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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 30.07.2002
Aktenzeichen: 5 U 1432/01
Rechtsgebiete: VerbKG, BGB, ZPO


Vorschriften:

VerbKG § 7
VerbKG § 9
VerbKG § 9 Abs. 2
BGB § 139
BGB § 346
BGB § 361 a
BGB § 361 a Abs. 1
BGB § 361 a Abs. 1 Satz 1
BGB § 361 a Abs. 2 Satz 1
BGB § 361 b
ZPO § 97
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 1432/01

Verkündet am: 30.07.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Ross Richter am Oberlandesgericht Bayer Richterin am Amtsgericht Terborg

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09.07.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 23.11.2001 (Az.: 9 O 1620/01) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Die Beschwer des Beklagten übersteigt 20.000,- EUR nicht.

Für dieses Berufungsverfahren gelten die am 31.12.2001 geltenden Vorschriften der Zivilprozessordnung - ZPO -, da die mündliche Verhandlung, auf die das angefochtene Urteil des Landgerichts Erfurt erging, am 02.11.2002 und damit vor dem 01.01.2002 geschlossen worden ist (vgl. § 26 Nr. 5 EGZPO).

Auf die streitgegenständlichen Schuldverhältnisse wird das Bürgerliche Gesetzbuch - BGB - in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung angewandt, weil diese Schuldverhältnisse vor dem 01.01.2002 entstanden sind (vgl. Art. 229 § 5 EGBGB).

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückzahlung einer zur Erfüllung eines im Übrigen durch einen Verbraucherkredit finanzierten PKW-Kaufvertrages geleisteten Anzahlung, nach unstreitig wirksamem Widerruf des Verbraucherkreditvertrages.

Die Beklagte rechnet mit einer Gegenforderung wegen der bei Abschluss des PKW-Kaufvertrages erfolgten Bestellung einer zum Einbau in den PKW gedachten Klimaanlage zum Preis von 3.600,- DM netto und einer Anhängerzugvorrichtung zum Preis von 950,- DM netto sowie mit einem Anspruch auf Bezahlung von bei Zustandekommen des PKW-Kaufvertrags als unentgeltliche Beigabe versprochenen Sommerrädern auf.

Wegen des Sach- und Streitstand der 1. Instanz wird im Einzelnen auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage bis auf die geltend gemachte Kostenpauschale stattgegeben und die auf Feststellung des Annahmeverzuges des Klägers hinsichtlich der Klimaanlage, der Anhängerzugvorrichtung und der Sommerräder gerichtete Widerklage der Beklagten abgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, die Geschäftsgrundlage des Kaufvertrages über Klimaanlage, Anhängerzugvorrichtung und Sommerräder sei mit dem Widerruf des Verbraucherkreditvertrages und der Unwirksamkeit des PKW-Kaufvertrages weggefallen.

Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Sie vertritt darin die Auffassung, die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage könnten vorliegend nicht eingreifen, da durch den Widerruf des PKW-Kaufvertrages keine dem Einflussbereich der Parteien entzogene Veränderung der Vertragsgrundlage eingetreten sei. § 9 VerbKG gelte nicht für den Kaufvertrag betreffend die Zubehörteile. Das Verwendungsrisiko habe der Kläger als Käufer zu tragen.

Im Übrigen hafte ihr der Kläger nach den Grundsätze der culpa in contrahendo (c.i.c.). Der Kläger habe bei Abschluss des PKW-Kaufvertrages seine finanzielle Leistungsmöglichkeit falsch eingeschätzt. Wegen dieser Fehleinschätzung habe er sie veranlasst, kostenintensive Bestellungen auszulösen und müsse ihr den dadurch entstandenen Schaden ersetzen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 23.11.2001 (Az.: 9 O 1620/01) aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie festzustellen, dass der Kläger sich in Bezug auf die von ihm gekaufte Klimaanlage, Anhängerzugvorrichtung und Sommerräder in Annahmeverzug befindet.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger vertritt die Auffassung, auch der die Zubehörteile betreffende Kaufvertrag sei ein mit dem widerrufenen Verbraucherkreditvertrag verbundenes Geschäft.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat im Ergebnis zurecht festgestellt, dass der Kläger nicht zur Abnahme und Bezahlung der Klimaanlage, der Anhängerzugvorrichtung und der Sommerräder verpflichtet ist und die Beklagte die geleistete Anzahlung in voller Höhe nach §§ 361 a Abs. 2 Satz 1, 346 BGB zurückzugewähren hat.

Dass die Beklagte gegen den Kläger keinen Anspruch auf Abnahme und Bezahlung der Sommerräder hat, folgt direkt aus §§ 9 Abs. 2, 7 VerbKG in Verb, mit § 361 a Abs. 1 BGB, denn die durch den Widerruf des Verbraucherkreditvertrages eingetretene Unwirksamkeit des verbundenen PKW-Kaufvertrages erfasst auch die zwischen den Parteien zu den Sommerrädern geschlossene Vereinbarung.

Zwischen den Parteien war es unstreitig, dass die Beklagte dem Kläger die Sommerräder bei Zustandekommen des PKW-Kaufvertrages unentgeltlich überlassen wollte; die Sommerräder waren also von dem Leistungsumfang des widerrufenen PKW-Kaufvertrages umfasst.

Hinsichtlich der von dem Beklagten gesondert bestellten Klimaanlage und der Anhängerzugvorrichtung ergibt sich seine Leistungsfreiheit entweder direkt aus § 139 BGB oder zumindest aus einer entsprechenden Anwendung dieser Norm. Eines Rückgriffs auf die zum Wegfall der Geschäftsgrundlage entwickelten Grundsätze bedarf es nicht.

Der Kläger ist allerdings nicht unmittelbar wegen des Widerrufs des Verbraucherkreditvertrages nach § 9 Abs. 2 VerbKG in Verb, mit § 361 a Abs. 1 BGB nicht mehr an den die Zubehörteile betreffenden Kaufvertrag gebunden. Der Kauf der Zubehörteile war kein mit dem Verbraucherkreditvertrag verbundenes Geschäft, da er nicht mit der Darlehensvaluta finanziert werden sollte.

Der Vertrag über die Zubehörteile stellt jedoch mit dem PKW-Kaufvertrag ein einheitliches Rechtsgeschäft dar und ist nach i.S.d. § 139 BGB in direkter oder entsprechender Anwendung wegen der Unwirksamkeit des PKW-Kaufvertrages ebenfalls hinfällig.

Die Einheitlichkeit eines Rechtsgeschäfts folgt maßgeblich aus einem entsprechenden Willen der Parteien; aus deren Erklärungen muss sich unter Berücksichtigung der Interessenlagen und der Verrkehrssitte der Wille ergeben, dass die getrennten Rechtsgeschäfte miteinander stehen und fallen sollen (Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl. § 139 Rdn. 5 m.w.N.).

Für die Einheitlichkeit des PKW-Kaufvertrages mit der kaufvertraglichen Bestellung der Zubehörteile spricht vorliegend insbesondere die Einigkeit der Parteien darüber, dass die bestellten Zubehörteile in den am 28.03.2001 erworbenen PKW eingebaut werden sollten. Der zeitliche Zusammenhang der Vertragserklärungen mit dem PKW-Kauf und der beiden Parteien bekannte Vertragszweck ließ die Einheitlichkeit auch für die Vertreter der Beklagten offensichtlich sein. Dem Parteivortrag sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der Kläger auch im Fall des Widerrufes des PKW-Kaufvertrages ein Interesse an den bestellten Zubehörteilen hatte.

Ob § 139 BGB hier direkt oder entsprechend anzuwenden ist, kann im Ergebnis dahinstehen, hängt jedoch davon ab, wie die durch den Widerruf des Verbraucherkreditvertrages hervorgerufenen Rechtsfolgen dogmatisch einzuordnen sind.

Dem Wortlaut und auch der Systematik nach findet § 139 BGB auf alle Falle der ex tunc wirkenden Teilunwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts Anwendung (Palandt-Heinrichs, BGB, § 139 Rdn. 2). In Fällen des Rücktritts von einem Vertrag, durch den der wirksame Vertrag ex nunc in ein Rückabwicklungsverhältnis umgestaltet wird, greift § 139 BGB nicht direkt ein.

Ob der Verbraucherkreditvertrag und damit auch das verbundene Geschäfte durch den Widerruf nach §§ 7, 9 Abs. 2 VerbKG unwirksam oder in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt werden, ist nach der Änderung des Verbraucherkreditgesetzes und der Einfügung des § 361 a BGB durch das Gesetz über Fernabsatzverträge und Fragen des Verbraucherrechts vom 27.06.2000 (BGBl. I S. 897/139) fraglich.

Für eine § 139 BGB unmittelbar zur Anwendung bringende Unwirksamkeit der Verträge sprechen die Gesetzesmaterialien, nach denen durch § 361 a BGB "die Konstruktion der schwebenden Wirksamkeit für alle Verbraucherverträge eingeführt" werden sollte (vgl. dazu: Staudinger-Kaiser, BGB 2001, § 361 a Rdn. 16).

Die herrschende Meinung in der Literatur (Staudinger-Kaiser, BGB 2001, § 361 a Rdn. 16; Palandt-Heinrichs, BGB, § 361 a Rdn. 28 m.w.N.) vertritt allerdings, dass das BGB eine "schwebende Wirksamkeit" von Verträgen nicht kenne und § 361 a BGB ein gesetzliches Rücktrittsrecht darstelle. Für diese Wertung spricht die gesetzessystemtische Einordnung der §§ 361 a und b BGB im 5. Titel des allgemeinen Schuldrechts und der Verweis auf die §§ 346 f. BGB in § 361 a Abs. 1 Satz 1 BGB.

Folgt man dieser Wertung ist § 139 BGB im vorliegenden Fall jedoch entsprechend zur Anwendung zu bringen.

Das Gesetz regelt das Schicksal von in Einheitlichkeit mit einem widerrufenen Geschäft stehenden Verträgen nicht ausdrücklich; es besteht eine Regelungslücke. Der in § 139 BGB geregelte Fall ist dem zur Entscheidung Stehenden vergleichbar. Für zusammengesetzte Verträge ist im Übrigen die Auswirkung des Rücktritts von einem Vertrag auf die anderen Verträge anerkannt (Staudinger-Kaiser, BGB 2001, Vorbem. zu § 346 f. Rdn. 30).

Der Kläger ist der Beklagten gegenüber auch nicht nach den Grundsätzen der c.i.c. zum Ersatz der mit der Bestellung der Klimaanlage und der Anhängerzugvorrichtung getätigten Aufwendungen verpflichtet.

Der Kläger hat kein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten in Anspruch genommen.

Der PKW-Kaufvertrag war nach §§ 7 und 9 VerbKG binnen der Widerrufsfrist für den Kläger frei widerruflich. Die Beklagte wußte dies oder musste dies zumindest wissen. Da ihr auch bekannt war, dass die Klimaanlage und die Anhängerzugvorrichtung zum Einbau in den kaufgegenständlichen PKW gedacht waren, war es für sie auch ersichtlich, dass die zusätzlich bestellten Teile bei Widerruf des Vertrages nicht gebraucht würden. Der Kläger war als Verbraucher gegenüber der Beklagten als Händlerin nicht verpflichtet, auf dieses Risiko hinzuweisen. Erklärungen oder Handlungen des Klägers, die ausnahmsweise ein besonderes Vertrauen der Beklagten auf den Bestand der Verträgen trotz der Widerrufsmöglichkeit aus §§ 7, 9 Abs. 2 VerbKG begründen könnten, hat die Beklagte nicht vorgetragen.

Im Übrigen hat die Beklagte die von ihr behaupteten Schäden auch nicht substantiiert dargelegt. Es fehlt insbesondere an einem Vortrag zur Wahrung der Schadensminderungspflicht; die bestellten Teile sind wiederverkäuflich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO n. F.).

Ende der Entscheidung

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