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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 12.11.2003
Aktenzeichen: 1 Ws 347/03
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 67
StGB § 67d
Trift die Strafvollstreckungskammer eine Entscheidung nach § 67 d Abs. 5 StGB zu einem Zeitpunkt, in dem nach § 67 Abs. 4 StGB mindestens 2/3 der Strafe als verbüßt gelten, ist von Amts wegen eine Reststrafenaussetzung zu prüfen.

Soweit die Strafvollstreckungskammer eine solche Entscheidung nicht getroffen hat, ist die Beschwerde gegen die "Versagung einer Reststrafenaussetzung" nicht statthaft und eine Sachentscheidung des Beschwerdegerichts nicht möglich.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

1 Ws 347/03

In dem Strafvollstreckungsverfahren

wegen sexueller Nötigung u. a.

hier: Änderung der Vollstreckungsreihenfolge, Aussetzung des Strafrestes,

hat auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Meiningen vom 01.10.2003 der 1. Strafsenat des Thüringer Oberlandesgerichts durch

Richter am Oberlandesgericht Dr. Schwerdtfeger, Richter am Oberlandesgericht Schulze und Richterin am Amtsgericht stVDir Pesta

am 12. November 2003

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Gera verurteilte den Beschwerdeführer am 17.01.2002 wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, begangen im Zustand verminderter Schuldfähigkeit, zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten und ordnete weiterhin seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Das Urteil erlangte am 19.02.2002 Rechtskraft. Der Verurteilte befand sich in dieser Sache vom 28.07.2001 bis 18.02.2002 in Untersuchungshaft und anschließend vom 19.02. bis 07.07.2002 in Organisationshaft. Am 08.07.2002 erfolgte die Aufnahme im Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie Hildburghausen zum Vollzug der Unterbringung.

Nachdem zunächst durch Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Meiningen vom 16.01.2003 sowie 16.07.2003 jeweils der weitere Vollzug der Unterbringung angeordnet wurde, hat die Strafvollstreckungskammer mit dem angefochtenen Beschluss bestimmt, dass die Unterbringung in der Entziehungsanstalt nicht weiter zu vollziehen und der Untergebrachte nach Rechtskraft des Beschlusses in den Strafvollzug zu verlegen sei, mit der Beendigung der Unterbringung Kraft Gesetzes Führungsaufsicht eintrete sowie der Verurteilte für die Dauer der Führungsaufsicht der Aufsicht und Leitung des für seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zuständigen Bewährungshelfers unterstellt werde.

Der Verurteilte hatte unter dem 12.08.2003 und im Anhörungstermin vom 29.09.2003 selbst ausdrücklich beantragt, die Unterbringung zu beenden. Das Landesfachkrankenhaus sprach sich in der Stellungnahme vom 03.09.2003 für die Beendigung der Unterbringung aus, ebenso wurde dies von der Staatsanwaltschaft Gera beantragt. Im Übrigen wird auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Der Beschluss vom 01.10.2003 wurde dem Verurteilten am 08.10.2003 zugestellt. Die Staatsanwaltschaft Gera erklärte nach erfolgter Zustellung am 13.10.2003 Rechtsmittelverzicht.

Mit Schreiben vom 08.10.2003, eingegangen beim Landgericht Meiningen am 10.10.2003, legte der Verurteilte persönlich "Beschwerde" gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer ein.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft beantragt in ihrer Stellungnahme vom 10.11.2003, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Mit dem Rechtsmittel erstrebt der Verurteilte allein eine Aussetzung des noch zu verbüßenden Strafrestes.

Der Verurteilte wendet sich mit seinem Rechtsmittel ausdrücklich nicht gegen die Beendigung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Auch die Anordnung und die Ausgestaltung der Führungsaufsicht werden nicht angegriffen. Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 01.10.2003 hat damit hinsichtlich der Ziffern 1 sowie 3 - 6 am 16.10.2003 Rechtskraft erlangt.

Soweit sich der Beschwerdeführer dagegen wendet, dass die Strafvollstreckungskammer eine Reststrafenaussetzung zur Bewährung nicht vorgenommen hat, ist für eine Entscheidung durch das Beschwerdegericht kein Raum. Die Strafvollstreckungskammer hat ausweislich des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich eine Entscheidung über eine Reststrafenaussetzung nicht getroffen. Diese Frage war auch nicht Gegenstand der mündlichen Anhörung des Beschwerdeführers. Insoweit hat die Strafvollstreckungskammer dem Verurteilten auch kein rechtliches Gehör gewährt.

In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen, dass die Strafvollstreckungskammer fehlerhaft die Prüfung einer Reststrafenaussetzung unterlassen hat, denn nach § 463 Abs. 1 StPO i.V. mit § 454 Abs. 1 StPO war diese Entscheidung nach Erreichen des 2/3-Zeitpunktes von Amts wegen zu treffen, ohne dass es eines Antrages des Verurteilten oder der Staatsanwaltschaft bedurft hätte. Hier ist nämlich unter Berücksichtigung der Anrechnungsgrundsätze des § 67 Abs. 4 StGB - bei verfassungskonformer Auslegung - die Zeit des Vollzugs der Maßregel bis zum 14.08.2003 auf die Strafe anzurechnen (vgl. BVerfG NStZ 1998, 77; OLG Stuttgart NStZ-RR 2002, 191), so dass ab diesem Zeitpunkt 2/3 der Strafe als verbüßt gelten.

Weil die Prüfung der Frage, ob der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt werden kann, bisher nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen ist, ist eine diesbezügliche sofortige Beschwerde nicht statthaft und demzufolge eine Sachentscheidung durch den Senat derzeit nicht möglich.

Vielmehr wird nach der Verlegung des Verurteilten in den Strafvollzug nunmehr umgehend durch die zuständige Strafvollstreckungskammer über die Möglichkeit der Aussetzung des Strafrestes nach mehr als 2/3 zu befinden sein.

Der Verurteilte wird darauf hingewiesen, dass nach § 67 Abs. 4 StGB eine Anrechnung des weiteren Vollzugs der Unterbringung über diesen Termin hinaus auf die Strafe nicht erfolgt, sondern dass mit Rechtskraft der Entscheidung nach § 67 d Abs. 5 StGB die Anrechnung auf den Vollzug des letzten Drittels der Strafe geschieht. Auf dieses letzte Drittel der Strafe ist auch die erlittene Organisationshaft anzurechnen (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.).

Soweit sich der Beschwerdeführer dagegen wendet, dass die Reststrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt worden sei, greift er die Anordnung in Ziffer 2 des Beschlusses, die Verlegung in den Strafvollzug nach Rechtskraft der Entscheidung, an. Insoweit ist die Beschwerde unbegründet.

Wird, wie hier, nach § 67 d Abs. 5 StGB bestimmt, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht weiter zu vollstrecken ist, ist die Verlegung in den Strafvollzug unmittelbare und zwangsläufige Folge dieser Entscheidung, wenn nicht gleichzeitig eine Strafaussetzung zur Bewährung vorgenommen wird. Eine Reststrafenaussetzung ist jedoch - wie oben ausgeführt - bisher nicht erfolgt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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