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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 28.11.2007
Aktenzeichen: 4 U 711/06
Rechtsgebiete: HGB, BGB


Vorschriften:

HGB § 396 Abs. 2
BGB § 670
BGB § 675
1. Die Auslegung des Vertragsinhalts - hier des str. Kommissionsvertrags - auf der Grundlage der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen ist rechtliche Würdigung, die bei vom Ausgangsgericht fehlerhafter Inhaltsbestimmung vom Senat (erneut) vorzunehmen ist.

2. Enthält der (Kommissions)Vertrag keine den Aufwendungsersatz regelnde Bestimmung, gilt - insbesondere für Transport- und Lagerkosten - die gesetzliche Regelung des § 396 Abs. 2 HGB, wonach dem Kommissionär Aufwendungsersatz zusteht. Diese (Spezial)Vorschrift steht in Übereinstimmung zu den allgemeinen Vorschriften der §§ 670, 675 BGB), wonach alle Aufwendungen, die der Beauftragte (=Kommissionär) zur Zwecke der Ausführung des Auftrags macht, den Auftraggeber (=Kommittent) zum Ersatz derselben verpflichten.

3. Dieser Anspruch besteht neben dem Provisionsanspruch und selbst dann, wenn die Durchführung des mit dem Dritten geschlossenen Geschäfts unterbleibt oder die Kommission vor ihrer Ausführung widerrufen wird.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 711/06

Verkündet am: 28.11.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richterin am Oberlandesgericht Billig und Richterin am Landgericht Höfs

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichtes Meiningen vom 10.07.2006, Az.: 3 O 102/06 (44), abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 40.195,77 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger als Insolvenzverwalter begehrt die Zahlung einbehaltener Transport- und Verpackungskosten, sowie Vertreterprovision aus einem mit der Beklagten zu 1) am 17.09.2001 geschlossenen Kommissionsvertrag über den Verkauf von Skiern und Zubehör aus dem Bestand der Insolvenzschuldnerin.

Die Beklagte zu 2) ist die Komplementärin der Kommissionärin.

Nach § 7 des Kommissionsvertrages betrug die für die getätigten Verkäufe von der Kommittentin (=Insolvenzschuldnerin) an die Kommissionärin zu zahlende Provision insgesamt 53 % des Verkaufserlöses.

Die Beklagte erstellte für den Zeitraum vom 27.09.2001 bis zum 31.05.2003 Abrechnungen über die einzelnen Verkaufsgeschäfte; neben der Provision brachte sie zusätzlich Kosten für Vertreterprovision, Transport- und Verpackung in Höhe der Klageforderung in Abzug.

Der Kläger meint, dass ein Anspruch der Beklagten auf Ersatz weiterer Kosten (neben der Provision) nicht bestehe. Vielmehr seien derartige Kosten bereits in der vereinbarten Provision enthalten; dies ergäbe sich schon aus deren überdurchschnittlichen Höhe.

Die Beklagten haben sich darauf berufen, dass eine ausdrückliche Regelung über die zu erstattenden Aufwendungen nicht getroffen worden sei. Demgemäss stünde ihnen entsprechend § 396 Abs. 2 HGB über die vereinbarte Provision hinaus Aufwendungsersatz in Höhe der Klageforderung zu. Im Übrigen sei die vereinbarte Provision nicht überdurchschnittlich hoch. Vielmehr sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den Skiern ausschließlich um Restposten in schwer zu verkaufenden Längen gehandelt habe. Im Falle einer professionellen Verwertung hätten allenfalls 20 % der Herstellungskosten als Verkaufserlös erzielt werden können. Schließlich habe der Kläger selbst die erste Abrechnung durch seine Mitarbeiterin erstellen lassen; auch in dieser Abrechnung seien die Kosten für die genannten Aufwendungsposten berücksichtigt worden.

Bereits erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 22.06.2006 (Bl. 46 ff. d. A.) haben die Beklagten hilfsweise mit anteiligen Mietzinsansprüchen in Höhe von 9.147,94 € gegenüber der Klageforderung aufgerechnet.

Der Kläger hat (erstinstanzlich) beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 40.195,77 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.05.2005 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht Meiningen hat der Klage mit Urteil vom 10.07.2006 in voller Höhe stattgegeben. Gegen dieses, ihnen am 20.07.2006 zugestellte Urteil, wenden sich die Beklagten mit ihrer am 11.08.2006 eingegangenen und am 20.09.2006 begründeten Berufung.

Sie rügen vornehmlich die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des streitgegenständlichen Kommissionsvertrages als rechtsfehlerhaft, wonach ein etwaiger Aufwendungsersatzanspruch bereits mit der vereinbarten Provision abgegolten sein soll.

Zudem habe das Erstgericht die Hilfsaufrechnung bei der Entscheidungsfindung außer acht gelassen.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Landgerichtes Meiningen vom 10.07.2006 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt - unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens -

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet und führt zur Abweisung der Klage.

Die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des streitgegenständlichen Kommissionsvertrages kann nicht überzeugen. Die Auslegung des Vertragsinhalts auf der Grundlage der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen ist rechtliche Würdigung; bei vom Ausgangsgericht vorgenommener fehlerhafter Inhaltsbestimmung hat der Senat gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO auf der Grundlage des wörtlichen Inhalt der vertraglichen Bestimmungen und der weiteren Begleitumstände, die nicht im Streit stehen, die Auslegung der streiterheblichen Vertragsbestimmung selbst vorzunehmen (vgl. BGHZ 160, 83 - 97).

Im Ergebnis dessen steht den Beklagten der geltend gemachte Aufwendungsersatz zu, weil der streitgegenständliche Kommissionsvertrag hierüber keine eigene Regelung enthält. Mangels einer solchen, den Aufwendungsersatz regelnden Vertragsbestimmung gilt die allgemeine gesetzliche Regelung des § 396 Abs. 2 HGB. Danach steht dem Kommissionär insbesondere für Transport- und Lagerkosten ein Aufwendungsersatz zu. Die Vorschrift verweist im Weiteren auf die §§ 670, 675 BGB, wonach alle Aufwendungen, die der Beauftragte (hier der Kommissionär) zum Zwecke der Ausführung des Auftrags macht, den Auftraggeber zum Ersatz derselben verpflichten. Da die Kommission zugleich Geschäftsbesorgung ist, steht dem Kommissionär daher grundsätzlich ein Aufwendungsersatzanspruch zu (§§ 670, 675 BGB).

Dieser Anspruch besteht neben dem Provisionsanspruch und selbst dann, wenn die Durchführung des mit dem Dritten geschlossenen Geschäfts unterbleibt oder die Kommission vor ihrer Ausführung widerrufen wird. Steht dem Kommissionär damit nach der gesetzlichen Regelung des § 396 Abs. 2 HGB (iVm §§ 670, 675 BGB) bereits grundsätzlich ein Aufwendungsersatzanspruch zu, könnte allenfalls eine abweichende vertragliche Regelung einen solchen Anspruch entfallen lassen, wenn sie eindeutig einen anderen, hiervon abweichenden übereinstimmenden Vertragswillen beider Vertragsparteien wiedergibt. Eine solche von der üblichen Regelung abweichende Vereinbarung kann auch in einer außergewöhnlich hohen Provision zu sehen sein (Koller/Roth/ Morck, HGB, 6. Auflage 2007, § 396 Rn. 8; Ensthaler Gemeinschaftskommentar zum HGB, 7. Auflage 2007, § 396 Rn. 9; Baumbach/Hopt, HGB, 32. Auflage 2007, § 396 Rn. 6; Röhricht/von Westfalen-Lenz, HGB, 2. Auflage 2001, § 396 Rn. 10). Eine solche außergewöhnlich hohe Provisionsvereinbarung vermag der Senat in der vorliegenden Regelung (§ 7 des Kommissionsvertrages) aber nicht zu erkennen.

Nach § 7 ("Provision") soll die Beklagte zu 1) eine Provision von 6 % des Verkaufspreises und von den verbleibenden 94 % des Verkaufspreises den hälftigen Anteil erhalten, das macht insgesamt 53 % des Verkaufspreises aus.

Aus dem Umstand, dass zur Berechnung der Provision der Verkaufspreis herangezogen werden sollte, lässt sich per se (noch) nicht entnehmen, dass damit auch etwaige zusätzliche Kosten der Beklagten abgegolten sein sollten. Soweit das Erstgericht die vereinbarte Provision als überdurchschnittlich hoch eingeordnet hat, überzeugt dies den Senat nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass die vereinbarte Provision für derartige Abverkäufe von Insolvenzware so aus dem Rahmen fällt, dass die hierin enthaltene Abgeltung der weiteren Kosten quasi auf der Hand liegt. Dies gilt um so mehr, als es sich hier bei den Skiern um echte "Saisonware" gehandelt hat, so dass sie nach längerer Lagerzeit ohnehin nur schwer verkäuflich sind, und wenn überhaupt, nur mit einem deutlichen Abschlag. Der Senat weiß aus eigener Sachkunde, dass bei einer professionellen Verwertung solcher Insolvenzware in der Regel oft nur ein Erlös von ca. 20 % der Herstellungskosten erzielt werden kann, mithin der hier vereinbarte Provisionsanteil keine auffallend hohe Vergütung darstellt.

Auch besteht kein derartiger Handelsbrauch, dass nur im Falle einer vom Nettopreis zu zahlenden Provision der Aufwendungsersatzanspruch bestehen bleibt.

Schließlich regelt § 5 Abs. 2 des Vertrages, dass die Beklagten für die bis zum 31.12.2001 fakturierten Verkäufe 30 % des Bruttoumsatzbetrages als Vorschuss an den Kläger zahlen sollten; der Grund für die vereinbarte Vorschusszahlung durch die Beklagten waren die langen Zahlungsziele der Kunden. War danach eine Zahlung nach Rechnungsstellung nicht unverzüglich erfolgt, bedeutete dies, dass die Beklagten gegenüber dem Kläger in dieser Höhe in Vorlage traten.

Im Übrigen stand der Bruttoverkaufspreis bereits mit Abschluss des jeweiligen Verkaufs fest, so dass ein Abzug von 53% - was nach der klägerischen Behauptung der Provision inklusive aller Aufwendungen entsprochen hätte - ohne weiteres hätte vorgenommenen werden können. Einer "endgültigen Abrechnung", wie unter § 5 Abs. 2 des Kommissionsvertrages vereinbart, hätte es dann gar nicht mehr bedurft.

Schließlich greift auch das Argument, die Beklagten seien gemäß § 4 des Kommissionsvertrages in der Preisgestaltung völlig frei gewesen, so dass sie etwaige Aufwendungen ohne weiteres auf den Verkaufspreis hätten aufschlagen können, nicht.

Gemäß § 4 konnten die Beklagten die Preise zwar "frei" gestalten. Allerdings galten als Untergrenze der Preisgestaltung die jeweiligen Herstellungskosten. Sofern unter den Herstellungskosten verkauft werden sollte, musste die vorherige Zustimmung des Klägers eingeholt werden. Dies zeigt bereits, dass eine Kalkulation und Preisgestaltung wie bei üblichen Kommissionsgeschäften, d.h. "insolvenzfreier" Ware gerade nicht möglich war.

Kann schon dem streitgegenständlichen Kommissionsvertrag die vom Kläger behauptete Vereinbarung nicht entnommen werden, führen letztlich auch die außerhalb des Vertrages liegenden Begleitumstände zu keinem anderen Ergebnis.

Unstreitig haben beide Parteien im gesamten Abrechungszeitraum entsprechend den in der ersten Abrechnung vom 15.04.2002 (Anlage K3) erfolgten Abzügen an der Art der Abrechnung bis zur letzten Abrechnung vom 02.06.2003 unverändert festgehalten. Jede der insgesamt 9 Abrechnungen, die zunächst unbeanstandet geblieben sind, enthält eine genaue Aufstellung der in Abzug gebrachten Aufwendungen. Von einem offensichtlichen Irrtum bzw. Versehen kann angesichts dessen nicht ausgegangen werden.

Insbesondere kann der Kläger auch nicht damit gehört werden, die Transport- und Verpackungskosten, sowie Vertreterprovision seien bislang nur pauschal in Abzug gebracht worden. Wie sich den vorgelegten Abrechnungen entnehmen lässt, wurden - aufgeschlüsselt nach den jeweiligen Rechnungsdaten und -nummern - 10% Vertreterprovision, 50% Transportkosten und 0,1 % Verpackungskosten in Ansatz gebracht. Die so errechneten Beträge wurden jeweils gesondert ausgewiesen, so dass sie ohne weiteres nachvollziehbar sind. Substantiierter Vortrag des Klägers dazu, welche dieser einzelnen Positionen unzutreffend berechnet worden sein soll, fehlt.

Selbst wenn die genaue Art und Weise der Abrechnung vom Kläger nicht vorgegeben worden sein sollte, so ist jedoch zu sehen, dass es seine Mitarbeiterin - die Zeugin M. - war, die unter Verwendung der von den Beklagten vorgelegten Unterlagen die entstandenen Aufwendungen berechnet und in Abzug gebracht hat.

Enthält damit weder der Kommissionsvertrag eine von § 396 Abs. 2 HGB abweichende Regelung und kommt auch den weiteren Begleitumständen keine solche den gesetzlichen Anspruch abbedingende Wirkung zu, durften die Beklagten die ihnen entstandenen Aufwendungen in Abzug bringen.

Da der geltend gemachte Zahlungsanspruch des Klägers bereits dem Grunde nach nicht besteht, kann es dahinstehen, ob und inwieweit den Beklagten der im Wege der hilfsweisen Aufrechnung geltend gemachte Anspruch auf Erstattung anteiligen Mietzinses zusteht. Weiter kann dahinstehen, ob die einbehaltenen Kosten in voller Höhe angefallen sind oder nicht. Dem Kläger steht insoweit allenfalls ein Anspruch auf Rechnungslegung zu, den er aber nicht geltend gemacht hat.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

III.

Gemäß § 91 Abs. 1 ZPO hat der im Ergebnis unterlegene Kläger die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Es handelt sich vorliegend um einen Einzelfall. Der Rechtssache kommt darüber hinaus keine grundlegende Bedeutung zu, so dass Revisionsgründe nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde gemäß §§ 3 ZPO, 47 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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