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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 01.07.2009
Aktenzeichen: 4 U 588/08
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 839
GG Art. 34
1. Grundsätzlich kann der von einer falschen Auskunft (einer Behörde) Betroffene nach Amtshaftungsgrundsätzen den Schaden ersetzt verlangen, der ihm dadurch entstanden ist, dass er auf die Richtigkeit der Auskunft vertraut und mit Rücksicht hierauf Entscheidungen getroffen hat, die ihn in seinen Vermögensinteressen berühren.

2. Voraussetzung ist jedoch, dass der entstandene Nachteil adäquat kausal durch die (falsche) Auskunft verursacht wurde und zu der vom Schädiger dadurch geschaffenen Gefahrenlage in einem inneren Zusammenhang steht, d.h. nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fällt. Eine bloß zufällige äußere Verbindung zwischen Auskunft und Schaden genügt mithin nicht.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 588/08

Verkündet am: 01.07.2009

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richterin am Oberlandesgericht Friebertshäuser und Richterin am Amtsgericht Hütte

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24.06.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 19.06.2008 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen - einschließlich der Kosten des Nebenintervenienten - haben die Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Berufungsstreitwert wird auf 2.368,02 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Kläger nehmen die Beklagte wegen (behaupteter) Fehlauskunft auf Schadensersatz in Anspruch.

Im Jahr 2001 erwarben die Kläger von der Beklagten das mit einer alten Villa bebaute Grundstück H...straße 15 in Erfurt. Im notariellen Kaufvertrag vom 13.08.2001 (Anlage K1, I/7ff.) heißt es auf Seite 7: "Das Kaufobjekt ist Bestandteil des denkmalgeschützten Straßenbildes Humboldt/Heinrich-Heine-Straße" (S.7 des Kaufvertrags, I/14).

Wegen geplanter Umbaumaßnahmen fragte die Architektin der Kläger mit Schreiben vom 21.07.2004 (Anlage K3, I/59) beim Amt für Baukoordinierung, Stadterneuerung und Denkmalpflege (Abteilung Denkmalpflege / Denkmalschutz) der Beklagten an, "ob das Gebäude unter Denkmalschutz bzw. unter Ensembleschutz gestellt ist."

Da diese Anfrage nicht die erste war, hatte sich die Beklagte bereits am 09.06.2004 per E-Mail (Anlage B1, I/119) an das Landesamt für Denkmalpflege gewandt und um Mitteilung gebeten, "wie verfahren werden solle". Das Landesamt antwortete mit E-Mail vom 14.06.2004 (Anlage B1), in der es u.a. heißt: "das (Haus) ist definitiv kein KD (= Kulturdenkmal) und auch kein Ensemblebestandteil." In diesem Sinne beantwortete das Landesamt für Denkmalpflege auch die erneute E-Mail-Anfrage der Beklagten vom 17.08.2004; und zwar - gleichfalls am 17.08.2004 per E-Mail (Anlage B3, I/151) - mit den Worten "Das Haus Nr. 15 ist definitiv kein Denkmal".

Mit Schreiben vom 19.08.2004 (Anlage K4, I/60) teilte die Beklagte auf die Anfrage der Kläger vom 21.07.2004 mit, "dass der gesamte Straßenzug bisher auf der Arbeitsliste gestanden habe; das Landesdenkmalamt nunmehr aber zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Bebauung der Humboldtstraße den Kriterien einer Unterschutzstellung letztendlich nicht entspräche....."

Wegen des Schreibens vom 19.08.2004 begehren die Kläger nun Schadensersatz; und zwar Rechtsanwaltskosten iHv 2.368,02 € mit der Begründung, sie hätten wegen der Abweichung zu den früheren Angaben zum - steuerlich relevanten - Denkmalschutz anwaltlicher Hilfe (Prüfung und Beratung) bedurft. Die hierbei entstandenen Kosten müsse die Beklagte ersetzen, da ihre Auskunft vom 19.08.2004 falsch gewesen sei. Tatsächlich sei die Bebauung der Humboldtstraße bis zum 11.02.2005 in der - vom Landesamt für Denkmalpflege geführten - Arbeitsliste der Kulturdenkmale (Denkmalliste) eingetragen gewesen; erst am 11.02.2005 habe - was als Fakt außer Streit steht - das Landesamt für Denkmalpflege die Humboldtstraße 15 aus der Denkmalliste gestrichen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der in der ersten Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Amtshaftungsklage mit der Begründung stattgegeben, die im Perfekt formulierte Auskunft vom 19.08.2004 des "bisher auf der Arbeitsliste gestandenen Objekts" sei haftungsbegründend falsch, da hiermit der (unzutreffende) Eindruck erweckt worden sei, die Listenstreichung sei bereits im August 2004 erfolgt. Wegen der Begründungsdetails wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 20.06.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18.07.2008 Berufung eingelegt und diese am 20.08.2008 begründet.

Mit der Berufung rügt die Beklagte im Wesentlichen, dass ihr kein Verschulden vorgeworfen werden könne. Sie habe auf die Auskunft der übergeordneten Denkmalfachbehörde - des Landesamtes für Denkmalpflege - vertrauen dürfen, wonach kein Denkmalschutz bestehe.

Die Beklagte und die ihr beigetretene Nebenintervenientin beantragen,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Erfurt vom 19.06.2008 - Az.: 10 O 1038/07 - abzuweisen.

Der Kläger verteidigt das Urteil des Landgerichts und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Beklagte hat ihre statthafte (§ 511 ZPO) Berufung form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet (§§ 517, 519, 520 Abs. 2, 3 ZPO).

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Unter Abänderung des angefochtenen Urteils ist die unbegründete Klage abzuweisen. Das Landgericht hat zu Unrecht eine (Amts-)Haftung der Beklagten aus § 839 BGB, Art. 34 GG bejaht.

Zunächst kann dahin stehen, ob die Beklagte - wie es das Landgericht angenommen hat - für die Anfrage der Architektin der Kläger vom 21.07.2004 überhaupt zuständig war. Ob die Anfrage an die das Denkmalbuch führende Fachbehörde des Nebenintervenienten, das Landesamt für Denkmalpflege hätte gerichtet werden müssen, kann offenbleiben. Selbst wenn die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Schreiben vom 19.08.2004 außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs agiert haben sollte, schließt dies ihre Inanspruchnahme aus § 839 BGB, Art 34 GG nicht aus. Eine amtliche Auskunft ist nämlich auch dann richtig, klar, unmissverständlich und vollständig zu erteilen, wenn keine Pflicht zur Erteilung besteht (BGH NJW 1980, 2574) oder der Beamte zur Erteilung fachlich nicht ausgebildet (OLG Zweibrücken, VersR 2000, 1507) oder befugt ist (BGH VersR 1985, 492). Nach diesen Grundsätzen kann sich die Beklagte im Falle einer schuldhaft falschen Auskunft nicht nachträglich darauf berufen, sie sei für die Erteilung eigentlich nicht zuständig gewesen.

Tatsächlich kann der Beklagten jedoch nicht vorgeworfen werden, schuldhaft eine falsche Auskunft erteilt zu haben; eine (Amts-)Haftung der Beklagten scheitert daher bereits am Fehlen eines Haftungsgrundes.

Nicht gefolgt werden kann dem Landgericht in seiner Annahme, das an die Architektin der Kläger gerichtete (streitgegenständliche) Schreiben vom 19.08.2004 sei deshalb von haftungsbegründender Natur, weil es eine eigene Auskunft der Beklagten und nicht (nur) die bloße Weiterleitung einer Auskunft der übergeordneten Fachbehörde beinhalte.

Schon die Eingangsformulierung " Die Bebauung der H...tstraße ist vom Landesamt für Denkmalpflege nochmals in Bezug auf Denkmalschutz geprüft worden" macht deutlich, dass die Prüfungs- und Entscheidungskompetenz nicht bei der unteren Denkmalschutzbehörde der Beklagten, sondern allein bei der übergeordneten Fachbehörde (§ 24 ThürDSchG) - dem Landesamt für Denkmalpflege - liegt und auch nur von dieser wahrgenommen wird. An diese unmissverständliche Aussage knüpft der zweite Absatz des Schreibens nahtlos an; auch hier wird die alleinige Entscheidungshoheit des Landesamtes für Denkmalpflege betont ("....Das Landesdenkmalamt ist nunmehr zu dem Ergebnis gelangt, dass...."). Bei diesen eindeutigen Formulierungen kann nicht - wie es das Landgericht getan hat - allein aus dem Schlusssatz ("Damit ist Ihr Bauvorhaben von denkmalrechtlichen Belangen frei.") hergeleitet werden, dass die Beklagte keine (fremde) Äußerung / Auskunft der übergeordneten Fachbehörde mitgeteilt hat, sondern sie sich die von ihr erfragten Angaben objektiv zu Eigen gemacht hat. Der Schlusssatz ist vielmehr in den Gesamtkontext des Schreibens zu stellen; hiernach lässt sich wegen des wiederholten Hinweises auf die allein von der Nebenintervenientin zu treffende Entscheidung der bloße Weiterleitungscharakter des streitgegenständlichen Schreibens nicht ernsthaft bezweifeln.

Eine (Amts-)Haftung der Beklagten aus dem Schreiben vom 19.08.2004 herzuleiten, begegnet auch deshalb durchgreifenden Bedenken, weil nicht einmal die Kläger selbst geltend machen, die wesentliche Grundaussage (kein Denkmalschutz) sei falsch. Es steht außer Streit, dass dem Gebäude Humboldtstraße 15 die Denkmaleigenschaft nach § 2 ThürDSchG tatsächlich fehlt. Da nach dem ThürDSchG die Unterschutzstellung unmittelbar durch das Gesetz selbst erfolgt; d.h. ohne (behördlichen) Vollzugsakt allein entscheidend ist, ob das Gebäude die Kriterien des § 2 ThürDSchG erfüllt (sog. ipso-iure-Prinzip), kommt weder der Eintragung in das Denkmalbuch, geschweige denn der Eintragung in eine bloße Arbeitsliste ein konstitutiver Charakter zu; die Eintragungen haben nur eine nachrichtliche Bedeutung

Bei dieser Rechtslage ist das Schreiben vom 19.08.2004 in seiner Grundaussage korrekt; es hat allenfalls betreffend den - rechtlich jedoch bedeutungslosen - Arbeitslisteneintrag einen nicht völlig korrekten Zungenschlag.

Fehlt es damit bereits an einer (eigenen) Falschauskunft der Beklagten, ist auch ein der Beklagten anzulastendes Verschulden nicht ersichtlich. Das Schreiben vom 19.08.2004 gibt die von der übergeordneten Fachbehörde des Nebenintervenienten erfragte Auskunft der fehlenden Denkmaleigenschaft des Gebäudes korrekt weiter.

Letztlich scheitert ein Amtshaftungsanspruch der Kläger auch und jedenfalls am fehlenden Ursachen- und Zurechnungszusammenhang zwischen der vermeintlichen Amtspflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden.

Grundsätzlich kann der von einer falschen Auskunft Betroffene den Schaden ersetzt verlangen, der ihm dadurch entstanden ist, dass er auf die Richtigkeit der Auskunft vertraut und mit Rücksicht hierauf Entscheidungen getroffen hat, die ihn in seinen Vermögensinteressen berühren (BGH NJW 1991, 2759; DVBl 2002, 1114; VersR 2003, 370). Auch ein adäquat verursachter Schaden ist aber nur ersatzfähig, wenn er nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fällt. Der entstandene Nachteil muss zu der vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage in einem inneren Zusammenhang stehen; eine bloß zufällige äußere Verbindung genügt nicht (BGH NJW 1999, 3203; 1990, 2616; 1988, 1332).

Nach diesen Grundsätzen sind die durch das Anwaltsmandat verursachten Kosten nicht ersatzfähig; ein innerer Ursachen- und Zurechnungszusammenhang zwischen der (vermeintlichen) Auskunft vom 19.08.2004 und den Anwaltskosten besteht nicht.

Die Kläger haben ihren (jetzigen) Prozessbevollmächtigten am 22.11.2004 beauftragt, zu prüfen, ob Schadensersatzansprüche wegen falscher Zusicherung des Denkmalstatus im Kaufvertrag sowie dem diesem zugrundeliegenden Wertgutachten bestehen und die Ansprüche ggf. durchzusetzen. Dies folgt nicht nur aus der als Anlage K5 (I/61) vorgelegten Anwaltsvollmacht; sondern auch aus dem Prozessvortrag der Kläger (vgl. hierzu S. 3 der Klageschrift; S. 1f. des Schriftsatzes v. 03.04.2008). Ursache des von den Klägern erteilten Anwaltsmandats war damit nicht etwa die "Auskunft" vom 19.08. 2004, sondern die - vermeintlich falsche - "Zusicherung" der Denkmaleigenschaft im Kaufvertrag. Die bei der Durchführung des Anwaltsmandats angefallenen Kosten stehen daher mit der "Auskunft" vom 19.08.2004 nur äußerlich im Zusammenhang. Die "Auskunft" war nur Anlass, nicht aber Ursache für das Anwaltsmandat und die hiermit verbundenen Kosten. Ein (innerer) Ursachen- und Zurechnungszusammenhang besteht allein mit dem Kaufvertrag. Nur mit der Argumentation, auf eine im Vorfeld bzw. im Kaufvertrag selbst erfolgte Auskunft oder Zusicherung eines (positiven) Denkmalstatus vertraut zu haben und deshalb - mit Blick auf die steuerliche Abzugsfähigkeit von Sanierungsmaßnahmen - das Villengrundstück erworben zu haben, sind die hier geltend gemachten Anwaltskosten als ersatzfähiger Schaden denkbar. Die Ersatzpflicht nach § 249 BGB erstreckt sich nämlich auch auf die als Folge- bzw. Rechtsverfolgungskosten erforderlichen und zweckmäßigen Anwaltskosten.

Dass zwischen der "Auskunft" vom 19.08.2004 und den klagegegenständlichen Anwaltskosten kein (innerer) Ursachenzusammenhang besteht, verdeutlicht auch eine weitere Betrachtung. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass es letztlich - wenn auch erst 2005 - zur Streichung des Gebäudes aus der Arbeitsliste gekommen ist. Nachdem die Kläger in ihrem Vortrag nie Zweifel daran haben aufkommen lassen, dass es ihnen bei der Erteilung des Anwaltsmandats (nur) darum ging, etwaige Ansprüche wegen des Fortfalles bzw. Fehlens des Denkmalstatus zu prüfen und durchzusetzen, wären die mit dem Anwaltsmandat verbundenen Kosten auch ohne die streitgegenständliche "Auskunft" angefallen. Mit diesem Inhalt des Anwaltsauftrages steht außer Frage, dass das Mandat auch dann erteilt worden wäre, wenn die Beklagte am 19.08.2004 - etwas ausführlicher und zweifellos korrekt - mitgeteilt hätte, dass zwar derzeit noch ein Eintrag in der Denkmalliste vorhanden ist; dieser aber sachlich nicht gerechtfertigt und daher zu entfernen sein wird.

Nach alledem scheitert die Amtshaftungsklage unter jeglichem Gesichtspunkt. Es besteht weder ein objektiver, noch ein subjektiver Haftungstatbestand; zudem fehlt es am erforderlichen (inneren) Ursachenzusammenhang zwischen der vermeintlichen Amtspflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden.

III.

Die Kosten- und die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgen aus §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

Für eine Revisionszulassung besteht unabhängig davon, dass keine Partei einen entsprechenden Antrag gestellt hat, keine Veranlassung. Revisionszulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Berufungsstreitwerts beruht auf §§ 3 ZPO, 47 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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