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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 18.10.2004
Aktenzeichen: 5 W 19/03
Rechtsgebiete: LwAnpG, GenG, ZPO


Vorschriften:

LwAnpG § 42
GenG § 51 III 2
GenG § 87
GenG § 88
GenG § 89
ZPO § 57 I
ZPO § 170 III
1. Die LPG i.L. wird bei Anfechtungsklagen gegen Beschlüsse der Generalversammlung nach § 51 Abs.3 Satz 2 GenG vertreten durch die Liquidatoren und den Aufsichtsrat.

2. Sofern ein Aufsichtsrat nicht bestellt worden ist, ist nach § 57 ZPO der LPG i.L. ein Prozesspfleger zur Vertretung neben den Liquidatoren zu bestellen.

3. Die Zustellung der Klage hat an die Liquidatoren und den Aufsichtsrat bzw. Prozesspfleger zu erfolgen. § 170 Abs.3 ZPO gilt in diesem Fall nicht.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

5 W 19/03

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Ross Richterin am Oberlandesgericht Rothe Richter am Landgericht von Ammon

am 18.10.2004

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 17.10.2002 aufgehoben. Es wird dem Landgericht Mühlhausen übertragen, für die Beklagte - zur Vertretung neben den Liquidatoren - einen Prozesspfleger gemäß § 57 Abs.1 ZPO zu bestellen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

3. Wert der Beschwer: 2.700,- €

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

1.

Die Kläger haben unter dem 07.08.2002 Klage gegen die beklagte LPG i.L. erhoben und gleichzeitig beantragt, für einen noch nicht bestellten Aufsichtsrat der Beklagten einen Prozesspfleger nach § 57 ZPO zu bestellen.

Die Klage wurde am 07.09.2002 durch Niederlegung an die Liquidatoren der LPG i.L. zugestellt. Die beklagte LPG i.L. hat mit Schriftsatz vom 12.09.2002 Verteidigungsbereitschaft angezeigt und mit Schriftsatz vom 20.09.2002 in der Sache Stellung genommen.

Mit Beschluss vom 17.10.2002 hat das Landgericht Mühlhausen den Antrag nach § 57 ZPO mit der Begründung zurückgewiesen, die LPG i.L. würde gemäß § 42 Abs.1 LwAnpassG in Verbindung mit § 88 GenG durch die Liquidatoren vertreten.

Gegen den ihnen am 12.11.2002 zugestellten Beschluss haben die Kläger mit Schriftsatz vom 20.11.2002, bei Gericht eingegangen am 22.11.2002, sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung berufen sie sich darauf, dass auch die LPG i.L. einen Aufsichtsrat haben müsse, wie sich aus § 89 GenG ergäbe. Die Vorschrift des § 51 Abs.3 Satz 2 GenG stelle gegenüber § 88 Satz 1 GenG eine Spezialvorschrift dar, so dass auch die LPG i.L. im Anfechtungsrechtsstreit durch die Liquidatoren ( entsprechend dem Vorstand) und den Aufsichtsrat vertreten werden müsste. Die Klage könne daher wirksam nur den Liquidatoren und dem Aufsichtsrat zugestellt werden. Da unstreitig ein Aufsichtsrat nicht bestellt ist, müsse für diesen ein Prozesspfleger bestellt werden.

Durch Beschluss vom 18.12.2002 hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

2.

Die gemäß §§ 567 Abs.1 Nr.2, 569 Abs.1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist auch begründet.

Das Landgericht Mühlhausen hat zu Unrecht die Bestellung eines Prozesspflegers gemäß § 57 Abs.1 ZPO abgelehnt, da die Klage wirksam nicht allein an die Liquidatoren zugestellt werden konnte.

Wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, wird eine LPG i.L. gemäß § 42 LwAnpG i.V.m. § 88 GenG in der Regel durch die Liquidatoren vertreten.

Im Falle der Anfechtung von Beschlüssen der Generalversammlung gilt aber (ausnahmsweise) gemäß § 51 Abs.3 GenG etwas anderes. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist diese Vorschrift auch auf die LPG i.L. anzuwenden.

Zwar verweist § 87 GenG auf die Vorschriften des II. und II. Abschnitts nur "soweit sich aus den Vorschriften des gegenwärtigen (VI.Abschnitts) Abschnitts und dem Wesen der Liquidation nichts anderes ergibt", jedoch geht das Landgericht fehl in der Annahme, dass damit im Hinblick auf § 88 GenG davon auszugehen sei, dass die LPG i.L. in jedem Fall allein durch die Liquidatoren vertreten werde.

Aus § 89 GenG ergibt sich nämlich, dass die Liquidatoren nur die sich unter anderem aus § 51 GenG ergebenden Rechte und Pflichten haben. Dieser ausdrückliche Verweis auf die Geltung von § 51 GenG auch im Falle der Liquidation hat aber in dem hier vorliegenden Fall einer Anfechtungsklage von Beschlüssen der Generalversammlung zur Folge, dass nach § 51 Abs.3 Satz 2 GenG i.V.m. § 88, 89 GenG die Genossenschaft durch den Vorstand, d.h. die Liquidatoren, und den Aufsichtsrat vertreten wird.

Dies bedeutet aber, dass die Klage wirksam auch nur an beide Vertreter zugestellt werden kann ( vgl. BGH MDR 1978, 909 f; Müller, GenG, 2.Aufl. 2000, Band 4, § 89 Rdn. 9).

Daran ändert auch die Vorschrift des § 170 Abs.3 ZPO nichts, da diese nur den Fall betrifft, dass der gesetzliche Vertreter als solcher aus mehreren Personen besteht. Sofern eine juristische Person zwingend durch zwei mehrgliedrige Organe - wie hier durch Liquidatoren und Aufsichtsrat - gesetzlich vertreten wird, gilt § 170 Abs.3 ZPO nicht, da ansonsten der Zweck der Doppelvertretung vereitelt würde (vgl. Zöller-Stöber, ZPO, 23.Aufl. § 170 Rdn. 6 m.w.N.).

Da die Beklagte unstreitig bislang nicht über einen Aufsichtsrat verfügt, ist diese derzeit nicht prozessfähig. Der Beklagten und nicht "dem Aufsichtsrat" ist - zur Vertretung neben den Liquidatoren - ein Prozesspfleger gemäß § 57 Abs.1 ZPO zu bestellen. Insoweit war der Antrag der Kläger in der Klageschrift auszulegen. Da nur der nicht prozessfähigen Partei und nicht dem gesetzlichen Vertretergremium oder Teilen davon ein Prozesspfleger nach § 57 Abs.1 ZPO zu bestellen ist, ist lediglich bei der Bestellung darauf hinzuweisen, dass die Vertretung der Beklagten neben den im übrigen wirksam bestellten Liquidatoren erfolgt.

Angesichts der Tatsache, dass das Landgericht vor Ort über bessere Kenntnisse verfügt, wer als Prozesspfleger vorliegend geeignet erscheint und der Senat einer solchen Entscheidung nicht vorgreifen will, war insoweit die Bestellung des konkreten Prozesspflegers nach § 572 Abs.3 ZPO dem Landgericht zu übertragen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs.1 ZPO.

Der Wert der Beschwer wurde gemäß § 3 ZPO auf 1/10 des Hauptsachewertes bemessen, den die Kläger mit 27.000,- € angegeben haben.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 574 Abs.2 Nr.1 ZPO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuzulassen gewesen. Da die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung ( vgl. BGH a.a.O.) nicht zu der Genossenschaft i.L. ergangen und die Anwendbarkeit des § 51 Abs.3 Satz 2 GenG hierauf gerade streitig ist und sich diese Frage zudem angesichts der großen Zahl der fehlgeschlagenen Umwandlungen der LPG's und der Notwendigkeit der Beschlussfassung zu Unternehmensverkäufen in einer Vielzahl von Fällen stellt, hat der Senat die grundsätzliche Bedeutung der Entscheidung bejaht.

Ende der Entscheidung

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