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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 06.04.2005
Aktenzeichen: 4 U 195/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 280
1. Beim Inverkehrbringen von Emissionsprospekten, mit denen auf dem freien Kapitalmarkt Anleger geworben werden, trifft die Herausgeber des Prospekts die Verpflichtung, für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Prospektangaben einzustehen. Dies gilt auch für die Beteiligung von stillen Gesellschaftern an einer Aktiengesellschaft.

2. Der Prospekt, der regelmäßig die Grundlage für die Anlageentscheidung bildet, hat dem Anleger ein zutreffendes Bild von der (ihm) angebotenen Kapitalbeteiligung zu vermitteln.

3. Sofern sich nach Herausgabe des Prospekts darin enthaltene Umstände ändern oder neue, für die Anlageentscheidung bedeutsame Gesichtspunkte hinzutreten, ist hiervon im Wege der Prospektberichtigung/-ergänzung - ggf. durch mündliche Hinweise im Vermittlungsgespräch - Mitteilung zu machen.

4. Unterlassen die Herausgeber des Prospekts eine solche - notwendige - Mitteilung, haften sie nach den hierfür vom BGH entwickelten Grundsätzen der Prospekthaftung.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 195/04

Verkündet am: 06.04.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richterin am Oberlandesgericht Billig und Richter am Amtsgericht Lübbers

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 19.01.2004 - Az.: 2 O 556/03 - aufgehoben.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger € 52.382,13 zuzüglich Zinsen in Höhe von 6 % aus € 51.385,22 für die Zeit vom 02.04.2000 bis zum 23.04.2003 sowie weiterer Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG aus € 52.382,13 seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Zug um Zug gegen schriftliche Zustimmung des Klägers zur Übertragung der Gesellschaftsanteile an der S. AG mit den Vertragsnummern ... und ....

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner ferner verurteilt, den Kläger von einer möglichen Rückzahlungsverpflichtung der an ihn ausgezahlten Entnahmen in Höhe von insgesamt € 3.413,47 freizustellen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Beklagten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt € 55.795,60.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten aufgrund einer Kapitalbeteiligung auf Schadensersatz wegen unvollständiger Prospektangaben in Anspruch.

Am 14.03.2000 zeichnete der Kläger zwei Beteiligungen als atypisch stiller Gesellschafter an einem Unternehmenssegment VII der S. AG. Die 1986 gegründete S. AG, die zum Konzernverbund der sog. "...Gruppe" gehört, hat die Konzeption, Aufbereitung, Betreuung und Abwicklung von Vermögensanlagen jedweder Art, insbesondere die Bereitstellung von Marketingkonzepten, Vertriebsmanagement, Vertriebskapazitäten und Konzeptions-Know-how für Drittunternehmen, die Initiierung von Immobilienfonds, die Beteiligung an anderen Unternehmen jedweder Rechtsform im In- und Ausland und die Gewährung von typisch sowie atypisch stillen Beteiligungen an der S. AG zwecks Kapitalbeschaffung zum Gegenstand. Das vorgenannte Segment VII sollte als "renditeorientiertes Beteiligungsprogramm zur ergänzenden Altersvorsorge" langfristige Vermögensanlagen "voraussichtlich in den drei Investitionsbereichen Immobilien, Unternehmensbeteiligungen und Wertpapiere" tätigen. Die Beteiligungsdauer konnte - beginnend 1997 - zwischen 10 und 40 Jahre gewählt werden. Wegen der Einzelheiten der Beteiligung wird auf die als Anlage K 4 zur Klageschrift (Bl. 52 ff Bd. I d. A.) vorgelegten Zeichnungsscheine zu den Vertragsnummern 18X 645 402X und 18X 645 502X Bezug genommen. Am 23.03.2000 nahm die S. AG die Beitrittserklärungen des Klägers an.

Für diese Beteiligungen galt der "Emissions-Prospekt zum Beteiligungsprogramm S-Rente der S. AG" (vgl. Anlage K 5, Bl. 54 ff Bd. I d. A.), dessen Erhalt und Inhalt (Einstandspflicht, Einstandsgrenzen und Risikobelehrung) der Kläger in den Zeichnungsscheinen jeweils gesondert mit seinen Unterschriften bestätigte; die Projektaufstellung datiert unter dem 01.08.1999. In dem Prospekt wurden - bezogen auf diesen Ausgabezeitpunkt - der Tätigkeitsbereich und Unternehmensaufbau der S. AG sowie die Zielstellung des zur Beteiligung angebotenen Unternehmenssegments VII beschrieben. Weiter enthielt der Prospekt ausführliche Darstellungen zu Unternehmensbeteiligungen und Verflechtungen der S. AG, ihren Organen sowie des Unternehmenssegment VII. Der potentielle Anleger wurde u.a. auch darauf hingewiesen, dass er durch seine Beteiligung mit allen unternehmerischen Chancen und Risiken an der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens teilnimmt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Prospekt Anlage K 5 ergänzend Bezug genommen.

Für den Inhalt des Prospektes übernahm der Vorstand der S. AG, seinerzeit bestehend aus den Beklagten, bezogen auf den Zeitpunkt der Prospekterstellung die Verantwortung (vgl. Anlage K 5, aaO, Bl. 114 Bd. I). Sie versicherten in dem genannten Prospekt, dass nach ihrer Kenntnis keine für die Anlageentscheidung bedeutsamen Umstände ausgelassen, insbesondere keine weiteren belastenden Verträge oder Absprachen begründet worden sind und wirtschaftliche oder personelle Verflechtungen über den im Prospekt dargestellten Umfang hinaus nicht bestehen. Die Einstandspflicht des Vorstands enthält eine Haftungsbegrenzung für die Verletzung von Aufklärungs- oder Hinweispflichten gegenüber Anlegern auf grobfahrlässige und vorsätzliche Pflichtverletzungen (vgl. Anl. K 5 aaO, Bl. 114 R).

Unterzeichnet haben den Prospekt die Beklagten zu 1) und 2).

Vor der Herausgabe des Emissionsprospektes befand sich die S. AG in einer Auseinandersetzung mit dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred) über die in der Zeit vor der Anlageentscheidung des Klägers mögliche ratierliche Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens zum Ende einer Beteiligung. Das BAKred sah dieses Auszahlungsverfahren als genehmigungspflichtiges Einlagengeschäft an und erließ schließlich am 22.10.1999 gegenüber der S. AG eine entsprechende Untersagungsverfügung. Über diese Vorgänge wurde der Kläger vor seiner Anlageentscheidung nicht informiert.

Die S. AG war als Aktionärin über ihre Beteiligung an der ...Gruppe (Holding) sowie mit ihren Unternehmenssegmenten II, IV und VI als atypisch stille Gesellschafterin u.a. auch an dem Bankhaus GmbH & Co. KG a.A (Bankhaus) beteiligt (vgl. Anlage K 5, hier u.a. Bl. 61 und 66 des Prospekts). Auch die Beklagten zu 1) bis 3) unterhielten Beteiligungen an dem Bankhaus. Hierauf enthielt der Emissionsprospekt Hinweise.

Mit Vertrag vom 22.09.1999 schloss die S. AG mit dem Bankhaus einen sog. Verlustübernahmevertrag zur unbeschränkten Übernahme aller Verluste (des Bankhauses). Dabei handelte es sich um die Folge bereits getätigter Investitionen in das Bankhaus, die als Aktien- bzw. stille Beteiligung den Unternehmenssegmenten II, IV und VI zugeordnet war. Die Vereinbarung diente dazu, die Kreditwürdigkeit des Bankhauses zu verbessern und zu erreichen, dass dessen Banklizenz durch das Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen nicht in Frage gestellt wurde. Hierüber wurde der Kläger bis zu seiner Anlageentscheidung nicht informiert.

Nach erheblichen Verlusten des Bankhauses im Jahre 1999 und 2000 erließ das BAKred am 29.01.2001 gegenüber dem Bankhaus (wiederholt) ein Moratorium. Das hiergegen eingelegte Rechtsmittel blieb erfolglos. Unter Bezugnahme auf diese Vorgänge teilte die S. AG ihren Gesellschaftern in einem "Newsletter 3/2001" vom 07.08.2001 mit, dass die gewinnunabhängigen Entnahmen vorübergehend ausgesetzt werden müssen. Unter dem 29.01.2001 schlossen die S. AG und das Bankhaus zur Abwendung sonst drohender Maßnahmen nach § 46 a KWG eine Vereinbarung, ausweislich deren auf Grund bestehender Verbindlichkeiten der S. in Höhe von insgesamt 24.233.048,38 DM (davon 13.105127,21 DM auf Grund des Verlustübernahmevertrages) die S. AG Forderungen aus den atypisch stillen Beteiligungen an das Bankhaus im Gesamtvolumen von ca. 50 Mio DM abtrat. Am 27.04.2001 wurde dem Bankhaus die Lizenz entzogen, deren Bankgeschäft kam zum Erliegen und es wurde die Insolvenz angemeldet. In den Jahren 2000 und 2001 zahlte die S. AG auf Grund des Verlustübernahmevertrages insgesamt 48 Mio DM an das Bankhaus; dieses Geld floss vornehmlich aus dem Segment VII. Auf Grund einer Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter waren noch bis in das laufende Jahr Zahlungen durch die S. AG auf Grund dieses Engagements zu erbringen.

Der Kläger leistete auf seine Beteiligung Einlagen in Höhe von insgesamt € 55.795,60; dem stehen Entnahmen i.H.v. insgesamt € 3.413,47 gegenüber.

Der Kläger hat behauptet, dass durch die Untersagung einer ratierlichen Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens eine überwiegende Zahl der "Altverträge" entgegen der Kalkulation der S. AG in einem Betrag zurückzuzahlen seien. Hierdurch bedingte Liquiditätsschwierigkeiten der S. AG würden auch seine Beteiligungen mit einem Renditerisiko belasten, über das er vor seiner Anlageentscheidung aufzuklären gewesen wäre.

Gleiches gelte für den Verlustübernahmevertrag vom 22.09.1999. Hiermit sei die S. AG ein unkalkulierbares und den Investitionsgrundsätzen widersprechendes Risiko für ihr ganzes Vermögen unter Einschluss des dem Unternehmenssegment VII zugeordneten Kapitals eingegangen. Dieses Risiko habe sich inzwischen auch verwirklicht (s.o.).

Schließlich seien auch die persönlichen Verflechtungen von Organen der S. AG im Prospekt nicht vollständig mitgeteilt worden.

Bei ordnungsgemäßer Aufklärung über diese Risiken wäre er die verfahrensgegenständlichen Beteiligungen nicht eingegangen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagten für die vorbezeichneten Mängel des Emissionsprospektes aus dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung sowie einer unerlaubten Handlung gemäß §§ 826, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 264 a StGB einzustehen hätten. Die Deliktshaftung begründe gemäß § 32 ZPO eine örtliche Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts.

Der Kläger hat in I. Instanz abschließend beantragt,

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn € 52.382,13 Zug um Zug gegen schriftliche Zustimmung zur Übertragung des Gesellschaftsanteils mit der Vertragsnummer an der S. AG, hilfsweise gegen Abtretung des Auseinandersetzungsguthabens, nebst Zinsen i.H.v. 6 % aus € 51.385,22 seit dem 02.04.2000 bis Rechtshängigkeit sowie 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes vom 09.06.1998 aus € 52.382,13 seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. die Beklagten zu verurteilen, den Kläger von einer möglichen Rückzahlungsverpflichtung von gezahlten Entnahmen i.H.v. € 3.413,47 freizustellen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben ausdrücklich die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts gerügt, da der Kläger eine unerlaubte Handlung nicht schlüssig dargelegt habe und deshalb ein Gerichtsstand des § 32 ZPO nicht begründet sei.

Weiter haben sie die Auffassung vertreten, dass ein Prospektmangel schon deshalb nicht vorliegen könne, weil die von dem Kläger als fehlend gerügten Umstände (Untersagungsverfügung des BAKred, Verlustübernahmevertrag) erst nach der Herausgabe des Emissionsprospektes eingetreten seien.

Zu einer Prospektergänzung oder sonstigen Aufklärung des Klägers über die vorbezeichneten Umstände seien sie nicht verpflichtet gewesen, da weder aus der Untersagungsverfügung noch dem Verlustübernahmevertrag besondere - gefahrerhöhende - Risiken für die Beteiligung des Klägers zu erwarten gewesen wären.

Die Untersagungsverfügung des BAKred wirke sich auf die Beteiligung des Klägers nicht aus, da sie lediglich "Altverträge" erfasse, während zum Zeitpunkt der Beteiligung des Klägers ohnehin sämtliche Auseinandersetzungsguthaben in einem Betrag zurückzuzahlen seien. Auch bei den "Altverträgen" habe für die Anleger die Möglichkeit bestanden, sich - nachträglich - für eine Einmalauszahlung zu entscheiden. Die S. AG habe deshalb unabhängig von der Untersagungsverfügung des BAKred mit Einmalauszahlungen des Auseinandersetzungsguthabens bei "Altverträgen" zu rechnen gehabt.

Auch der Verlustübernahmevertrag mit dem Bankhaus habe zu keiner Risikoerhöhung für die Beteiligung des Klägers führen können. Wegen der bei der S. AG bestehenden Segmentierung hätte die Verlustübernahme, die allein durch das Unternehmenssegment II erfolgt sei, keinerlei Auswirkungen auf das Segment VII des Klägers; weder das Ergebnis noch das Vermögen des Unternehmenssegments VII würden durch den Verlustübernahmevertrag betroffen.

Schließlich sei die S. AG ohnehin wegen ihrer Aktienbeteiligung am Bankhaus und der Besicherung von dem Bankhaus übertragenen Finanzierungen für Anlagebeteiligungen sowie über atypisch stille Beteiligungen verschiedener Unternehmenssegmente bereits für Verluste des Bankhauses in der Haftung gewesen; sie habe faktisch in der vollen Finanzierungsverantwortung gegenüber dem Bankhaus gestanden.

Diese bereits bestehende Haftungslage sei durch den Verlustübernahmevertrag nicht zum Nachteil der Anleger im Segment VII erweitert worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachverhaltes wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht Gera hat nach Verneinung seiner (örtlichen) Zuständigkeit die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen. Der Gerichtsstand des § 32 ZPO sei mangels hinreichend schlüssiger Darlegungen zu einer Deliktshaftung nicht gegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils Bezug genommen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung rügt der Kläger, das Landgericht habe seine Zuständigkeit rechtsfehlerhaft verkannt.

Im übrigen wiederholt und vertieft er seinen erstinstanzlichen Sachvortrag zur Einstandspflicht der Beklagten.

Der Kläger beantragt nunmehr, nachdem er seinen ursprünglich angekündigten Hauptantrag auf Aufhebung und Zurückverweisung i. T. vom 19.01.2005 fallen gelassen hat die Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Gera gesamtschuldnerisch zu verurteilen,

1. an ihn € 52.382,13 Zug-um-Zug gegen schriftliche Zustimmung zur Übertragung des Gesellschaftsanteils mit den Vertragsnummern ... und ... an die S. AG, hilfsweise gegen Abtretung des Auseinandersetzungsguthabens, nebst Zinsen i.H.v. 6 % aus € 51.385,22 seit dem 02.04.2000 bis Rechtshängigkeit und 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 des DÜG vom 09.06.1998 aus € 52.382,13 seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. den Kläger von einer möglichen Rückzahlungsverpflichtung von gezahlten Entnahmen i.H.v. € 3.056,83 auf den Vertrag mit der Vertragsnummer ... und € 356,64 auf den Vertrag mit der Vertragsnummer ... freizustellen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen;

ferner - die Beklagten zu 3. und 4. hilfsweise -, das Urteil des Landgerichts Gera aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Sie verteidigen das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages.

Die Beklagten zu 3.) und 4.) tragen ergänzend vor, sie hätten als Vertriebsvorstände keine Kenntnis oder Einflussmöglichkeit bezüglich des Prospektinhaltes oder nachzutragender Umstände gehabt; ihren Kontroll- und Aufsichtspflichten seien sie nachgekommen.

II.

Die - zulässige - Berufung ist begründet und verhilft auch der Klage zum Erfolg.

Das Landgericht hat zu Unrecht seine örtliche Zuständigkeit verkannt und die Klage abgewiesen.

Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts ergibt sich entgegen der Auffassung des Erstgerichts aus § 32 ZPO.

Nach dieser Vorschrift ist der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (forum delicti commissi) gegeben, wenn der Kläger einen deliktischen Anspruch (im weitesten Sinn) geltend macht; hierbei genügt die schlüssige Behauptung von Tatsachen, aus denen sich ein solcher Anspruch ergeben kann (BGH, Az: XII ZR 181/93, Urteil v. 28.02.1996, zitiert nach Juris: RN 15). Nicht nötig ist, dass die Klage nur auf unerlaubte Handlung gestützt wird; diese muss lediglich mit den Klagegrund bilden (vgl. Zöller, Vollkommer, 23. Aufl., § 32 Rz 15 m.w.Nw.). Das danach zuständige Gericht hat gemäß § 17 Abs. 2 GVG den Streitgegenstand unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen und zu entscheiden (BGH, Az: X ARZ 208/02, Beschluss v. 10.12.2002, zitiert nach Juris: RN 10 f). Die frühere Auffassung der Beschränkung der sachlichen Entscheidungskompetenz nur auf den Klagegrund des Delikts (so noch BGH NJW 74, 411) ist seit der Neufassung des § 17 Abs. 2 GVG zum 01.01.1991 nicht mehr aufrechtzuerhalten; Bedenken gegen eine umfassende Zusammenhangszuständigkeit bestehen daher hier nicht.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat der Kläger sein Klagebegehren mit hinreichend schlüssigem Sachvortrag (auch) auf einen deliktischen Anspruch (§§ 832 Abs. 2 BGB i.V.m. 264 a StGB) gestützt. Nach § 264 a StGB wird bestraft, wer im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Anteilen, die eine Beteiligung an dem Ergebnis eines Unternehmens gewähren sollen, in Prospekten hinsichtlich der für die Entscheidung über den Erwerb erheblichen Umstände gegenüber einem größeren Personenkreis unrichtige vorteilhafte Angaben macht oder nachteilige verschweigt. Die Voraussetzungen dieses Tatbestands hat der Kläger nicht nur schlüssig vorgetragen; sie stehen auch auf Grund unstreitiger Tatsachen zur Überzeugung des Senats fest (§ 286 ZPO). Der Kläger hat insbesondere vorgetragen, dass der seiner Anlageentscheidung zu Grunde liegende Prospekt teilweise unrichtig sei, die Beklagten mithin vorsätzlich für seine Anlageentscheidung wesentliche Umstände nicht in den Emissionsprospekt aufgenommen bzw. den Prospektinhalt nicht nachträglich ergänzt hätten. Letzteres betrifft vor allem den Verlustübernahmevertrag vom 22.09.1999, mit dem die S. AG ihr wirtschaftliches Schicksal mit dem des Bankhauses unbeschränkt verknüpft habe. Für ein strafrechtlich sanktioniertes Unterlassen einer Prospektaktualisierung hat er sich auf die Kommentierung von Tiedemann im Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch (§ 264a RN 58) bezogen. Dies genügt nach der vorbezeichneten Rechtsprechung, um den Gerichtsstand des § 32 ZPO zu begründen. Ob die vorgetragenen Darlegungen und Rechtsauffassungen im Ergebnis zutreffend sind, ist im Rahmen der inhaltlichen Sachprüfung des Streitgegenstandes, nicht aber bereits in der Zulässigkeitsprüfung zu erörtern.

Von der Möglichkeit einer - jetzt von den Beklagten beantragten - Zurückverweisung an das LG Gera gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO macht der Senat keinen Gebrauch, obwohl die Verkennung der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts einen schweren Verfahrensfehler darstellt und die fehlerhafte Beschränkung (nur) auf die Zulässigkeit der Klage grundsätzlich bei entsprechendem Antrag einer Partei die Zurückverweisung rechtfertigt, um der Partei die erste Instanz zu erhalten.

Der vorliegende Rechtsstreit ist indes nach Auffassung des Senats auch ohne Beweisaufnahme spruchreif; zur Gewährleistung der hier gebotenen Verfahrensbeschleunigung ist eine Entscheidung des Berufungsgericht daher geboten (zur insoweit angeratenen Ermessensreduzierung vgl. auch Zöller-Gummer, ZPO, 23. Auflage, § 538 RN 6 und mit Hinweis zur ähnlichen Rechtsprechung des BGH zum alten Recht BGH MDR 86, 687).

Die Klage ist nach Auffassung des Senats begründet.

Die Beklagten sind dem Kläger aus dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung, hier wegen Verletzung ihrer Prospektaktualisierungspflicht, zum Schadensersatz verpflichtet.

Ob daneben deswegen auch eine Deliktshaftung (aus §§ 823 II BGB, 264 a StGB oder § 826 BGB) besteht, kann dahinstehen.

Zunächst war der Klageantrag zu 1.) dahin auszulegen, dass gegen schriftliche Zustimmung des Klägers die Erstattung der auf die Vertragsnummern ... und ... geleisteten Zahlungen begehrt wird.

Der Kläger beansprucht Schadensersatz Zug-um-Zug gegen Übertragung seiner Beteiligungen auf die Beklagten. Die Übertragung der klägerischen Beteiligungen bedarf gemäß § 295 Abs. 1 AktG der Zustimmung der Hauptversammlung. Der Kläger ist zur Mitwirkung an der Herbeiführung eines dahingehenden Hauptversammlungsbeschlusses verpflichtet, indem er seinerseits die Zustimmung zu einer Übertragung der verfahrensgegenständlichen Beteiligungen auf die Beklagten erteilt. Dies stellt die Obliegenheit des Klägers aus der beantragten Zug-um-Zug-Verurteilung dar (vgl. hierzu OLG Stuttgart, Az: 19 U 202/03, Urteil vom 29.01.2004, S. 10).

Unerheblich ist, dass der Kläger in seinen erstinstanzlichen Klageanträgen stets nur einen der beiden verfahrensgegenständlichen Beteiligungsverträge aufgeführt hat. Aus dem gesamten Prozessinhalt ergibt sich das auf beide Beteiligungsverträge bezogene Begehren des Klägers. Mit seinem für die vorliegende Entscheidung maßgeblichen Berufungsantrag ist dies klargestellt.

Die Beklagten waren verpflichtet, den Kläger vor dessen Anlageentscheidung am 14.03.2000 über den zuvor mit dem Bankhaus abgeschlossenen Verlustübernahmevertrag vom 22.09.1999 in Kenntnis zu setzen. Mindestens im Hinblick auf diesen Vertrag, mit dem sie eine betragsmäßig unbegrenzte Mithaftung für Verluste des Bankhauses übernahmen, hätte der insoweit unrichtige Prospekt vom 01.08.1999 nach Auffassung des Senats ergänzt (=berichtigt) werden müssen. Dieser Nachtragspflicht wegen der durch diesen Vertrag deutlichen Risikoerhöhung (auch) für die streitgegenständliche Kapitalanlage, die sich schließlich in den Jahren 2000, 2001 und bis heute verwirklicht hat, sind die Beklagten nicht nachgekommen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes unterliegen der Haftung wegen unrichtiger und unvollständiger Angaben in einem Prospekt die Herausgeber dieses Prospekts und die für dessen Herstellung Verantwortlichen (BGHZ 79, 337 ff). Beim Inverkehrbringen von Emissionsprospekten, mit denen auf dem freien Kapitalmarkt Gesellschafter geworben werden, trifft die Prospektherausgeber die Verpflichtung, für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Prospektangaben einzustehen. Diese Grundsätze gelten auch für die Beteiligung von stillen Gesellschaftern an einer Aktiengesellschaft. Nach den vom BGH hierzu entwickelten Grundsätzen, die an ein typisiertes Vertrauen der Anleger auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der von den Prospektverantwortlichen gemachten Angaben anknüpfen, hat der Prospekt, der regelmäßig die Grundlage für den Beitrittsentschluss des mit ihm geworbenen Interessenten bildet, diesem ein zutreffendes Bild von der angebotenen Kapitalbeteiligung zu vermitteln. Dazu gehört, dass sämtliche für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstände richtig und vollständig dargestellt sind. Sofern sich nach Herausgabe des Prospektes darin enthaltene Umstände ändern oder neue für die Anlageentscheidung bedeutsame Gesichtspunkte hinzutreten, ist hiervon im Wege der Prospektberichtigung/-ergänzung - gegebenenfalls durch mündliche Hinweise im Vermittlungsgespräch - Mitteilung zu machen (vgl. BGHZ 123, S. 106, 109 f; BGH, Az: II ZR 40/00, Urteil vom 14.01.2002, zitiert n. Juris RN 18).

Gegen diese Pflicht zur sachlich richtigen und umfassenden Information haben die Beklagten als Prospektverantwortliche verstoßen, indem sie es unterließen, dafür Sorge zu tragen, dass der vom 01.08.1999 datierende Prospekt, der Grundlage für die Anlageentscheidung des Klägers war, um die Darstellung ergänzt wurde, dass die S. AG im September 1999 mit dem Bankhaus einen unbeschränkten Verlustübernahmevertrag schloss, der ihr wirtschaftliches Schicksal auf eine Weise mit dem des Bankhauses verknüpfte, wie es bis dato nicht der Fall war.

Der Abschluss des Verlustübernahmevertrages war damit wegen seiner unabsehbaren Risiken (auch) für das Vermögen des Unternehmenssegments VII der S. AG ein für die Entscheidung über eine Beteiligung am Unternehmenssegment VII bedeutsamer Umstand, über den der Kläger vor seiner Entscheidung zur stillen Beteiligung an der S-Rente zu informieren war.

Die für die Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung des Verlustübernahmevertrages beruht auf dessen betragsmäßig unbeschränkten Haftung, die nicht nur einzelne Beteiligungen verschiedener Segmente der S. AG, sondern deren gesamtes Vermögen unter Einschluss der dem Unternehmenssegment VII zugeflossenen und noch zufließenden Kapitalbeteiligungen erfasste. Bis zum Ende der Laufzeit des Vertrages war damit die Gefahr begründet, dass geworbenes Beteiligungskapital zumindest teilweise nicht gemäß den im Emissionsprospekt dargestellten Investitionszielen verwendet werden konnte, sondern - aus Sicht des Anlegers interessenwidrig - zur Liquiditätssicherung eines einzelnen, zudem segmentfremden Konzernunternehmens eingesetzt wird.

So räumen selbst die Beklagten ein, es handelte sich "bei dem Verlustübernahmevertrag gar nicht um eine Investition, sondern um eine zusätzliche Maßnahme, um das Konzernunternehmen zu stärken", bzw. eine "sonst eintretende Insolvenzreife (des Bankhauses) zu vermeiden" (Schriftsatz vom 12.06.2003, S. 25). Konkret habe die Vereinbarung dazu gedient, "die Kreditwürdigkeit des Bankhauses zu verbessern und zu erreichen, dass die Banklizenz durch das damalige BAKred nicht in Frage gestellt wird" (Schriftsatz vom 18.08.2003, S. 7).

Der Verlustübernahmevertrag, mit dem die S. AG ihr wirtschaftliches Schicksal unbeschränkt mit dem des Bankhauses verknüpfte, diente damit allein konzernstrategischen Zwecken, dem die entgegenstehenden Interessen der Anleger des Segments VII untergeordnet wurden. Während auf diese Weise Haftungsrisiken (auch) für das Unternehmenssegment VII begründet wurden, kamen die Vorteile der Verlustübernahme (Verbesserung der Kreditwürdigkeit und Vermeidung einer Insolvenz des Bankhauses) indes nicht den mithaftenden Anlegern des Segments VII, sondern allein den bestehenden Konzernbeteiligungen und - wegen der (kurzfristigen) Erhaltung der Banklizenz - übergeordneten Konzerninteressen zugute.

Die Beklagten konnten hierbei nicht davon ausgehen, dass der Verlustübernahmevertrag keine Auswirkungen auf das Segment VII haben werde. Dass das Bankhaus dabei nicht unmittelbar diesem Segment zugeordnet wurde, ist ohne Belang. Denn die Ertragserwartungen des Klägers wurden durch diesen Vertrag gleichwohl tangiert. Zum einen bestanden die Haftungs- und Ertragsbeschränkungen nur im Innenverhältnis; eine Außenwirkung kam ihnen nicht zu. Für den Fall, dass die S. AG ihre Verlustübernahmeverpflichtungen aus diesem Vertrag nicht bediente, hätte das Bankhaus nach Erstreiten eines Titels jederzeit auch in das Vermögenssegment VII vollstrecken können. Selbst wenn auf Grund der zwischen den stillen Gesellschaftern im Innenverhältnis womöglich Abreden bestanden haben, dass solche Verluste von den dem Bankhaus Pzugeordneten Segmenten II, IV und V auszugleichen waren, hingen solche (internen) Abreden auch davon ab, ob und in welchem Umfang diesen Segmenten überhaupt noch genügend Kapital zur Verlustdeckung zur Verfügung stand. Da die S. AG sich mit ihrem gesamten Vermögen gegenüber dem Bankhaus zur Verlustübernahme verpflichtete, konnte die - nur der internen Strukturierung dienende - Segmentierung die Anleger des Segments VII nicht vor einer Inanspruchnahme und einer Gefährdung ihres Beteiligungskapitals schützen

Im übrigen zeigt und beweist die Verwendung der geleisteten Einlagen des Segments VII im Umfang von 50 bis 100 Mio DM zur Begleichung der Schulden des Bankhauses, dass trotz der internen Abreden auch das Vermögen dieses Segments zur Verlustdeckung mit herangezogen wurde. Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen kam im übrigen am 16.05.2001 zum Ergebnis, dass nach den (eigenen) Angaben der S. AG (vgl. Newsletter 2/2001) die ihren Anlegern zugesagten Ausschüttungen zur Sanierung des Bankhauses verwendet wurden.

Tatsächlich sind auch - neben dem verlustbedingten Wegfall gewinnunabhängiger Entnahmen - schon nach Darstellung der Beklagten allein im Jahr 2001 aus dem Segment VII Zahlungen in Höhe von € 10.281.422,71 auf den Verlustübernahmevertrag erbracht worden (SS vom 23.02.2005, S. 7).

Einen "werthaltigen Ausgleich" für diese Beeinträchtigungen durch Überschreibung von Aktien und Immobilien gab es hierfür offenbar nicht. Auch bei Wahrunterstellung des - nur pauschalen - Vorbringens der Beklagten zu solchen Kompensationsleistungen steht einer Werthaltigkeit aus Sicht des Anlegers bereits entgegen, dass die zur Verlustdeckung verwendeten Kapitalanteile nicht mehr zur Verwirklichung der prospektierten Anlagestrategie zur Verfügung standen und die vereinbarten Entnahmemöglichkeiten der Anleger ausgesetzt werden mussten.

Damit ist zweifelsfrei ein über die Risikobelehrung des Prospektes und die dort dargestellten, bereits bestehenden Beteiligungen der S. AG am Bankhaus hinausgehender - prospektpflichtiger - Risikoumstand geschaffen worden, der für den Kläger als zu werbendem Anleger auch von erheblicher Bedeutung war.

Aus der anzustellenden ex-ante-Betrachtung drängte sich das mit einer unbeschränkten Verlustübernahme verknüpfte potentielle Risiko für alle Anleger der S. AG auf. Inwieweit sich dieses Risiko später tatsächlich verwirklichte, ist für die Beurteilung eines Aufklärungsmangels unerheblich; dies unterliegt dem unternehmerischen Risiko, das ein Anleger bei ordnungsgemäßer Aufklärung bewusst eingegangen wäre.

Die Beklagten vermag auch nicht zu entlasten, dass die S. AG ohnehin bereits "faktisch in der vollen Finanzierungsverantwortung" gegenüber dem Bankhaus stand. Zum einen hätte es dann eines Verlustübernahmevertrages zur Fortführung des Bankhauses nicht bedurft; zum anderen wäre auch eine so weitgehende Finanzierungsverantwortung im Prospekt entsprechend darzustellen gewesen.

Der Abschluss des Verlustübernahmevertrages führte indes (s.o.) gegenüber den zuvor bestehenden Verbindlichkeiten zu einer weitergehenden Haftung der S. AG unter Einschluss des dem Segment VII zugeführten neuen Kapitals. Eine Haftung der S. AG für darlehensfinanzierte Anlegerbeteiligungen war dagegen auf das hiervon betroffene Beteiligungskapital beschränkt. Die von verschiedenen Segmenten der S. AG als atypisch stille Gesellschafter gehaltenen Beteiligungen waren ebenfalls auf das gezeichnete Kapital beschränkt. Eine aus konzernstrategischen Gründen geleistete Finanzierung des Bankhauses hätte - wenngleich mit der später ohnehin eingetretenen Konsequenz der Insolvenz der Bank - jederzeit eingestellt werden können. Somit ist erstmals mit dem Verlustübernahmevertrag vom 22.09.1999 eine Haftung begründet worden, die betragsmäßig unbeschränkt das gesamte Vermögen der S. AG unter Einschluss aller Anlegerbeteiligungen dem Schicksal des Bankhauses auslieferte.

Dieses unbeschränkbare und erheblich höhere Haftungsrisiko für (alle) Verluste eines einzelnen Konzernunternehmens war erstmals mit Abschluss des Verlustübernahmevertrages vom 22.09.1999 angelegt und hätte dem Kläger daher vor dessen Anlageentscheidung am 14.03.2000 dargestellt werden müssen.

In den dem Kläger vorgelegten Emissionsprospekt 13.3 der S. AG vom 01.08.1999 konnte der Vertragsschluss - da zeitlich nachfolgend - zwar nicht mehr aufgenommen werden. Dies steht aber einer Prospekthaftung der Beklagten nicht entgegen. Vielmehr traf sie bezüglich dieses nachfolgend eingetretenen Umstandes eine - auf schriftliche oder mündliche Zusatzinformation gerichtete - Nachtragspflicht (vgl. so auch OLG Stuttgart, a.a.O., S. 20; OLG München, Az: 5 U 4612/03, Urteil vom 20.04.2004, S. 10).

Ob daneben auch eine unterlassene Mitteilung der umgestellten Auszahlungen von "Altverträgen" oder eine unzureichende Darstellung zu persönlichen und gesellschaftlichen Verflechtungen eine Prospekthaftung begründet, kann dahingestellt bleiben.

Für den vorbezeichneten Prospektmangel haften alle Beklagten als Gesamtschuldner.

Diese Haftung ergibt sich bereits aus ihrer damaligen Funktion als Vorstände der S. AG. Als solche waren sie - unabhängig davon, ob dies aus dem Prospekt hervorgeht - für den Inhalt des Prospekts verantwortlich (BGH, Az: III ZR 359/02, Urteil v. 12.02.2004, zitiert n. Juris: RN 13; BGHZ 115, S. 208, 213; BGH NJW 1995, S. 1025). Überdies haben sie ausweislich S. 120 des Prospekts als - auf S. 43 namentlich benannte - Vorstände der S. AG die Verantwortung für dessen Vollständigkeit und Richtigkeit übernommen gehabt. Hierbei ist es unerheblich, dass nur die Beklagten zu 1.) und 2.) den Prospekt unterzeichneten, da die Beklagten zu 3.) und 4.) ihre Verantwortlicherklärung kannten oder jedenfalls kennen mussten. Als Vertriebs- und Marketingvorstände waren sie für den Einsatz des Prospekts als wesentliches Vertriebsmittel zuständig und damit - ebenso wie die Beklagten zu 1.) und 2.) - für dessen Aktualisierung verantwortlich.

Dass es ihnen auch bei Aufbietung aller gebotenen Sorgfalt nicht möglich gewesen wäre, vor der Anlageentscheidung des Klägers von dem Verlustübernahmevertrag vom 22.09.1999 zu erfahren und auf eine entsprechende Ergänzung der Prospektangaben hinzuwirken, haben die Beklagten zu 3.) und 4.) nicht vorgetragen. Die Geschäftsverteilung und die räumliche Distanz zwischen den Beklagten zu 1.) und 2.) einerseits und den Beklagten zu 3.) und 4.) andererseits genügt jedenfalls nicht für eine Entlastung der Beklagten zu 3.) und 4.).

Die Beklagten haben ihre Haftung nicht wirksam beschränkt.

Die auf Seite 120 des Prospekts enthaltene Haftungsbegrenzung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit ist wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG (i.V.m. Art 229 § 5 Satz 1 EGBGB) unwirksam. Die Aufklärungspflicht der Prospektverantwortlichen und die darauf beruhende Prospekthaftung sind für den Schutz des Investors von grundlegender Bedeutung, mit der sich ein Haftungsausschluss für einfache Fahrlässigkeit nicht vereinbaren lässt (BGH, Az: II ZR 40/00, a.a.O., RN 23).

Die Anlageentscheidung des Klägers beruhte auf diesem Informationsmangel. Kausalität zwischen der fehlerhaften Aufklärung und einer Anlageentscheidung liegt vor, wenn die unrichtigen oder unvollständigen Angaben die Anlageentscheidung zumindest mitbestimmt haben und der Anleger sich bei ordnungsgemäßer Information nicht an dem Anlageobjekt beteiligt hätte (OLG München, a.a.O., S. 13). Hierfür spricht eine von den Beklagten zu widerlegende tatsächliche Vermutung (OLG Stuttgart, a.a.O., S. 22 f). Nach der Rechtssprechung entspricht es der Lebenserfahrung, dass ein Prospektfehler für die Anlageentscheidung kausal geworden ist, ohne dass dieser Prospektfehler auch zum Scheitern der Anlage führen muss (BGH, Az: II ZR 40/00, Urteil vom 14.01.2002, zitiert n. Juris RN 24).

Die Beklagten vermochten diese Vermutung nicht zu widerlegen. Sie haben keinen hinreichend konkreten Sachvortrag dazu gehalten, dass der Kläger seine Anlageentscheidung ohnehin unabhängig von jeglichen Prospektmitteilungen getroffen hat oder auch in Kenntnis des Verlustübernahmerisikos seine Beteiligungen gezeichnet hätte. Insbesondere genügte hierfür weder die wiederholte pauschale Behauptung der Beklagten, der Kläger habe den Prospekt gar nicht eingesehen gehabt, noch der Verweis auf andere im Prospekt dargestellte Haftungstatbestände.

Denn zum einen steht dem - anders als in der von den Beklagten zu 1.) und 2.) zitierten Entscheidung des OLG Stuttgart (Az: 1 U 11/04, Urteil v. 07.09.2004) - die Einlassung des Klägers entgegen, der Prospekt sei eine Grundlage seiner Anlageentscheidung gewesen. Hierfür ist es nicht erforderlich, dass der Interessent den Prospekt durchliest; auch eine zusammenfassende mündliche Angabe des Prospektinhalts im Vermittlungsgespräch kann genügen. Auf irgendeine Weise muss dem Kläger das Beteiligungsmodell der S-Rente vorgestellt worden sein. Sowohl bei einer eigenen Erarbeitung des Prospektinhaltes durch den Kläger als auch bei dessen mündlicher Zusammenfassung durch den Vermittler kommt es darauf an, dem Anlageinteressenten ein zutreffendes Bild der bestehenden Chancen und Risiken der Beteiligung zu vermitteln. Voraussetzung hierfür ist in beiden Fällen - vorbehaltlich etwaiger Berichtigungen oder Ergänzungen - die Vollständigkeit und Richtigkeit des Prospektinhaltes. Diese sind für die Prospekthaftung selbst dann entscheidend, wenn der Prospektinhalt nicht detailliert zur Kenntnis genommen/gebracht wurde; dem Anleger muss zumindest die Möglichkeit gegeben werden, sich über die mit der Anlageentscheidung verbundenen Chancen und Risiken vollständig zu informieren. Dass der Kläger demgegenüber - wie in der von den Beklagten zu 1.) und 2.) zitierten Entscheidung des OLG Stuttgart (Az: 1 U 11/04, Urteil v. 07.09.2004) - seine Anlageentscheidung unabhängig von jeglicher Risikobelehrung allein aufgrund inhaltloser Anpreisungen des Vermittlers traf, tragen selbst die Beklagten nicht vor.

Zum anderen konnte der Verlustübernahmevertrag vom 22.09.1999 - wie dargestellt - in den ursprünglichen und dem Kläger vorgelegten Prospekt vom 01.08.1999 gar nicht aufgenommen sein. Auch eine eingehende Kenntnisnahme des Prospektinhaltes hätte den Kläger deshalb über das besondere Risiko des Verlustübernahmevertrages nicht informieren können. Dass der Kläger auch die danach gebotenen berichtigenden oder ergänzenden Informationen - gegebenenfalls durch mündlichen Hinweis im Vermittlungsgespräch - bei seiner Anlageentscheidung nicht berücksichtigt hätte, haben die Beklagten ebenfalls nicht dargetan.

Unerheblich ist schließlich, dass der Prospekt verschiedene Haftungstatbestände der S. AG aufführt, die den Kläger nicht von seinen Beteiligungen am Segment VII abgehalten haben. Dies lässt nicht - zur Widerlegung der vorbezeichneten Vermutung - mit hinreichender Wahrscheinlichkeit darauf schließen, dass der Kläger auch in Kenntnis des Verlustübernahmevertrages dieselbe Anlageentscheidung getroffen hätte. Dem steht bereits - mit ebenso hoher Wahrscheinlichkeit - die Darstellung des Klägers entgegen, er wäre bei ordnungsgemäßer Aufklärung die Beteiligungen nicht eingegangen.

Dem Kläger ist aufgrund dieses Prospektmangels ein Schaden entstanden.

Ein solcher Schaden beruht darauf, dass der Anleger - anders als es bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung zu vermuten wäre - sein Kapital in die beworbene Beteiligung investierte; er ist auf dem Schadensersatzwege so zu stellen, als hätte er die Anlage nicht getätigt (BGH, Az: II ZR 194/92, Urteil v. 05.07.1993, NJW 1993, S. 2865. 2866; OLG München, a.a.O., S. 16). Da ihn die Prospektaufklärungspflicht gerade vor Anlageentscheidungen schützen soll, die er in voller Kenntnis aller maßgeblichen Umstände nicht getroffen hätte, fällt der von ihm erlittene Schaden in den Schutzbereich der Verhaltensnorm, ohne dass es ausschlaggebend ist, ob sich später die im Prospekt verschwiegene Gefahr als solche verwirklicht hat (BGH NJW 1993, 2865). Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es somit nicht darauf an, ob und inwieweit bei dem Kläger tatsächlich eine Vermögensminderung eingetreten ist. Der Schaden besteht hier aber auch tatsächlich darin, dass die Anlage des Klägers nicht den vorgesehenen Wert besitzt, den sie ohne den Verlustübernahmevertrag gehabt hätte (s.o.). Einer exakten Bezifferung bedarf dies nicht (so auch OLG Köln - 15 U 35/04 - Urteil vom 27.07.2004).

Eventuell aus der Anlage gezogene Steuervorteile hat sich der Kläger wegen der Steuerpflicht der Ersatzleistung nicht anrechnen zu lassen (OLG Stuttgart, a.a.O., S. 24; OLG München, .a.aO., S. 16 f; OLG Köln aaO, S. 22; BGH, Az: II ZR 40/00, Urteil v. 14.01.2002, zitiert n. Juris: RN 27; BGH VersR 2002, 1251, 1253). Der BGH hat dazu ausgeführt, dass die Schadensersatzleistungen, die ein Kommanditist als Anleger erhalte, der Einkommensteuerpflicht unterliege: Das gilt auch für Beteiligungen der vorliegenden Art.

Der Schadensersatzanspruch des Klägers erfasst auch den Freistellungsanspruch des Klageantrages zu 2.). Ohne diese Freistellung wäre der Kläger gegebenenfalls in Höhe seiner Entnahmen gemäß § 236 Abs. 2 HGB zum Nachschuss verpflichtet, worauf auch der Prospekt (S. 112) ausdrücklich hinweist.

Die Ansprüche sind nicht verjährt.

Schadensersatzansprüche aus Prospekthaftung verjähren in sechs Monaten ab Kenntnis des Prospektmangels, spätestens nach Ablauf von drei Jahren seit dem Vertragsschluss über den Erwerb des Gesellschaftsanteils (BGH, Az: II ZR 114/81, Urteil v. 22.03.1982, zitiert n. Juris RN 10).

Zu einer länger als sechs Monate vor Klageeinreichung zurückreichenden Kenntnis des Klägers von dem vorbezeichneten Prospektmangel haben die hierfür darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 62. Auflage, vor § 194 RN 23) keine hinreichenden Umstände vorgetragen. Insbesondere lassen die Darstellungen der S. AG in ihren Newslettern 3/2001 und 5/2001 keine Rückschlüsse darauf zu, dass die dem Segment VII entnommenen Unterstützungsleistungen für das Bankhaus (auch) auf einem unbeschränkten Verlustübernahmevertrag beruhten (vgl OLG Stuttgart, a.a.O., S. 25).

Der für die dreijährige Verjährung maßgebende Beitritt zur Gesellschaft setzt nach allgemeinen Regeln neben einem Angebot zum Vertragsschluss auch dessen Annahme voraus. Die Verjährungsfrist beginnt deshalb mit der Annahme der klägerischen Beitrittserklärungen durch die S. AG (OLG Stuttgart, a.a.O., S. 25). Die Annahmeerklärung der S. AG ist ausweislich der als Anlage K 4 zur Klageschrift vorgelegten Zeichnungsscheine jeweils am 23.03.2000 erfolgt; Verjährung wäre danach mit Ablauf des 23.03.2003 eingetreten. Da der 23.03.2003 auf einen Sonntag fiel, ist die mit Voraus-Fax am 24.03.2003 beim Landgericht Gera eingegangene Klageschrift gemäß §§ 222 Abs. 2, 167 ZPO n.F. rechtzeitig vor Eintritt der Verjährung eingereicht worden.

Der Zinsanspruch aus der Zeit vor Rechtshängigkeit steht dem Kläger als entgangener Gewinn aus einer anderweitig möglichen zinsbringenden Anlage des streitgegenständlichen Beteiligungskapitals zu, § 252 BGB. Auf das - pauschale - Bestreiten der Zinshöhe in der Klageerwiderung vom 12.06.2003 (S. 18) hat der Kläger mit nachfolgendem Schriftsatz vom 17.07.2003 (S. 35) auf mögliche Zinsgewinne aus langfristigen Kapitalanlagen verwiesen. Dies genügt nach der dort zitierten Rechtsprechung - der sich der Senat anschließt - den Anforderungen an die Konkretisierung entgangenen Gewinns (vgl. OLG Celle, NZG 2001, S. 620, 621). Die Höhe dieses möglichen Kapitalzinses haben die Beklagten nicht in Abrede gestellt.

Der Anspruch auf den geltend gemachten Rechtshängigkeitszins beruht auf §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Soweit der Kläger seinen Zahlungsanspruch von ursprünglich € 55.795,60 auf zuletzt € 52.382,13 zurücknahm, wirkt sich dies auf die Kostenentscheidung nicht aus, da zugleich in Höhe des Differenzbetrages ein Freistellungsanspruch geltend gemacht wurde.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zu. Den hier entschiedenen Rechtsfragen kommt in Hinblick auf eine unbestimmte Vielzahl gleichartiger Verfahren eine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu.

Im Übrigen ist eine Revisionszulassung bereits nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO wegen Divergenz zwischen der vorliegenden Entscheidung und den vorangegangenen Urteilen des Thüringer Oberlandesgerichtes vom 20.04.2004 (Az: 8 U 616/03) und 12.05.2004 (Az: 2 U 877/03) sowie einer Vielzahl abweichender Urteile anderer Oberlandesgerichte veranlasst.

Der Streitwert wird für die Berufung festgesetzt auf € 55.795,60.

Ende der Entscheidung

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