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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 23.07.2002
Aktenzeichen: 6 W 329/02
Rechtsgebiete: GBO, SachenRBerG, EGBGB


Vorschriften:

GBO § 125
GBO § 29
GBO § 13
SachenRBerG § 5 Abs. 2
EGBGB Art. 233 § 2c
1. Ist ein Gebäudegrundbuchblatt angelegt worden, obwohl nur ein Besitzrechtsvermerk hätte eingetragen werden können, hat das GBA einen gesetzlich nicht zugelassenen Grundbuch-Sachverhalt geschaffen, den es von Amts wegen löschen muss.

2. In den Fällen der so genannten hängengebliebenen Entstehung von Gebäudeeigentum kann nur im ein Besitzrechtsvermerk nach Art. 233 § 2c Abs. 2 EGBGB eingetragen werden.

3. Den Antrag auf Eintragung eines Besitzvermerks kann das GBA nicht mangels Rechtsschutzbedürfnisses deswegen zurückweisen, weil in Abteilung II des betroffenen Grundstücks bereits ein Vermittlungsvermerk nach § 92 Abs. 5 SachenRBerG gebucht ist.

4. Bei Ansprüchen aus § 5 Abs. 2 Satz 2 SachenRBerG ist dem GBA ein Funktionszusammenhang zwischen einem Eigenheim und dem anderen Bauwerk nachzuweisen, welcher sich aus den durch § 4 Abs. 4 Nr. 2 GGV zugelassenen Nachweisunterlagen ergeben kann.

5. Wegen der Sicherungsfunktion des Besitzrechtsvermerks und der ihm durch Art. 233 § 2c Abs. 2 S. 3, 4 EGBGB zugelegten Vormerkungswirkung darf das Grundbuchamt sich auf die Feststellung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit des das Besitzrecht begründenden Sachverhalts beschränken.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 329/02

In dem Verfahren

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts durch den Präsidenten des Thüringer Oberlandesgerichts Dr. Bauer und die Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Werner und Pippert auf die weitere Beschwerde vom 21.05.2002 gegen den Beschluss des Landgerichts Gera vom 26.04.2002 am 23.07.2002

beschlossen:

Tenor:

1. Der Beschluss des Landgerichts Gera vom 26.04.2002 wird aufgehoben.

2. Das Amtsgericht - Grundbuchamt - Stadtroda wird angewiesen, das Gebäudegrundbuch von Oelknitz Blatt 466 nach Löschung der im Bestandsverzeichnis und in Abt. I vorgenommenen Eintragung zu schließen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1) haben zur Urkunde der Notarin Muth vom 05.05.1997 (UR 538/97) mit R. E. einen Grundstückskaufvertrag betreffend u.a. das an das Grundstück Flurstück 1-212/14 angrenzende Grundstück Flurstück 1-205/13 geschlossen. Dieses Grundstück hatte R. E. 1996 von der Beteiligten zu 2) gekauft. Auf dem Grundstück Flurstück 1-205/13 hatte R. E.- erkennbar auf der Grundlage eines ihm verliehenen Nutzungsrechts - ein Wohnhaus errichtet. Hierfür ist im Grundbuchbezirk Oelknitz das Gebäudegrundbuch Blatt 501 angelegt. Im Vertrag vom 05.05.1997 haben die Beteiligten auch dieses Gebäudeeigentum gekauft. Die Vertragsurkunde vom 05.05.1997 vermerkt des weiteren:

"... Herr R. E. ist Eigentümer einer Garage auf dem angrenzenden Pachtgrundstück Flurstück Nr. 212/14, deren Eigentümerin Frau G. A. ist. Herr E. verkauft mit diesem Vertrag die Garage an die Eheleute B. und U. M.. Das Entgelt für die Garage in Höhe von 7.500,00 DM ist im Kaufpreis enthalten ... ."

Insoweit hat die beurkundende Notarin die damaligen Vertragsbeteiligten sodann über die Risiken des Schuldrechtsänderungsgesetzes belehrt und die Erwerber darauf hingewiesen, dass mit der Eigentümerin des Pachtgrundstücks ein Pachtvertrag abzuschließen sei (Bl. 5 d. Vertragsurkunde).

Mit Antrag vom 05.12.2000 haben die Beteiligten zu 1) beim Grundbuchamt Stadtroda die Anlegung eines Gebäudegrundbuchs für das im Kaufvertrag vom 05.05.1997 als Garage bezeichnete und mitverkaufte Bauwerk beantragt. Dem Antrag waren beigefügt unbeglaubigte Kopien einer "Zustimmung Nr. 2/87" des Rates der Gemeinde Rothenstein und eines "Prüfbescheids Nr. 11/86" (wohl) des Beauftragten der Staatlichen Bauaufsicht. Das Grundbuchamt hat dem Antrag am 21.03.2001 entsprochen und ein Gebäudegrundbuchblatt angelegt für das "Gebäudeeigentum gemäß Art. 233 § 2b, § 27 LPG-G an Flurstück 112/14", wobei die Eintragung das Gebäude als "Mehrzweckgebäude bezeichnet.

Die Beteiligte zu 2) hat gegen diese Eintragung von Gebäudeeigentum am 26.03.2001 beim Grundbuchamt Stadtroda "Widerspruch" erhoben. Nach Ansicht der Beteiligten zu 2) unterfällt das auf dem Grundstück Flurstück Nr. 212/14 errichtete Bauwerk nicht dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz, so dass ein Gebäudegrundbuch nicht angelegt werden könne.

Das Grundbuchamt hat diese Eingabe als Beschwerde gewertet, welcher die Rechtspflegerin gemäß Verfügung vom 18.04.2001 nicht abgeholfen hat. Das Landgericht hat diese Beschwerde mit Beschluss vom 26.04.2002 zurück gewiesen. Nach Ansicht des Landgerichts ist zwar Gebäudeeigentum weder nach Art. 233 § 2b EGBGB nach aufgrund der Vorschriften des LPG-Gesetzes der DDR entstanden. Deswegen sei der hierauf Bezug nehmende Vermerk im Grundbuch zu löschen. Jedoch hätten die Voraussetzungen für die Anlegung des Gebäudegrundbuchs vorgelegen. Dies hat das Landgericht aus §§ 1, 5 Abs. 2 SachenRBerG gefolgert. Selbständiges Gebäudeeigentum sei deshalb zutreffend eingetragen, weil die Baulichkeit als Nebengebäude zum benachbarten Wohnhaus dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz unterliege und weil die Ansprüche der Beteiligten zu 1) gesichert werden müssten (§ 1 Nr. 2 lit. c GGV i.V.m. Art. 233 § 2a Abs. 1 S. 1a EGBGB und § 5 Abs. 2 S. 2 SachenRBerG). Die von den Beteiligten zu 1) vorgelegten Nachweise seien insoweit gemäß § 4 Abs. 4 Nr. 2 GGV ausreichende Feststellungsgrundlagen. Über die Eintragung eines Widerspruchs gemäß § 11 GGV sei nicht zu befinden.

Diese Entscheidung greift die Beteiligte zu 2) mit der weiteren Beschwerde vom 21.05.2002 an. Die Beteiligte zu 2) bleibt bei ihrem bisherigen Vorbringen. Selbst wenn es sich bei dem fraglichen Bauwerk um ein Nebengebäude im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 SachenRBerG handeln sollte, wäre - so die Beteiligte zu 2) - Gebäudeeigentum deswegen nicht entstanden, weil der vorgelegte Prüfbescheid sich nicht auf das Grundstück 212/14 beziehe.

Die Beteiligten zu 1) haben sich zur weiteren Beschwerde geäußert. Sie halten diese Rechtsmittel für unbegründet.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig. Das Rechtsmittel ist auch begründet, weil die angefochtene Entscheidung das Gesetz verletzt. Landgericht und Grundbuchamt haben verkannt, dass nach dem ihren Entscheidungen zugrunde gelegten Sachverhalt ein Gebäudegrundbuch nicht hätte angelegt werden dürfen.

1. Das Grundbuchamt hat mit der Anlegung des Gebäudegrundbuchs Blatt 466 für Olknitz eine inhaltlich unzulässige Maßnahme durchgeführt. Das Landgericht hat zum Fortbestand dieser Maßnahme beigetragen.

a) Wie sich aus § 1 GGV ergibt, kann ein Gebäudegrundbuchblatt nur in den Fällen angelegt werden, in denen Gebäudeeigentum entstanden ist. Dies war nach dem DDR-Recht der Fall auf der Grundlage eines gem. §§ 287 ff. ZGB verliehenen Nutzungsrechts, nach Maßgabe der Bestimmungen betreffend die von einer LPG errichteten bzw. initiierten Bauwerke sowie gemäß § 459 ZGB für die von volkseigenen Betrieben errichteten Gebäude. Hinzu kommt das nachträglich durch Art. 233 § 2b EGBGB begründete Gebäudeeigentum von Arbeiter-Wohnungsbau-Genossenschaften und von gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaften. In den Fällen der so genannten hängengebliebenen Entstehung von Gebäudeeigentum war eine dingliche Rechtsposition der Nutzer weder bis zum 03.10.1999 entstanden noch ist sie nach der Wiedervereinigung Deutschlands begründet worden. Dem insoweit hervorgetretenen Schutzbedürfnis der Nutzer hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass er in Art. 233 § 2a EGBGB den dort bzeichneten Berechtigten ein Besitzrecht am genutzten Grundstück eingeräumt hat. An dieses Besitzrecht knüpft das Sachenbereinigungsgesetzt in § 1 Abs. 1 Nr. 1 lit. a an. Das Gesetzt gelangt dadurch für die Besitzberechtigten zu einer dinglichen Rechtsstellung, dass es diesen einen Rechtsanspruch auf Bestellung eines Erbbaurechts oder auf Grundstückserwerb zubilligt (§§ 3 Abs. 1, 14 ff. SachenRBerG; vgl. Krauß in Bauer/v. Oefele, GBO, Teil E I Rn. 46 ff., 112 ff.).

b) Die Beteiligten zu 1) haben von R. E. kein Gebäudeeigentum an dem hier fraglichen Bauwerk erwerben können, weil E. kein Gebäudeeigentum begründet hatte. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war R. E. ein Nutzungsrecht zur Errichtung und Nutzung des auf dem Grundstück Flurstück 212/14 entstandenen "Mehrzweckgebäudes" nicht verliehen worden. Allerdings hat R. E. nach den Feststellungen des Landgerichts, welche sich auf die dem Antragschreiben der Beteiligten zu 1) vom 05.12.2000 beigefügten Unterlagen beziehen, das Bauwerk auf Grund einer bestandskräftigen Baugenehmigung mit Billigung des Rates der Gemeinde Rothenstein der Staatlichen Bauaufsicht erstellt, wobei der Bau bis zum 02.10.1990 zumindest begonnen war. Damit unterstand R. E. hinsichtlich der hier fraglichen Baulichkeit gemäß Art. 233 § 2a Abs. 1 S. 1 lit. a EGBGB dem Besitzschutz des Art. 233 § 2a Abs. 1 EGBGB.

c) Diese Rechtsposition ist für das Grundbuchverfahren insoweit beachtlich, als nach Art. 233 § 2c Abs. 2 EGBGB auf Antrag des Bauwerknutzers ein sog. Besitzrechtsvermerk ins Grundbuch eingetragen werden kann. Dieses Antragsrecht bezieht sich jedoch ausschließlich auf die Grundbuchstelle des betroffenen Grundstücks (Art. 233 § 2c Abs. 2 Satz 1 EGBGB, §§ 1, 7 GGV). Ein Gebäudegrundbuchblatt sieht das Gesetz hierfür nicht vor. Es würde dies auch dem Anliegen des SachenRBerG entgegenlaufen, Gebäudeeigentum und Grundstückseigentum zusammen zu führen. Indem das Grundbuchamt dennoch ein Gebäudegrundbuchblatt angelegt hat, hat es einen gesetzlich nicht zugelassenen Grundbuch-Sachverhalt geschaffen. Er steht der inhaltichen Unzulässigkeit einer Einzeleintragung gleich mit der Folge, dass dieser Sachverhalt vom Amts wegen rückgängig zu machen ist (§ 125 GBO). Dies geschieht durch Löschung der im Gebäudegrundbuchblatt unzulässiger Weise erfolgten Eintragungen und durch Schließung des Gebäudegrundbuchblatts nach Maßgabe des § 36 GBV. Damit verbunden ist die Löschung des auf das Gebäudeeigentum hinweisenden Vermerks in Abt. II des Grundstücks Grundbuch Bl. 95 lfd. Nr. 40 des Bestandsverzeichnisses.

2. Sollten die Beteiligten zu 1) den Antrag auf Eintragung eines Besitzvermerks einbringen, wird das Grundbuchamt zu prüfen haben, ob für das hier fragliche Bauwerk Ansprüche aus dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz begründet sein können. Insoweit stehen den Beteiligten zu 1) die Nachweiserleichterungen des § 4 Abs. 4 Nr. 2 GGV zur Verfügung, sofern die Beteiligte zu 2) die Eintragung nicht bewilligt (§ 4 Abs. 4 Nr. 6 GGV). Ob dazu die Vorlage unbeglaubigter Kopien genügt, erscheint zweifelhaft (vgl. Brandenburg. OLG OLGR 2002, 263, 264 - es lagen die Originale vor), braucht hier aber nicht entschieden zu werden. Nachzuweisen sind im Grundbuchamt auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 SachenRBerG, denn für das hier fragliche Bauwerk können, weil es kein Eigenheim im Sinne des § 5 Abs. 2 S. 1 SachenRBerG ist, Ansprüche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz nur begründet sein, wenn es sich um ein Nebengebäude zum Eigenheim handelt, wenn mithin ein Funktionszusammenhang zwischen einem Eigenheim und dem anderen Bauwerk vorliegt. Dieser Funktionszusammenhang kann sich aus den durch § 4 Abs. 4 Nr. 2 GGV für das Grundbuchverfahren zugelassenen Nachweisunterlagen ergeben, z. B. auch daraus, dass die Bauunterlagen der staatlichen Stelle, das aufgrund verbaler oder zeichnerischer Bauwerksbeschreibung eindeutig identifizierbare Nebengebäude einem anderen als dem "tragenden" Grundstück, nämlich dem das Eigenheim tragenden Grundstück zuordnen. Das Grundbuchamt, welches insoweit eine eigenständige Feststellungskompetenz hat und die Beteiligten nicht auf den Weg eines einstweiligen Rechtsschutzes durch ein Zivilgericht (§§ 935, 938 ZPO) verweisen kann (Brandenb. OLG OLGR 2002, 263, 264) muss insoweit von eher niedrigen Nachweisanforderungen ausgehen, weil ansonsten die Aufgabe des Besitzrechtsvermerks, den Ansprüchen auf Sachenrechtsbereinigung nicht durch Zweckerwerb des Grundstücks den Boden zu entziehen, gefährdet wäre. Die Sicherungsfunktion des Besitzrechtsvermerks und die ihm durch Art. 233 § 2c Abs. 2 S. 3, 4 EGBGB zugelegte Vormerkungswirkung beeinflussen das Eintragungsverfahren dergestalt, dass das Grundbuchamt sich - ähnlich dem Prozessgericht beim Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 885 BGB - auf die Feststellung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit des das Besitzrecht im Hinblick auf eine Sachenrechtsbereinigung begründenden Sachverhalts beschränken darf. Ob dieser Sachverhalt wirklich besteht, ist - sofern Einvernehmen unter den Beteiligten nicht eingetreten ist - in Sachenrechtsbereinigungsverfahren nach den Bestimmungen des 4. Abschnitts des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes zu ermitteln.

3. Die erfolgreiche Beschwerde verursacht der Beteiligten zu 2) keine Gerichtskosten. Eine Anordnung betreffend die Erstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen des § 13a FGG nicht vorliegen.

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