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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 03.04.2006
Aktenzeichen: 1 UF 183/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 524
ZPO § 567 Abs. 3
ZPO § 621 e
BGB § 1666
BGB § 1909
1. Eine Anschließung ist in Verfahren über die Regelung der elterlichen Sorge und des Umgangs nicht zulässig. Die Verfahren über die elterliche Sorge und den Umgang gehören nicht zu den echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

2. Die Einschaltung eines Umgangspflegers beurteilt sich nach § 1666 BGB. Ist ohne Hilfe Dritter zu erwarten, dass eine Kooperation zwischen den Eltern an dem Konflikt miteinander scheitert, kann die erforderliche Hilfe am besten gewährleistet werden, wenn ein Umgangspfleger mit Entscheidungsbefugnissen bestellt wird.

3. Die Anordnung der Ergänzungspflegschaft richtet sich nach § 1909 BGB.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

1 UF 183/05

In der Familiensache

hat der 1. Familiensenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena auf die befristeten Beschwerden des Antragsgegners vom 12.05.2005 gegen Ziffer 3 und des Jugendamtes Sömmerda vom 06.01.2005, eingegangen am 10.01.2006, gegen Ziffer 1 und 2 des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Sömmerda vom 23.03.2005, zugestellt dem Antragsgegner am 15.04.2005 und dem Jugendamt am 14.04.2005, durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dünisch, Richterin am Oberlandesgericht Martin und Richter am Oberlandesgericht Knöchel

am 03.04.2006

beschlossen:

Tenor:

1. Ziffer 3 des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Sömmerda wird insoweit abgeändert, als die Umgangskontakte zwischen K. und dem Kindesvater weiterhin, zunächst in begleiteter Form, erfolgen, d.h. alle zwei Wochen jeweils freitags in der Zeit von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr in den Räumen der Erziehungsberatungsstelle Sömmerda, beginnend mit dem 21.04.2006.

Sofern eine Partei verhindert ist, hat sie die Verhinderung unverzüglich nach Auftreten der Erziehungsberatungsstelle telefonisch oder schriftlich mitzuteilen.

Ein ausgefallener Umgangskontakt ist am folgenden Samstag nachzuholen, ohne dass sich die Umgangstermine im übrigen verschieben.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde des Jugendamtes als unzulässig verworfen und die weitergehende Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen.

3. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet (§§ 131 Abs. 3 KostO, 13 a Abs. 1 FGG).

4. Der Beschwerdewert wird auf 3000,- € festgesetzt.

Gründe:

Der Antragsgegner ist der Vater des Kindes K. B., geboren am 03.06.1997. Die Kindeseltern waren nicht verheiratet. Das Amtsgericht Sömmerda hat mit Beschluss vom 21.12.2001 festgelegt, dass der Kindesvater berechtigt ist, Umgang mit K. an jedem ersten Samstag eines Vierteljahres in der Zeit von 9 Uhr bis 19 Uhr auszuüben (Az. 2 F 339/00). Die Umgangsregelung ist nicht praktiziert worden.

Die Kindesmutter hat beantragt, in Abänderung des Beschlusses vom 21.12.2001 festzulegen, dass ein begleiteter Umgang mindestens einmal im Vierteljahr stattfinde. Im Rahmen der familientherapeutischen Beratung ist es zu Umgangskontakten zwischen K. und seinem Vater am 25.07.2003, 17.10.2003, 14.11.2003, 07.05.2004, 08.07.2004, 15.11.2004, 16.12.2004, 14.01.2005 und 08.07.2005 gekommen.

Die Erziehungsberatungsstelle hat gegenüber dem Amtsgericht am 16.02.2005 berichtet, dass K. zu den Umgangsterminen komme, weil er hierzu gezwungen werde. In dem mehrere Stunden andauernden Zusammensein mit zwei Erwachsenen, die alles daran setzen, dass die Treffen einen gewissen Verlauf nehmen, könne er seine Ablehnung nur eine begrenzte Zeit aufrechterhalten und lasse sich schließlich auf eine Annäherung ein. Der Schutzraum der Erziehungsberatungsstelle sei für K. immer noch sehr wichtig; dies zeigten auch seine Aussagen, dass er mit Herrn W. nicht alleine weggehen wolle. Mit Sicherheit stelle die äußerst konflikthafte Situation für K. eine große Belastung dar. Daher sei es angeraten, den Umgang wie bisher in begleiteter Form weiterzuführen.

Bei ihrer Anhörung am 22.03.2005 vor dem Amtsgericht hat Frau G. ergänzt, dass ein begleiteter Umgang für K. nach wie vor unumgänglich nötig sei. Für K. sei es wichtig, dass er den Schutz der Beratungsstelle habe. K. habe sich während der einzelnen Umgangskontakte geöffnet. Er sei am Anfang aggressiv und abweisend, werde aber am Ende zutraulich und habe das Zusammensein und das Spielen mit Herrn W. genossen.

K. hat sich bei der Kindesanhörung am 23.03.2005 damit einverstanden erklärt, seinen Vater in der Erziehungsberatungsstelle zu sehen.

Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss der Kindesmutter das Recht zur Regelung der Umgangskontakte entzogen, das Jugendamt Sömmerda als Ergänzungspfleger für das Kind bestellt und angeordnet, dass Umgangskontakte zwischen K. und dem Kindesvater weiterhin, zunächst in begleiteter Form, alle sechs Wochen jeweils freitags in der Zeit von 13 bis 17 Uhr in den Räumen der Erziehungsberatungsstelle Sömmerda, nach konkreter Vereinbarung, stattfinden. Zur Begründung wird ausgeführt, die vom Gericht getroffene Entscheidung sei mit den Verfahrensbeteiligten, insbesondere den betroffenen Kindeseltern im Anhörungstermin vom 23.03.2005 im einzelnen besprochen worden und habe deren Zustimmung gefunden.

Die befristete Beschwerde des Kindesvaters richtet sich gegen Ziffer 3, die des Jugendamtes gegen Ziffer 1 und 2 der Entscheidung.

Der Antragsgegner trägt vor, der letzte begleitete Umgang habe am 08.07.2005 planmäßig in Sömmerda stattgefunden. Dieser Umgangskontakt sei aus seiner Sicht uneingeschränkt positiv verlaufen. K. habe seine zum Teil ablehnende Haltung gegenüber ihm und den Umgangskontakten teilweise aufgegeben, denn er verhalte sich gegenüber seinem Vater normal und aufgeschlossen. Es sei nicht mehr zu negativen Äußerungen und Beleidigungen wie in der Vergangenheit gekommen.

Die Umgangskontakte seien in eine neue Phase gegangen, die es erlaubten, die bisherigen Umgangsregelungen zu überdenken. Es gebe keine Notwendigkeit mehr, die Umgangskontakte als begleiteten Umgang durchzuführen. Zum anderen wünsche er eine zeitliche Ausweitung der Umgangskontakte dahingehend, dass er den Umgang mit K. alle zwei Wochen in der Zeit von Samstag 9 Uhr bis Sonntag 19 Uhr wahrnehmen könne.

Der Antragsgegner beantragt,

der Beschluss des Amtsgerichts Sömmerda vom 23.03.2005 (Az. 1 F 424/04) wird in Ziffer 3 dahingehend abgeändert, dass die Umgangskontakte zukünftig unbegleitet alle zwei Wochen in der Zeit von Samstag, 9 Uhr bis Sonntag, 19 Uhr, stattfinden. Der Beschwerdeführer wird ermächtigt, den minderjährigen K. B. in dieser Zeit zu sich zu nehmen.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den Beschluss I. Instanz. Sie führt an, unstreitig bestehe zwischen den Parteien noch ein erheblicher Paarkonflikt. Auch das Verhalten des Kindesvaters in der Vergangenheit habe nicht dazu beigetragen, den Konflikt zu entkrampfen. Bis zum 29.07.2005 habe nach Beschlussfassung lediglich ein Umgangskontakt stattgefunden.

Das Jugendamt beantragt mit Schriftsatz vom 06.01.2006, der Kindesmutter das vorläufig entzogene Recht zur Regelung der Umgangskontakte für das minderjährige Kind K. zurückzuübertragen und das Jugendamt S. als Ergänzungspfleger für das Kind zu entlassen.

Zur Begründung wird ausgeführt, nach den Feststellungen des Sachverständigen bedürfe es keiner Ergänzungspflegschaft zur Regelung der Umgangskontakte. Entscheidungen eines ergänzend bestellten Sorgerechtsinhabers seien nicht zu treffen.

Das Jugendamt hat mit Schriftsatz vom 30.05.2005 mitgeteilt, dass es der Kindesmutter möglich sei, ihre Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche so zu gestalten, dass sie K. alle sechs Wochen fristgerecht zu den Umgangskontakten in die Erziehungsberatungsstelle bringen könne, ohne Urlaub zu nehmen und ohne Verdienstausfall zu haben. Aufgrund der Unterhaltszahlungen des Kindsvaters könne sie auch ein Taxi zur Hinfahrt in die Erziehungsberatungsstelle nehmen, sofern sie weder öffentliche Verkehrsmittel noch das Auto ihres Vaters oder ihrer Schwester nützen könne.

Die Kindesmutter lasse Beschimpfungen des Kindesvaters durch K. zu, ohne dagegen einzuschreiten. So habe die Kindesmutter keinerlei Reaktion gezeigt, als der 7 - jährige K. am 28.04.2005 geäußert habe, "zu diesem Wichser gehe ich nicht".

Der Senat hat die Kindeseltern und K. am 02.09.2005 angehört. Die Kindeseltern konnten sich vorstellen, dass Umgangskontakte zwischen K. und dem Kindesvater samstags in der Zeit von 10 bis 19 Uhr beginnend mit dem 10.09.2005 stattfinden. Der Kindesmutter hat hierzu erklärt, sie habe damit kein Problem, sofern K. mitgehe. Das Gericht hat den Parteien vorgeschlagen, dass K. noch am gleichen Tage etwas mit dem Vater unternehme.

Bei seiner Anhörung vor dem Senat hat K. erklärt, er könne mit seinem Vater weiter auf einen Spielplatz zu gehen. Auf die Frage, ob er andere Sachen unternehmen werde, wenn seine Mutter einverstanden sei, konnte K. sich nicht vorstellen, dass seine Mutter das gut fände.

Der Senat hat Beweis erhoben zu den Fragen, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Umgang des Antragsgegners mit seinem Sohn K. dem Wohl des Kindes zuwiderläuft, ob ein weiterer Eingriff in die elterliche Sorge (Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts) oder ein Ausschluss des Umgangs erforderlich seien und ob durch einen begleiteten oder unterstützten Umgang im Rahmen der Erziehungsberatungsstelle die Beeinträchtigung des Kindeswohls vermieden werden könne durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen B. . Wegen des Ergebnisses wird auf das Gutachten vom 13.12.2005 und die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 22.01.2006 Bezug genommen (Bl. 210 a ff., 244 d A).

II.

Die befristete Beschwerde des Jugendamtes ist unzulässig.

Das Jugendamt hat erstmals im Zuge des Beschwerdeverfahrens mit Schriftsatz vom 06.01.2006 beantragt, die Ziffern 1 und 2 des Beschlusses des Amtsgerichts Sömmerda vom 23.03.2005 abzuändern.

Eine Anschließung des Jugendamtes nach Ablauf der Beschwerdefrist ist im vorliegenden Verfahren nicht zulässig. In § 621 e ZPO nicht geregelt, aber allgemein anerkannt ist, dass sich der Beschwerdegegner nach Verstreichen der Beschwerdefrist der Beschwerde anschließen kann (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. FamRZ 1985, 59,60). Dennoch enthalten die § 524 und § 567 Abs. 3 ZPO einen allgemeinen Rechtsgedanken, der sinngemäß auch auf die Beschwerde nach § 621 e anzuwenden ist. Die Anschließung ist demnach zulässig in Ehewohnungs-, Hausrats- und Versorgungsausgleichssachen (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Auflage, § 621 e, Rdnr. 54). Die Verfahren über die Regelung der elterlichen Sorge und des Umgangs gehören aber im Gegensatz zu den vorgenannten Verfahren nicht zu den echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Keidel/Kuntze/Winkler/ Schmidt, FGG, 15. Auflage, § 12, Rdnr. 227).

In der Sache ist die Einschaltung eines Umgangspflegers auch gerechtfertigt. Um sicherzustellen, dass die Einhaltung der Umgangsregelung künftig nicht immer wieder an den zwischen den Parteien sich ergebenden Konflikten scheitert, hat das Amtsgericht die verantwortliche Zuständigkeit bei dem Umgangspfleger belassen; insoweit ist der amtsgerichtliche Beschluss von dem Antragsgegner nicht angegriffen worden.

Der Senat hält es auch für erforderlich, die verantwortliche Zuständigkeit entsprechend dem amtsrichterlichen Beschluss bei dem Umgangspfleger zu belassen (§ 1666 BGB). Da ohne Hilfe Dritter zu erwarten ist, dass eine Kooperation zwischen den Eltern an den Konflikten miteinander scheitert, kann die erforderliche Hilfe ihnen am besten geleistet werden, wenn ein Umgangspfleger mit Entscheidungsbefugnissen bestellt ist für den Fall, dass einem Elternteil keine Kooperation gelingt (OLG Frankfurt, FamRZ 2004, 1311, 1312). Die Einschaltung eines Umgangspflegers dient der Sicherung eines effektiven Rechtsschutzes (BVerfG, NJW - RR 2006, 1, 2).

Die Unfähigkeit, den unbeschwerten und angstfreien Umgang des Kindes mit dem Vater zuzulassen und zu fördern, stellt ein, wenn auch möglicherweise unverschuldetes, Versagen der Mutter dar, das zu einer schwer wiegenden Beeinträchtigung des Kindeswohls führt, womit eine Gefährdung i. S. des § 1666 BGB gegeben ist. Um diese Gefahr abzuwenden, ist es erforderlich, die elterliche Sorge der Mutter einzuschränken, soweit es den Umgang des Kindes mit dem Vater betrifft. Insoweit ist es geboten, eine Ergänzungspflegschaft anzuordnen (§ 1909 BGB). Auch hat es bei der Bestellung des Jugendamtes zu verbleiben.

Die befristete Beschwerde des Kindesvaters gegen Ziffer 3 des Beschlusses betreffend die Regelung des Umgangsrechts ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden, § 621 e ZPO. Sie ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Dem Antragsgegner steht gemäß § 1684 Abs. 1 2 HS BGB ein Recht auf Umgang mit K. zu, nachdem in der Vergangenheit wiederholte Umgangskontakte in der Erziehungsberatungsstelle stattgefunden haben.

Aufgrund der Stellungnahmen der Parteien, des Kindes, des Jugendamtes und der Erziehungsberatungsstelle und dem im Zuge des Beschwerdeverfahrens eingeholtem Sachverständigengutachten geht der Senat davon aus, dass der Umgang K. mit seinem Vater dem Wohle des Kindes nicht schadet, sondern nützt.

Dem Kind soll der Vater als leibliche Bezugsperson erhalten bleiben, falls der Mutter etwas zustößt. Das nicht mit beiden Elternteilen zusammenlebende Kind hat nach § 1684 Abs. 1 1. HS BGB ein Recht zum Umgang mit dem von der Ausübung der persönlichen Sorge ausgeschlossenen Elternteil. Dieses Recht besteht vorrangig im Kindesinteresse, denn dem Kind soll ermöglicht werden, die verwandtschaftlichen Beziehungen aufrechtzuerhalten. Auch trägt der Umgang seinem Liebesbedürfnis Rechnung (OLG Bamberg, FamRZ 1984, 507, 508). Das Kind benötigt zum Aufbau einer gesunden Entwicklung beide Elternteile als Identifikationspersonen, auch den Vater als männliche Bezugsperson, wenn es im übrigen bei der Mutter aufwächst und von ihr das mütterliche Identifikationsbild erhält (OLG Braunschweig, FamRZ 1999, 185).

Der Sachverständige (S. 19 des Gutachtens) hat hierzu ausgeführt, dass Kontakte zwischen Vater und Kind, sofern sie im Rahmen eines betreuten Settings stattfinden, dem Kindeswohl nicht schaden. Kontakte des Kindes außerhalb des betreuten Settings müssten im vorliegenden Fall gegen den Willen des Kindes durchgeführt werden. Unter dem Aspekt des Kindeswohls bestehe aus psychologischer Sicht hierzu im vorliegenden Fall insofern keine Notwendigkeit, als eine signifikante Bindung des Kindes an den Vater nicht vorhanden sei, da eine Vater - Kind - Dyade bisher noch nicht aufgebaut werden konnte und K. im Zusammenhang mit einer derartigen Vorgehensweise an einer Aufarbeitung seiner Entwicklungsdefizite gehindert werde.

Gemäß § 1684 Abs. 4 S. 1 BGB kann das Umgangsrecht eingeschränkt werden, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Die Anordnung setzt eine anders nicht abwendbare Gefährdung des Kindeswohls voraus. Insbesondere gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (OLG München, FamRZ 2003, 551), d. h., es müssen triftige, das Wohl des Kindes nachhaltig berührende Gründe vorliegen, die besorgen lassen, dass ohne einen Ausschluss des Umgangsrechts eine ungünstige Entwicklung des Kindes eintritt (OLG Karlsruhe, FamRZ 1999, 184). Umgangskontakte K. mit seinem Vater im Wege des betreuten Settings schaden nach den Feststellungen des Sachverständigen, wie vorstehend ausgeführt, dem Kindeswohl nicht.

Der Umgang hat begleitet, im vorliegenden Fall unterstützt, stattzufinden. Das Umgangsrecht gibt dem Berechtigten in erster Linie die Befugnis, das Kind in regelmäßigen Zeitabständen zu sehen und zu sprechen (OLG Braunschweig, FamRZ 2002, 414; Erman-Michalski, BGB, 10. Aufl. 2000 § 1684 Rn. 8). Dabei soll der Umgangsberechtigte dem Kind unbefangen und natürlich entgegentreten können, weshalb der Umgang grundsätzlich nicht in Gegenwart des anderen Elternteils oder sonstiger Dritter Personen oder an sogenannten "neutralen Orten" stattzufinden hat (BGHZ 51, 219, 224; Erman-Michalski a. a. O. Rn. 24). Das Familiengericht kann das Umgangsrecht aber einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist; eine auf längere Zeit oder Dauer angelegte Einschränkung oder Ausschließung kann nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre (§ 1684 Abs. 4 S. 1 und 2 BGB). Einschränkungen des Umganges dergestalt, dass dieser lediglich unter Begleitung weiterer Personen oder nur an einem neutralen Ort stattzufinden habe, stellen nach den vorgenannten Grundsätzen eine einschneidende Beschränkung für den Umgangsberechtigten dar, weshalb zu diesen Maßnahmen nur dann gegriffen werden darf, wenn ohne sie eine Gefährdung des Kindeswohls konkret zu befürchten ist (MünchKomm-Hinz, BGB, 3. Aufl. 1992 § 1634 Rn. 26; Oelkers, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 3. Aufl. 2001 S. 368).

Die Voraussetzungen eines begleiteten Umgangs im engeren Sinne, der eine flankierende Beratung aller Familienmitglieder mit dem Ziel voraussetzt, die familiäre Beziehungssituation für das Kind zu verbessern, liegen angesichts des Konfliktpotentials der Kindeseltern nicht vor ("Vorläufige deutsche Standards zum begleiteten Umgang, nachlesbar: www.ifp-bayern.de auf der Seite "Projekte", Ziffer II. 3.2, S. 10).

Es kommt daher nur ein unterstützter Umgang (Umgang in einer bestimmten Erziehungs- und Familienberatung) in Betracht, dessen Ziel es ist, eine Optimierung der Eltern - Kind - Kontakte in dysfunktionalen Situationen zu erreichen (Standards, a.a.O., Ziffer II 3.1., S. 9).

Zwar verkennt der Senat nicht, dass der Sachverständige auch die Möglichkeit aufgezeigt hat, Vater - Kind - Kontakte nur indirekt stattfinden zu lassen, bis Kevin die 4. Grundschulklasse abgeschlossen hat.

Das Kind hat jedoch im Verfahren - wenn auch ganz verhalten - ein eigenes Interesse an dem Vater bekundet. K. hat bei seiner Anhörung erklärt, er könne sich vorstellen, weiter mit seinem Vater auf einen Spielplatz zu gehen. Die Mutter versucht offenkundig, gegen ihre in § 1684 Abs. 2 BGB normierte Pflicht zu verstoßen, alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum anderen Elternteil beeinträchtigt. Dies folgt aus dem Ergebnis der Kindesanhörung. Auf die Frage, ob er andere Sachen als "Spielplatz" mit seinem Vater unternehmen werde, wenn seine Mutter einverstanden sei, konnte sich K. nicht vorstellen, dass seine Mutter das gut fände. Dies spricht dafür, sich zunächst über den nur vordergründig geäußerten Willen des Kindes hinwegzusetzen.

Auch haben die "unterstützen" Umgangskontakte in der Vergangenheit eine positive Entwicklung genommen.

Das Jugendamt hat mit Schreiben vom 28.06.2005 vorgeschlagen, dass der Kindesvater K. zukünftig von der Schule abholt und im Anschluss nach Hause zurückbringt und die folgende Einschätzung abgegeben:

"Die Verantwortung für einen konfliktfreien Umgang miteinander liegt bei den Eltern, die dafür Sorge zu tragen haben, dass K. nicht weiter durch die Streitigkeiten belastet wird. Die nunmehr festgelegte Umgangsregelung erscheint als unnatürliche Situation für das Kind. Erneut treten Differenzen wegen scheinbarer terminlicher Probleme auf. Es sollte beschlossen werden, dass Herr W. K. zukünftig von der Schule abholt und im Anschluss nach Hause bringt. Bereits im Zuge der Anhörung vom 01.11.2004 konnte sich K`s Mutter vorstellen, dass Herr W. mit seinem Sohn "einen Tag allein verbringen könne" (s. Protokoll, S. 3). Die psychologische Begleitung sollte weiterhin genutzt werden, um die Belastungen des Kindes zu minimieren und das Bild des Kindes vom Vater zu korrigieren" (Bl. 128, 129 d A).

Der Senat hat einen Bericht der Erziehungsberatungsstelle S. vom 15.08.2005 eingeholt, der im wesentlichen die Einschätzung vom 16.02.2005 wiederholt. Die Erziehungsberatungsstelle geht davon aus, dass die konflikthafte Situation für K. eine große Belastung darstelle. Daher sei es angeraten, den Umgang wie bisher in begleiteter Form stattfinden zu lassen.

Ein unbegleiteter und nicht unterstützter Umgang kommt derzeit nicht in Betracht, nachdem K. im Anschluss an den Termin nur in Begleitung einer Richterin bereit gewesen ist, mit seinem Vater in die Kantine zu gehen, um ein Eis zu essen. Der am 02.09.2005 anlässlich der Anhörung vor dem Senat vereinbarte "unbegleitete" Termin hat im Ergebnis nicht stattgefunden, da K. sich geweigert hat, mit diesem Vater zu gehen, als dieser ihn bei seiner Mutter abholen wollte.

Das verhalten geäußerte Interesse des Kindes an weiteren Umgangskontakten und die positive Einschätzung des Jugendamtes zu den unterstützen Umgangskontakten, die in der Vergangenheit stattgefunden haben, rechtfertigt es aber, auch für die Zukunft einen unterstützten Umgang anzuordnen und Kevin regelmäßig die Gelegenheit zu geben, durch einen gerichtlich angeordneten Umgang den anderen Elternteil kennen zu lernen, um so die Möglichkeit zu bekommen, zu diesem eine Beziehung aufzubauen und sein Recht auf Umgang wahrzunehmen, § 1684 Abs. 1 BGB.

Bei der Häufigkeit der Kontakte folgt der Senat der Empfehlung des Sachverständigen vom 22.01.2006, die Vater - Kind - Kontakte sollten grundsätzlich im vierzehntägigen Rhythmus stattfinden, da der Aufbau einer Vater - Kind - Dyade sonst kaum möglich sei.

Eine zeitliche Begrenzung des unterstützten Umgangs ist derzeit nicht angezeigt. Sollte der unterstützte Umgang nach Einschätzung der Beteiligten, insbesondere der Erziehungsberatungsstelle, eine positive Entwicklung nehmen, wird zu prüfen sein, ob ein unbegleiteter/nicht unterstützter Umgang in Betracht kommt, nicht aber vor Ablauf eines Jahres.

Das Verdachtsmoment des von der Antragstellerin behaupteten Missbrauchs ihrer Tochter A. - K., die nicht von dem Antragsgegner abstammt, ist für die vorliegende Entscheidung der Anordnung des unterstützten Umgangs ohne Belang.

Von der Bestellung eines Verfahrenspflegers hat der Senat abgesehen. Der Regelfall des § 50 Abs. 2 Nr. 2 FGG liegt nicht vor. Der Senat geht im Rahmen des § 50 Abs. 2 Nr. 1 FGG davon aus, dass die Interessen des Kindes über die Ausübung des Umgangsrechts nicht zu beiden Elternteilen in erheblichem Gegensatz stehen und die Anhörung des Kindes, des Jugendamtes, die Bestellung eines Amtsvormundes und das von dem Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten ausreichen, um seine Interessen in das Verfahren einzufügen (Bäumel/Bienwald/Maurer, FamRefK, § 50 FGG, Rdnr. 20, 23 f.).

Der Beschwerdewert war auf 3000,- € für das Hauptsacheverfahren festzusetzen (§§ 94 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO).

Ende der Entscheidung

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