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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 02.02.2004
Aktenzeichen: 1 Ws 342/03
Rechtsgebiete: BRAGO, StGB


Vorschriften:

BRAGO § 91
BRAGO § 97 Abs. 1
BRAGO § 97 Abs. 2
BRAGO § 112
StGB § 67e
1. Im Verfahren nach § 67e StGB - Überprüfung der Fortdauer des Maßregelvollzugs einschließlich der mündlichen Anhörung des Untergebrachten - erhält der Pflichtverteidiger Gebühren nach § 91 Nr. 2 BRAGO.

2. Eine Gebührenerhöhung nach § 97 Abs. 1 Satz 3 BRAGO ist mangels ausdrücklicher Verweisung auf § 91 BRAGO dabei nicht vorzunehmen. Eine analoge Anwendung von § 97 Abs. 1 Satz 3 BRAGO kommt nicht in Betracht; der Anspruch auf einen Haftzuschlag lässt sich auch nicht aus § 83 Abs. 3 BRAGO herleiten.

3. Für die Vorbereitung der mündlichen Anhörung entsteht keine weitere Gebühr nach § 91 Nr. 1 BRAGO.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

1 Ws 342/03

In dem Strafvollstreckungsverfahren

wegen Maßregelvollzug

hier: Beschwerde nach § 98 Abs. 3 BRAGO

hat auf die Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluß der 10. Strafkammer - Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Mühlhausen vom 19.09.2003 der 1. Strafsenat des Thüringer Oberlandesgerichts durch

Richter am Oberlandesgericht Dr. Schwerdtfeger als Vorsitzenden, Richter am Oberlandesgericht Schulze und Richterin am Landgericht Diedrich

am 02. Februar 2004

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors wird der Beschluss der 10. Strafkammer - Strafvollstreckungskammer - des Landgerichts Mühlhausen vom 19.09.2003 aufgehoben.

2. Die aus der Landeskasse zu erstattenden Gebühren werden auf 133.98 € festgesetzt.

3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 98 Abs. 4 BRAGO).

Gründe:

I.

Rechtsanwalt G. R. wurde dem Verurteilten mit Beschluss des Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Mühlhausen vom 01.07.2002, Az.: 1 StVK 19/02, für das Strafvollstreckungsverfahren - Maßregelvollzug - gemäß § 140 Abs. 2 StPO als Pflichtverteidiger beigeordnet.

Mit Schriftsatz vom 17.06.2003 rechnete der Verteidiger seine Tätigkeit in Bezug auf die am 26.05.2003 nach § 67e StGB stattgefundene Anhörung des Verurteilten vor der Strafvollstreckungskammer gemäß § 97 BRAGO nach § 91 Nr. 1 und 2 BRAGO in Höhe von insgesamt 368,88 € ab. Von der zuständigen Kostenbeamtin wurde nach zuvor erfolgter Anhörung des Verteidigers am 25.07.2003 eine Kostenerstattung i. H. v. insgesamt 133,98 € als sachlich und rechnerisch richtig ermittelt und die Auszahlung des Betrages angewiesen. Gegen diesen Bescheid legte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 30.07.2003, bei dem Landgericht Mühlhausen am 01.08.2003 eingegangen, Erinnerung ein. Nach dem Eingang der die Auffassung der Kostenbeamtin teilenden Stellungnahme des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Mühlhausen änderte der Vorsitzende der 10. Strafkammer - Strafvollstreckungskammer - des Landgerichts Mühlhausen auf die Erinnerung des Verteidigers mit Beschluss vom 19.09.2003 den Bescheid des Landgerichts Mühlhausen vom 25.07.2003 dahingehend ab, dass dem Verteidiger für seine Tätigkeit eine Vergütung von 222,72 € zugestanden wurde. Zur Begründung führte die Kammer im Wesentlichen aus, dass sie an ihrer noch mit Beschluss vom 15.05.2002 vertretenen Rechtsauffassung, wonach für Verfahren nach § 67e StGB innerhalb der BRAGO keine Regelungslücke bestünden, nicht mehr festhalte und sie sich nunmehr der mit Beschluss vom 30.01.2003, Az.: 3 Qs 398/02, von der 3. Großen Strafkammer - als Beschwerdekammer in Kostenfestsetzungsverfahren - des Landgerichts Mühlhausen vertretenen anderslautenden Meinung anschließe. Nach deren Rechtsprechung soll die Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch eines im Rahmen des Überprüfungsverfahrens nach § 67e StGB beigeordneten Pflichtverteidigers die analoge Anwendung der "§§ 91 Abs. 1 Nr. 2; 97 Abs. 1 Satz 1 und 3 BRAGO" sein. Grundlage ihrer Entscheidung ist der nach ihrer Ansicht in § 83 Abs. 3 BRAGO zum Ausdruck kommende allgemeine Rechtsgedanke, des vom Gesetzgeber anerkannten, regelmäßig mit einer Vertretung eines nicht auf freiem Fuß befindlichen Mandanten, einhergehenden erheblichen Mehraufwandes für den beauftragten Verteidiger, welcher schließlich mit um bis zu 25 % höheren Gebühren abgegolten werden könne.

Mit Verfügung vom 30.09.2003 wurde der Beschluss dem Bezirksrevisor bei dem Landgericht Mühlhausen zur Kenntnis gebracht. Mit Stellungnahme vom 13.10.2003 legte dieser namens der Staatskasse gem. § 98 Abs. 3 BRAGO Beschwerde gegen diese Entscheidung ein und beantragte unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, die gesetzliche Vergütung des Pflichtverteidigers auf 133,98 € festzusetzen. Diese Stellungnahme wurde dem Verteidiger des Verurteilten mit der Nichtabhilfeentscheidung des Vorsitzenden der 10. großen Strafkammer - Strafvollstreckungskammer - des Landgerichts Mühlhausen vom 17.10.2003 zur Kenntnis gegeben.

II.

Die zulässige Beschwerde der Staatskasse ist aus den zutreffenden Gründen des Beschwerdevorbringens des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Mühlhausen vom 13.10.2003 begründet. Der Pflichtverteidiger des Verurteilten G., Rechtsanwalt R., hat für die Vertretung des Verurteilten anlässlich der im Mai 2003 stattgefundenen mündlichen Anhörung nach § 67e StGB lediglich einen Vergütungsanspruch in Höhe von 133,98 €. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Bescheid der Kostenbeamtin vom 25.07.2003 sowie auf die Ausführungen des Vertreters der Staatskasse in seiner Stellungnahme vom 13.10.2003 verwiesen.

Entsprechend der mittlerweile in Rechtsprechung und Literatur herrschenden und vom Senat geteilten Auffassung bestimmen sich die Gebühren des Verteidigers im jährlichen Überprüfungsverfahren zur Fortdauer der Unterbringung (§ 67e StGB) nach § 91 Nr. 2 BRAGO und nicht nach § 112 BRAGO. Aus der in der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung vorgenommenen Gliederung der verschiedenen Gebührenbereiche in entsprechende Abschnitte ergibt sich eindeutig die Absicht des Gesetzgebers, abschließende Regelungen zu normieren. Die Tätigkeit des Verteidigers in Strafsachen - mithin auch die Tätigkeit im sich anschließenden Vollstreckungsverfahren - ist daher ausschließlich nach den Vorschriften des 6. Abschnittes zu vergüten. Insoweit besteht auch Einigkeit zwischen der für dieses Verfahren zuständigen Kostenbeamtin, des Vertreters der Staatskasse als auch des Vorsitzenden der 10. Strafkammer - Strafvollstreckungskammer - des Landgericht Mühlhausen in der hier angefochtenen Entscheidung.

Der Vergütungsanspruch eines gerichtlich bestellten Verteidigers berechnet sich im Falle einer Tätigkeit im Überprüfungsverfahren nach § 67e StGB nach §§ 97 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. 91 Nr. 2 BRAGO ("einer mündlichen Verhandlung"). Ein gesonderter Haftzuschlag wird für diese in § 91 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO geregelten Einzeltätigkeiten eines Pflichtverteidigers danach nicht gewährt. Die in § 97 Abs. 1 Satz 3 BRAGO enthaltene Regelung: "Befindet sich der Beschuldigte nicht auf freiem Fuß, erhält der Rechtsanwalt ... anstelle des Vierfachen das Fünffache der Mindestgebühr." ist mangels ausdrücklicher Verweisung auf § 91 BRAGO nicht auf die in § 91 Nr. 2 BRAGO normierten Fälle anwendbar.

Ein Anspruch auf einen gesonderten Haftzuschlag ergibt sich auch nicht aus sonstigen Rechtsgründen.

Insbesondere scheidet eine analoge Anwendung des § 97 Abs. 1 Satz 3 BRAGO aus, da eine Regelungslücke, wie von der Strafvollstreckungskammer und der Beschwerdekammer des Landgerichts Mühlhausen angenommen, nicht ersichtlich ist. Die in § 97 Abs. 1 Satz 1 und 3 BRAGO enthaltenen Verweisungen beziehen sich auf nicht vergleichbare Sachverhalte. In § 97 Abs. 1 Satz 1 BRAGO wird wegen der Vergütung von Pflichtverteidigern auf alle Tätigkeitsbereiche eines Verteidigers in Strafsachen Bezug genommen, während in Satz 3 lediglich eine Verweisung auf Tätigkeiten in komplexen Verfahrensabschnitten (z. B. erste Instanz, Berufungsverfahren u. a.) erfolgt. Dies entspricht zunächst der grundsätzlichen gesetzgeberischen Entscheidung, den Pflichtverteidiger in Abweichung zum Wahlverteidiger für die entfaltete Tätigkeit gebührenrechtlich gesondert zu behandeln und zu vergüten. Des Weiteren soll der Pflichtverteidiger nicht kostenlos tätig werden, sondern für seine Tätigkeit eine angemessene Vergütung erhalten, was die umfassende Verweisung in § 97 Abs. 1 Satz 1 BRAGO auf alle Tätigkeitsbereiche erklärt. Dort ist die grundsätzliche Berechnung der einem Pflichtverteidiger zustehenden Gebühren geregelt. Demgegenüber verweist § 97 Abs. 1 Satz 3 BRAGO nicht mehr auf alle Tätigkeitsbereiche, sondern lediglich noch auf Verfahrensabschnitte, deren zeitlicher und sachlicher Umfang nicht ohne weiteres vorhersehbar ist. Für diese Fälle soll der mit einer Haft regelmäßig verbundene erhöhte zeitliche Aufwand eines Verteidigers durch eine Erhöhung der Gebühr abgegolten werden. Nicht vergleichbar ist diese Situation aber mit derjenigen eines Verteidigers, der lediglich einen in aller Regel zeitlich überschaubaren Einzelauftrag, z. B. zur Unterstützung eines Verurteilten anlässlich eines Anhörungstermins nach § 67e StGB, erhalten hat. Die Teilnahme an diesen Anhörungsterminen kann für jeden Fall der Anhörung einzeln abgerechnet werden. Auch wenn der Untergebrachte sich hier naturgemäß nicht in Freiheit befindet, ist der von dem Verteidiger zu erbringende Arbeits- und Zeitaufwand in aller Regel von vornherein begrenzt und überschaubar. Soweit dies im Einzelfall nicht der Fall ist, kann eine Erhöhung der Vergütung nach § 99 BRAGO erfolgen.

Entgegen der von der Beschwerdekammer und, dieser nachfolgend, von der Strafvollstreckungskammer vertretenen Meinung kommt in der in § 83 Abs. 3 BRAGO enthaltenen Regelung, wonach dem gewählten Verteidiger im Falle der Inhaftierung seines Mandanten ggfls. ein um bis zu 25 % höherer Gebührenrahmen zur Verfügung steht, auch kein allgemeiner - hier zu beachtender - Rechtsgedanke zum Ausdruck. Da das Verfahren in der Hauptsache beendet ist, gelangen die in § 83 BRAGO enthaltenen Regelungen bereits nicht (mehr) zur Anwendung (vgl. OLG Köln StV 1997, 37, 38; OLG Frankfurt JurBüro 2000, 306 f.). Auch wäre § 83 Abs. 3 BRAGO auf den hier zu beurteilenden Fall der Vergütung eines Pflichtverteidigers nicht anwendbar, da § 97 Abs. 1 Satz 3 BRAGO für diesen ausdrücklich eine gesonderte Regelung der Vergütung in Haftsachen enthält. Im Übrigen ergibt sich auch aus § 83 Abs. 3 BRAGO kein Anspruch auf eine bei der Vertretung eines inhaftierten Beschuldigten generell zu gewährende erhöhte Vergütung des (Wahl-)Verteidigers. Ein solcher Erhöhungsanspruch ergibt sich erst dann, wenn man die Tätigkeit des Verteidigers bei der erforderlichen Gesamtabwägung nicht mehr nach § 12 BRAGO ausreichend würdigen könnte, sondern von einer unangemessen niedrigen Vergütung ausgegangen werden müsste. Sie erfordert daher eine umfassende Prüfung aller nach § 12 BRAGO zu beachtenden Gesichtspunkte, die in Einzelfällen zu einem erhöhten Gebührenanspruch des Verteidigers führen kann.

Dem Pflichtverteidiger steht auch, in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Bezirksrevisors, eine weitere Vergütung seiner Tätigkeit nach § 91 Nr. 1 BRAGO für die Vorbereitung des Termins nicht zu. Bei den Gebühren des §°91 BRAGO handelt es sich ebenfalls um pauschalierte Gebühren. Durch diese werden all diejenigen Tätigkeiten des Rechtsanwalts abgegolten, die zur Ausführung des ihm erteilten Auftrages erforderlich sind. Dabei spielt das Maß der Tätigkeit für das Entstehen der Gebühr keine Rolle. Dieses wäre lediglich bei der Bemessung der Gebühr innerhalb des vorgesehenen Gebührenrahmens nach § 12 BRAGO zu berücksichtigen, der im Falle der Pflichtverteidigung allerdings nicht anwendbar ist. Wird der Verteidiger mit der Vertretung im Überprüfungsverfahren beauftragt, so wird hiermit also die gesamte erforderliche Tätigkeit (Vorbereitung, Terminsdurchführung und evtl. Nachbesprechung abgegolten). Der Verfahrensabschnitt und damit die Tätigkeit des Rechtsanwaltes endet erst mit rechtskräftigem Abschluss. Insoweit handelt es sich auch um keine in § 91 Nr. 2 und 3 BRAGO "nichterwähnte Beistandsleistung" i. S. v. § 91 Nr. 1 BRAGO. Die Vorbereitung des Termins gehört noch zur erforderlichen Tätigkeit im Rahmen des Auftrages zur Beistandsleistung im Anhörungstermin. Die Gebühr der Nummer 2 gilt damit die gesamte Tätigkeit aufgrund des erteilten Auftrages von Anfang bis zum Ende der Tätigkeit ab (§ 92 Abs. 2 BRAGO i. V. m. § 13 BRAGO). Zustimmend äußert sich insoweit auch die Strafvollstreckungskammer in der angefochtenen Entscheidung, obwohl sie dann in Widerspruch zu dieser Aussage bei der Berechnung eine Gebühr nach §§ 97, 91 Abs. 1 BRAGO - vierfacher Satz - (versehentlich?) einrechnet.

Eine weitergehende Differenzierung der Gebühren nach den anwaltlichen Tätigkeitsfeldern als bisher mag wünschenswert sein. Dies zu regeln und die rechtlichen Vorgaben hierfür zu schaffen, ist aber allein Sache des Gesetzgebers.

Nach § 98 Abs. 4 BRAGO ist das Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Ende der Entscheidung

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