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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 10.12.2008
Aktenzeichen: 2 WF 449/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1606 Abs. 3 Satz 2
§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB, der die Betreuung als Unterhaltsgewährung dem Barunterhalt gleichstellt mit der Folge, dass grundsätzlich Barunterhalt zusätzlich zur Betreuung nicht geschuldet wird, gilt nur im Verhältnis der Eltern zueinander, nicht aber im Verhältnis zu den nachrangig haftenden Großeltern.

Eine Unterhaltspflicht der Großeltern kommt erst dann in Betracht, wenn feststeht, dass der barunterhaltspflichtige Elternteil nicht leistungsfähig ist und die ausschließliche Versorgung und Betreuung des Kindes durch den anderen Elternteil in dessen Interesse ausnahmsweise erforderlich ist, so dass eine Erwerbstätigkeit von ihm nicht erwartet werden kann.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

2 WF 449/08

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Richterin am Oberlandesgericht Kodalle als Einzelrichterin auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 18.11.2008 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Gera vom 30.10.2008, Nichtabhilfeentscheidung vom 25.11.2008

am 10.12.2008

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Eine Kostenentscheidung sowie die Festsetzung eines Beschwerdewertes sind im Verfahren über die Prozesskostenhilfe nicht veranlasst.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist die Mutter des minderjährigen Kindes J. F., geb. am 27.01.2005. Von dem Vater des Kindes, mit dem sie verheiratet ist, lebt sie seit 08.02.2007 getrennt. Mit der vorliegenden Stufenklage beabsichtigt sie, die Eltern ihres Ehemannes wegen Kindesunterhalt in Anspruch zu nehmen. Sie behauptet, ihr Ehemann sei nur in Höhe von 40,00 EUR an Kindesunterhalt leistungsfähig. Sie bezieht für das Kind Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe von monatlich 85,00 EUR. Sie selbst ist nicht erwerbstätig und bezieht Leistungen nach dem SGB II.

Die Antragsgegner wurden bisher vergeblich zur Auskunft über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisses aufgefordert.

Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 30.10.2008 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Stufenklage abgelehnt. Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.

Mit ihrer Beschwerde macht die Klägerin geltend, im Rahmen der Auskunftsstufe sei sie keineswegs verpflichtet nachzuweisen, dass sie selbst nicht in der Lage sei, für den Bedarf des minderjährigen Kindes aufzukommen. Welche Erwerbsbemühungen sie unternommen habe, um ggf. selbst für den Barunterhalt des Kindes aufzukommen, sei nicht in der Auskunfts- sondern in der Leistungsstufe zu ermitteln. Dass der Kindesvater nicht leistungsfähig sei, habe sie mit ihrem Vortrag dargelegt, gemäß den Ermittlungen des Jugendamtes könne der Vater nur verpflichtet werden, einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 40,00 EUR zu zahlen. Da die Leistungsunfähigkeit der Eltern des Kindes feststehe, hafteten die Antragsgegner dem Grunde nach nachrangig für den Kindesunterhalt gemäß § 1606 Abs. 2 BGB. Das Auskunftsverlangen sei daher begründet.

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 25.11.2008 nicht abgeholfen und die Sache dem Thüringer Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 ff. ZPO statthaft und fristgemäß eingelegt worden.

In der Sache hat sie keinen Erfolg. Der Antragstellerin steht ein Auskunftsanspruch gegen die Antragsgegner gemäß § 1605 BGB nicht zu. Nach dieser Vorschrift besteht eine Auskunftspflicht nur insoweit, als dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruches erforderlich ist. Eine Auskunftsanspruch ist dann ausgeschlossen, wenn die verlangte Auskunft den Unterhaltsanspruch unter keinem Gesichtspunkt beeinflussen kann (vgl. BGH NJW 1982, 2771; Palandt/Diederichsen, 67. Auflage, § 1605, Rn. 9 m.w.N.).

Das Amtsgericht hat zu Recht darauf hinwiesen, dass die Antragstellerin nicht ausreichend schlüssig dargelegt hat, dass ihr ein Unterhaltsanspruch dem Grunde nach zustehen könnte. Die Beklagten als Großeltern des unterhaltsbedürftigen Kindes, haften gemäß § 1606 Abs. 2 BGB nachrangig nach den Eltern des Kindes, d. h. es muss feststehen, dass diese nicht leistungsfähig sind. Wenn ein Elternteil nicht leistungsfähig ist oder sich der Unterhaltspflicht entzieht, erhöht sich zunächst gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB der Haftungsanteil des anderen Elternteils. Dies gilt auch dann, wenn ein Elternteil ein minderjähriges Kind betreut. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB, der die Betreuung als Unterhaltsgewährung dem Barunterhalt gleichstellt mit der Folge, dass grundsätzlich Barunterhalt zusätzlich zur Betreuung nicht geschuldet wird, gilt nur im Verhältnis der Eltern zueinander, nicht aber im Verhältnis zu den nachrangig haftenden Großeltern (vgl. Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht, 7. Auflage, § 2, Rn. 545; OLG Frankfurt FamRZ 2004, 1745, 1746; OLG Jena, FamRZ, 2006, 569 ff.). Wenn der barunterhaltspflichtige Vater nicht leistungsfähig ist, muss daher die Mutter trotz der Betreuung kleiner Kinder eine Erwerbstätigkeit annehmen und für den Unterhalt der Kinder sorgen, soweit ihr dies möglich ist. Im Verhältnis zu ihren jeweiligen Eltern steht es nicht im Belieben des betreuenden Elternteils, ob er sein Kind selbst versorgen möchte. Voraussetzung ist vielmehr, dass die alleinige Betreuung und Versorgung des Kindes durch einen Elternteil in dessen Interesse erforderlich ist, weil eine Möglichkeit zu einer anderweitigen entgeltlichen oder unentgeltlichen Versorgung nicht besteht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Kind ab seinem 3 Lebensjahr Anspruch auf einen Kindergartenplatz hat (vgl. Wendl/Staudigl a.a.O., § 2, Rn. 52).

Der Vortrag der Antragstellerin, sie beziehe Leistungen nach dem SGB II und sei daher für den Barunterhaltsbedarf ihres Kindes nicht leistungsfähig, ist nicht ausreichend. Darauf hat das Amtsgericht bereits mit Schreiben vom 04.09.2008 hingewiesen. Zu berücksichtigen ist das Alter des Kindes von fast 4 Jahren sowie die Tatsache, dass die Antragstellerin nur ein Kind zu betreuen hat. Da sie zur Betreuung tagsüber einen Kindergartenplatz in Anspruch nehmen könnte, wäre ihr eine vollschichtige Erwerbstätigkeit, mit der sie ihren eigenen notwendigen Unterhalt sowie den Mindestunterhalt des Kindes sicherstellen könnte, grundsätzlich möglich. Sie hat weder vorgetragen, dass ihr eine Erwerbstätigkeit aus Gründen des Kindeswohls nicht zumutbar sei noch hat sie dargelegt, sich erfolglos um eine Arbeitsstelle bemüht zu haben.

Darüber hinaus ist auch ihr Vortrag, nach den Ermittlungen der Stadtverwaltung G. sei der Vater nur in Höhe eines Betrages von 40,00 EUR leistungsfähig, nicht ausreichend, um von dessen Leistungsunfähigkeit ausgehen zu können. Auch darauf hat das Amtsgericht in seiner Verfügung vom 04.09.2008 bereits hingewiesen. An die Feststellungen der unterhaltsvorschussleistenden Stadtverwaltung zur Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten ist das Gericht nicht gebunden. Vielmehr hat das Gericht anhand der Maßstäbe des § 1603 Abs. 1 und 2 BGB selbst Feststellungen zur Leistungsfähigkeit des vorrangig unterhaltsverpflichteten Vaters zu treffen. Dazu hätte die Antragstellerin vortragen müssen, über welches monatliche Nettoeinkommen der Vater des Kindes verfügt. Bei nichtausreichenden Erwerbseinkünften hätte überprüft werden müssen, ob fiktive Einkünfte zugerechnet werden könnten, sofern er schuldhaft seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit gegenüber einem minderjährigen Kind nicht nachkäme.

Da die Antragstellerin mithin zur eigenen Leistungsunfähigkeit sowie zu derjenigen des barunterhaltspflichtigen Vaters nicht ausreichend schlüssig vorgetragen hat, fehlt es an den Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch gegen die Antragsgegner. Dies hat zur Folge, dass von ihnen Auskunft nicht verlangt werden kann. Das Amtsgericht hat daher zu Recht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Ende der Entscheidung

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