Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 23.08.2000
Aktenzeichen: 2 U 1749/99
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass im Bereich der gesundheitsbezogenen Werbung besondere Maßstäbe gelten. Hier ist für die Beurteilung , ob eine Werbung irreführend im Sinne von § 3 UWG ist, nicht auf einen medizinisch aufgeklärten, nüchtern abwägenden, sondern auf einen emotional entscheidenden und leicht verführbaren Verbraucher abzustellen .Angesichts dessen genügt es, wenn ein gem. § 287 ZPO geschätzter Anteil von etwa 10 % der Verbraucher irregeführt wird.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES! URTEIL

2 U 1749/99 1 HKO 3045/98

verkündet am 23.08.2000

In dem Rechtsstreit

hat der II. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kotzian-Marggraf als Vorsitzenden sowie die Richterin am Oberlandesgericht Orth und den Richter am Oberlandesgericht Univ.-Prof. Dr. Oetker als Beisitzer auf die mündliche Verhandlung am 19.07.2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das Urteil beschwert die Beklagte in Höhe von DM 20 000,00.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Unterlassung wettbewerbswidriger Werbemaßnahmen.

Die Beklagte warb in einer Anzeige der Zeitschrift "Kosmetik International" Heft 4/97 (S. 109) für ihre Produktlinie "J..... Dead Sea Salt Therapie" mit der Behauptung, jedes einzelne Produkt sei mit dem "medizinischen Salz des Toten Meeres" angereichert. Die gleiche Behauptung stellte die Beklagte in einem Faltblatt auf, das sie auf einer Fachmesse in Wiesbaden in der Zeit vom 29.-31.08.1997 verteilte. Bei dem auf diese Weise beworbenen Produkt handelt es sich um einen Badezusatz, in welchem Salz des Toten Meeres enthalten ist.

Die Beklagte gab unter dem 26.11.1997 eine schriftliche Unterlassungserklärung ab. Entgegen der Aufforderung der Klägerin verpflichtete sich die Beklagte jedoch nicht, bei ihrer Werbung für die Produktlinie "J... Dead Sea Salt Therapie" nicht mehr auf die Anreicherung ihrer Produkte mit dem "medizinischen Salz des Toten Meeres" hinzuweisen.

Die Klägerin hat behauptet:

Das von der Beklagten vertriebene Salz besitze keine medizinische Wirkung.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten:

Die Bezeichnung des von der Beklagten vertriebenen Salzes als "medizinisches Salz" sei irreführend und wettbewerbswidrig.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu DM 500 000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in Zeitungsanzeigen oder in anderen öffentlichen Mitteilungen für die Produktlinie "J... Dead Sea Salt Therapie" mit dem Hinweis auf ein "medizinisches Salz" aus dem Toten Meer zu werben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten:

Bei dem "medizinischen Salz" aus dem Toten Meer handle es sich nicht um ein Arzneimittel, sondern um ein kosmetisches Erzeugnis. Die Bezeichnung "medizinisches Salz" führe nicht dazu, daß aus dem Produkt ein Arzneimittel werde. Der Verbraucher werde lediglich darauf hingewiesen, daß das kosmetische Produkt quasi als Nebeneffekt medizinische, d.h. heilende und gegenüber Krankheiten vorbeugende Wirkung entfalte. Dies sei der Sache nach zutreffend und deshalb nicht irreführend und aus diesem Grunde auch nicht wettbewerbswidrig.

Das Landgericht Mühlhausen hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich der Beweisbeschlüsse sowie der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf den Beweisbeschluß vom 17.06.1998 (Bd. I Bl. 67) und vom 24.06.1999 (Bd. I Bl. 166 f.) sowie auf das von dem Sachverständigen, Prof. Dr. Sterry, eingereichte Gutachten vom 20.01.1999 (Bd. I Bl. 104 ff.) einschließlich des Ergänzungsgutachtens vom 21.07.1999 (Bd. I Bl. 173 ff.).

Das Landgericht hat dem Unterlassungsantrag stattgegeben.

Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Unterlassungsanspruch ergebe sich aus § 3 UWG. Die Beklagte habe die Werbung mit der Angabe "medizinisches Salz" zu unterlassen, weil diese Aussage für den Verbraucher irreführend sei. Dieser könne zu dem unzutreffenden Schluß kommen, das von der Beklagten vertriebene Produkt entfalte eine medizinische, d.h. heilende oder gegenüber Krankheiten vorbeugende Wirkung. Die Bezeichnung des Produkts als "medizinisches Salz" wäre nur gerechtfertigt, wenn dieses nachweislich medizinische Wirkung besitze. Hierfür sei die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet. Diesen Beweis habe sie - wie sich aus dem Ergänzungsgutachten des Sachverständigen ergebe - nicht geführt. Ihr sei es nicht gelungen, eine medizinische Wirkung des Badesalzes nachzuweisen, um eine Werbung der beschriebenen Art zu rechtfertigen. Mit der von der Beklagten angebotenen 500 g Packung werde bei einem Vollbad nur eine Konzentration von 0,5 % erreicht. Selbst bei einer Konzentration von 2 % fehle ein hinreichend sicherer Nachweis, daß eine alleine auf dem Salzgehalt beruhende medizinische Wirkung eintrete.

Gegen das dem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten am 26.11.1999 zugestellte Urteil des Landgerichts Mühlhausen hat die Beklagte durch ihren beim Thüringer Oberlandesgericht zugelassenen Prozeßbevollmächtigten mittels eines am 22.12.1999 beim Thüringer Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatzes Berufung eingelegt und diese mittels eines am 21.01.2000 beim Thüringer Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatzes begründet.

Die Berufungsklägerin ist der Auffassung:

Aus den Ausführungen des Gutachtens ergebe sich, daß der Salzgehalt zumindest in zweiter Linie medizinische Wirkung entfalte. Die medizinische Wirkung werde in dem Gutachten nicht bestritten. Die von ihr vertriebenen Salze aus dem Toten Meer würden deshalb medizinische Eigenschaften besitzen.

Die Berufungsklägerin beantragt,

1.

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen,

2.

hilfsweise der Beklagten und Berufungsklägerin die Befugnis einzuräumen, gegen Sicherheitsleistung die Zwangsvollstreckung abzuwehren und für die zu erbringende Sicherheitsleistung eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft bei einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse stellen zu können.

Die Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufungsbeklagte ist der Auffassung:

Die Beklagte spreche dem Badesalz medizinische Wirkung bei und werbe hierdurch für ein Arzneimittel, das nicht die erforderliche Zulassung besitze. Dieses Verhalten verstoße gegen § 3a HWG. Selbst wenn das Badesalz nicht als Arzneimittel einzustufen sei, verstoße die Beklagte gegen § 3 UWG sowie gegen § 27 Abs. 1 Nr. 1 LMBG. Eine medizinische Wirkung sei wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert. Der Nachweis, daß bei einem häuslichen Vollbad eine medizinische Wirkung erzielt werde, sei nicht erbracht.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Klägerin vom 11.02.1998 (Bd. I Bl. 1-7), 04.04.1998 (Bd. I Bl. 34-38), 12.06.1998 (Bd. I Bl. 48-53), 27.07.1998 (Bd. I Bl. 71-73), 15.02.1999 (Bd. I Bl. 112-113), 23.03.1999 (Bd. I Bl. 144-146), 14.05.1999 (Bd. I Bl. 159-161), 09.09.1999 (Bd. I Bl. 181-185), 04.10.1999 (Bd. II Bl. 1-2), 02.11.1999 (Bd. II Bl. 7-8), 02.01.2000 (Bd. II Bl. 31-33) und 08.02.2000 (Bd. II Bl. 36-42), die Schriftsätze der Beklagten vom 30.03.1998 (Bd. I Bl. 25-29), 26.05.1998 (Bd. I Bl. 39-41), 02.06.1998 (Bd. I Bl. 44-45), 02.03.1999 (Bd. I Bl. 114-116), 12.04.1999 (Bd. I Bl. 148-150), 07.06.1999 (Bd. I Bl. 162-164), 20.09.1999 (Bd. I Bl. 198-199), 21.10.1999 (Bd. II Bl. 5-6) und 27.03.2000 (Bd. II Bl. 45-46) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Mühlhausen am 27.05.1998 (Bd. I Bl. 42-43) und 06.10.1999 (Bd. II Bl. 3-4) und vor dem erkennenden Senat am 19.07.2000 (Bd. II Bl. 47-48).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

Der Klägerin steht die begehrte Unterlassung gem. § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG i.V. mit § 3 UWG zu.

1. Die Aktivlegitimation der Klägerin folgt aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG und ist zwischen den Parteien des Rechtsstreits auch nicht umstritten.

2. Die Beklagte hat in der beanstandeten Werbung durch den Hinweis auf ein "medizinisches Salz" dem von ihr vertriebenen Badesalz eine Angabe über die Beschaffenheit beigefügt, die geeignet ist, den hiermit angesprochenen Verbraucher i.S. des § 3 UWG irre zu führen.

a) Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht darauf an, ob das "Salz des Toten Meeres" überhaupt geeignet ist, medizinische Wirkung zu entfalten. Selbst wenn dies zugunsten der Beklagten unterstellt wird, steht in dem hier zu entscheidenden Rechtsstreit im Vordergrund, daß die Beklagte mit ihrer Werbung für den Badezusatz den Eindruck erweckt, daß das dem Produkt beigefügte "Salz des Toten Meeres" bereits bei der von ihr selbst angegebenen Dosierung (500 g Badezusatz bei ca. 80 Liter Wasser) eine medizinische Wirkung entfaltet.

b) Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Sterry in seinem Ergänzungsgutachten vom 21.7.1999 (Bd. I Bl. 173 ff.) steht für den erkennenden Senat fest, daß eine medizinische Wirkung der Salze aus dem Toten Meer erst bei einer Minimalkonzentration von ca. 2 % in Betracht zu ziehen ist. Bei der von der Beklagten angegebenen Dosierung wird dieser Konzentrationsgrad indes weit unterschritten, er liegt lediglich geringfügig oberhalb von 0,5 %.

c) Durch den Hinweis auf die Eigenschaft "medizinisches Salz" weckt die Beklagte bei dem Verbraucher den Eindruck, daß der Badezusatz in der von der Beklagten vertriebenen Packungsgröße bereits eine medizinische Wirkung entfaltet. Die Beklagte stellt damit eine unzulässige Verknüpfung der allgemein bekannten Heilwirkung des Salzes aus dem Toten Meer mit ihren Produkten her, wodurch bei dem unbefangenen Beobachter der Eindruck entstehen kann, daß die Hinzufügung des Badesalzes von medizinischer Wirksamkeit sei. Die Verwendung des Begriffes "medizinisch" löst beim Publikum in der Regel eine Gedankenverbindung mit den Gebieten der Heilkunde und der Gesundheitspflege aus (OLG Zweibrücken, ZLR 1997, 589 [594]).

Selbst wenn ein Wandel des Verbraucherleitbildes hin zu einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher berücksichtigt wird, gelten im Bereich der gesundheitsbezogenen Werbung besondere Maßstäbe. Hier ist nicht auf einen medizinisch aufgeklärten, nüchtern abwägenden, sondern auf einen emotional entscheidenden und leicht verführbaren Verbraucher abzustellen (ebenso OLG Schleswig, OLG-Report 2000, 166 f.). Angesichts dessen genügt es, wenn ein gem. § 287 ZPO geschätzter Anteil von etwa 10 % der Verbraucher irregeführt wird (vgl. BGH, GRUR 1966, 445 [449]; OLG Zweibrücken, ZLR 1997, 589 [595]).

Angesichts der offenkundigen Verknüpfung der bekannten therapeutischen Wirkung des Salzes aus dem Toten Meer mit dem Produkt der Beklagten kann sie sich nicht darauf berufen, die Beifügung des Wortes "medizinisch" beziehe sich nur auf das Salz aus dem Toten Meer und sei wegen dessen unstreitiger Arzneimitteleigenschaft inhaltlich richtig und nicht irreführend. Eine solch enge Auslegung der einzelnen Werbeaussagen ist angesichts der hergestellten Gedankenverbindung nicht möglich und wird deshalb auch vom Durchschnittsverbraucher nicht vorgenommen.

II.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Festsetzung des Wertes der Beschwer beruht auf § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Der von der Berufungsklägerin gestellte Schutzantrag ist unzulässig. Er hat nach § 713 ZPO zu unterbleiben, da die Voraussetzungen für eine Revision wegen der DM 60 000,00 nicht übersteigenden Beschwer unzweifelhaft nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

Zurück