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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 07.06.1998
Aktenzeichen: 1 UF 485/98
Rechtsgebiete: FGG, VAHRG


Vorschriften:

FGG § 12
FGG § 53 b
VAHRG § 11
Rechtliche Grundlage:

FGG §§ 12, 53 b; VAHRG § 11

Teilt der Versorgungsträger dem Gericht im Rahmen des Versorgungsausgleichs offene Fehlzeiten der Parteien mit, dann obliegen dem Gericht im Rahmen des Amtsermittlungsprinzips umfassende Pflichten zur Aufklärung hinsichtlich der konsequenten Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen. Solange die Möglichkeit der Aufklärung von Versicherungszeiten nicht objektiv unmöglich ist, muß die Möglichkeit der positiven Entscheidungsfindung - notfalls durch Weglegen der Akten - erhalten bleiben.

Thür. OLG Beschl. v. 7.6.1998 - 1 UF 485/98 -


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluß

1 UF 485/98 F 52/97 AG Rudolstadt

In der Familiensache

- Antragsgegner und Beschwerdeführer -

Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwältin A ,

gegen

- Antragstellerin und Beschwerdegegnerin -

Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwältin

Verfahrensbeteiligte:

Landesversicherungsanstalt Thüringen Kranichfelder Straße 3, 99097 Erfurt

- vertreten durch ihren Geschäftsführer -

(VSNR.: Antragstellerin)

(VSNR.: Antragsgegner)

hat das Thüringer Oberlandesgericht in Jena, Senat für Familiensachen, durch Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Schweikhardt, Richter am Amtsgericht Mummert und Richterin am Amtsgericht Martin auf die befristete Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Rudolstadt vom 24.11.1998 (Az. F 52/97)

am 07.06.1999

beschlossen:

Tenor:

1. Der Beschluß des Amtsgerichts Rudolstadt vom 24.11.1998 wird aufgehoben; die Sache wird an das Amtsgericht - Familiengericht - Rudolstadt zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu befinden haben wird.

2. Der Beschwerdewert wird auf 1000,- DM festgesetzt (§ 17 a Nr. 1 GKG).

3. Dem Antragsgegner wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Andres, Rudolstadt, bewilligt.

Gründe:

Das Amtsgericht - Familiengericht - Rudolstadt hat durch den angegriffenen Beschluß den Versorgungsausgleich nicht geregelt. Zur Begründung wird ausgeführt, die Antragstellerin habe nicht hinreichend bei der Klärung ihres Versicherungsverlaufes mitgewirkt. Stehe aber die Höhe der Rentenanwartschaften nicht fest und sei auch künftig damit nicht zu rechnen, scheide eine Durchführung des Versorgungsausgleiches aus.

Die gemäß der §§ 629 a Abs. 2 Satz 1, 621 e Abs. 1, 3 ZPO, 53 b Abs. 2 FGG zulässige Beschwerde hat auch in der Sache insofern Erfolg, als die Entscheidung des Amtsgerichts verfahrensfehlerhaft ergangen ist. Es liegt ein wesentlicher Verfahrensverstoß vor, der zur Aufhebung und Zurückverweisung des Verfahrens zur erneuten Entscheidung führt.

Im Rahmen des Versorgungsausgleichsverfahrens als einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit hat das Amtsgericht von Amts wegen zu ermitteln (§§ 53 b, 12 FGG). Dem Untersuchungsgrundsatz ist das Amtsgericht jedoch nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Das Gericht braucht zwar nicht allen denkbaren Möglichkeiten nachzugehen, sondern darf die Ermittlungen einstellen, wenn ihre Fortsetzung ein die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr erwarten läßt (BayObLG, FamRZ 1990, 1162 [1163]).

Dies war vorliegend aber nicht der Fall. Mit Schreiben vom 12.11.1997 hatte die Landesversicherungsanstalt Thüringen dem Amtsgericht die offenen Fehlzeiten mitgeteilt. Bei dieser Sachlage hätte das Amtsgericht die Parteien anhören sowie bei entsprechenden Anhaltspunkten Nachforschungen beispielweise bei schulischen Einrichtungen, bei Arbeitgebern (soweit bekannt) sowie dem zuständigen Arbeitsamt im Falle der Arbeitslosigkeit einholen können und müssen. Die Auskunftspflicht von Behörden ergibt sich aus § 53 b Abs. 2 S. 2 , 3 FGG, die des Ehegatten aus § 11 VAHRG.

Schließlich hätte auch die konsequente Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen Erfolgsaussichten gehabt, wie sich aus der jetzt gezeigten Mitwirkungsbereitschaft der Antragstellerin ergibt. Keinesfalls war jedoch die endgültige Ablehnung, einen Versorgungsausgleich durchzuführen, gerechtfertigt. Solange die Möglichkeit der Aufklärung der Versicherungszeiten der Antragstellerin nicht objektiv unmöglich war, mußte die Möglichkeit der positiven Entscheidungsfindung - notfalls durch Weglegen der Akten - jedenfalls erhalten bleiben.

Da die Sache noch nicht entscheidungsreif ist, hat der Senat davon abgesehen, gemäß § 540 ZPO eine eigene Sachentscheidung zu treffen. Die weitere Aufklärung obliegt dem Amtsgericht.

Ende der Entscheidung

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