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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 27.02.2002
Aktenzeichen: 6 U 360/01
Rechtsgebiete: BGB, VOB/A


Vorschriften:

BGB § 252
VOB/A § 25
VOB/A § 21 Nr. 1
1. Der zu Unrecht übergangene Bieter kann als Schadensersatz nicht sowohl das negative als auch das positive Interesse fordern.

2. Hat der Auftraggeber das Angebot der Klägerin in die letzte Wertungsstufe, die Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 2 und 3 VOB/A mit einbezogen, ist er im Grundsatz gehindert, bei der Zuschlagserteilung Umstände aus vorangegangenen Wertungsstufen, etwa fehlende oder besondere Eignung des Bieters erneut zu berücksichtigen (vgl. BGH WM 2002, 305).

3. Ein Angebot ist nicht unvollständig im Sinne von § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 3 VOB/A, wenn es in einer Reihe von 26 Positionen einen Einheitspreis von 0,01 DM angibt.

4. Für den Auftraggeber kann sich bei Mengenänderungen ein Preisrisiko daraus ergeben, dass einzelne Einheitspreise bewusst zu niedrig in ein Angebot eingesetzt werden. Hier kann der Zuschlag auf ein preislich etwas höheres, aber mit weniger Risiken behaftetes Angebot durchaus VOB/A-gerecht sein, da in diesem Fall das niedrigere Angebot unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkts in Wahrheit nicht das wirtschaftlichste ist.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 360/01

Verkündet am: 27.02.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer sowie die Richter am Oberlandesgericht Kramer und Bettin

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28.11.2001

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Erfurt vom 14.12.2000 aufgehoben.

2. Die Klage wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Wegen der Anspruchshöhe wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat.

3. Das Urteil beschwert die Parteien mit jeweils mehr als 30.677,50 €.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Schadensersatz im Zusammenhang mit der Vergabe eines öffentlichen Auftrags für Baumaßnahmen an Gebäuden der Freiwilligen Feuerwehr in S.. Betroffen ist das Los 1, Rohbauarbeiten.

Die Beklagte führte hierzu eine öffentliche Ausschreibung durch, nach der entsprechende Angebote bis zum 14.03.2000 einzureichen waren; die Zuschlags- und Bindefrist endete am 14.04.2000. Zuschlagskriterium war das wirtschaftlichste Angebot (§ 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A). Die Klägerin unterbreitete das Angebot mit dem niedrigsten Preis (1.457.770,96 DM); das Angebot des nächstgünstigsten Bieters, das letztlich den Zuschlag erhielt, lag um 17.622,62 DM höher.

Bei der Angebotsprüfung stellte die Beklagte fest, dass im Angebot der Klägerin insgesamt 26 Positionen des Leistungsverzeichnisses mit einem Einheitspreis von jeweils 0,01 DM ausgewiesen sind (vgl. die Aufstellung Bl. 49 d.A.), während der Preis für die Baustelleneinrichtung im Vergleich zu den anderen Bietern um ca. 20.000 DM höher (mit ca. 17,9 % des Gesamtvolumens) angegeben ist. Die Beklagte beabsichtigte zunächst, das Angebot der Klägerin als unvollständig auszuschließen. Nachdem die Klägerin im Ergebnis des Bietergesprächs vom 23.03.2000 dargelegt hatte, dass die erwähnten 26 Positionen mit insgesamt ca. 180.000 DM unter der Position "freie Kostenart" in der Baustelleneinrichtung enthalten sind, hat die Beklagte letztlich von einem Ausschluss des Angebots der Klägerin Abstand genommen und es in die Wertung einbezogen (vgl. das Protokoll des Bietergesprächs vom 27.03.2000, Bl. 54 d.A. und das Schreiben vom 04.04.2000, Bl. 61 d.A.). Mit Beschluss des Stadtrats vom 13.04.2000 hat die Beklagte entschieden, den hier betroffenen Bauauftrag dem nach der Klägerin zweitgünstigsten Bieter mit einer Auftragssumme von 1.475.393,58 DM zu erteilen. Diese Absicht war der Klägerin vorher lediglich durch das Schreiben des Landratsamts Sömmerda vom 04.04.2000 (Bl. 61 d.A.) mitgeteilt worden. Auf Aufforderung der Klägerin, ihr den Grund für die Nichtberücksichtigung mitzuteilen, hat die Beklagte vor Zuschlagserteilung nicht reagiert.

Die Klägerin meint, die Beklagte habe gegen die ihr obliegende Vorabinformationspflicht verstoßen, die nach §§ 23, 25 VOB/A vorgegebene Prüfungsreihenfolge nicht eingehalten und insbesondere entgegen § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A das Angebot der Klägerin unzutreffend nicht als das wirtschaftlichste beurteilt. Den ihr aus der rechtswidrigen Nichterteilung des Zuschlags entstandenen Schaden hat die Klägerin auf insgesamt 215.537,58 DM beziffert; davon entfallen 189.843,98 DM auf entgangenen Gewinn und 25.693,60 DM auf umsonst aufgewandte Kosten für die Teilnahme an der Ausschreibung. Hiervon macht sie im Wege der offenen Teilklage 75.000 DM geltend und hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 75.000 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, die Auftragserteilung auf das Angebot des Bieters mit dem zweitgünstigsten Preis halte sich im Rahmen des ihr in § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A eingeräumten Ermessensspielraums. Die Verfahrensweise der Klägerin, für insgesamt 26 Positionen des Leistungsverzeichnisses lediglich 0,01 DM als Einheitspreis anzugeben, berge für sie bei Mengenänderungen bzw. erforderlichen Nachträgen die Gefahr wirtschaftlicher Risiken und nachträglicher Preiserhöhungen (§ 2 Nr. 3 bis 7 VOB/B) in sich. Die um ca. 20.000 DM überhöhte Kalkulation der Position Baustelleneinrichtung - insofern werde die Zahlung bereits zu Beginn der Baumaßnahme fällig - stelle im Ergebnis eine ungerechtfertigte Kreditgewährung für den Bieter dar und habe bei ihr im Übrigen Zweifel an der Liquidität der Klägerin und damit an ihrer Leistungsfähigkeit geweckt. Die Beklagte hat die Schadenshöhe vorsorglich bestritten.

Das Landgericht hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Angebotswertung der Beklagten halte sich im Rahmen des ihr eingeräumten Beurteilungsspielraums. Wegen der verwirrenden Kostendarstellung könne die Klägerin nicht beweisen, dass ihr Angebot mit dem niedrigsten Angebotspreis auch das wirtschaftlich günstigste sei. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf die angefochtene Entscheidung des Landgerichts.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 511 ff. ZPO in der gem. § 26 Nr. 5 EGZPO maßgebenden bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung (im folgenden a.F.) an sich statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin hat betreffend den Anspruchsgrund Erfolg und führt hinsichtlich der Anspruchshöhe zur Zurückverweisung an das Landgericht.

I.

Im Ansatz zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass Fehler bei Ausschreibung und Zuschlag öffentlicher Aufträge eine Haftung des Auftraggebers gegenüber den Bietern auf Ersatz der diesen entstandenen Schäden auslösen können. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird spätestens mit der Anforderung der Ausschreibungsunterlagen durch die Bieter zwischen diesen und dem Ausschreibenden ein vertragliches Vertrauensverhältnis begründet. Die Verletzung dieses Vertrauensverhältnisses durch den Ausschreibenden kann nach den Grundsätzen der Haftung für Verschulden bei Vertragsverhandlungen Ersatzansprüche der betroffenen Bieter auslösen (vgl. BGH NZBau 2000, 35, 36 m.w.N.).

Seinem Inhalt nach ist der auf Vergaberechtsverstöße des Auftraggebers gestützte Anspruch auf den Ersatz der Schäden gerichtet, die der Bieter in Folge seines Vertrauens darauf erlitten hat, dass die Ausschreibung nach den Vorschriften der VOB/A abgewickelt wird. Das beschränkt ihn grundsätzlich auf den Ersatz des sogenannten negativen Interesses, d.h. auf den Ausgleich der durch die Teilnahme an der Ausschreibung entstandenen Aufwendungen. In besonderen Fällen kann er darüber hinaus jedoch auch den in Folge der Nichterteilung des Auftrags entgangenen Gewinn verlangen. Das gilt insbesondere dann, wenn der Auftrag wie hier an eine anderen vergeben wurde, bei richtiger, d.h. rechtmäßiger Handhabung des Verfahrens, aber allein dem Gläubiger des Schadensersatzanspruchs hätte erteilt werden dürfen (vgl. BGH NZBau 2000, a.a.O., 37; BGH NJW 2000, 137; BGH BauR 1998, 1246, 1247 jeweils m.w.N.). So liegt es hier.

1. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin resultiert allerdings nicht schon allein daraus, dass die Beklagte einer etwa bestehenden Vorabinformationspflicht darüber, wem und aus welchen Gründen sie den Zuschlag zu erteilen gedenkt, nicht nachgekommen ist. Eine derartige Pflichtverletzung wäre für den Schaden der Klägerin nicht kausal, wenn ihr Angebot im Ergebnis nicht das wirtschaftlichste wäre. Das gilt auch, soweit die Klägerin ihren Ersatzanspruch allein darauf stützen will, dass die Beklagte die Prüfungsreihenfolge nach den §§ 23, 25 VOB/A nicht eingehalten hat.

2. Indessen hat die Beklagte die Angebotswertung im engeren Sinn nach § 25 Ziff. 3 Abs. 3 S. 2 und 3 VOB/A entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Eine entsprechend dieser Regelung durchgeführte Angebotswertung hätte zu dem zwingenden Ergebnis geführt, den Zuschlag auf das Angebot der Klägerin zu erteilen. Nachdem das vorliegende Ausschreibungsverfahren mit dem Zuschlag seinen Abschluss gefunden hat, durfte die Klägerin darauf vertrauen, dass die Beklagte die Regelungen der VOB/A bis hin zur Erteilung des Zuschlags regelrecht handhaben werde. In diesem Vertrauen ist die Klägerin enttäuscht, so dass sie das positive Interesse geltend machen kann, d.h. vor allem den ihr aus dem Auftrag entgangenen Gewinn (vgl. BGH BauR 1998, a.a.O., 1247 m.w.N.).

a) Für die Prüfung der Angebote der Bieter schreibt § 25 VOB/A grundsätzlich eine zwingende Prüfungsreihenfolge des öffentlichen Auftraggebers vor. Er hat zunächst über den zwingenden (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A) und sodann über den fakultativen Ausschluss (§ 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A) von Angeboten zu befinden. In einer weiteren Stufe ist die Eignung der Bieter zu prüfen, also ob sie die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen und über ausreichende technische und wirtschaftliche Mittel verfügen (§ 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A). Daran schließt sich die Prüfung an, ob Angebote mit unangemessen hohen oder niedrigen Preisen vorliegen (§ 25 Nr. 3 Abs. 1 und 2 VOB/A). In die engere Wahl kommen sodann nach § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 1 VOB/A diejenigen Angebote, die unter Berücksichtigung rationellen Baubetriebs und sparsamer Wirtschaftsführung eine einwandfreie Ausführung einschließlich Gewährleistung erwarten lassen; unter ihnen ist nach den Kriterien des § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 2 und 3 VOB/A schließlich das wirtschaftlichste Angebot für den Zuschlag auszuwählen (vgl. BGH BauR 1998, a.a.O., 1248). Diese Wertungsstufen hat der Auftraggeber strikt voneinander zu trennen; ihre Vermischung ist unzulässig und führt zur Rechtswidrigkeit der Vergabe (vgl. BGH, a.a.O.; Beck'scher VOB-Komm/Brinkler/Ohler, § 25 VOB/A Rn. 2 m.w.N.). Hat der Auftraggeber wie hier die Beklagte das Angebot der Klägerin in die letzte Wertungsstufe, die Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 2 und 3 VOB/A mit einbezogen, ist er im Grundsatz gehindert, bei der Zuschlagserteilung Umstände aus vorangegangenen Wertungsstufen, etwa fehlende oder besondere Eignung des Bieters erneut zu berücksichtigen (vgl. BGH BauR 1998, a.a.O.; BGH WM 2002, 305).

Die Beklagte kann mithin mit ihrem Vorbringen, die Preisgestaltung der Klägerin lasse an deren Seriosität und Zuverlässigkeit und damit an ihrer Eignung zweifeln, nicht durchdringen, weil sie diese Zweifel bei der Eignungsprüfung nach § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A selbst hintangestellt und das Angebot der Klägerin in die Wirtschaftlichkeitsprüfung einbezogen hat. Aus diesem Grund kann die Beklagte die Nichterteilung des Zuschlags an die Klägerin auch nicht auf die Unangemessenheit des Preises stützen, wobei es hier nach einhelliger Rechtsprechung ohnehin auf den Gesamtpreis, nicht aber auf die Einzelpreise ankommt (vgl. z.B. BayObLG Vergaberecht 2001, 65). Angesichts der vergleichsweise geringen Differenz zwischen dem Angebot der Klägerin und dem zweitniedrigsten Angebot sind daher auf § 25 Nr. 3 Abs. 1 und 2 VOB/A gegründete Zweifel offensichtlich unbegründet.

Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn das Angebot der Klägerin nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A zwingend auszuschließen wäre (vgl. hierzu Thüringer OLG, Vergabesenat, BauR 2000, 388, 390 f.), kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben. Einer der zwingenden Ausschlussgründe des § 25 Nr. 1 Abs. 1 a bis d VOB/A liegt ersichtlich nicht vor. Insbesondere ist das Angebot der Klägerin nicht unvollständig im Sinne von § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 3 VOB/A. Es enthält sowohl die Preise als auch die sonst geforderten Erklärungen. Soweit die Klägerin in 26 Positionen einen Einheitspreis von 0,01 DM angegeben hat, handelt es sich zwar ersichtlich um völlig unrealistische Angaben, gleichwohl sind aber Preise angegeben. Zutreffend geht im Übrigen auch die Beklagte mehrfach von der Zulässigkeit derartiger möglicherweise spekulativer Preise aus (vgl. auch Heiermann/Riedel/Rusam, VOB, 9. Auflage, § 25 Rn. 162).

Die Beklagte kann die Nichterteilung des Zuschlags an die Klägerin auch nicht auf die Vermutung stützen, letztere habe zum damaligen Zeitpunkt Liquiditätsprobleme gehabt. Das folgt schon aus dem Umkehrschluss aus §§ 25 Nr. 1 Abs. 2, 8 Nr. 5 VOB/A. Danach sind selbst insolvente Bieter nicht zwingend auszuschließen, sondern der Auftraggeber hat eine Ermessensentscheidung zu treffen. Bloße Liquiditätsprobleme dürften daher in der Regel einen Ausschluss nicht rechtfertigen; abgesehen davon hatte die Beklagte ihr Ermessen bereits dahin ausgeübt, die Klägerin in der Wertung zu belassen. Soweit die fehlende Liquidität unter dem Gesichtspunkt der Eignung von Bedeutung sein könnte, ist die Beklagte aus dem selben Grund gehindert, sich hierauf zu berufen, weil sie das Angebot der Klägerin bereits mit in die letzte Wertungsstufe einbezogen hat (siehe oben). Außerdem darf der Auftraggeber bei der Bewertung der Angebote nur solche Umstände berücksichtigen, die auf seiner gesicherten Erkenntnis beruhen (vgl. BGH NZBau 2000, a.a.O.). Bei der angeblich fehlenden Liquidität der Klägerin handelt es sich aber allenfalls um eine vage Vermutung, die die Beklagte darauf stützt, die Klägerin habe wegen der früheren Fälligkeit die Position Baustelleneinrichtung überhöht kalkuliert.

b) Nachdem die Beklagte das Angebot der Klägerin in die letzte Wertungsstufe nach § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 2 und 3 VOB/A einbezogen hat und auch zwingende Ausschlussgründe nicht vorliegen, hätte diesem Angebot als dem wirtschaftlichsten auch der Zuschlag werden müssen.

aa) Bei der Bestimmung des annehmbarsten Angebots - die Bezeichnung annehmbarstes Angebot entspricht dem wirtschaftlichsten Angebot in § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 2 VOB/A n.F. - besteht eine der gerichtlichen Kontrolle entzogene Bewertungsprärogative nach subjektiven Maßstäben des Auftraggebers jedenfalls in solchen Fällen nicht, in denen sich die in die Wertung einbezogenen Angebote in technischer, gestalterischer oder funktionsbedingter Hinsicht nicht unterscheiden (vgl. BGH NZBau 2000, a.a.O., 37).

Allerdings ist der Ausschreibende, wie sich aus § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 3 VOB/A ergibt, nicht verpflichtet, dem Angebot mit dem niedrigsten Preis in jedem Fall den Vorzug zu geben. Der Zuschlag ist nach § 25 Abs. 3 S. 2 VOB/A vielmehr auf das unter Berücksichtigung aller technischen, wirtschaftlichen, gegebenenfalls auch gestalterischen und funktionsbedingten Gesichtspunkte annehmbarste Angebot zu erteilen. Inhaltlich nichts anderes regelt § 25 Nr. 3 Abs. 3 S. 2 VOB/A n.F. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sich die Angebote der Klägerin und der übrigen Teilnehmer in technischer, gestalterischer oder funktionsbedingter Hinsicht unterscheiden würden. Hierfür finden sich auch in der Akte keine Anhaltspunkte. Bei der damit zu Grunde zu legenden inhaltlichen Übereinstimmung der eingereichten Angebote gewinnt der Preis nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausschlaggebende Bedeutung. Das gilt insbesondere, wenn wie hier nach dem Vorbringung der Beklagten bei der Durchführung des Vorhabens öffentliche Mittel Verwendung finden, bei deren Einsatz der Ausschreibende die haushaltsrechtliche Pflicht zur höchstmöglichen sparsamen und effektiven Verwendung der Gelder zu beachten hat (vgl. BGH NZBau 2000, a.a.O.; BGH WM 2002, a.a.O.).

bb) Wirtschaftliche Gründe, auf die sich eine abweichende Vergabe des Auftrags stützen ließe, hat die Beklagte nicht vorgetragen.

Soweit sie geltend macht, die Bewilligung von Fördermitteln setze Verrechnungsnachweise für einzelne Teilbereiche voraus, die wegen der Preisangabe der Klägerin bei ihrem Angebot nicht zu erstellen seien, handelt es sich um ein Wertungskriterium, das in den Verdingungsunterlagen unstreitig nicht aufgeführt war und deshalb für die Wertung nicht herangezogen werden durfte (vgl. BGH NJW 2000, 137, 139). Daran ändert der Umstand nichts, dass nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten in erster Instanz die Verwendung von Fördermitteln erst während des schon laufenden Vergabeverfahrens in Betracht gezogen wurde. Wollte die Beklagte die Vergabe des Auftrags an daraus resultierende neue Wertungskriterien binden, hätte sie die Ausschreibung aufheben und neu ausschreiben müssen.

Werden wie hier einzelne Einheitspreise bewusst zu niedrig in ein Angebot eingesetzt, kann sich daraus bei Mengenänderungen ein erhebliches Preisrisiko für den Auftraggeber ergeben. Ist das der Fall, kann ein Zuschlag auf ein preislich etwas höheres, aber mit weniger Risiken behaftetes Angebot durchaus VOB/A-gerecht sein, da in diesem Fall das niedrigere Angebot unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkts in Wahrheit nicht das wirtschaftlichste ist. Voraussetzung hierfür ist indessen, dass die fraglichen Einheitspreise ganz erheblich aus dem Rahmen fallen, mit größeren Mengenänderungen bei den betreffenden Positionen gerechnet werden muss und das damit verbundene Preisrisiko für den Auftraggeber beträchtlich ist (vgl. Heiermann/Riedel/Rusam, a.a.O., § 25 Rn. 162 mit Rechenbeispiel Rn. 163). Zu den letzten beiden Voraussetzungen, also dass und in welchem Umfang bei der Angebotswertung mit größeren Mengenänderungen bei den betroffenen Positionen zu rechnen war und welches Preisrisiko sich für die Beklagte daraus ergab, fehlt jedes tatsächliche Vorbringen. Das ist umso mehr erforderlich, als sich die Preisangabe der Klägerin durchaus auch zum Vorteil der Beklagten auswirken kann, wie sich aus § 2 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B ergibt. Weicht nämlich die ausgeführte Menge um nicht mehr als 10 % von der im Vertrag vorgesehenen ab, gilt nach dieser Vorschrift der vertragliche Einheitspreis weiter, was zu Gunsten der Beklagten dazu führen würde, dass die Klägerin für die über den vertraglichen Umfang hinaus erbrachten Leistungen ebenfalls nur mit dem von ihr angesetzten Einheitspreis von 0,01 DM vergütet würde. Diese Problematik wurde mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung am 28.11.2001 erörtert. Auch der Hinweis des Senats, dass es sich bei den von der Beklagten in Erwägung gezogenen Mengenänderungen um nicht durch Tatsachenvortrag unterlegte Spekulationen handelt, hat die Beklagte nicht veranlasst, hierzu konkreter vorzutragen.

Soweit die Beklagte schließlich meint, auch der Umstand, dass die Klägerin für die Baustelleneinrichtung einen um etwa 20.000 DM überhöhten Preis angesetzt habe, sei in die Wirtschaftlichkeitsprüfung einzubeziehen, trifft das im Ansatz zu. Nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten hat nämlich die Klägerin Kostenanteile dem Baustelleneinrichtungspreis in der Erwartung zugeordnet, dass dieser gleich nach Baubeginn ausgezahlt wird. Im wirtschaftlichen Ergebnis bedeutet das für den Auftraggeber eine verfrühte Vergütungszahlung, die mit Zinsverlusten einhergeht (vgl. Heiermann/Riedel/Rusam, a.a.O., Rn. 164). Gleichwohl ist dieses Vorbringen im Ergebnis unerheblich, weil durch den auf 20.000 DM entfallenden möglichen Zinsverlust der Beklagten die Preisdifferenz zwischen dem Angebot der Klägerin und dem des nächstgünstigsten Bieters in Höhe von ca. 17.000 DM nicht annähernd aufgezehrt werden kann. Das verdeutlicht folgende Überlegung: Nach den Ausschreibungsunterlagen war für das hier betroffene Los eine Ausführungsfrist vom 01.05.2000 bis 15.10.2000, also etwa 5,5 Monate vorgesehen. Selbst wenn man - unrealistisch, weil üblicherweise Abschlagszahlungen fällig werden - für den Zinsverlust der Beklagten von diesem Gesamtzeitraum ausgeht, müsste der Zinsverlust monatlich mehr als 3.000 DM (aufs Jahr bezogen 36.000 DM) betragen, um die Differenz von ca. 17.000 DM zum Angebot des nächstgünstigsten Bieters aufzuzehren. Ein solcher Zinsverlust kann indessen bei einem zu verzinsenden Grundbetrag von 20.000 DM nicht entstehen.

3. Die Klage ist mithin dem Grunde nach, soweit sie auf entgangenen Gewinn gerichtet ist, gerechtfertigt, weil die Klägerin darauf vertrauen durfte, dass die Beklagte bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens den Zuschlag auf ihr Angebot erteilen werde und in diesem Vertrauen enttäuscht wurde (vgl. BGH BauR 1998, a.a.O.).

Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens nach § 254 Abs. 1 BGB gemindert. Tatsachen, die ein Mitverschulden der Klägerin zu begründen geeignet wären, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Ihre Ausführungen in der Klageerwiderung im Zusammenhang mit den Verwendungsnachweisen für die Bewilligung von Fördermitteln, auf die sie im Berufungsverfahren nicht zurückgekommen ist, sind unverständlich, weil dieses Kriterium nicht Bestandteil der Verdingungsunterlagen war. Ob ein Mitverschulden des Bieters darin bestehen kann, dass er seiner Rügepflicht nach § 107 Abs. 3 GWB nicht nachkommt oder von der Möglichkeit des Primärrechtsschutzes durch Anrufung der Vergabekammer keinen Gebrauch macht (vgl. Beck'scher VOB/A/Komm./Motzke, Systematik V Rn. 248, 287) kann offen bleiben. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin mehrfach entsprechende Rügen erhoben. Ein Antrag an die Vergabekammer im Primärrechtsschutzverfahren kam schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte die Klägerin trotz entsprechender Aufforderungen nicht vorab darüber informiert hat, dass und aus welchen Gründen sie den Zuschlag nicht erhalten werde. Allein auf das Schreiben vom 04.04.2000, das noch nicht einmal von der Beklagten, sondern vom Landratsamt stammt und gänzlich nichtssagend begründet ist, war die Klägerin nicht gehalten, unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht einen Antrag an die Vergabekammer zu stellen.

II.

Der Senat hat von der Möglichkeit des § 538 Abs. 1 S. 3 ZPO a.F. Gebrauch gemacht, also die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und sie wegen der Höhe an das Landgericht zurückverwiesen. Die Voraussetzungen hierfür sind gegeben; der Anspruch ist sowohl dem Grunde als auch dem Betrag nach streitig und das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein Grundurteil liegen ebenfalls vor; insbesondere besteht die erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit, dass im Betragsverfahren etwas zuerkannt wird (vgl. Zöller/Gummer, a.a.O., § 538 Rn. 18). Das Absehen von der Zurückverweisung nach § 540 ZPO erscheint dem Senat auch nach Erörterung mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung als nicht sachdienlich. Das gesamte erstinstanzliche Verfahren befasste sich ausschließlich mit dem Anspruchsgrund; mit der Anspruchshöhe haben sich weder die Beklagte noch das Landgericht - bis auf das pauschale Bestreiten der Beklagten, das der Senat, weil es sich bei der Ermittlung des entgangenen Gewinns um Tatsachen handelt, die ausschließlich in der Sphäre der Klägerin liegen, für ausreichend hält - auseinandergesetzt. Daher fehlen dem Senat jegliche Entscheidungsgrundlagen, zumal davon auszugehen sein wird, dass die Schadenshöhe nicht ohne umfangreiche Beweiserhebung, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch durch Sachverständigengutachten, festzustellen sein wird. Die Notwendigkeit einer umfangreichen Beweisaufnahme ist ein sachgerechter Ermessensgesichtspunkt bei der Entscheidung nach § 540 ZPO.

Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat darauf hin, dass die Klägerin als Schadensersatz nicht sowohl das negative als auch das positive Interesse wird fordern können. Nach § 249 S. 1 BGB ist die Klägerin so zu stellen, als wäre der zum Ersatz verpflichtende Umstand - die Nichterteilung des Zuschlags auf ihr Angebot - nicht eingetreten. Hätte die Beklagte der Klägerin pflichtgemäß den Zuschlag erteilt, so hätte die Klägerin aus dem Auftrag allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit Gewinn erzielt. Die Aufwendungen für die Teilnahme an der Ausschreibung wären der Klägerin aber auch bei rechtmäßigem Verhalten der Beklagten entstanden.

III.

Den Wert der Beschwer hatte der Senat, weil die mündliche Verhandlung, auf die das vorliegende Urteil erging, vor dem 31.12.2001 stattfand, nach § 546 Abs. 2 S. 1 ZPO a.F. festzusetzen (§ 26 Nr. 7 EGZPO). Er übersteigt angesichts des auf 75.000,- DM bezifferten Zahlungsantrags für beide Parteien die wegen der Währungsumstellung nunmehr maßgebende Summe von 30.677, 50 €.

Ende der Entscheidung

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