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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 04.11.2008
Aktenzeichen: 4 U 669/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 a
Bei übereinstimmender Erledigungserklärung beider Parteien nach Rücknahme eines Vorbehalts durch den Beklagten (seiner Rechte im Nachverfahren) im Berufungsverfahren sind die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen nach billigem Ermessen dem Beklagten aufzuerlegen, wenn der Kläger nur deswegen Berufung gegen das erstinstanzliche Anerkenntnisvorbehaltsurteil (im Urkundsverfahren) eingelegt hatte, weil der Beklagte zunächst die Klägerforderung - ohne ausdrücklichen Vorbehalt - anerkannt hatte. Denn erst durch die Rücknahme des Vorbehalts - nach Einlegen der Berufung des Klägers - stellt sich der zwischenzeitlich auf das Vorbehaltsurteil erfolgte Zahlungsausgleich - aus der Sicht des Klägers - als endgültige Erfüllung seiner (berechtigten) Forderung dar.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

4 U 669/08

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch VROLG Müller, RinOLG Friebertshäuser und RinAG Hütte

am 04.11.2008

beschlossen:

Tenor:

1. Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits (beider Instanzen) werden der Beklagten auferlegt.

3. Der Streitwert der Berufung beträgt bis zum 24.08.2008 € 20.495,89, ab diesem Zeitpunkt € 3.021.

Gründe:

I.

Mit Schriftsatz vom 17.04.2008 hat der Kläger - im Urkundenprozess - Klage auf Rückzahlung eines gekündigten Darlehens erhoben. Das Landgericht hat daraufhin mit Verfügung vom 07.05.2008 das schriftliche Vorverfahren angeordnet. Nach Klagezustellung am 21.05.08 hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 04.06.2008 - Eingang bei Gericht am gleichen Tag - also rechtzeitig innerhalb der Notfrist des § 276 ZPO angezeigt, dass sie sich gegen die Klage verteidigen werde. Mit weiterem Schriftsatz (ihres Prozessbevollmächtigten) vom 26.06.2008 hat sie erklärt " ... wird die Forderung anerkannt".

Hierauf hat das Landgericht (offenbar durch den Vertreter der erkennenden Einzelrichterin) mit Verfügung vom 09.07.2008 den Erlass eines Anerkenntnisurteils gemäß § 307 ZPO - ohne (vorherige) mündliche) Verhandlung - angekündigt, gleichzeitig aber die Beklagte gebeten zu erklären, ob die Forderung vorbehaltlos anerkannt werde oder ein Vorbehalt nach § 599 ZPO erklärt sei. Mit weiterem Schriftsatz vom 14.07.2008 hat der Beklagtenvertreter klargestellt, dass ein Vorbehalt gemäß § 599 ZPO erklärt wird. Daraufhin hat das Landgericht (die erkennende Einzelrichterin) unter dem 24.07.2008 - im Urkundenprozess - ein Vorbehaltsanerkenntnisurteil erlassen und der Beklagten die Ausführung der Rechte im Nachverfahren vorbehalten.

Mit Schriftsatz vom 18.08.2008 hat der Kläger - beim hiesigen Gericht eingegangen am gleichen Tag - Berufung eingelegt; er begehrt ein vorbehaltloses Anerkenntnisurteil wegen des seiner Meinung nach im Beklagtenschriftsatz vom 26.06.2008 vorbehaltlos abgegebenen Anerkenntnisses der Beklagten.

Mit Schriftsatz vom 22.08.2008, adressiert an das LG Gera, eingegangen bei diesem Gericht am 24.08.2008, hat die Beklagte den Vorbehalt bezüglich des erstinstanzlichen Urteils zurückgenommen und erklärt, die Forderungen des Klägers auf Grund des (vorläufig für vollstreckbar erklärten) Urteils vollständig ausgeglichen zu haben. Gleichzeitig hat die Beklagte zum Ausdruck gebracht, "der Rechtsstreit sei damit erledigt".

In Unkenntnis dieser Vorbehaltsrücknahme (der Beklagten) hat der Senat mit Beschluss vom 18.09.2008 die Parteien darauf hingewiesen, er wolle die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückweisen. In seiner Stellungnahme hierauf, mit der der Kläger auch seine Rechtsansicht zur Frage der (vorbehaltlosen) Abgabe des Anerkenntnisses vertieft hat, hat der Kläger - unter Beifügung einer Abschrift des Beklagtenschriftsatzes vom 22.08.2008 - den Senat darauf hingewiesen, dass der Vorbehalt der Beklagten inzwischen von dieser zurückgenommen worden sei. Mit weiterem Schriftsatz vom 15.10.2008 hat der Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklärt und beantragt, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

In seiner Stellungnahme hierauf hat sich die Beklagte der Erledigungserklärung unter Hinweis auf die Zahlung vom 24.07.2008 angeschlossen. Sie meint, ein Rechtsschutzbedürfnis für die Einlegung der Berufung habe deswegen nicht bestanden.

II.

Der Rechtsstreit ist durch übereinstimmende Parteierklärungen erledigt. Die Erklärungen der Beklagten gegenüber dem erstinstanzlichen Landgericht und gegenüber dem Senat sind dahingehend auszulegen, dass sich die Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers angeschlossen hat. Im Übrigen hat die Beklagte der mit Schriftsatz des Klägers vom 15.10.2008 erklärten Erledigung des Rechtsstreits in seinem Schriftsatz vom 22.10.2008 nicht widersprochen. Haben beide Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so ist eine Entscheidung hierüber dem Gericht entzogen. Da der Rechtsstreit - bis zur übereinstimmenden Erledigungserklärung beider Parteien - in zweiter Instanz anhängig war, erübrigt sich damit auch eine Entscheidung über das vom Kläger gegen den Vorbehalt des Anerkenntnisurteils des Landgerichts eingelegte Rechtsmittel, so dass nur noch über die Kosten des Rechtsstreits, soweit hierüber das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil (noch) nicht entschieden hatte, zu entscheiden war. Da ein Nachverfahren wegen der Rücknahme des Vorbehalts (der Rechte der Beklagten im Nachverfahren) nicht stattfinden kann, betrifft dies im Wesentlichen die verbliebenen Kosten (des zweiten Rechtszugs).

Die Kosten des Rechtsstreits (des zweiten Rechtszuges) waren der Beklagten aufzuerlegen. Nach § 91 a Abs. 1 ZPO entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen. Die Erklärung des Klägers in seinem Schriftsatz vom 15.10.2008 ist dahin zu verstehen (und auszulegen) dass er den Rechtsstreit und das (von ihm eingelegte) Rechtsmittel der Berufung für erledigt erklärt hat. Denn in seinem (diesem Schriftsatz vorangegangenen) Schriftsatz vom 06.10.2008 hat er bereits erklärt, die Beklagte habe ihren Vorbehalt (der Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren) zurückgenommen.

Dem hat die Beklagte inhaltlich zugestimmt, auch wenn sie die Meinung vertritt, dem Kläger sei es mit der Einlegung seiner Berufung nur um seine Rechtsansicht gegangen.

Dem ist nicht zuzustimmen. Ein (echtes) Erledigungsereignis stellt die Erfüllungshandlung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung (aus einem für vorläufig für vollstreckbar erklärten Urteil) nicht dar (vgl. Zöller-Vollkommer, 26. Aufl. ZPO-Komm., § 91 a Rz 5 m. Hinw. auf BGHZ 94, 274 mN; OLG Saarbrücken NJW-RR 1998, 1068; OLG Koblenz NJW-RR 2002, 484, 485). Demnach hätte allein die am 24.07.2008 erfolgte Zahlung und damit Erfüllung der Klägerforderung diesem keine Veranlassung gegeben, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, so lange der mit Schriftsatz der Beklagten vom 14.07.2008 erklärte Vorbehalt nicht gegenstandlos war. Das war er allein mit der Zahlung zur Vermeidung einer Zwangsvollstreckung nicht. Das Landgericht hätte vielmehr auf den Antrag der Beklagten auf Durchführung des Nachverfahrens dieses durchführen müssen. Dies zu vermeiden, war Ziel der mit Schriftsatz vom 18.08.2008 - zulässigerweise - vom Kläger eingelegten Berufung. Erst mit Rücknahme des Vorbehalts und damit Verzichts auf ein Nachverfahren hat die Beklagte zu erkennen gegeben, dass sie im Ergebnis mit der Zahlung und dem Ausgleich der Forderungen des Klägers am 24.07.2008 den Rechtsstreit für erledigt ansah. Entsprechend verhält sich die Erklärung der Beklagten an das Landgericht vom 22.08.2008. Damit war für den Kläger erst nach Einlegung seiner Berufung eine Situation gegeben, in der er davon ausgehen konnte, dass mit der Zahlung vom 24.07.2008 ein endgültiger Forderungsausgleich bewirkt sein sollte, Gegenforderungen oder Gegenrechte mithin nicht mehr erhoben wurden.

Daher entspricht es billigem Ermessen, die Gesamtkosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen.

Die Streitwertfestsetzung für die Berufungsinstanz beruht auf §§ 47 Abs. 1, 2, 63 Abs. 2 GKG, 3 ZPO. Bis zur Erledigungserklärung bestimmte sich der Wert (der Berufung) nach dem Wert der Hauptsache, weil durch den Vorbehalt der Rechte im Nachverfahren der gesamte Wert der Hauptforderung in Frage stand. Im Anschluss an die Erledigungserklärung war der Wert nach dem Betrag der bis dahin angefallenen Kosten - gerichtliche und außergerichtliche - zu bestimmen (vgl. Schneider-Herget, Streitwertkomm., 12. Aufl. 2007 Rz 1814 m.Nw. zur BGH-Rspr. in FN 1).

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