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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 06.01.2004
Aktenzeichen: 4 U 936/03
Rechtsgebiete: AKB


Vorschriften:

AKB § 11 Nr. 2
Der Versicherungsnehmer eines schädigenden Fahrzeugs hat im Hinblick auf seinen geschädigten PKW keinen Anspruch gemäß § 3 Nr. 1 PflVG gegen den Versicherer als Haftpflichtversicherer des Schädiger-Kfz, denn er ist im Sinne der Vorschrift des § 3 Nr. PflVG nicht Dritter.

Dritter wäre er nur, wenn der Haftungsausschluss des § 11 Nr. 2 AKB nicht eingriffe, d.h. wenn er einen Personenschaden geltend machen würde. Für reine Sachschäden greift der Haftungsausschluss dagegen voll ein.

Mithin ist in solchen Fällen allein die formale Rechtsstellung eines Versicherungsnehmers des schädigenden wie des geschädigten PKW ausreichend, um einen Anspruch gegen die Versicherung entfalölen zu lassen.

Die Klausel des § 11 Nr. 2 AKB ist weder überraschen, noch unangemessen, da kein Versicherungsnehmer erwarten kann, dass er aus dem von ihm selbst abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrag Ansprüche gegen den Versicher wegen eines Vermögensschadens (Sachschadens) geltend machen kann, den er selbst oder eine mitversicherte Person verursacht hat.

Eine Hinweispflicht der Versicherung oder ihres Agenten - auf diese Deckungslücke - besteht grundsätzlich nur in Ausnahmefällen, wenn der Versicherungsnehmer nach solchen Deckungslücken fragt.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

4 U 936/03

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichtes in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller Richter am Oberlandesgericht Krohn und Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Bayer

am 06.01.2004

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers vom 06.10.2003 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung gegen das Urteil des LG Gera vom 28.08.2003, Az.: 4 O 2122/02, wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet

Gründe:

Die Durchführung der Berufung bietet nach Auffassung des Senats keine hinreichende Aussicht auf Erfolg und verbietet daher die Gewährung von Prozeßkostenhilfe (§ 114 ZPO).

Der Kläger begehrt - wie erstinstanzlich - von der Beklagten eine Schadens-ersatzleistung für seinen anlässlich eines Verkehrsunfalls am 30.07.1999 in Saalfeld beschädigten PKW aus einem Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag. Das beschädigte Fahrzeug, einen Opel Senator 3,0 l CD mit dem amtl. Kennzeichen SLF- 04269, hatte er erst am 25.07.1999 erworben und für dieses durch den Zeugen Mirke eine Versicherungsdoppelkarte der Beklagten erhalten. Der Kläger ist ferner Versicherungsnehmer einer - lange vor dem Unfalltag abgeschlossenen - Haftpflichtversicherung für einen PKW, dessen Halter und Eigentümer der Zeuge Kertscher ist. Am Unfalltag fuhr der Zeuge Kertscher mit diesem, von dem Kläger bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug auf dessen PKW auf. Das Landgericht hat in erster Instanz die Klage abgewiesen, weil vorliegend der Haftungsausschluss des § 11 Nr. 2 AKB eingreife. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil des LG Gera vom 28.08.2003 Bezug genommen. Der Kläger beabsichtigt, gegen dieses Urteil Berufung einzulegen und beantragt deshalb die Gewährung von PKH. In dem dem PKH- Gesuch beigefügten Entwurf einer Berufungsbegründung rügt er die (angeblich) fehlerhafte Anwendung des § 11 Nr. 2 AKB, hilfsweise die Verneinung eines Anspruchs aus den Grundsätzen der culpa in contrahendo wegen unterbliebener Risikoaufklärung durch den Zeugen Mirke bei Vertragsabschluss des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages als auch bei der Aushändigung der Versicherungsdoppelkarte. In Fällen der vorliegenden Art bestehe eine (denkbare) Versicherungslücke, weil im Falle der Kollision der beiden vom Kläger versicherten Fahrzeuge zwar unterschiedliche Halter vorlägen, gleichwohl beide unfallbeteiligten Fahrzeuge durch ein und dieselbe Person versichert seien, so dass nach § 11 Nr. 2 AKB eine Leistungsverpflichtung des Versicherers (des haftpflichtversicherten Fahrzeugs) ausgeschlossen werden könne. Wegen der Einzelheiten wird auf den genannten Schriftsatz des Klägervertreters vom 06.10.2003 Bezug genommen.

Die beabsichtigten Berufungsangriffe führen nach Auffassung des Senats nicht zum Erfolg des Rechtsmittels.

Als Versicherungsnehmer des schädigenden Kfz, Opel Kadett mit dem amtlichen Kennzeichen SLF-AN 548, kann der Kläger im Hinblick auf die Beschädigung seines Kfz, des Opel Senator mit dem amtlichen Kennzeichen SLF-OY 269, keinen Direktanspruch gem. § 3 Nr. 1 PflVG gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Schädiger- Kfz geltend machen; denn der Kläger ist Versicherungsnehmer des schädigenden Kfz und wäre daher nur Dritter iSd Vorschrift, soweit nicht der Risikoausschluss des § 11 Nr. 2 AKB eingreift, dh im Falle einer Schädigung durch eine mitversicherte Person nur dann, wenn er einen vom Risikoausschluss nicht erfaßten Personenschaden erlitten hätte (dazu etwa BGH VersR 1986, 1010; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 26. Aufl. 1998 § 11 AKB Rn 4 mwN). Hier macht der Kläger jedoch einen Schaden aus der Verletzung seines Eigentums geltend, der nicht versichert ist, wenn er durch eine mitversicherte Person herbeigeführt wurde. Der Schädiger, der Zeuge Kertscher, ist jedoch als Halter und Fahrer in dem vom Kläger mit der Beklagten geschlossenen Versicherungsvertrag mitversichert (§ 10 Nr. 2a, c AKB), wobei hier die Besonderheit besteht, dass bei der gewählten Konstruktion sogar allein das Interesse des Eigentümers, Halters und Fahrers des versicherten Kfz Opel Kadett versichert, ein Interesse des Klägers und Versicherungsnehmers dagegen überhaupt nicht ersichtlich ist.

Allein die formale Rechtsstellung des Klägers als Versicherungsnehmer ist ausreichend, um ihm einen Anspruch gegen die Beklagte zu verweigern. Denn die Beklagte muss nicht für eine versicherte Person Haftungsansprüche gegenüber ihrem Versicherungsnehmer erfüllen, und zwar auch dann nicht, wenn der Schaden durch das versicherte Kfz an einem anderen Kfz des Versicherungsnehmers eingetreten ist. Diese Rechtsfrage ist heute in Rechtsprechung und Schrifttum nahezu einhellig geklärt (OLG Hamm VersR 1989, 1081; OLG Celle ZfS 1988, 50; OLG Stuttgart NJW-RR 1986, 904; LG Kiel SP 1994, 225; Knappmann aaO § 11 AKB Rn 4+5; Feyock/Jacobsen/Lemor Kraftfahrtversicherung, 2. Aufl. 2002 § 11 AKB Rn 12; unklar allerdings Stiefel/Hofmann, Kraftfahrversicherung 17. Aufl. 2000 § 11 AKB Rn 8 ff; vgl. auch zu § 11 Nr. 3 AKB aF: OLG Hamm VersR 1981, 825; KG VersR 1963, 525; Schütz VersR 1968, 29). Eine abweichende Auffassung wird allein von Lemcke in r+s 1997, 60 vertreten. Dessen Standpunkt vermag indes nach Auffassung des Senats nicht zu überzeugen. Vielmehr ist an dem Grundsatz festzuhalten, wonach das gesamte Vermögen des Versicherungsnehmers von der Deckung durch seine Haftpflichtversicherung ausgenommen ist. Daher könnte etwa auch nicht der Zeuge Kertscher, würde er wegen des von ihm verursachten Schadens vom Kläger in Anspruch genommen, von der Beklagten Versicherungsschutz beanspruchen.

Hieraus folgt allerdings, dass in Konstellationen der vorliegenden Art eine Deckungslücke vorliegt. Daher wirft der Kläger zu Recht die Frage auf, ob diese Deckungslücke, die durch § 11 Nr. 2 AKB begründet wird, hinzunehmen ist oder nicht möglicherweise zur Unwirksamkeit dieser AVB führt. Diese Frage ist indes - auch insoweit in Übereinstimmung mit der ganz hM - zu verneinen.

Da kein Versicherungsnehmer erwarten kann, dass er aus dem von ihm selbst abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrag Ansprüche gegen den Versicherer wegen eines Vermögensschadens geltend machen kann, den er selbst oder eine mitversicherte Person verursacht hat, ist die Klausel des § 11 Nr. 2 AKB nicht überraschend im Sinne des auf den vorliegenden Fall noch anwendbaren § 3 AGBG (vgl. Art. 229 § 5 EGBGB). Die Klausel ist auch nicht unangemessen im Sinne von § 9 AGBG, sondern beruht auf einer vom Gesetzgeber in § 4 Abs. 1 KfzPflVV ausdrücklich vorgesehenen Rechtsgrundlage (so zutreffend bereits Knappmann aaO § 11 AKB Rn 5).

Es besteht im konkreten Fall aber auch kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss. Denn Aufklärungspflichten gegenüber dem Vertragspartner über Vor- oder Nachteile des Vertrages bestehen nur in Ausnahmefällen, nämlich dann, wenn der Vertragspartner nach der im Verkehr herrschenden Auffassung die Aufklärung redlicherweise erwarten durfte. Dies ist insbesondere der Fall, wenn er konkret bestimmte Umstände erfragt oder aber wenn besondere Umstände vorliegen, die für die Willensbildung des anderen Teils von erheblicher Bedeutung sind, und dies vom Vertragspartner auch so erkannt wird (Palandt-Heinrichs, BGB, 62. Aufl. 2003, § 123 Rn. 5 ff.).

Hier hat der Kläger nicht behauptet, dass er beim Abschluss des Versicherungsvertrags bzw. bei Erbeten der Doppelkarte den für die Beklagte tätigen Agenten Mirke nach konkreten Deckungsausschlüssen gefragt hat. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt von den Entscheidungen OLG Hamm VesR 1981, 825 oder OLG Stuttgart NJW-RR 1986, 904, wo die konkrete Frage nach dem Bestehen von Versicherungsschutz für eine vergleichbare Konstellation vom Versicherungsagenten unzutreffend beantwortet wurde.

Auch wenn wohl nicht erwartet werden kann, dass einem Versicherungsnehmer der Haftungsausschluss des § 11 Nr. 2 AKB ohne weiteres bekannt ist, ist die Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers dennoch nicht verpflichtet, von sich aus - also ungefragt - ihre Versicherungsnehmer auf den Deckungsausschluss des § 11 Nr. 2 AKB hinzuweisen (so auch Feyock/Jacobsen/Lemor aaO § 11 AKB Rn 12; Knappmann aaO § 11 AKB Rn 5). Eine solche Hinweispflicht besteht nach Auffassung des Senats jedenfalls nicht im vorliegenden Fall, in dem wegen der geringen Anzahl versicherter Fahrzeuge die Gefahr nicht nahe liegt, dass es zu einer Kollision gerade dieser beiden Fahrzeuge kommt. Anders mag der Fall bei besonders großen Betrieben zu beurteilen sein, bei denen nicht nur eine große Anzahl von (versicherten) Fahrzeugen vorhanden ist, sondern auch tatsächlich eine reale Gefahr besteht, dass es auch eher zu einer Kollision von mehreren Fahrzeugen desselben Versicherungsnehmers kommt (vgl. hierzu AG Trier in NVersZ 2002, 231, 232).

Im vorliegenden Fall kommt es mithin auch nicht darauf an, ob der Beklagten (oder ihrem Agenten) bekannt war, dass der Kfz-Haftpflichtversicherungs-vertrag - aus welchen Gründen auch immer - für einen Dritten abgeschlossen wurde; eine solche Kenntnis wäre nach Auffassung des Senats für eine entsprechende Hinweispflicht (auf die Deckungslücke) nicht ausreichend (ebenso bereits LG Kiel in SP 1994, 225; AG Trier aaO).

Danach hat der Kläger mit seiner Bereitschaft, die Kfz-Versicherung für ein fremdes Interesse abzuschließen, auch das Risiko eines nur begrenzten Versicherungsschutzes übernommen. Verwirklicht sich dieses wie im vorliegenden Fall, so kann er nicht die Beklagte hierfür in Anspruch nehmen. Demgemäß war seinem Begehren der Erfolg zu versagen.

Ergänzend sei allerdings bemerkt: Da ihm der Zeuge Kertscher möglicherweise haftet, ohne hierfür selbst Versicherungsschutz zu erhalten, trifft das wirtschaftliche Risiko aus der gewählten Versicherungskonstruktion letztlich den gegenüber dem Versicherungsnehmer (Kläger) gerade nicht versicherten Schädiger.

Im Rahmen des PKH- Bewilligungsverfahrens findet eine Kostenerstattung nicht statt (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

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