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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 16.01.2002
Aktenzeichen: 6 W 10/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 883
ZPO § 885
BGB § 1353
Im Regelfall üben an einer Ehewohnung beide Ehegatten gleichberechtigten und eigenständigen Mitbesitz aus, daher bedarf es zur Vollstreckung eines die Wohnung betreffenden Herausgabeanspruchs eines Titels gegen beide Ehegatten.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 10/02

In der Zwangsvollstreckungssache

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer sowie die Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Werner und Bettin auf die sofortige weitere Beschwerde des Vollschreckungsgläubigers vom 27.12.2001 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mühlhausen vom 26.11.2001

am 16.01.2002

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde hat der Vollstreckungsgläubiger zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdegegenstands für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 12.000 DM festgesetzt.

Gründe:

Die sofortige weitere Beschwerde des Vollstreckungsgläubigers ist nach den hier gem. § 26 Nr. 10 EGZPO maßgebenden §§ 793 Abs. 2, 568 Abs. 2, 577 ZPO a.F. an sich statthaft und auch sonst zulässig. Der neue selbständige Beschwerdegrund in der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts im Sinne des § 568 Abs. 2 S. 2 ZPO a.F. besteht für den Vollstreckungsgläubiger darin, dass das Landgericht die anderweitige Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben und die Räumungsvollstreckung gegen den Ehemann der Vollstreckungsschuldnerin für unzulässig erklärt hat.

In der Sache selbst hat die sofortige weitere Beschwerde aus den im Wesentlichen zutreffenden Erwägungen des Landgericht, denen sich der Senat anschließt, keinen Erfolg. Allerdings ist das Landgericht, verursacht möglicherweise durch das Vorbringen des Vollstreckungsgläubigers im Erstbeschwerdeverfahren (vgl. den Schriftsatz vom 30.11.2001, Bl. 39, 40 d.A.) unzutreffend von einem Mietvertrag zwischen Vollstreckungsgläubiger und Vollstreckungsschuldnerin ausgegangen. Wie sich aus dem Vollstreckungstitel, nämlich dem Urteil des Amtsgerichts Mühlhausen vom 01.12.2000 (3 C 314/99) ergibt, resultiert die Räumungsverurteilung vielmehr daraus, dass der Vollstreckungsgläubiger von einem mit der Vollstreckungsschuldnerin abgeschlossenen notariellen Grundstückskaufvertrag wirksam zurückgetreten ist. Für die Frage, ob für die Räumungsvollstreckung ein Räumungstitel gegen beide Eheleute erforderlich ist, kommt es indessen nicht darauf an, auf welcher Art von vertraglicher Beziehung ursprünglich das Besitzrecht eines der beiden Ehegatten gegenüber dem Gläubiger beruht hat (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 22. Auflage, § 885 Rn. 6 m.w.N.). Entscheidend ist vielmehr, dass Eheleute jedenfalls bei ungestörter Ehe die Herrschaftsgewalt über die Räume der gemeinsamen Ehewohnung auch gemeinsam ausüben, also Mitbesitzer sind (vgl. BGHZ 12, 380, 398 ff.). Der Senat tritt daher der vom Landgericht vertretenen und inzwischen wohl herrschenden Meinung bei, dass im Regelfall (zu Ausnahmen vgl. Zöller/Stöber, a.a.O.) beide Ehegatten gleichberechtigten und eigenständigen Mitbesitz an der Ehewohnung ausüben, so dass es zur Vollstreckung eines Titels gegen beide Eheleute bedarf (vgl. OLG Oldenburg NJW-RR 1994, 715 m.w.N.; OLG Köln WuM 1994, 285 m.w.N.; KG NJW-RR 1994, 713 m.w.N.; Zöller/Stöber, a.a.O. m.w.N.; a. A. OLG Hamm NJW 1956, 1681; OLG Köln NJW 1958, 598). Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass es dem Wesen der Ehe widerspräche, denjenigen der beiden Ehegatten, der nicht Partner des Vertragsverhältnisses mit dem Gläubiger ist, lediglich als Besitzdiener seines Ehegatten mit der Folge anzusehen, dass gegen ihn ein Räumungstitel nicht erforderlich wäre (vgl. Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 21. Auflage, § 885 Rn. 8).

Die Kostenentscheidung für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; den Beschwerdewert hat der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht nach den §§ 12 Abs. 1 GKG, 3 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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