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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 08.04.2004
Aktenzeichen: 1 U 779/03
Rechtsgebiete: VermG


Vorschriften:

VermG § 7 Abs. 7 S. 2
Keine Herausgabe schuldhaft nicht gezogener Nutzungen od. durch Eigennutzung erlangter Vorteile an Restitutionsberechtigten 08.04.2004 1 U 779/03.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 779/03

Verkündet am: 08.04.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

den Vorsitzenden Richter des Oberlandesgerichts Pfalzer, die Richterin am Oberlandesgericht Zimmermann-Spring und den Richter am Landgericht Stolte

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.03.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 30.07.2003 - 4 O 1372/02 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung - unter Einschluss der durch die Nebenintervention entstandenen Kosten - fallen den Klägern zur Last.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten sowie des Streithelfers jeweils durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte bzw. der Streithelfer Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Mit dem in der Berufung angefochtenen Urteil hat das Landgericht Erfurt den mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf Ersatz wegen nicht gezogener Nutzungen aus dem Restitutionsobjekt der Kläger ab dem 01.07.1994 wie auch einen Anspruch auf Abtretung von gegen den Streithelfer gerichteten Nutzungsgeltansprüchen verneint. Wegen der Entscheidungsgründe wird auf das landgerichtliche Urteil (Bl. 384 ff., Bd. II d.A.) verwiesen.

Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihr in I. Instanz abgewiesenes Klagebegehren weiter und erstreben - unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils - die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung i.H.v. 156.708,04 € zzgl. 4% Zinsen aus 178.473,04 € seit dem 15.08.1999 und zur Abtretung gegen den Streithelfer gerichteter Nutzungsentgeltansprüche i.H.v. 21.765,00 €.

Sie meinen, ihnen stehe ein Anspruch gegen die Beklagte aus § 7 Abs. 7 VermG wegen ab dem 01.07.1994 schuldhaft nicht gezogener Nutzungen aus der Überlassung des Restitutionsobjekts an den Streithelfer zu.

Die Beklagte hätte das Objekt dem Streithelfer nicht unentgeltlich überlassen dürfen, sondern - im Interesse der Restitutionsberechtigten - Miete verlangen müssen. Die Verantwortlichkeit der Beklagten gehe mit dem von der Norm (§ 7 Abs. 7 VermG) verfolgten Ziel einher, Missbräuchen, insbesondere der Fehlleitung von Mieteinnahmen, entgegenzusteuern.

Es treffe auch nicht zu, dass - wovon das Landgericht ausgeht - die unentgeltliche Nutzung des Objekts durch den Streithelfer aufgrund (wegen anderer Kalkulationsgrundlage des Streithelfers für die Pflegesätze durch ersparte Mietzahlungen ermöglichter) niedrigerer Pflegesatzvereinbarungen mit der Beklagten wirtschaftlich der Situation vergleichbar sei, die bei Selbstnutzung der Räume durch die Beklagte gegeben wäre. Die Pflegesätze seien nämlich nicht durch die Beklagte, sondern durch den Freistaat zu zahlen. Auch gehe die Argumentation des Landgerichts fehl, dass angebliche Um- und Ausbaumaßnahmen am Restitutionsobjekt stattgefunden hätten, mit der Folge, dass die Beklagte davon hätte ausgehen dürfen, Restitutionsansprüche abwehren zu können und das Objekt - auch nach dem 01.07.1994 - weiterhin zur Erfüllung sozialer Zwecke unentgeltlich dem Streithelfer überlassen zu dürfen. Es habe schließlich keine so umfangreichen Investitionen durch die Beklagte gegeben, dass diese aufrechnen könne. Selbst bei Einbau einer Küche und sanitärer Anlagen wären diese Investitionen bereits durch gezogene Nutzungen von der Wende an bis zum 01.07.1994 mehr als kompensiert.

Ein Anspruch der Kläger ergebe sich jedenfalls aus § 988 BGB (wozu auf das BGH-Urteil vom 18.07.2003, ZOV 2004, S. 26 f., verwiesen wird).

Darüber hinaus sei die im vorliegenden Verfahren erfolgte Streitverkündung unzulässig.

Die Beklagte und der Streithelfer tragen die Zurückweisung der Berufung an und verteidigen das erstinstanzliche Urteil als richtig.

II.

Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat einen gegen die Beklagte gerichteten Anspruch der Kläger aus § 7 Abs. 7 VermG mit zutreffender Begründung, auf die der Senat Bezug nimmt, verneint.

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Kläger wird ergänzend ausgeführt:

§ 7 Abs. 7 S. 2 VermG begründet einen Anspruch des Restitutionsberechtigten gegen den Verfügungsberechtigten - hier die Beklagte (Stadt Erfurt), der das Restitutionsobjekt zugeordnet und die dementsprechend verfügungsbefugt war - auf Herausgabe von Nutzungen, die diesem aus Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnissen ab dem 01.07.1994 "zustehen".

§ 7 Abs. 7 S. 2 VermG kann indes nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGHZ 141, 232 ff.) auf andere Gebrauchsvorteile, etwa auf durch Eigennutzung erlangte Vorteile, nicht entsprechend angewendet werden, und er ist auch nicht auf die Herausgabe (schuldhaft) nicht gezogener Nutzungen gerichtet (BGHZ 132, 306 ff.). Eine solche Rechtsfolge lässt sich auch nicht auf eine analoge Anwendung der Norm stützen.

Eine planwidrige und damit ausfüllungsbedürftige Lücke ist nicht anzunehmen. Im Grundsatz sollen die Nutzungen dem Restitutionsberechtigten erst ab Eigentumsübergang gebühren; ausgenommen sind nur die ab 01.07.1994 anfallenden Entgelte aus Miet-, Pacht- und sonstigen Nutzungsverhältnissen. Diese Differenzierung ist auf den Gesetzeszweck zurückzuführen, die zweckwidrige Verwendung der Erträge durch die Verfügungsberechtigten (Verwendung für eigene Zwecke statt für die Vornahme notwendiger Reparaturen) zu verhindern.

Der Wert der Eigennutzung stellt demgegenüber, auch in der Person des Restitutionsberechtigten, kein verfügbares Kapital dar. Auch eine verfassungskonforme Auslegung gebietet nicht die Einbeziehung des Tatbestandes der Eigennutzung durch den Verfügungsberechtigten in den Regelungsbereich des § 7 Abs. 7 S. 2 VermG.

Der Restitutionsberechtigte steht einem Eigentümer nicht gleich. Ihm gebühren, wie dargelegt, nicht von vorn herein die Nutzungen des Restitutionsobjektes. Wenn der Gesetzgeber ihm - um der zweckwidrigen Verwendung von Erträgen durch den Verfügungsberechtigten entgegenzusteuern - in einem Teilbereich die Nutzungen zugeordnet hat, so ist dies eine sachlich gerechtfertigte Sonderregelung. Es besteht ein enger Sachzusammenhang mit dem verfolgten Gesetzeszweck. Bei den sonstigen Nutzungen, insbesondere der Eigennutzung durch den Verfügungsberechtigten, ergibt sich dieser Bezug indes nicht in gleicher Weise (vgl. zum Ganzen: BGHZ 141, 232 ff.).

Auch im vorliegenden Fall ergibt sich kein solcher Bezug zum Gesetzeszweck.

Die hier vorliegende Unterlassung der Erzielung von Nutzungen aufgrund vertraglich vereinbarter unentgeltlicher Überlassung des Objekts an einen Dritten stellt vielmehr - ebenso wie das Unterlasen von Nutzungen (BGHZ 132, 306 ff.) oder das schuldhafte Unterlassen des Ziehens von Nutzungen (BGHZ 141, 232 ff.) - die von vorn herein unterlassene Nutzung von Vermögenswerten dar.

Es handelt sich auch nicht etwa - wie in dem mit Urteil des BGH vom 14.12.2001 (MDR 2002, 509 f.) entschiedenen Fall - um die Nichterhebung geschuldeter Entgelte, d. h. die fehlende Einziehung bzw. Durchsetzung bestehender Forderungen. Aufgrund der - nach vertraglicher Vereinbarung - mietfreien Überlassung der Räumlichkeiten bestand nämlich von vorn herein keine Forderung der Beklagten gegenüber dem Streithelfer. Eine Ersatzpflicht träfe die Beklagte lediglich, wenn ab 01.07.1994 entstandene Ansprüche auf Entgelt aus einem Nutzungsverhältnis (hieran aber fehlt es) infolge einer ordnungswidrigen Verwaltung durch den Verfügungsberechtigten erloschen oder aus rechtlichen oder sonstigen Gründen nicht durchsetzbar wären und sie hieran ein Verschulden träfe.

Ein Anspruch der Kläger resultiert auch nicht daraus, dass die Beklagte aus der unentgeltlichen Überlassung des Objekts an den Streithelfer Vorteile erlangt hat, indem der Streithelfer soziale Aufgaben erfüllt hat, die der Beklagten oblagen oder indem möglicherweise geringere Ausgleichszahlungen an das Land aufgrund niedriger kalkulierter Pflegesätze bzw. direkt niedrigere Pflegesätze an den Streithelfer zu erbringen waren. Denn selbst bei Eigennutzung des Objekts durch die Beklagte wäre - aus den vorstehend genannten Gründen - kein Anspruch der Kläger gegeben.

Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus §988 BGB. Diese Anspruchsgrundlage richtet sich gegen den Nutzer selbst, das wäre der Streithelfer, nicht die Beklagte. Nach dieser Regelung wäre der Nutzer (=Streithelfer), falls er kein Besitzrecht gehabt hätte, zum Wertersatz für Gebrauchsvorteile verpflichtet.

Das Landgericht hat schließlich zurecht deliktsrechtliche Ansprüche der Kläger verneint, weil das Verhalten der Beklagten, die nach der Wende an dem Objekt Baumaßnahmen durchgeführt und Verwendungen in dasselbe vorgenommen hatte, während der Zeit der unentgeltlichen Überlassung an den Streitverkündeten - auch angesichts der unklaren Rechtslage mit Bezug auf die Frage der Abwehr von Restitutionsansprüchen- weder rechtswidrig noch schuldhaft war.

Ein Anspruch auf Abtretung von Nutzungsgeltansprüchen der Beklagten gegen dem Streithelfer steht den Klägern ebenfalls nicht zu, denn nach der vertraglichen Vereinbarung zwischen Beklagter und Streithelfer war ein Entgelt für die Nutzung des Objekts nicht geschuldet.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, 101 Abs. 1, 100 ZPO. Den Klägern fallen hierbei auch die Kosten des Streithelfers zur Last, da aufgrund des Klage- und Berufungsantrages zu 2) (Abtretung von gegen den Streithelfer gerichteten Nutzungsgeltansprüchen) die Zulässigkeit der Streitverkündung zu bejahen ist.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Revisionszulassungsgrund i.S.d. § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben ist.

Ende der Entscheidung

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