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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 15.04.2009
Aktenzeichen: 4 U 974/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 301 Abs. 1 Satz 2
1. Ein - isoliertes - Teil-Grundurteil (nur) über den Leistungsantrag ist dann unzulässig, wenn gleichzeitig mit dem Leistungsantrag ein Feststellungsantrag verbunden war, der auf den gleichen einheitlichen Klagegrund gestützt wird, wenn also die parallel gestellten Ansprüche auf Leistung und Feststellung aus dem gleichen tatsächlichen Vorgang abgeleitet werden (§ 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Denn in diesem Fall besteht die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen bezüglich beider Anträge.

2. Durfte ein - isoliertes - Teil-Grundurteil (nur) über den Leistungsantrag nicht ohne gleichzeitige Entscheidung über den Feststellungsantrag ergehen, liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, der das Berufungsgericht berechtigt, unter Aufhebung des angefochtenen (unzulässigen Teil)Urteils den Rechtsstreit an das Ausgangsgericht zurückzuverweisen, ohne dass es hierfür eines Antrags bedarf (§ 538 Abs. 2 Satz 2 ZPO).


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 974/07

Verkündet am: 15.04.2009

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richterin am Oberlandesgericht Friebertshäuser und Richterin am Amtsgericht Hütte

im schriftlichen Verfahren aufgrund der bis zum 25.03.2009 eingegangenen Schriftsätze am 15.04.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Grund- und Teilurteil des Landgerichts Erfurt vom 01.11.2007 - Az.: 3 O 558/02 - aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Erfurt zurückverwiesen.

Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden niedergeschlagen; im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Landgericht vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Berufungsstreitwert wird auf 8.443.263,22 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt für das von ihm verwaltete Vermögen der ITZ W. GmbH die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch. Zwischen den Parteien ist sowohl die Haftung dem Grunde nach - kartellrechtlicher Schadensersatzanspruch aus § 20 GWB bzw. Amtshaftungsanspruch aus Art. 34 GG iVm § 839 BGB - als auch die Höhe des entstandenen Schadens streitig.

Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.632.903,40 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

II. festzustellen, dass die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, auch den geltend gemachten weitergehenden Schaden zu ersetzen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des den Anträgen zugrundeliegenden unstreitigen und streitigen Parteivortrags wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat mit dem am 01.11.2007 verkündeten Grund- und Teilurteil (Bd. III, Bl. 580 ff.) den "Klageanspruch zu Ziffer I dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt." Bezüglich des weitergehenden Klageantrags - des Feststellungsantrags - enthält der Urteilstenor keinen Ausspruch. In den Entscheidungsgründen heißt es: "Da entsprechend den nachfolgend dargestellten Ausführungen der geltend gemachte Klageanspruch aus Ziffer I der Klageanträge dem Grunde nach, nicht jedoch der Höhe nach, entscheidungsreif ist, hat das Gericht auch in Anbetracht des Verfahrensgangs bezüglich des Klageanspruchs zu Ziffer I im Wege eines Grundurteils (§ 304 ZPO) entschieden, mit der weiteren Folge, dass zunächst von einer Entscheidung über den geltend gemachten weitergehenden Feststellungsantrag abgesehen wurde. Insofern ist das Grundurteil zugleich Teilurteil im Sinne des § 301 ZPO."

Gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten am 05.11.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 02.12.2007 Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 30.01.2008 verlängerten Frist am 29.01.2008 begründet.

Mit ihrer Berufung erhebt die Beklagte u.a. die Rüge des unzulässigen - weil den Feststellungsantrag nicht bescheidenden - Urteils.

Die Beklagte beantragt,

das am 01.11.2007 verkündete Grund- und Teilurteil des Landgerichts Erfurt , Az.: 3 O 558/02, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger verteidigt das Urteil des Landgerichts und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden; insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 Abs. 2, 3 ZPO).

In der Sache führt die Berufung - auch ohne entsprechenden Parteiantrag - zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Ausgangsgericht.

Das angefochtene Urteil verletzt formelles (Verfahrens-)Recht und kann daher keinen Bestand haben (§§ 513, 546 ZPO). Das Landgericht hat entgegen § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO ein isoliertes Teil-Grundurteil nur über den Leistungsantrag - den bezifferten Klageantrag zu I. - erlassen, ohne zugleich auch über den Feststellungsantrag - den Klageantrag zu II. - durch Teilurteil zu befinden.

Zwar sind die in § 304 Abs. 1 ZPO verankerten Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils unter der - hier unterstellten - Prämisse des Landgerichts der dem Grunde nach bestehenden Amtshaftung der Beklagten gegeben.

Indes muss im Falle einer Entscheidung bezüglich des Zahlungsantrags durch Grundurteil stets gleichzeitig durch Teilurteil auch über den Feststellungsantrag entschieden werden, wenn - wie hier - die verschiedenen (Teil-) Ansprüche auf Leistung und Feststellung aus dem gleichen tatsächlichen Vorgang abgeleitet werden und einen einheitlichen Klagegrund (§§ 253 Abs. 2 Nr. 2, 260 ZPO) bilden. Dies folgt daraus, dass ansonsten die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen bezüglich Leistungs- und Feststellungsantrag besteht (BGH NJW 1992, 511; NJW-RR 1994, 379; MDR 2001, 287; NJW-RR 2003, 303). Eine solche Gefahr besteht hier für den Fall, dass das Landgericht oder eine Rechtsmittelinstanz im Rahmen des weiteren Verfahrens abweichend von der dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Auffassung zu der Überzeugung gelangen sollte, dass die Beklagte keine - zumindest keine volle - Haftung trifft. Dann müsste das Landgericht dem Leistungsantrag in voller Höhe des noch festzustellenden Schadens stattgeben; hingegen die Haftung der Beklagten für weitere Schäden ablehnen oder nur mit einer Teilquote feststellen.

Das Landgericht hätte sich daher nicht damit begnügen dürfen, isoliert nur über den Zahlungsantrag zu entscheiden.

Von einer Entscheidung über den Feststellungsantrag hätte es nur dann - wie es im Urteil heißt - "zunächst absehen" dürfen, wenn ein Mindestschaden in bestimmter Höhe feststünde und die Parteien nur noch über den darüber hinausgehenden Schaden streiten. In einem solchen Fall steht der Anspruchsgrund fest; die Gefahr von widersprüchlichen Entscheidungen besteht mit der Folge nicht, dass über den Mindestschaden ein - stattgebendes - Teilurteil erlassen werden kann. So liegt die Sache hier aber nicht. Von einem feststehenden Mindestschaden im Sinne des auf 6.632.903,40 € lautenden Zahlungsantrags ist das Landgericht gerade nicht ausgegangen; vielmehr hat es die Schadenshöhe als (noch) gänzlich offen bezeichnet.

Durfte das Landgericht nach alledem kein isoliertes Teil-Grundurteil nur über den Leistungsantrag ohne gleichzeitige Entscheidung über den Feststellungsantrag erlassen, stellt das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 ZPO erlassenes - unzulässiges - Teilurteil dar. Wegen des hierin liegenden wesentlichen Verfahrensmangels ist der Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO), ohne dass es hierfür eines Antrags bedarf (§ 538 Abs. 2 Satz 3 ZPO).

III.

Die Entscheidung über die Nichterhebung von Gerichtskosten für das Berufungsverfahren beruht auf § 21 GKG. Im Übrigen ist die Kostenentscheidung dem Landgericht vorzubehalten.

Für eine Revisionszulassung besteht keine Veranlassung; Zulassungsgründe im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Berufungsstreitwerts folgt aus §§ 3 ZPO, 47 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG; dabei hat der Senat für den streitwertbestimmenden positiven Feststellungsantrag - wie stets und unabhängig davon, auf welchem Rechtsgrund der (streitige) Feststellungsanspruch beruht - einen Abschlag von 20 % vorgenommen.

Ende der Entscheidung

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