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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 08.08.2007
Aktenzeichen: 4 Sch 3/06
Rechtsgebiete: ZPO, UN-Übereinkommen


Vorschriften:

ZPO § 1061
ZPO § 1062
ZPO § 1063
ZPO § 1064
UN-Übereinkommen vom 10.06.1958 üb. die Anerkennung und Vollstreckung ausl. Schiedssprüche
1. Das Anerkennungs- und Vollstreckbarkeitsverfahren ausländischer Schiedssprüche richtet sich nach §§ 1061, 1062 ff ZPO. Im Anerkennungsverfahren gilt der Grundsatz der "révision au fond". Dieser bedeutet, dass es im Anerkennungsverfahren grundsätzlich nicht um die sachliche Nachprüfung des ausländischen Schiedsspruchs geht, die (eventuelle) sachliche Unrichtigkeit insbesondere keinen Aufhebungsgrund darstellt, vielmehr der Schiedsspruch lediglich darauf überprüft wird, ob die (privaten) Schiedsrichter in zulässiger Weise von ihrer Rechtsprechungsbefugnis Gebrauch gemacht haben.

2. Allerdings muss ein ausländischer Schiedsspruch dem "ordre public" der Bundesrepublik Deutschland entsprechen, also den hier geltenden fundamentalen Normen und Rechtsgrundsätzen, die die Grundlagen des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens berühren; hierzu zählen insbesondere die Grundrechte und die guten Sitten, ferner ein Mindeststandard an Verfahrensgerechtigkeit.

3. Auf eine entsprechende Rüge eines Verfahrensbeteiligten ist daher ein ausländischer Schiedsspruch auf seine Übereinstimmung mit dem ordre public im Anerkennungsverfahren zu überprüfen.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

4 Sch 3/06

In dem Verfahren auf Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richter am Oberlandesgericht Jahn und Richterin am Landgericht Höfs

am 08.08.2007

beschlossen:

Tenor:

Der Schiedsspruch des ICC Schiedsgerichts in Zürich (Schweiz) vom 30.01.2006 - ICC Arbitration No. 12131/DK - wird auf Antrag beider Parteien in der beglaubigten Übersetzung der Diplom-Übersetzerin Regina Paske vom 14.08.2006 (Anlage AG 34 als Anlage zu diesem Beschluss) in folgendem Umfang anerkannt und für vollstreckbar erklärt:

auf Antrag der Antragstellerin die Feststellungen

- zu gesetzlich geschütztem Know how (A.s) in den Punkten A 1), 3), 5), 7), 9),11), 19), 21), 22), 23), 24), 26), 28) und 29),

- ferner zu Verstößen (SCH.s) gegen Nutzungsbeschränkungen gemäß dem ALA in den Punkten B 30), C 32) und D 34)

sowie zu A.s Klagebegehren auf Vertragserfüllung und Unterlassung die Anweisungen des Schiedsgerichts an SCH. in den Punkten E 36), 37) und 38);

auf Antrag der Antragsgegnerinnen die Feststellungen

- der Ablehnung von Verstößen gegen gesetzlich geschütztes Know how (A.s) in den Punkten A 2), 4), 6), 8), 10), 12), 13), 14), 15) 16), 17), 18), 20), 25) und 27),

- ferner der Ablehnung von Verstößen (SCH.s) gegen Nutzungsbeschränkungen in den Punkten B 31), C 33) und D 35),

sowie der Ablehnung weiterer Anträge (A.s) in den Punkten E 39), 40), 41) und 42).

Die Kosten des Anerkennungsverfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte.

Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.

Eine Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin auf Erzwingungsmaßnahmen für den Fall der Zuwiderhandlung der für vollstreckbar erklärten Unterlassungsgebote - Ziffern E 36, 37) und 38) - bleibt vorbehalten.

Gründe:

I.

Beide Parteien sind im Bereich der Glasproduktion und Entwicklung von Glas-Technologien tätig; sie haben am 29.5.1992 umfangreiche vertragliche Vereinbarungen geschlossen, u.a. das A.s License Agreement (ALA) sowie (sog.) SAM-Verträge zur (gemeinsamen) Entwicklung einer neuen Flachglas-Technologie - Herstellung von bestimmten Spezialflachgläsern (Borosilikatglas) im sog. Microfloatverfahren - auf der Basis des Know-hows beider Parteien; die SAM-Verträge hatten eine Laufzeit von 10 Jahren. Im Jahre 2003 errichtete SCH. eine Fertigungsanlage in Jena.

Die Antagstellerin hat behauptet, dass die von den Antragsgegnerinnen entwickelte (neue) Technologie auf ihrem Know-how beruhe, das sie den Antragsgegnerinnen lizenziert habe. Da die Geltungsdauer der SAM-Vereinbarungen abgelaufen sei, hätten die Antragsgegnerinnen das Know-how der Antragstellerin unter Verletzung der vertraglich vereinbarten Anwendungseinschränkungen (weiter geltende field of use restriction) genutzt.

Wegen solcher Vertragsverletzungen läuft ein Schiedsverfahren vor dem von beiden Parteien vereinbarten Schiedsgericht der Internat. Handelskammer (ICC) mit Sitz in Zürich; in diesem Verfahren will die Antragstellerin den Antragsgegnerinnen die (weitere) Nutzung und Offenlegung von im Einzelnen spezifizierten Elementen des A. Know-how verbieten lassen; außerdem verlangt sie von Sch. Schadensersatz. Das angerufene Schiedsgericht hatte bereits mit Schiedspruch ("Award") vom 17.3.2004 festgestellt, dass die Anwendungsbeschränkungen gemäß ALA auch nach dessen Beendigung anwendbar seien, ferner die Antragsgegnerinnen hiergegen verstoßen hätten; eine Entscheidung über die Quantität (der Verstöße pp) sowie über die Kosten und Zahlung einer Entschädigung blieb der Endentscheidung vorbehalten.

Am 30.1.2006 erging der weitere - hier streitgegenständliche - Schieds-spruch, wegen dessen Einzelheiten auf die als Anlage diesem Beschluss beigefügte beglaubigte Übersetzung der Dolmetscherin R. P. Bezug genommen wird.

Gegen diesen - hier streitgegenständlichen - Schiedsspruch hatten die Antragsgegnerinnen bereits eine (sog.) staatsrechtliche Beschwerde zum (Schweizer) Bundesgericht erhoben, das diese Beschwerde mit Urteil vom 19.6.2006 abgewiesen hat (s. Anl. zum SS der AStin v. 1.8.06).

Mit Antragsschriftsatz vom 22.02.2006 - gerichtet an das Oberlandesgericht in Koblenz - beantragte die Antragstellerin die vorläufige Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs vom 30.01.2006 in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang, ferner die Anordnung von Erzwingungsmaßnahmen für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die für vollstreckbar erklärten Unterlassungsgebote. Wegen der Einzelheiten wird auf den genannten Antragsschriftsatz Bezug genommen.

Die Antragsgegnerinnen rügten zunächst die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts (OLG Koblenz) und beantragten deshalb die Verwerfung des Antrags, schlossen sich dann jedoch einem Verweisungsantrag der Antragstellerin vom 21.07.2006, das Anerkennungsverfahren ans hiesige Oberlandesgericht zu verweisen, an. Mit Schriftsatz vom 14.08.2006 beantragten die Antragsgegnerinnen ihrerseits die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs in den aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

Im Übrigen rügen sie, dass der streitgegenständliche Schiedsspruch hinsichtlich der zu A.s Klagebegehren auf Vertragserfüllung und Unterlassungsanspruch ergangenen Anweisungen des Schiedsgerichts in den Ziffern E 36) bis 38) gegen den ordre public der Bundesrepublik Deutschland verstoße, und zwar in zweierlei Hinsicht:

1. Das Schiedsgericht habe ihren materiellen Vortrag nicht berücksichtigt; es habe insbesondere ihre zentrale Verteidigungslinie zur Vereinbarung der ALA nicht zur Kenntnis genommen und 2 schriftliche Zeugenaussagen - Dr. O. L. und T. K. - nicht, jedenfalls nicht ausreichend berücksichtigt (Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs).

2. Das Schiedsgericht habe einen Verstoß gegen Art. 81 Abs.2 EG iVm §§ 1 GWB, 134 BGB nicht (ausreichend) geprüft bzw. beachtet; diese Vorschriften seien auch von dem hiesigen Senat in eigenständiger Verantwortung bei der Prüfung der Anerkennung/Vollstreckbarerklärung voll im Rahmen der Prüfung des ordre public zu überprüfen.

II.

Nach bindender Verweisung durch das Oberlandesgericht in Koblenz mit Beschluss vom 27.09.2006 - 2 Sch 1/06 - ist der Senat zur Entscheidung befugt. Auf Antrag der Parteien fand am 18.07.2007 eine mündliche Verhandlung statt (§ 1063 Abs. 2 ZPO); auf die Sitzungsniederschrift von diesem Tag (Bl. 549, 550, Bd. III) wird Bezug genommen.

Das Verfahren bestimmt sich nach §§ 1062 - 1064 ZPO.

III.

Die Anträge der Parteien auf Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des ICC-Schiedsspruchs vom 30.01.2006 sind zulässig.

Zwar handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Schiedsspruch nur um einen Zwischenbescheid, so dass sich dem Senat die Frage nach der Zulässigkeit eines Antrags nach § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO gestellt hat; insbesondere, ob die Feststellungen dieses Bescheids überhaupt einen anerkennungsfähigen (vollstreckbaren) Inhalt haben. Anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden können grundsätzlich nur Sachentscheidungen (dieselbe Problematik gilt bei ausländischen Zwischenurteilen). Nach der gängigen Definition sind Sachentscheidungen solche "Erkenntnisse", welche dem Klagebegehren stattgeben oder dieses als unbegründet abweisen (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 26. Aufl. § 328 Rz 39). Nicht anerkennungsfähig sind dagegen Prozessabweisungen (Prozessurteile) oder sonstige Entscheidungen (Zwischenurteile) über prozessuale Fragen.

Hier enthalten die Feststellungen des Schiedsgerichts in Bezug auf das Klagebegehren (A.s) aber bereits die Parteien bindende Zwischenfeststellungen, die deshalb auch - wie endgültige Entscheidungen in der Sache - anerkennungsfähig sind; es geht um die berechtigte oder unberechtigte Nutzung des A. Know-hows in Bezug auf die neue Technologie und deren Offenlegung nach Ablauf der SAM-Vereinbarungen.

IV.

Die Anträge sind in dem erkannten Umfang begründet.

Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung richtet sich hier nach § 1061 ZPO, da ein ausländischer Schiedsspruch vorliegt. § 1061 Abs. 1 ZPO verweist auf das UNÜ (= UN-Übereinkommen vom 10.6.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (s. BGBl. 1961 II, 121 ff).

Danach kommt es darauf an, ob der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung der ordre public (der BRD) entgegen steht (vgl. Art. V Abs. 2 b UNÜ).

Dies behaupten die Antragsgegnerinnen in zweifacher Hinsicht (s.o.); diese Rügen greifen jedoch nach Auffassung des Senats nicht.

Zunächst gilt Folgendes:

Im Anerkennungsverfahren nach § 1061 ZPO gilt - das ergibt sich aus dem Verweis auf das UNÜ - der Grundsatz des Verbots der révision au fond. Das bedeutet für die Anerkennung/Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche, dass es in diesem Verfahren nicht um die sachliche Nachprüfung dieser Schiedssprüche geht. Die (eventuelle) sachliche Unrichtigkeit (eines ausländischen Schiedsspruchs) ist ebenso wie bei einem ausländischen Urteil hinzunehmen; sie ist insbesondere kein Aufhebungsgrund (vgl. Zöller-Geimer aaO, § 1059 Rz 74 mwNw). Es kommt im Anerkennungsverfahren danach lediglich darauf an, einen Missbrauch der den privaten Schiedsrichtern zugestandenen Rechtsprechungsbefugnis zu verhindern.

Grund: Die Schiedsgerichte sprechen an Stelle der staatlichen Gerichte Recht. Die Schiedsgerichte dürfen nicht zu einer bloßen Vorinstanz degradiert werden. Lässt der Staat Schiedsgerichte zu, muss er auch unrichtige Schiedssprüche hinnehmen, selbst wenn das Schiedsgericht gegen zwingendes Recht verstößt.

Aber: Die (enge) Ausnahme bildet der ordre public.

Dispositives Recht gehört - das ist ganz h.M. - nicht zum ordre public; fraglich ist, ob zwingendes (insbesondere materielles) Recht dazu gehört. Nach h.M. gehört jedenfalls nicht jedes zwingende Recht, also der Parteidisposition entzogene Normen dazu (vgl. Zöller-Geimer aaO; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, Rz 1223 ff m.w. Nw. in FN 4 S. 412), nur das entsprechend dem Wesen der Schiedsgerichtsbarkeit als gleichwertiger Rechtsprechungs-Alternative zu beachtende Recht. Dazu zählen alle wesentlichen fundamentalen Normen und Rechtsgrundsätze. Der ordre public umfasst also sämtliche Normen des zwingenden Rechts, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens berühren, sowie die elementaren Gerechtigkeitsvorstellungen (Lachmann aaO Rz 1224 m.w.Nw. in FN 5 S. 412; u.a. BGHZ 50, 370, 376; BGHZ 54, 132, 140). Zum ordre public zählen insbesondere die Grundrechte und die guten Sitten, alle Grundprinzipien des deutschen Rechts und ein Mindeststandard an Verfahrensgerechtigkeit (BGH NJW-RR 1991, 1211, 1213). Dazu gehört zweifellos auch der Grundsatz der Gewährung umfassenden rechtlichen Gehörs.

Dieses ist vorliegend aber den Antragsgegnerinnen im Schiedsverfahren ausreichend gewährt worden.

Hierzu hat sich bereits das (Schweizer) Bundesgericht in seinem Urteil vom 19.6.06 ausführlich - im Aufhebungsverfahren - auseinandergesetzt und ausgeführt, der Vorwurf der Antragsgegnerinnen entspräche nicht den Tatsachen und auch nicht der Wertung des Schiedsgerichts. Dieses habe sich vielmehr eingehend mit den Behauptungen der Antragsgegnerinnen ausein-andergesetzt (s. im Einzelnen Bl. 8 ff, 10 ff d. Urteils). Dem schließt sich der Senat an.

Der Senat konnte auch insoweit auf die Ausführungen des Schweizer Bundesgerichts zurückgreifen. Die staatsrechtliche Beschwerde an das (Schweizer) Bundesgericht entspricht dem Aufhebungsverfahren nach § 1059 ZPO. Der in § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe b genannte Aufhebungsgrund ist der des ordre public; er erfasst - wie ausgeführt - den Grundsatz der umfassenden Gewährung rechtlichen Gehörs. Das (Schweizer) Bundesgericht hat in seinem Urteil vom 19.06.2006 (Anlage K 8) festgestellt, dass dieser Anspruch auf rechtliches Gehör im Rahmen eines internationalen Schiedsverfahrens dem in Art. 29 Abs. 2 BV gewährleisteten Verfassungsrecht entspricht. Hieraus leite sich insbesondere das Recht der Parteien ab, sich über alle für das Urteil wesentlichen Tatsachen zu äußern, ihren Rechtsstandpunkt zu vertreten, ihre entscheidungswesentlichen Sachvorbringen mit tauglichen sowie rechtzeitig und formrichtig offerierten Mitteln zu beweisen ...

Der Anspruch auf rechtliches Gehör enthalte aber keinen Anspruch auf einen materiell richtigen Entscheid ....

Damit entspricht der Umfang und Inhalt dieses Anspruchs auf rechtliches Gehör nach dem vom Bundesgericht geprüften Verfassungsrecht exakt dem des deutschen Rechts.

Auch die sachliche Würdigung des "Witness Statement" des Zeugen Dr. L. (Bl. 7 - 9 der EG dieses Urteils) und des schriftlichen "Witness Statement" des Zeugen K. (Bl. 9 - 11 der EG d. U.) begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Die Würdigung ist in sich stimmig und nachvollziehbar; sie nimmt auf den englischen Text und die entsprechende deutsche Übersetzung Bezug und widerlegt daraus die Auffassung der Beschwerdeführerinnen (hier Antragsgegnerinnen). Es kann nicht Aufgabe des hiesigen Senats im Anerkennungs- und Vollstreckbarkeitsverfahren sein, diese Schlussfolgerungen (des Schweizer Bundesgerichts) zu konterkarieren, so lange diese nicht erkennbar falsch und grob fehlerhaft ist. Insoweit bindet das - hier vorgeschaltete - Aufhebungsverfahren den erkennenden Senat, nachdem das (Schweizer) Bundesgericht rechtskräftig den Bestand des streitgegenständlichen Schiedsspruchs - durch Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde - festgestellt hat.

Auch die zweite Rüge greift nicht. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Antragsgegnerinnen, der Schiedsspruch verstoße gegen europäisches Kartellrecht. Es ist bereits zweifelhaft, ob der Senat gehalten ist, den Schiedsspruch vollinhaltlich auf seine Übereinstimmung mit europäischem Kartellrecht zu überprüfen; allerdings ist wohl anerkannt, dass im Anerkennungsverfahren die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaft erlassenen öffentlich-rechtlichen Vorschriften sowie das nationale und europäische Kartellrecht unter den Schutzumfang des ordre public fallen (Lachmann aaO Rz 1226 m.w.Nw. in FN 6 S. 413). Auch der EuGH hat in seinem Urteil vom 01.06.1999 - Rs C - 126/97 - Art. 81 EG als von der ordre public Regelung in Art. V UNÜ 1958 erfasst angesehen.

Allerdings haben die Antragsgegnerinnen erstmals konkret mit Schriftsatz vom 04.07.2007 (Bl. 432 ff, Bd. II d.A.) ausgeführt, der Schiedsspruch verstoße gegen zwingendes Kartellrecht, weil das Schiedsgericht Art. 8.2 des A. License Agreement so ausgelegt habe, dass die Vertragsklausel eine sachliche Beschränkung ("field of use restriction") und eine räumliche Beschränkung ("territorial restriction") enthalte, mithin Sch. die von A. lizenzierte Technik weder während der Laufzeit des Vertrags/ALA noch danach in Asien zum Einsatz bringen dürfe und Schott dauerhaft eine sachliche Beschränkung in der Anwendung dieser lizenzierten Technologie - auch innerhalb der Europäischen Union - auferlege.

Diese Auslegung - bezogen auf die "dissenting opinion" des Schiedsrichters Dr. P. - ist jedenfalls nicht zwingend. Das ergibt sich schon aus einer (lediglich) summarisch vorgenommenen Plausibilitätsüberlegung.

Das ALA gestattete es den Antragsgegnerinnen doch gerade, das lizenzierte Know how (A.s) in Europa zu nutzen; lediglich war es ihnen untersagt, die Vertragsprodukte in Asien zu vermarkten. Damit ist eine Auswirkung auf den deutschen und europäischen Markt gerade nicht plausibel. Auch die sachliche Beschränkung der Lizenz hat - nach der Stellungnahme der Antragstellerin - keine Auswirkungen auf den europäischen Markt, da es keinen europäischen Markt für TFT Glas gebe. Im Übrigen könnten die Antragsgegnerinnen jede Art von Glas, auch TFT-LCD Glas herstellen und vertreiben, solange sie nicht die Technologie der Antragstellerin benutzten. Auch das leuchtet ein.

Dem entspricht auch das Ergebnis der umfassenden Prüfung durch das Schiedsgericht selbst, wie es in der Entscheidung des Schiedsgerichts Rz. 573 - 580 ausgeführt ist. Danach fällt das ALA nicht unter den Anwendungsbereich des EG Wettbewerbsrechts, bewirkt keine Wettbewerbsbeschränkung und wäre im Übrigen freistellungsfähig. Wie die Antragstellerin zu Recht ausgeführt hat, ist dieses Ergebnis in der Sache hinzunehmen und einer erneuten - umfänglichen - Überprüfung auf seine kartellrechtliche Zulässigkeit durch den Senat im Anerkennungsverfahren nicht zugänglich (Verbot der révision au fond; s.o.).

Danach war im Ergebnis entsprechend den Anträgen der Parteien der Inhalt des Schiedsspruchs im Umfang der Tenorierung anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären.

V.

Eine Entscheidung über den Antrag auf Festsetzung von Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft wird zurück gestellt, weil der Senat derzeit keine Veranlassung hat, daran zu zweifeln, dass nach Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs die Antragsgegnerinnen sich den für vollstreckbar erklärten Unterlassungsgeboten unterwerfen werden.

Im Übrigen bestehen nach wie vor Bedenken an der Zuständigkeit des hiesigen Senats für die beantragte Androhung von Erzwingungsmaßnahmen.

§ 890 ZPO ist nicht direkt einschlägig. Nach dieser Vorschrift kann (lediglich) das Prozessgericht des 1. Rechtszuges Erzwingungsmaßnahmen - auf Antrag des Gläubigers - anordnen. Übertragen auf das (laufende) Schiedsverfahren würde dies aber bedeuten, dass die Androhung/Anordnung solcher Erzwingungsmaßnahmen in die Kompetenz des Schiedsgerichts fiele. Nach überwiegender Meinung ist das Schiedsgericht aber - anders als die staatlichen Gerichte - weder zur Androhung, noch zur Verhängung von Ordnungsmitteln berechtigt (Lachmann aaO Kap. 15, Rz 1458). Die von der Gegenmeinung (Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 2005, Kap. 17a Rz 16) vertretene Ansicht, das Schiedsgericht dürfe Zwangs- und Ordnungsmittel androhen, begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken, weil nach allgemeinen Grundsätzen deutschen Verfassungsrechts staatliche Zwangsmittel den staatlichen Gerichten vorbehalten ist; (die Beachtung des staatlichen Gewaltmonopols ist verfassungsrechtlich geboten, so insbesondere Geimer, Schiedsgerichtsbarkeit und Verfassung 1994, 194). Dies gilt erst recht im vorliegenden Fall, in dem der Senat einen ausländischen Schiedsspruch für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anerkennt und für das deutsche Staatsgebiet für vollstreckbar erklärt. Danach liegt es zwar nahe, die Androhung und Verhängung von Zwangsmaßnahmen in die Kompetenz des Oberlandesgerichts zu verlagern, das über die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des (ausländischen) Schiedsspruchs entscheidet (so wohl Zöller-Stöber, ZPO-Komm., 26. Aufl. § 890 Rz 14 unter Bezugn. auf § 887 Rz 6). Andererseits ist für sonstige richterliche Handlungen nach §§ 1050, 1062 Abs. 4 ZPO das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die beantragte Handlung vorgenommen werden soll. Lachmann (aaO Kap. 15, Rz 1460) vertritt die Meinung, dass die Verhängung von Ordnungsmitteln auch als sonstige richterliche Maßnahme anzusehen sei, zu der das Schiedsgericht nicht befugt sei, es mithin der Unterstützung durch das betreffende Amtsgericht bedürfe. Aber: Diese Auffangzuständigkeit sei misslich, weil das Oberlandesgericht schon wegen der ihm obliegenden Vollziehung näher am Fall dran sei.

Wie dem auch sei, es fehlt bis dato eine eindeutige gesetzliche (Zuständigkeits)Regelung für die Androhung/Verhängung von Erzwingungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Vollstreckbarerklärung eines (hier ausländischen) Schiedsspruchs.

Des ungeachtet stellt bereits die Anordnung von Zwangsmitteln den Beginn der Zwangsvollstreckung dar (vgl. BGH MDR 1979, 116; OLG Bremen NJW 1971, 58; OLG Karlsruhe Justiz 86, 407), d.h. zu diesem Zeitpunkt müssen die allgemeinen Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung vorliegen. Zwar setzt - nach der Rechtsprechung - die Androhung (von Zwangsmitteln) weder eine Zuwiderhandlung (OLG Bremen NJW 1971, 58; OLG Hamm MDR 1988, 506), noch ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis (OLG Karlsruhe MDR 1994, 728) voraus, andererseits ist aber dennoch im Verhältnis der Parteien die mit einer solchen Androhung verbundene Außenwirkung für deren Geschäftsverkehr zu beachten, wie die Antragsgegnerinnen in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar ausgeführt haben.

Daher erachtet der Senat derzeit auch die Androhung von Zwangsmitteln noch nicht für geboten, weil dies (jedenfalls derzeit noch) einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechtsposition der Antragsgegnerinnen bedeuten würde.

VI.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 1064 Abs. 2 u. 3 ZPO. Nach letzterer Vorschrift war auch der Beschluss, durch den der Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt wird, für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Gemäß §§ 574 Abs. 1 Ziff. 1, 1065 Abs. 1 ZPO ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zulässig.

Ende der Entscheidung

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