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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 23.01.2008
Aktenzeichen: 4 W 650/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
Bei der nach § 114 ZPO gebotenen summarischen Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht ist - in gewissen Grenzen - auch eine vorweggenommene Beweiswürdigung - hier Berücksichtigung eines in einem Strafverfahren eingeholten SV-Gutachtens zur Schuldfähigkeit - zulässig.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

4 W 650/07

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch Richterin am Landgericht Höfs als Einzelrichterin

am 23.01.2008

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichtes Erfurt vom 26.03.2007/Nichtabhilfebeschluss vom 17.12.2007 (Az.: 9 O 2178/06) wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die nach §§ 127 Abs. 2 S. 2, S. 3, 569 Abs. 1 S. 1 ZPO an sich statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde hat aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts, mit der die begehrte Bewilligung von Prozesskostenhilfe zum Teil abgelehnt worden ist, keinen Erfolg.

Soweit der Beklagte rügt, das Landgericht habe mit der Verwertung der strafprozessualen Feststellungen unzulässigerweise das Beweisergebnis vorweggenommen, kann dem nicht gefolgt werden.

Bei der nach § 114 S. 1 ZPO gebotenen summarischen Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht ist - wenn auch nur in gewissen Grenzen - eine vorweggenommene Beweiswürdigung grundsätzlich zulässig. Dies entspricht gefestigter Rechtsprechung (vgl. OLG Bamberg , Beschluss vom 08.08.2007, Az.: 4 W 42/07, zitiert nach juris; OLG Köln, MDR 2007, 119-120; Zöller-Phlippi, ZPO, 26. Auflage, § 114 Rn. 26 und 26a m.w.N.).

Hieraus folgt, dass zugleich eine vorausschauende Würdigung des wahrscheinlichen Erfolges der angebotenen Beweismittel vorzunehmen ist. Hierbei ist es dem Gericht nicht verwehrt auf den Beweisstoff in anderen Verfahren zurückzugreifen. Insbesondere ist es im Hinblick auf die Verwertungsmöglichkeit nach § 411 a ZPO in der Regel unbedenklich, wenn ein im vorausgegangenen Strafverfahren eingeholtes Sachverständigengutachten zur Grundlage einer vorweggenommenen Beweiswürdigung gemacht wird. Ergeben sich bei dieser vorzunehmenden Prüfung konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür, dass die erforderliche bzw. erneute Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der um die Gewährung von Prozesskostenhilfe antragenden Partei ausgehen würde, darf das Gericht Prozesskostenhilfe selbst dann verweigern, wenn es einem von der Partei gestellten Beweisantrag stattgeben müsste (vgl. zuletzt BverfG NJW-RR 2004, 61-62).

Vorliegend kann aufgrund der von der Schwurgerichtskammer gewonnenen Erkenntnisse, die nach umfangreicher Beweisaufnahme Grundlage des rechtskräftigen Strafurteils vom 09.06.2005 geworden sind, davon ausgegangen werden, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Tatvorwürfe der Kläger besteht. Nach den Feststellungen der Schwurgerichtskammer hat der Beklagte bei der Tatausführung vorsätzlich gehandelt. Seine Steuerungsfähigkeit war gemäß § 21 StGB zwar erheblich vermindert, aber nicht ausgeschlossen. Diese Feststellungen beruhen auf dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Blanz. Auch wenn für den Sachverständigen ein geringer Restzweifel von 10 % bestanden haben mag, ob die Steuerungsfähigkeit wegen des zuvor genossenen Alkohols und der bestehenden emotional instabilen Persönlichkeitsstörung ausgeschlossen war, reicht dies nicht, um im Sinne des § 827 BGB zu einer für den Beklagten günstigen Prognose zu kommen. Denn der Sachverständige hat ausdrücklich klargestellt, dass die Anwendung des § 20 StGB dann ausscheiden muss, wenn eine Motivlage festgestellt und im Übrigen nachvollziehbare Erklärungen für die Äußerungen und das Verhalten des Beklagten feststellbar sind. Indes hat die Schwurgerichtskammer die Verhaltensweisen und Äußerungen des Beklagten als nachvollziehbar und mit den Gesamtumständen in Einklang stehend erachtet. Hierzu hat der BGH im Revisionsverfahren in seinem Beschluss vom 01.09.2004 ausgeführt: "Der Tatrichter hat - sachverständig beraten - die Annahme von Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB), insbesondere im Hinblick auf die gewonnene Überzeugung von einem Tatmotiv des Angeklagten rechtsfehlerfrei verneint. Der aufgezeigte Erörterungsmangel erstreckt sich nicht auf die Frage der Schuldunfähigkeit, welche bei der gegebenen Sachlage ohnehin auszuschließen ist." In Anbetracht dessen durfte das Landgericht ohne weiteres davon ausgehen, dass eine (erneute) Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des beweisbelasteten Beklagten ausgehen wird.

Zu Unrecht beanstandet der Beklagte auch den vom Landgericht angesetzten Schmerzensgeldbetrag als deutlich übersetzt. Angesichts der Tatsache, dass der Beklagte mit einem Hammer auf den Kopf des Kläger eingeschlagen, ihn anschließend getreten und schließlich noch mit einem Stuhlbein traktiert hat, wodurch die auf Seite 59/60 des Strafurteils vom 04.12.2003 geschilderten erheblichen Verletzungen verursacht worden sind, erscheint der angesetzte Schmerzensgeldbetrag von 20.000,- € durchaus angemessen.

Zwar weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass bei der Bemessung des Schmerzensgeldes seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Berücksichtigung finden muss, damit das Schmerzensgeld nicht zum wirtschaftlichen Ruin und zur Zerstörung seiner Existenz führt. Dies bedeutet aber nicht, dass gegen einen einkommens- und vermögenslosen Ersatzpflichtigen entweder von der Verhängung eines Schmerzensgeldes ganz abzusehen wäre oder ein der Tat völlig unangemessenes letztlich nur symbolisches Schmerzensgeld zuzusprechen wäre. Auch unter Berücksichtigung dieser Umstände muss das Schmerzensgeld vielmehr als angemessene Reaktion auf die Schwere der zugefügten Verletzungen und Leiden angesehen werden. Schutz vor dem Ruin des Beklagten bieten insoweit die gesetzlichen Grenzen, die der Vollstreckung gesetzt sind.

Nach alledem war der Beschwerde daher der Erfolg zu versagen.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, da der Beklagte aufgrund der Zurückweisung seines Rechtsmittels die Beschwerdegebühr (KV 1812) zu tragen hat und im Übrigen eine Erstattung der Kosten nicht stattfindet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

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