Freistellungsverpflichtung nicht dadurch entziehen können, dass sie die eigene Abwasserbeseitigungsaufgabe nachträglich auf einen Zweckverband übertrage und es diesem überlasse, die Klägerin zu Abwasserbeiträgen heranzuziehen. Die in § 2 Abs. 2 des notariellen Kaufvertrages übernommene Freistellungsverpflichtung der Beklagten erfahre auch keine Einschränkung dadurch, dass diese sich nach dem Wortlaut der Vertragsklausel auf die im Bebauungsplangebiet angefallenen Gebühren und Abgaben beschränke. Dadurch habe nicht zum Ausdruck kommen sollen, dass alle Aufwendungen, die über Anschlussbeiträge umgelegt würden, konkret im betroffenen Industrie- und Gewerbegebietes anfallen müssten. Es reiche für die Freistellungsverpflichtung der Beklagten aus, dass es sich um beitragsfähige Aufwendungen handele, die von denjenigen Grundstückseigentümern zu entrichten seien, die in dem Bebauungsplangebiet einen Erschließungsvorteil erhielten. Diese Auslegung ergebe sich aus der in § 2 Abs. 1 Satz 2 enthaltenen Vertragsklausel, wonach die Klägerin auch von den Kosten einer Kläreinrichtung freigestellt worden sei. Die Einbeziehung der Kläranlage zeige, dass es den Parteien nicht darauf angekommen sei, nur solche Aufwendungen in den Notarvertrag mit einzubeziehen, die innerhalb des Bebauungsplangebietes vorgenommen worden seien. Der von dem Zweckverband Gotha und Landkreisgemeinden geltend gemachte Herstellungsbeitrag beziehe sich ausschließlich auf diejenige Vorteilslage, die bereits von Anfang an mit der Erschließung des Industrie- und Gewerbegebietes G geschaffen worden sei. Zusätzliche Erschließungsleistungen habe der Zweckverband nicht erbracht. Eine Differenzierung zwischen den äußeren und den inneren Erschließungskosten werde in dem Beitragsbescheid vom 04.12.2002 von dem Zweckverband nicht vorgenommen. Nach dem Abwasserbeitragsrecht gelte vielmehr das Gesamtanlagenprinzip, welches besage, dass sämtliche der Abwasserbeseitigungsaufgabe dienenden Anlagen und Einrichtungen im Rechtssinne eine einheitliche Gesamtanlage bilden würden. Der Aufwand für die Gesamtanlage im Rechtssinn könne nur einheitlich auf die erschlossenen Grundstücke umgelegt werden. Es mache daher aus beitragsrechtlicher Sicht keinen Sinn, zwischen den Kosten der äußeren und der inneren Erschließung des Gewerbegebietes zu differenzieren. Hätte § 2 des notariellen Kaufvertrages diejenige Bedeutung, die ihr die Beklagte beimesse, läge ein Verstoß gegen § 9 AGBG vor, da durch die Vertragsklausel bei dem Grundstückskäufer der Eindruck erweckt werde, dass sich die vereinbarte Freistellung auf sämtliche Anschlussbeiträge beziehe, die für das erworbene Grundstück erhoben werde. Für diese Auslegung spreche, dass die Beklagte durch § 2 Abs. 3 des notariellen Kaufvertrages nur diejenigen Kosten von der Freistellungsverpflichtung ausgenommen habe, die für die Verbesserung, für die Benutzung, für die Verwaltung, für die Instandsetzung und für die Erweiterung der Erschließungsanlagen entstünden. Im Rahmen des Beitrittes zu dem Zweckverband sei es der Beklagten auch möglich gewesen, eine Vereinbarung zu treffen, durch die eine Erhebung von erstmaligen Herstellungsbeiträgen für die Grundstücke innerhalb des Gewerbegebietes Kornhochheim ausgeschlossen worden wäre. Bei der in § 2 Abs. 2 des notariellen Kaufvertrages vereinbarten Vertragsklausel handele es ich auch nicht um einen Gewährvertrag i. S. von § 64 Abs. 2 ThürKO. Ein derartiger Vertrag sei dadurch gekennzeichnet, dass sich die Kommune gegenüber einem Dritten verpflichte, für eine fremde Schuld einzustehen. Im Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Kaufvertrags sei der Zweckverband für die Erhebung von Abwasserbeiträgen nicht zuständig gewesen, da es sich um eine eigene Aufgabe der Beklagten gehandelt habe. Durch den Beitritt zu dem Zweckverband könne die Vertragsklausel nachträglich nicht zu einem Gewährvertrag i. S. von § 64 Abs. 2 ThürKO werden. Es liege auch ein Verstoß gegen das in § 67 Abs. 5 ThürKO geregelte Verschleuderungsverbot vor, da § 67 Abs. 1 Satz 4 ThürKO ausdrücklich bestimme, dass bei der Veräußerung von Grundstücken zur Förderung von Gewerbeansiedlungen Ausnahmen gemacht werden dürften.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.

Das Landgericht hat unzutreffend festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von allen Zahlungsverpflichtungen aus der Erhebung von Anschlussbeiträgen für die erstmalige Herstellung der öffentlichen Entwässerungseinrichtung für das Grundstück Gemarkung Kornhochheim Flur 4 Flurstück 438 freizustellen.

1. Ein solcher Anspruch der Klägerin ergibt sich entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts nicht aus § 2 Abs. 2 des notariellen Kaufvertrages vom 13.10.1992.

a) Nach dieser Regelung sollte die Klägerin von der Zahlung der Aufschließungskosten, die gemäß § 1 Abs. 2 des notariellen Kaufvertrages Bestandteil des zu leistenden Kaufpreises waren, von der erstmaligen Erhebung aller nach Bundes- und Landesrecht in Verbindung mit den Ortssatzungen erhebenden Anlieger- und Anschlussbeiträgen in dem Bebauungsplangebiet einschließlich eventueller Kosten nach dem KAG von der Beklagten freigestellt werden. Bei der nach dem objektiven Empfängerhorizont vorzunehmenden Auslegung der vertraglichen Vereinbarung hat die Beklagte mit der in § 2 Abs. 2 enthaltenen Vertragsklausel zu erkennen gegeben, dass sie nach der Begleichung des Kaufpreises für die im Gewerbegebiet erstellten Anlagen keinerlei Erschließungs- und Anschlussbeiträge gegenüber der Klägerin mehr geltend macht. Im Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Kaufvertrages war die Beklagte zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen und von Anschlussbeiträgen nach dem Thüringer Kommunalabgabengesetz berechtigt, da sie als Trägerin der Straßenbaulast auch Aufgabenträgerin für die Wasserver- und Abwasserentsorgung war.

b) Aus der in § 2 des notariellen Kaufvertrages enthaltenen Vereinbarung kann indes nicht hergeleitet werden, dass die Beklagte die Klägerin auch von den Kosten freistellen wollte, die dadurch entstehen, dass Dritte außerhalb des Gewerbegebietes Investitionen für die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung tätigen. Einer solchen Verpflichtung der Beklagten steht entgegen, dass mögliche Ansprüche von Dritten in dem Vertragswerk nicht genannt und von der vertraglich vereinbarten Freistellungsverpflichtung auch nicht umfasst werden. Nach der von dem erstinstanzlichen Gericht vorgenommenen Auslegung, wonach sich die Freistellungsverpflichtung der Beklagten auch auf Ansprüche von Dritten erstrecke, hätte die Beklagte das Risiko übernommen, die Anlieger im Bebauungsplangebiet jeweils von Beitragsforderungen neu entstandener Aufgabenträger freizustellen. Ein solcher Wille der Beklagten kann der in § 2 Abs. 2 des notariellen Kaufvertrags enthaltenen Vertragsklausel nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht entnommen werden, da er sich nicht aus dem Wortlaut der Regelung ergibt. Durch die Zahlung des Kaufpreises sollten nach der in § 2 Abs. 1 des notariellen Kaufvertrags enthaltenen Regelung nur diejenigen Aufwendungen abgegolten werden, die der Beklagten für die Aufschließung des Gewerbegebietes entstehen. Aus dem Sachzusammenhang der in § 2 Abs. 1 und § 2 Abs. 2 enthaltenen Regelungen konnte ein objektiver Empfänger die Freistellungsverpflichtung nur dahin verstehen, dass sie sich nur auf Aufwendungen bezieht, die von der Beklagten für die Aufschließung des Gewerbegebietes getätigt werden. Dass durch die Zahlung des Kaufpreises auch zukünftige Ansprüche von noch entstehenden Zweckverbänden abgegolten werden sollten, ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der in § 2 des notariellen Kaufvertrages enthaltenen Vertragsklausel. Durch diese Regelung konnte nach dem objektiven Empfängerhorizont mithin nicht der Eindruck erweckt werden, dass der vereinbarte Freistellungsanspruch sich auf sämtliche Herstellungsbeiträge bezieht, die von Dritten für die von der Klägerin erworbenen Grundstücke in der Zukunft geltend gemacht werden. Soweit die Klägerin der in § 2 Abs. 2 enthaltenen Vertragsklausel einen anderen Sinngehalt beimessen will, ergeben sich für ihre Auslegung keine Anhaltspunkte aus der notariellen Vertragsurkunde, die nach § 415 ZPO Beweiskraft für die Vollständigkeit und für die Richtigkeit der beurkundeten Willenserklärungen hat. Aus diesen Gründen liegt auch keine Unklarheit der Vertragsklausel vor, die einen Verstoß gegen § 9 AGBG begründen könnte.

c) Die Klägerin hat nach der in § 2 Abs. 2 vereinbarten Regelung daher nur einen Anspruch, von den Aufwendungen freigestellt zu werden, die der Beklagten für die Aufschließung der Gewerbegründstücke entstanden sind. Dass die Beklagte die Klägerin von diesen Kosten freizustellen hatte, wird von der Gemeinde nicht in Abrede gestellt. Dem Vorbringen der Klägerin kann auch nicht entnommen werden, dass sie wegen solchen Investitionen von der Beklagten in Anspruch genommen wird. Sie hat daher kein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung eines darauf gerichteten Freistellungsanspruchs, da insoweit keine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass die Beklagte diese Rechte der Klägerin ernstlich bestreitet. Wegen des Fehlens des für die Feststellungsklage erforderlichen besonderen Interesses konnte dem Klageantrag daher auch nicht insofern stattgegeben werden.

2. Die Klägerin wird durch die Erhebung der mit dem Bescheid vom 04.12.2002 geltend gemachten Kosten auch nicht doppelt für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlagen im Bebauungsplangebiet belastet.

a) Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ThürKAG 2002 i. V. mit § 20 Abs. 1, 2, 3, 4 ThürKGG und § 58 Abs. 4, 5 ThürWG können Zweckverbände zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, für die Anschaffung, für die Erweiterung, für die Verbesserung oder für die Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern, Erbberechtigten oder Inhabern eines dinglichen Nutzungsrechts erheben, denen die Inanspruchnahme dieser öffentlichen Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Unter dem Begriff der "Herstellung" ist nach der Rechtsprechung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 16.09.2003 - Az. 4 ZEO 1236/97 -) die erstmalige Schaffung einer kommunalen öffentlichen Einrichtung im Rechtssinne und nicht im technischen Sinne zu verstehen. Die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage setzt zwar begrifflich voraus, dass eine der konkreten Entwässerungseinrichtung entsprechende Einrichtung zuvor nicht vorhanden war. Als erstmalige Herstellung ist aber nach der Rechtsprechung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 21.06.2006, - Az. 4 N 574/98 -) nicht nur die Neuerrichtung einer zuvor noch nicht existenten Entwässerungseinrichtung anzusehen, sondern auch die grundlegende Umgestaltung einer schon vorhandenen Einrichtung, durch die eine neue oder eine andere Einrichtung geschaffen wird. Einer neu geschaffenen Einrichtung fehlt es an der Identität mit einer bereits vorhandenen Einrichtung und sie kann mithin rechtlich erstmals hergestellt werden, wenn sich die frühere und die neue Einrichtung in räumlicher oder funktioneller Hinsicht unterscheiden, aber auch dann, wenn es sich bei der Einrichtung erstmals um eine öffentliche Einrichtung in kommunaler Trägerschaft oder dieses kommunalen Einrichtungsträgers handelt.

b) Nach der Rechtsprechung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 21.06.2006, - Az. 4 N 574/98 -) folgt daraus, dass die Beitragserhebung nach § 7 Abs. 1 S. 1 ThürKAG 2002 auf die beitragsfähigen Maßnahmen der Gemeinden und Landkreise für öffentliche Einrichtungen, also die kommunalen Einrichtungen einer bestimmten kommunalen Körperschaft bezogen ist. In Abgrenzung zur beitragsfähigen Anschaffung geht die Übernahme einer bestehenden Abwasserbeseitigungseinrichtung jedenfalls dann in der erstmaligen Herstellung auf, wenn sich die Übernahme bereits errichteter Be- und Entwässerungsanlagen nur als Teilaspekt eines umfassenden Planungskonzepts des Einrichtungsträgers darstellt und die zu errichtende kommunale öffentliche Einrichtung nach dem maßgeblichen Planungskonzept des Einrichtungsträgers nicht schon mit der Übernahme vorhandener Entwässerungsanlagen ihren endgültigen Ausbauzustand erreicht hat. Daraus folgt, dass sämtliche Kosten, die durch Investitionen eines Zweckverbandes entstehen, auf die gesamten Flächen im Verbandsgebiet umgelegt werden, die eine Anschlussmöglichkeit und damit einen Vorteil i. S. von § 7 Abs. 1 ThürKAG haben.

c) Die von der Beklagten bereits erschlossenen Wohn- und Gewerbegebiete werden zwar bei dieser Globalkalkulation auf der Flächenseite berücksichtigt. Die hierfür entstandenen Kosten darf der Zweckverband aber mangels eigener Aufwendungen nicht in seine Beitragskalkulation einstellen (vgl. Thüringer Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 21.06.2006, - Az. 4 N 574/98 -; Driehaus, Kommentar zum Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 1071). Denn der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung schließt eine wiederholte Beitragserhebung für die Herstellung derselben Einrichtung aus, nicht aber für eine neue Einrichtung, bei der Teile einer früheren Einrichtung einbezogen werden (vgl. Thüringer Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 21.06.2006, - Az. 4 N 574/98 -). Dementsprechend dürfen die Kosten, die für die Erschließung des streitgegenständlichen Bebauungsplangebietes bereits entstanden sind und von denen die Klägerin durch § 2 Abs. 2 des notariellen Kaufvertrages von der Beklagten freigestellt wurde, nicht in die von dem Zweckverband vorzunehmenden Globalkalkulation einbezogen werden. Die durch den Beitragsbescheid vom 04.12.2002 erhobenen Herstellungsbeiträge dürfen daher von dem Zweckverband nur für den Vorteil der Klägerin geltend gemacht werden, die sie von der Gesamtanlage des Aufgabenträgers hat. Dementsprechend wird die Klägerin durch die Erhebung der mit dem Bescheid vom 04.12.2002 geltend gemachten Kosten nicht doppelt für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlagen im Bebauungsplangebiet belastet. Aus diesem Grund kann die in § 2 Abs. 2 des notariellen Kaufvertrages vereinbarte Freistellungsverpflichtung nicht dahin ausgelegt werden, dass die Beklagte die Klägerin auch von denjenigen Kosten freizustellen hat, die sie für den Vorteil zu entrichten hat, der ihr durch die Gesamtanlage des Zweckverbandes entsteht.

3. Eine solche Vereinbarung hätte im Übrigen gegen § 64 Abs. 2 ThürKO verstoßen.

a) Nach dieser Vorschrift darf eine Kommune Gewährverträge und Verpflichtungen aus ähnlichen Rechtsgeschäften, die ein Einstehen für eine fremde Schuld zum Gegenstand haben, grundsätzlich nur dann abschließen, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendig ist. Die Freistellung der Klägerin von den zukünftigen Herstellungsbeiträgen eines Zweckverbandes hat im Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Kaufvertrags nicht zu den Aufgaben der Beklagten gehört. Sie war zwar vor dem Beitritt zu dem Zweckverband zur Ersterschließung des Bebauungsplangebietes verpflichtet. Dieser Verpflichtung ist sie nachgekommen, da sie das Gewerbegebiet erschlossen hat. Soweit die Klägerin der Auffassung ist, durch den Beitritt zu dem Zweckverband könne die vereinbarte Freistellungsverpflichtung nicht nachträglich zu einem Gewährvertrag werden, verkennt sie, dass von dem Fehlen eines solchen Vertrags im Zeitpunkt des notariellen Kaufvertrags nur dann ausgegangen werden kann, wenn sich der vereinbarte Freistellungsanspruch nur auf die Aufwendungen bezieht, die von der Beklagten getätigt worden sind. Würde die von der Klägerin vorgenommene Auslegung zutreffen, dass sie durch § 2 Abs. 2 des notariellen Kaufvertrags auch von zukünftigen Ansprüchen freigestellt worden ist, die von Dritten geltend gemacht werden, wäre eine solche Vereinbarung ein Gewährvertrag i. S. von § 64 Abs. 2 ThürKO.

b) Für die Erschließung des Verbandsgebietes des Zweckverbandes W bzw. des Zweckverbandes Z war die Beklagte nach ihrem Beitritt zu den Zweckverbänden dagegen nicht verpflichtet, da sie nach § 20 Abs. 1 ThürKO dadurch ihre Rechte und Pflichten hinsichtlich der ihr übertragenen Aufgaben verloren hat. Bei dem Zweckverband handelt es sich auch um einen Dritten i. S. von § 64 Abs. 2 ThürKO, da diesem andere Aufgaben obliegen, als der Beklagten hinsichtlich ihres ehemaligen örtlichen Bereiches. Da die von der Klägerin behauptete Freistellungsverpflichtung bereits aus diesem Grund unwirksam gewesen wäre, kann auch dahinstehen, ob durch den Abschluss der von der Klägerin behaupteten Vereinbarung zugleich ein Verstoß gegen das in § 67 Abs. 5 ThürKO geregelte Verschleuderungsverbot vorgelegen hätte.

4. Im Rahmen des Beitritts zu dem Zweckverband war die Beklagte - entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts - auch nicht verpflichtet, eine Vereinbarung zu treffen, durch die sich der Zweckverband verpflichtet hätte, von der Erhebung der erstmaligen Herstellungsbeiträge für die Grundstücke innerhalb des Gewerbegebietes Kornhochheim abzusehen. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass der Zweckverband für die Herstellung der bereits vorhandenen Erschließungsanlagen in dem Bebauungsplangebiet keinen Herstellungsbeitrag mehr erheben darf, sondern nur für Investitionen, die in dem restlichen Verbandsgebiet getätigt werden. Eine gegenüber der Beklagten als beitretende Gemeinde eingegangene Verpflichtung des Zweckverbands, für sein restliches Verbandsgebiet keine Beiträge mehr gegenüber der Klägerin zu erheben, wäre unwirksam gewesen, da eine solche Regelung gegen den Einnahmebeschaffungsgrundsatz des § 54 ThürKO verstoßen hätte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Revisionszulassungsgrund im Sinne von § 543 ZPO nicht vorliegt.

Ende der Entscheidung

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