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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 08.01.2009
Aktenzeichen: 1 UF 245/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1610 Abs. 2
Ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt kann auch dann noch bestehen, wenn zwischen Schulabbruch (hier: Nichtbestehen des Abiturs) und der Aufnahme der Ausbildung (nach dem Ausbildungswechsel) vier Jahre liegen, wenn der Unterhaltsberechtigte zwischenzeitlich ein Jahr krank war und während eines weiteren Jahres seinen Realschulabschluss nachgeholt hat.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES ANERKENNTNIS- UND SCHLUSSURTEIL

1 UF 245/08

Verkündet am: 08.01.2009

In der Familiensache

hat der 1. Familiensenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Parteina, Richterin am Oberlandesgericht Martin und Richter am Oberlandesgericht Knöchel

nach Anerkenntnis des Auskunftsanspruches durch den Beklagten am 18.12.2008 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Der Beklagte wird in Abänderung des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Mühlhausen vom 27.06.2008, Az. 2 F 327/07, verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen durch Vorlage einer systematischen Aufstellung über das Nettoeinkommen des Beklagten im Zeitraum vom 01.04.2006 bis 30.06.2007 durch Vorlage

- der Gehaltsabrechungen des Arbeitgebers im Auskunftszeitraum,

- des Steuerbescheides für das Jahr 2006, sofern dieser noch nicht vorliegt, für das Jahr 2005,

- sowie der Steuererklärung für das Jahr 2006,

- sofern der Beklagte Einkünfte aus Arbeitslosengeld, Krankengeld, Rente wegen altersverminderter Erwerbstätigkeit, Rente nach BVG und BEG im vorgenannten Zeitraum erhalten hat, durch Vorlage der für das Jahr 2006 ergangenen Bescheide der zuständigen Versicherungsträgrer,

- sofern der Beklagte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hat, durch Vorlage der Einnahmenüberschussrechnung für das Jahr 2006 und der Anlage V (Vermietung und Verpachtung zur Einkommensteuererklärung) sowie der Anlage FW (selbstgenutztes Wohnungseigentum) zur Steuerklärung für das Jahr 2006 und hinsichtlich der Einkünfte aus Kapitalvermögen durch Vorlage der KAP (Kapitaleinkünfte zur Steuererklärung für das Jahr 2006 und durch Vorlage einer Bankbestätigung).

II. Im Übrigen wird das Verfahren zur Entscheidung über den Antrag zu 2) der Klägerin auf Zahlung von Volljährigenunterhalt ab dem 01.07.2007 an das Amtsgericht - Familiengericht - Mühlhausen zurückverweisen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat.

Das Urteil ist zu Ziffer I. vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin, die am 15.03.1983 geboren ist, nimmt den Beklagten im Wege der Stufenklage auf Auskunftserteilung und Zahlung des sich daraus ergebenden Unterhaltsbetrages ab dem 01.06.2007 in Anspruch.

Der Klägerin wurde mit Bescheid vom 30.04.2007 ab 11/2006 Bafög verweigert, weil das einzusetzende Einkommen des Vaters in Höhe von 414,79 € ihren Bedarf übersteige.

Die Klägerin hat zu ihrem Werdegang angegeben:

5/02: Schulabbruch

9/02 - 11/02: Ausbildung zur Zahnarzthelferin in München

11/02 - 2/03: Suche nach Ausbildungsplatz als Zahnarzthelferin in Berlin

Minijob bei M. P. in Berlin

3/03: Umzug nach Mühlhausen, Ausbildungsstelle ab Ausbildungsjahr 2003/04 in Geismar gefunden, Vorstellungsgespräch

18.05.2003: schwerer Verkehrsunfall, arbeitsunfähig bis 4/04

9/04 - 7/05: Erwerb der Realschulreife

5/04 - 9/06: Nebenjob bei R. Treuhand GmbH

7/05 - 10/06 Suche nach einem Ausbildungsplatz

2/06 - 4/06: 7 Ablehnungsschreiben für Ausbildung als Zahnarzthelferin

Klägerin kann 2005 die Ausbildung zur Logopädin nicht antreten (S-Laut fehlt); diese VS ist 2006 behoben.

11/06: Beginn der Ausbildung zur Logopädin an einer Privatschule in Erfurt. Das Ausbildungsende ist 10/09. Das Schulgeld beträgt 300,- €/Monat.

Wegen der näheren Einzelheiten des Vortrages der Parteien und der Antragstellung wird Bezug genommen auf die Feststellungen in dem erstinstanzlichen Urteil, das von einem Beginn der geltend gemachten Unterhaltspflicht ab dem 01.07.2007 ausgeht (Bl. 68 - 70 d A).

Das Amtsgericht hat eine Entscheidung durch Endurteil getroffen, weil schon die Prüfung des Auskunftsanspruches ergebe, dass dem Hauptanspruch die materiell-rechtliche Grundlage fehle (BGH, NJW 2002, 1042). Die Klägerin könne keinen materiell-rechtlichen Anspruch auf Unterhaltszahlung geltend machen, weshalb der Beklagte nicht verpflichtet sei, Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen.

Der Berechtigte sei im Verhältnis zum Verpflichteten gehalten, die Ausbildung mit Fleiß und Zielstrebigkeit zu fördern, damit er sie innerhalb einer angemessenen und üblichen Zeit beenden könne. Zugestanden werde zwar eine Überlegungsfrist nach der Beendigung der allgemeinen Schullaufbahn. Die Klägerin habe ihre Ausbildungsobliegenheit vernachlässigt, indem sie von München nach Berlin gezogen sei, um demselben Ausbildungsberuf zu ergreifen, und dies erneut in Kenntnis der auch in Berlin überdurchschnittlichen Lebenshaltungskosten. Nach ihrem Umzug nach Mühlhausen habe sie sich erneut und offenbar erfolgreich in Mühlhausen um eine Ausbildung als Zahnarzthelferin bemüht. Sie habe damit eine ihr obliegende Pflicht zumindest nachlässig nicht erfüllt, ihre Ausbildung zügig und mit der gebotenen Anstrengung zu absolvieren. Auch wenn man zugestehe, dass die Klägerin - einem Bekunden zufolge - wohlwollend unter Umständen als "Spätstarterin" eingestuft werden könne, sei seit den missglückten Bemühungen, die Abiturprüfung zu bestehen, bis zu ihrem Unfall im Mai 2005 unverhältnismäßig viel Zeit vergangen, bevor die Klägerin sicher und offenbar auch in der Lage war, ihre Ausbildung zu beginnen und erfolgreich zu beenden.

Die Voraussetzungen der "Abitur-Lehre-Studium-Fälle" lägen erkennbar nicht vor, so dass der Klägerin ein Unterhaltsanspruch nicht zustehe.

Die Klägerin greift das Urteil I. Instanz mit der Berufung an.

Die Klägerin trägt vor, eine Auskunftspflicht bestehe nur dann nicht, wenn die begehrten Angaben den Unterhaltsanspruch unter keinem Gesichtspunkt beeinflussen können, etwa weil eine Barunterhaltspflicht sowieso entfalle, weil es von vorn herein keine Bedürftigkeit gebe oder weil die Leistungsfähigkeit nicht gegeben sei bzw. weil diese mit dem bereits geleisteten Unterhalt erschöpft sei.

Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, die Klägerin habe ihre Ausbildung nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit betrieben.

Die von dem Gericht I. Instanz zitierte Entscheidung (BGH, NJW 2002, 1042, 1044) betreffe nicht ansatzweise eine familiengerichtliche Entscheidung; es gehe dort um Aufklärungspflichten des Veräußerers beim Unternehmenskauf.

Der Beklagte habe gegenüber der Klägerin seine Verpflichtung zu einer Ausbildung bisher noch nicht erfüllt (§ 1610 Abs. 2 BGB); die Klägerin habe noch keine abgeschlossene Ausbildung.

Hinzu komme, dass die Klägerin durch den im Jahr 2003 erlittenen Verkehrsunfall in eine unverschuldete Notlage gekommen sei, die ihren Unterhaltsanspruch gegenüber dem Beklagten wieder aufleben lasse. Auch habe der Beklagte an die Klägerin bis heute keinen Ausbildungsunterhalt gezahlt; er habe seine Zahlungen unmittelbar nach Abschluss des Abiturs eingestellt.

Lt. BGH (FamRZ 2006, 1100) habe ein Unterhaltsschuldner auch eine nicht unerhebliche Verzögerung in der Ausbildung des Kindes hinzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller Umstände nur auf ein leichteres, vorübergehendes Versagen des Kindes zurückzuführen sei.

Demnach schulde der Beklagte Unterhalt, solange das Kind noch keine oder keine angemessene Berufsausbildung erfahren habe, es sei denn, es liege eine besonders lange Verzögerung vor, dann müsse sich das Kind seinen Lebensunterhalt mit ungelernten Tätigkeiten oder aufgrund sonstiger Begabung und Fertigkeiten verdienen (BGH, FamRZ 1998, 571, 672).

Eine besonders lange Verzögerung könne nur dann angenommen werden, wenn die Verzögerung ausschließlich auf Verletzung von Obliegenheiten des Unterhaltsgläubigers zurückzuführen sei.

Das Amtsgericht habe die "Spätentwicklerrechtsprechung" nicht beachtet. Hinzu komme, dass wesentlicher Umstand der Verzögerung des Beginns der Berufsausbildung als Logopädin die Beteiligung der Klägerin an einem Verkehrsunfall gewesen sei, bei dem sie unverschuldet als Sozius auf einem Motorrad so schwer verletzt worden sei, dass sie über längere Zeit krankheitsbedingt ausgefallen sei und somit die zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls bereits innegehaltene Ausbildung als ZA-Helferin in Westthüringen nicht habe beginnen können.

Der Beklagte habe die Unterhaltszahlungen im Mai 2002 eingestellt. Die Klägerin habe im Jahre 2001 die Abiturprüfung nicht bestanden. Sie habe aufgrund ihrer Leistungen im Mai 2002 das Abitur abgebrochen. Zum damaligen Zeitpunkt habe die Regelung, dass mit Absolvierung des 10. Schuljahres eine Realschulprüfung geschrieben werde, nicht existiert; die Klägerin habe somit im Mai 2002 die Schule ohne Abschluss verlassen.

Die Klägerin habe im November 2002 die Ausbildung zur ZA-Helferin abgebrochen, da der Beklagte trotz Mahnung keinen Unterhalt mehr gezahlt habe. In der Zeit von 11/02 bis 2/03 habe sie sich um einen Ausbildungsplatz in Berlin bemüht. Sie habe einen Minijob bei M. P. in Berlin angenommen und sich zu ZA-Praxen begeben und dort einen Ausbildungsplatz gesucht. Die Bewerbungen hätten insofern Erfolg gehabt, als sie in einer ZA-Praxis habe "probearbeiten" können. Die hygienischen Bedingungen seien so schlecht gewesen, dass sie die Ausbildung nicht begonnnen habe.

Im März 2003 sei sie nach Mühlhausen verzogen. Sie habe im Mai 2003 ein Vorstellungsgespräch und ein Probearbeitsverhältnis bei einer Zahnärztin in Geismar gefunden und habe zum Ausbildungsjahr 2003/04 eine Ausbildung als Zahnarzthelferin beginnen können.

Am 18.05.2003 habe sie einen schweren Verkehrsunfall erlitten und sei bis April 2004 arbeitsunfähig gewesen. Von 9/04 bis 7/05 habe sie mit Erfolg im Rahmen eines Abendkurses ihren Realschulabschluss erreicht. Von 5/04 bis 9/06 habe sie bei der R. Treuhand GmbH auf der Basis einer geringfügigen Beschäftigung einen Nebenjob bekleidet.

In der Zeit von 7/05 bis 10/06 habe sie einen Ausbildungsplatz als Arzthelferin, Zahnarzthelferin und Logopädin gesucht. Im Jahre 2005 habe sie noch keine Ausbildung als Logopädin beginnen können, da sie den "S-Laut" noch nicht entsprechend dem Berufsbild einer Logopädin herausgebildet habe.

Die angestrebte Ausbildung als Zahnarzthelferin habe auf einer Fehleinschätzung beruht. Für den Zeitraum 2003/04 habe keine Obliegenheit für die Klägerin bestanden, da sie arbeitsunfähig gewesen sei. Für den nachfolgenden Zeitraum lägen Arbeitsbemühungen vor.

Wegen der Antragstellung der Klägerin im Rahmen des Auskunftsantrages wird auf den Schriftsatz vom 06.10.2008 Bezug genommen (Bl. 98, 99 d A).

Die Klägerin beantragt weiter hinsichtlich des unbezifferten Zahlungsantrages Zurückverweisung an das Amtsgericht.

Der Beklagte hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen und hat zuletzt den Auskunftsanspruch der Klägerin anerkannt.

Der Beklagte führt an, die Klägerin sei mittlerweile 25 Jahre alt. Sie habe es versäumt, eine kontinuierliche Ausbildung für einen entsprechenden Abschluss zu erlangen. Der Klägerin fehle es an der notwendigen Ernsthaftigkeit und dem notwendigen Verantwortungsbewusstsein. Die Klägerin habe das Abitur im Mai 2002 unmittelbar vor der Wiederholungsprüfung abgebrochen. Die Ausbildung in München habe nur zwei Monate gedauert. Dass die Klägerin Berlin als möglichen neuen Ausbildungsort ausgesucht habe, wo die Lebenshaltungskosten nicht minder hoch seien, spreche gegen ihre Verpflichtung, die Ausbildung mit Fleiß und Zielstrebigkeit zu betreiben. Der Rückzug der Klägerin aus Berlin sei quasi wie ein Zweitabbruch der Ausbildung zu werten. Die Ausbildung zur ZA-Helferin 2003/04 wäre dann der dritte Versuch der Klägerin gewesen, die Ausbildung als ZA-Helferin neu zu beginnen, wiederum verbunden mit einem Zeitverlust von 6 Monaten.

Die Klägerin sei eine konkrete Aussage und Beweisführung schuldig geblieben. Bezogen auf die Tätigkeit in Berlin (11/02 bis 2/03) sei kein schlüssiger Vortrag erfolgt. Es fehle jeglicher Vortrag, welche Bemühungen die Klägerin im Zeitraum nach dem Unfall (5/03 bis 4/04) unternommen habe, hier eine neue Ausbildung aufnehmen zu wollen. Eine einjährige Arbeitsunfähigkeit werde bestritten. Auch für den Zeitraum 5/04 bis 8-9/04, 7/05 - 10/06 fehle es an substantiellem Vortrag, was die Klägerin in dieser Zeit unternommen habe, um eine Ausbildung aufzunehmen bzw. fortzusetzen. Die Tätigkeit bei der Firma R. werde bestritten. Absagen seien nur für 2/06 bis 4/06 vorgelegt worden und nur für die Ausbildung als ZA-Helferin. Dass die Klägerin in diesen Zeiträumen ausreichende Bemühungen unternommen habe, einen Ausbildungsplatz zu finden, müsse bestritten werden. Die mit Schriftsatz der Gegenseite vom 10.01.2008 vorgelegten Absagen dürften im Rahmen einer so langen Zeitspanne nicht ausreichend sein.

Es sei nicht nachvollziehbar, was die Klägerin in der Zeit von 7/05 bis 9/07 in einer möglichen Erwerbstätigkeit geleistet habe. Es werde bestritten, dass sie an der Ausbildung des "S-Lautes" gearbeitet habe. Sie hätte ihre ursprüngliche Ausbildung als ZA-Helferin weiterführen können. Hier liege nur die klägerische Bewertung vor, sie habe sich um einen neuen Ausbildungsplatz bemüht. Das jetzige Ausbildungsverhältnis habe wohl erst im September 2007 begonnen.

Es sei nicht nachvollziehbar, wieso die begonnene Ausbildung als ZA-Helferin auf einer Fehleinschätzung beruhen solle. Von daher sei die Kontinuität bezogen auf eine Ausbildung und deren Abschluss nicht ersichtlich.

Die Ausbildung als Logopädin werde an einer Privatschule absolviert. Es gebe die Ausbildung auch im Rahmen einer staatlichen Ausbildung. In dieser Ausbildungsform werde entweder Ausbildungsvergütung oder zumindest Ausbildungsbeihilfe gezahlt. Die Klägerin habe es damit versäumt, die Ausbildungsart den finanziellen Möglichkeiten der Eltern anzupassen.

Die Klägerin sei verpflichtet, Auskunft über ihre eigenen Vermögensverhältnisse zu erteilen und für die Kindesmutter die Steuerbescheide für 2005 - 2007 vorzulegen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthaft und im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden; insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt (§ 517 ZPO) und begründet (§ 520 Abs. 2 ZPO) worden. Sie führt auch im Rahmen der Antragstellung zum Erfolg.

Das Amtsgericht hat den Auskunftsanspruch der Klägerin zu Unrecht verneint und die Klage insgesamt abgewiesen. Dem Auskunftsantrag ist nach dem Anerkenntnis des Beklagten stattzugeben und der Rechtsstreit ist im übrigen auf Antrag der Klägerin in entsprechender Anwendung des § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO an das Amtsgericht zurückzuverweisen (BGH, NJW 2006, 2626; Zöller/Heßler, ZPO, 27. Auflage, § 538, Rdnr. 48).

Der Beklagte hat seine Auskunftsverpflichtung vor dem Senat im beantragten Umfange anerkannt; insoweit war ein Anerkenntnisurteil zu erlassen.

Der Auskunftsanspruch ist das Mittel, Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse, die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und die Bedürftigkeit des Berechtigten bestimmenden Verhältnisse zu erlangen. Er soll die Beteiligten in die Lage versetzen, einen Rechtsstreit zu vermeiden oder in ihm die Forderungen richtig zu berechnen und begründete Einwendungen vorzubringen. Der Auskunftsanspruch erstreckt sich auf alle Umstände, die erforderlich sind, um die Bestimmtheit des Leistungsanspruches herbeizuführen (Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Auflage, Rdnr. 682).

Der im Grundsatz uneingeschränkte Auskunftsanspruch entfällt, wenn feststeht, dass die Auskunft die Unterhaltsverpflichtung unter keinem Gesichtspunkt beeinflussen kann (BGH, FamRZ 1982, 996 und 1189). Kein Auskunftsanspruch besteht daher bei uneingeschränkter Leistungsfähigkeit des Pflichtigen, wenn dieser also in der Lage ist, den geltend gemachten Bedarf aus dem zugestandenen Einkommen zu decken (BGH, FamRZ 1994, 1169) oder wenn der Unterhaltsanspruch unabhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Schuldners ausgeschlossen ist (OLG Düsseldorf, FamRZ 1998, 1191).

Das Vorgericht hat hier ein Entfallen des Unterhaltsanspruches angenommen. Der Senat weist darauf hin, dass das Amtsgericht im Ansatz zutreffend davon ausgegangen ist, dass der aus § 1610 Abs. 2 BGB folgende Anspruch eines Kindes auf Finanzierung einer angemessenen, seiner Begabung, Neigung und seinem Leistungswillen entsprechenden Berufsausbildung vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt ist. Der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners, eine Berufsausbildung zu ermöglichen, steht auf Seiten des Unterhaltsberechtigten die Obliegenheit gegenüber, sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden. Zwar muss der Verpflichtete nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) Verzögerungen der Ausbildungszeit hinnehmen, die auf ein vorübergehendes leichteres Versagen des Kindes zurückzuführen sind. Verletzt dieses aber nachhaltig seine Obliegenheit, seine Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen, büßt es seinen Unterhaltsanspruch ein und muss sich darauf verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen (vgl. BGH, FamRZ 2001, 757 ff.).

Aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis folgt nicht nur die Obliegenheit des Kindes, die gewählte Ausbildung zügig durchzuführen. Die Rücksichtnahme auf die Belange der mit der Unterhaltszahlung belasteten Eltern erfordert es viel-mehr auch, dass sich das Kind nach dem Abgang von der Schule innerhalb einer angemessenen Orientierungsphase für die Aufnahme einer seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechenden Ausbildung entscheidet (BGH, a.a.O.; FamRZ 2006, 1100).

Die Anwendung dieser Grundsätze führt im vorliegenden Fall nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht dazu, dass die Klägerin keinen Ausbildungsunterhalt beanspruchen kann.

Die Klägerin ist am 15.03.1983 geboren und war, als sie durch das Abitur gefallen ist, erst 18 Jahre alt. Dass sie den Versuch unternommen hat, die Nachprüfung zu schaffen, ist unterhaltsrechtlich nicht zu beanstanden.

Wie die einem jungen Menschen zuzugestehende Orientierungsphase zu bemessen ist, muss von Fall zu Fall beurteilt werden. Maßgebende Kriterien sind dabei Alter, Entwicklungsstand und die gesamten Lebensumstände des Auszubildenden (BGH, a.a.O.). Der Umstand, dass die Klägerin sich nach dem Abitur nicht sogleich für eine Berufsausbildung entscheiden konnte, sondern zunächst in verschiedenen Bereichen arbeitete, um daraus Erkenntnisse für ihre Berufswahl zu gewinnen, steht einem Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nicht entgegen. Die Orientierungsphase dient gerade dazu, einem in der Frage der Berufswahl unsicheren jungen Menschen die Entscheidung für einen Beruf zu erleichtern. Die hier etwa einjährige Dauer dieser Phase kann angesichts der gesamten Verhältnisse nicht als unangemessen lang angesehen werden, zumal der Kindesvater ihr unstreitig keinen Kindesunterhalt während des Zeitraums der Ausbildungssuche gezahlt hat.

Zum Herbst 2003/04, als die Klägerin etwa ein Jahr nach dem Abitur am 09.05.2003 (Bl. 43 d A) eine Ausbildungsstelle gefunden hatte, hat sie am 18.05.2003 als Sozius einen schweren Motorradunfall erlitten und konnte die Ausbildungsstelle nicht antreten; sie war im Anschluss ein Jahr arbeitsunfähig.

Die Klägerin hat sodann die Realschulreife in einer Abendschule erworben und ein weiteres Jahr mit der Suche nach einer Lehrstelle bzw. der Vorbereitung auf die Ausbildung als Logopädin verbracht. Während dieser Zeit hat sie ihren Lebensunterhalt mit einem Nebenjob bei der R. Treuhand GmbH finanziert.

Für das weitere Verfahren sollte das Amtsgericht darauf hingewiesen werden, dass es vorliegend nicht um die Frage einer Weiter- oder Zweitausbildung, sondern um die Erstausbildung der Klägerin geht, nachdem sie die Ausbildung zur Zahnarzthelferin abgebrochen und die Ausbildung zur Logopädin begonnen hat.

Ein solcher Wechsel der Ausbildung ist unbedenklich, wenn er einerseits auf sachlichen Gründen beruht und andererseits unter Berücksichtigung der Gesamtumstände aus der Sicht des Unterhaltspflichtigen wirtschaftlich zumutbar ist. Für die Annahme eines hinreichenden Grundes kann etwa der Umstand sprechen, dass zwischen der abgebrochenen und der angestrebten Ausbildung ein sachlicher Zusammenhang besteht. Jedem jungen Menschen ist grundsätzlich zuzubilligen, dass er sich über seine Fähigkeiten irrt oder falsche Vorstellungen über den gewählten Beruf hat. Dabei wird ein Ausbildungswechsel um so eher zu akzeptieren sein, je früher er stattfindet. Dies folgt aus dem Gedanken, dass die schutzwürdigen Belange des Unterhaltspflichtigen es gebieten, sich möglichst frühzeitig darauf einrichten zu können, wie lange die Unterhaltslast dauern wird (BGH, a.a.O.).

Im vorliegenden Fall ist eine Unterbrechung durch den Verkehrsunfall und die sich anschließende längere Behandlungsbedürftigkeit der Klägerin eingetreten, so dass der Beklagte nicht ohne weiteres darauf vertrauen durfte, die Klägerin werde keine Ausbildung mehr anstreben.

Das OLG Köln (FamRZ 2005, 301 f.) hat in einem ähnlich gelagerten Fall entschieden, dass ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt auch dann noch bestehen kann, wenn der Unterhaltsberechtigte nach Schulabbruch bis zur Aufnahme seiner Ausbildung mehr als 2,5 Jahre weitgehend tatenlos hat verstreichen lassen.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin sogar vier Jahre vergehen lassen; sie ist aber - wie vorstehend ausgeführt - ein Jahr krank gewesen und hat während eines weiteren Jahres ihren Realschulabschluss nachgeholt, nachdem sie zuvor das Gymnasium nach der zwölften Klasse ohne Abschluss verlassen hat. Auch hat die Klägerin bei dem Realschulabschluss gute bis sehr gute Noten erzielt (sehr gut in Englisch, Mathematik und Geschichte), so dass berechtigte Aussicht besteht, dass sie die Fachschulausbildung als Logopädin erfolgreich abschließen wird.

Die Ausbildung zur Logopädin erfordert den Besuch einer Fachschule; eine Ausbildungsvergütung erhält die Klägerin nicht (vgl. www.mefa.uni-jena.de/logopaede.htm).

III.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 1, 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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