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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 22.10.2001
Aktenzeichen: 6 W 357/01
Rechtsgebiete: BGB, BVormVG, FGG


Vorschriften:

BGB § 1836a
BVormVG § 1 Nr. 2
FGG § 12
FGG § 56 g Abs. 5
1. Der Senat schließt sich der in der obergerichtlichen Rechtsprechung einhellig vertretenen Auffassung an, wonach sowohl der Rechtspfleger als auch der Richter die sofortige Beschwerde zulassen kann (vgl. BayObLG FamRZ 2001, 378; OLG Hamm FGPrax 2000, 66).

2. Ob die Ausbildung am Katholisch-Sozialen Institut der Erzdiözese Köln mit einer abgeschlossenen (Fach-) Hochschulausbildung vergleichbar und damit die Vergütung des Betreuers nach § 1 Nr. 2 BVormVG zu bemessen ist, hängt davon ab, dass ein mit einem Fachhochschulstudium zeitlich vergleichbarer Aufwand betrieben worden ist, dass vergleichbare Inhalte vermittelt worden sind, dass die durch eine (Fach-) Hochschulausbildung abgedeckte Wissensbreite erfasst wird, und dass schließlich ein Prüfungsabschluss vorgewiesen werden kann (vgl. OLG Braunschweig FamRZ 2000, 1307; BayObLG NJW-RR 2001, 582 m.w.N.). Neben diesen Wertungskriterien ist für die Frage der Vergleichbarkeit auch die durch die Abschlußprüfung erworbene Qualifikation von wesentlicher Bedeutung. Eröffnet sie dem Absolventen den Zugang zu beruflichen Tätigkeiten, deren Ausübung üblicherweise Hochschulabsolventen vorbehalten ist, wird eine Vergleichbarkeit in aller Regel zu bejahen sein.

3. Dass die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine außerhalb einer Fachhochschule vermittelte Ausbildung als einer Fachhochschulausbildung vergleichbar anerkennt, ist ein im Rahmen des § 1 Nr. 2 BVormVG erheblicher Umstand.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 357/01

In dem Betreuungsverfahren

hier: Festsetzung der Betreuervergütung

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Bauer sowie die Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Werner und Bettin auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 vom 13.06.2001 gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Meiningen vom 16.05.2001

am 22.10.2001

beschlossen:

Tenor:

1.

Der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Meiningen vom 16.05.2001 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen.

2.

Der Gegenstandswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 228,70 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1 ist seit dem 06.08.1999 gerichtlich bestellter Betreuer der Betroffenen. Er beantragte am 01.01.2001, für seine Betreuertätigkeit im Jahre 2000 Vergütung und Aufwendungsersatz in Höhe von insgesamt 1.862,94 DM wegen Mittellosigkeit der Betreuten gegenüber der Staatskasse festzusetzen. Davon entfielen auf die Betreuervergütung, die allein den Gegenstand der Rechtsmittelverfahren bildet, 1.372,50 DM (25,42 Stunden a 54 DM).

Die Rechtspflegerin setzte den Aufwendungsersatz antragsgemäß fest, gab aber dem Vergütungsantrag nur in Höhe von 1.143,80 DM nebst Mehrwertsteuer statt. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, der Betreuer habe eine Ausbildung als Organisationssekretär/Sozialreferent nach der Prüfungsordnung des Katholisch-Sozialen Instituts der Erzdiözese Köln absolviert, die im Kernbereich keine betreuungsrechtlich relevanten Kenntnisse vermittele. Wegen der Bestandsschutzvorschrift des § 1 Abs. 3 BVormVG sei ein Stundensatz von 45 DM gerechtfertigt. Die Rechtspflegerin ließ die sofortige Beschwerde nicht zu.

Dagegen legte der Beteiligte zu 1 "Beschwerde" ein. Er wies darauf hin, die von ihm abgeschlossene Ausbildung sei mit Abschlüssen im Bereich der Sozialarbeit/Sozialpädagogik vergleichbar, bei denen üblicherweise eine Einordnung in die höchste Vergütungsstufe des § 1 Abs. 1 BVormVG erfolge. Er nahm im Übrigen auf ein Parallelverfahren und die dort von ihm eingereichten Zeugnisse und Unterlagen Bezug. Dabei handelt es sich um das Diplom des Katholisch-Sozialen Instituts der Erzdiözese Köln vom 25.03.1992, das Zeugnis dieses Instituts über die Prüfung zum anerkannten Abschluss eines geprüften Sozialsekretärs vom 01.12.1998, Unterlagen über die Tätigkeitsmerkmale eines Sozialsekretärs sowie den Stoffverteilungsplan des Katholisch-Sozialen Instituts der Erzdiözese Köln.

Der Richter des Amtsgerichts hat die Beschwerde als befristete Erinnerung des Betreuers gewertet, ihr mit Beschluss vom 03.04.2001 nicht abgeholfen und in dieser Entscheidung die sofortige Beschwerde zugelassen. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde als zulässig, jedoch als unbegründet erachtet. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beteiligte zu 1 habe nach den Inhalten seiner Ausbildung am Katholisch-Sozialen Institut der Erzdiözese Köln besondere Fachkenntnisse erworben, die auf dem Gebiet des Betreuungsrechts auch nutzbar seien. Es sei indessen nicht gerechtfertigt, ihm eine Vergütung nach der höchsten Vergütungsstufe gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BVormVG zu bewilligen, weil er seine Fachkenntnisse nicht durch eine abgeschlossene Ausbildung erworben habe, die derjenigen an einer Hochschule bzw. Fachhochschule vergleichbar sei. Dem stehe schon entgegen, dass diese Ausbildung lediglich ein Jahr in Anspruch genommen habe, während ein Studium zum Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagogen einen Zeitaufwand in der 4- bis 5-fachen Höhe erfordere. Das Landgericht hat die sofortige weitere Beschwerde zugelassen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1, der sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft sowie weitere Unterlagen vorlegt, aus denen sich nach seiner Auffassung ergibt, dass die von ihm absolvierte Ausbildung beim Katholisch-Sozialen Institut der Erzdiözese Köln mit dem Studiengang Diplomsozialarbeiter/-sozialpädagoge (FH) an der Fachhochschule Jena vergleichbar sei. Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens nimmt der Senat Bezug auf die Begründung der sofortigen weiteren Beschwerde.

Der Bezirksrevisor beim Landgericht Meiningen hat sich innerhalb der vom Senat gesetzten Frist zur sofortigen weiteren Beschwerde nicht geäußert.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 56 g Abs. 5 S. 2, 27, 29 FGG an sich statthaft und auch sonst zulässig. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

1. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Zulassung der sofortigen Beschwerde nach § 56 g Abs. 5 S. 1 2. Alt. FGG durch den Richter im Erinnerungsverfahren für wirksam und damit die Erstbeschwerde für zulässig erachtet. Der Senat schließt sich der in der obergerichtlichen Rechtsprechung soweit ersichtlich einhellig vertretenen Auffassung an, wonach sowohl der Rechtspfleger als auch der Richter die sofortige Beschwerde zulassen kann (vgl. BayObLG FamRZ 2001, 378; OLG Hamm FGPrax 2000, 66).

2. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht wie bereits das Amtsgericht es als gerechtfertigt angesehen, die Vergütung des Betreuers gemäß §§ 1836 a BGB, 1 BVormVG wegen Mittellosigkeit der Betreuten gegen die Staatskasse festzusetzen. Auch seine Annahme, der Beteiligte zu 1 habe durch seine Ausbildung am Katholisch-Sozialen Institut der Erzdiözese Köln besondere, für die Führung von Betreuungen nutzbare Fachkenntnisse erworben, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

3. Demgegenüber hat das Landgericht bei der Beurteilung der Frage, ob der Beteiligte zu 1 seine betreuungsrechtlich nutzbaren Fachkenntnisse durch eine Ausbildung erworben hat, die derjenigen an einer Hochschule vergleichbar ist, den Amtsermittlungsgrundsatz des § 12 FGG, der auch im Vergütungsfestsetzungsverfahren gilt (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Auflage, § 12 Rn. 97 m.w.N.), verletzt. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die angefochtene Entscheidung des Landgerichts auf dieser Gesetzesverletzung beruht (§ 27 FGG, 550 ZPO).

a) Ob die Ausbildung des Beteiligten zu 1 am Katholisch-Sozialen Institut der Erzdiözese Köln mit einer abgeschlossenen (Fach-) Hochschulausbildung vergleichbar ist, hängt davon ab, dass ein damit zeitlich vergleichbarer Aufwand betrieben worden ist, dass vergleichbare Inhalte vermittelt worden sind, dass die durch eine (Fach-) Hochschulausbildung abgedeckte Wissensbreite erfasst wird, und dass schließlich ein Prüfungsabschluss vorgewiesen werden kann (vgl. OLG Braunschweig FamRZ 2000, 1307; BayObLG NJW-RR 2001, 582 m.w.N.). Neben diesen Wertungskriterien ist für die Frage der Vergleichbarkeit auch die durch die Abschlussprüfung erworbene Qualifikation von wesentlicher Bedeutung. Eröffnet sie dem Absolventen den Zugang zu beruflichen Tätigkeiten, deren Ausübung üblicherweise Hochschulabsolventen vorbehalten ist, wird eine Vergleichbarkeit in aller Regel zu bejahen sein (vgl. BayObLG, a.a.O., 583).

b) Mit den aufgeführten Wertungskriterien, insbesondere mit Inhalt und Qualität der Ausbildung des Betreuers hat sich das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung nicht ausreichend auseinandergesetzt, sondern ausschließlich auf den erforderlichen Zeitaufwand abgestellt. Das trägt seine Entscheidung schon deshalb nicht, weil das Landgericht seine Annahme, die Ausbildung des Beteiligten zu 1 sei mit einer (Fach-) Hochschulausbildung nicht vergleichbar, allein daraus ableitet, dass er seine Ausbildung innerhalb eines Jahreslehrgangs absolviert hat. Dabei hat das Landgericht unberücksichtigt gelassen, dass der Beteiligte zu 1 bereits im Erstbeschwerdeverfahren durch Vorlage des Stoffverteilungsplanes konkret vorgetragen hat, dass seine Ausbildung insgesamt 1450 Stunden umfasste. Das Landgericht hätte mithin beim Vergleich des erforderlichen Zeitaufwands von dieser Angabe ausgehen und weiter ermitteln müssen, welchen zeitlichen Aufwand ein vergleichbares (Fach-) Hochschulstudium mindestens erfordert. Diese Feststellungen sowie diejenigen zu den weiteren angeführten Wertungskriterien kann der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht selbst treffen, so dass die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen ist. Die Zurückverweisung gibt dem Landgericht zugleich Gelegenheit, dem konkreten Vortrag des Beteiligten zu 1 in der sofortigen weiteren Beschwerde betreffend die Vergleichbarkeit seiner Ausbildung mit einem Fachhochschulstudium zum Diplomsozialarbeiter/-sozialpädagogen an der Fachhochschule Jena ebenso nachzugehen, wie der Behauptung, der staatlich anerkannte Abschluss geprüfter Sozialsekretär werde von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte als einer Fachhochschulausbildung vergleichbar anerkannt (vgl. die vom Beteiligten zu 1 vorgelegte Erklärung des Katholisch-Sozialen Instituts der Erzdiözese Köln vom 04.05.2001, Bl. 164 d.A.).

III.

Den Wert des Beschwerdegegenstands hat der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht nach dem Differenzbetrag der vom Beteiligten zu 1 begehrten und der festgesetzten Vergütung bemessen.

Ende der Entscheidung

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