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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 18.09.2000
Aktenzeichen: 6 W 489/00
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1987 Abs. 6
BGB § 1908 Abs. 1
FGG § 69b Abs. 5
18.09.2000

6 W 489/00

Rechtliche Grundlage:

BGB § 1987 Abs. 6; BGB § 1908 Abs. 1; FGG § 69b Abs. 5

1. Das Landgericht muss die Entscheidung, die Anhörung einem beauftragten Richter zu übertragen, entweder in der Übertragungsentscheidung oder in dem Hauptsachenbeschluss begründen.

2. Aus § 1897 Abs. 6 S. 1 BGB folgt ebenso wie aus einem Umkehrschluss aus § 1897 Abs. 6 S. 2 und aus § 1908b Abs. 1 S. 2 BGB, dass der Gesetzgeber des BetreuungsrechtsänderungsG der ehrenamtlichen Betreuung bewusst den Vorrang gegeben hat vor der beruflich geführten Betreuung. Das Vormundschaftsgericht hat grds. diesen Vorrang auch gegenüber einem durch den Betreuten eingebrachten Vorschlag zu beachten.

3. § 1897 Abs. 6 S. 1 BGB erlaubt, ausnahmsweise dann einem Berufsbetreuer den Vorrang zu geben.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 489/00 1 T 102/00 (Landgericht Mühlhausen)

In dem Betreuungsverfahren betreffend H. B.wohnhaft Pflegeheim "pro seniore",........................................... - Betroffener, Beschwerdeführer und Beschwerdegegner im Verfahren der weiteren Beschwerde - bestellte Betreuerin: H. S..................................... Verfahrenspflegerin: J. M...................................... an dem weiter beteiligt ist: Landratsamt Eichsfeld, Gesundheitsamt, Friedensplatz 1, 37308 Heiligenstadt

- Betreuungsbehörde und Beschwerdeführerin im Verfahren der weiteren Beschwerde -

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgericht Dr. h.c. Bauer sowie die Richter am Oberlandesgericht Kramer und Bettin auf die weitere Beschwerde der Betreuungsbehörde vom 18.07.2000 gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mühlhausen vom 05.07.2000

am 18.09.2000 beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mühlhausen vom 05.07.2000 wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe: I. Mit Beschluss vom 05.05.2000 bestellte das Amtsgericht für den Betroffenen Frau K. G. zur ehrenamtliche Betreuerin mit den Aufgabenkreisen Sorge für die Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung, das Vermögen, Post- und Schriftverkehr sowie Behördenangelegenheiten. Dem Vorschlag des Betroffenen, die Berufsbetreuerin H. S. zu bestellen, ist das Amtsgericht mit der Begründung nicht gefolgt, die anfallenden Betreuungsangelegenheiten könnten durch einen ehrenamtlichen Betreuer in ausreichendem Maße erledigt werden. Auf die auf die Auswahl des Betreuers beschränkte Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zunächst mit Beschluss vom 29.06.2000 (Bl. 36, 37 d.A.) die Anhörung des Betroffenen durch einen beauftragten Richter angeordnet. Diese Anhörung fand am 05.07.2000 statt; auf den Inhalt des Protokolls (Bl. 39 und 40 d.A.) nimmt der Senat Bezug. Das Landgericht hat sodann mit der angefochtenen Entscheidung vom 05.07.2000 den Beschluss des Amtsgerichts abgeändert und an Stelle der ehrenamtlichen Betreuerin K. G. die Berufsbetreuerin H. S. bestellt. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, im vorliegenden Fall seien die vom Amtsgericht bestellte ehrenamtliche Betreuerin und die vom Betroffenen vorgeschlagene Berufsbetreuerin in gleicher Weise geeignet, die Betreueraufgaben in den vom Amtsgericht vorgegebenen Aufgabenkreisen zu erfüllen. In einem solchen Fall gebe nach § 1897 Abs. 4 BGB der Wille des Betroffenen den Ausschlag. Seinen Willen habe der Betroffene in der Anhörung vor dem beauftragten Richter der Kammer auch klar äußern können. Wegen der bereits bestehenden persönlichen Kontakte sei er auch für die Kammer nachvollziehbar. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Betreuungsbehörde, die insbesondere geltend macht, das Landgericht habe die Bestimmungen der §§ 1897 Abs. 6, 1908 b Abs. 1 S. 2 BGB nicht berücksichtigt. Daraus ergebe sich der vom Gesetzgeber gewollte grundsätzliche Vorrang der ehrenamtlichen Betreuung vor der Berufsbetreuung und zwar unabhängig von den Wünschen des Betroffenen. Im Übrigen entspreche die Entscheidung auch nicht dem Wohl des Betroffenen, weil die Gefahr bestehe, dass er durch die Vergütungsansprüche des Berufsbetreuers - und sei es im Wege des Regresses der Staatskasse nach den §§ 1908 i, 1836 e BGB finanziellen Belastungen ausgesetzt werde. Der Betroffene und die weiteren am Verfahren Beteiligten verteidigen die angefochtene Entscheidung des Landgerichts. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens nimmt der Senat Bezug auf die eingereichten Schriftsätze. II. Die weitere Beschwerde der Betreuungsbehörde ist nach den §§ 27, 29 FGG an sich statthaft und auch sonst zulässig. Die Betreuungsbehörde ist nach den §§ 69 g Abs. 1 S. 1, 29 Abs. 4 FGG auch beschwerdeberechtigt. In der Sache hat die weitere Beschwerde vorläufig Erfolg; sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, weil seine Entscheidung auf Gesetzesverletzungen beruht (§§ 27 FGG, 550 ZPO). 1. Nach den §§ 69 g Abs. 5 S. 1, 68 Abs. 1 S. 1 FGG hat in Betreuungssachen auch das Beschwerdegericht den Betroffenen persönlich anzuhören und sich von ihm einen persönlichen Eindruck zu verschaffen. Diese Anhörung hat im Regelfall vor der vollbesetzten Kammer des Beschwerdegerichts zu erfolgen, § 30 Abs. 1 FGG (vgl. Senatsbeschluss vom 15.06.2000, 6 W 360/00; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Auflage, § 69 g Rn. 13). Allerdings erlaubt es - als Ausnahmefall - § 69 g Abs. 5 S. 2 FGG, die Anhörung einem Kammermitglied als beauftragtem Richter anzuvertrauen, wenn von vornherein anzunehmen ist, dass das Beschwerdegericht das Ergebnis der Ermittlungen ohne eigenen Eindruck von dem Betroffenen zu würdigen vermag. Macht das Beschwerdegericht von dieser Möglichkeit Gebrauch, müssen die Gründe hierfür - entweder in der Übertragungsentscheidung selbst oder aber in der Beschwerdeentscheidung - angegeben werden, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung zu ermöglichen, ob sich das Beschwerdegerichts des Ausnahmecharakters der Übertragung der Anhörung auf den beauftragten Richter bewusst war, und ob es seine Ermessensentscheidung - bezogen auf die Umstände des konkreten Einzelfalls - ohne Rechtsfehler getroffen hat (vgl. Senatbeschluss vom 15.06.2000, a.a.O.; OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 118, 119; Bumiller/Winkler, FGG, 7. Auflage, § 69 g Rn. 6; a.A. Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O.). An einer solchen Begründung fehlt es sowohl in dem Beschluss vom 29.06.2000 als auch in der Beschwerdeentscheidung. Es ist auch nicht auszuschließen, dass die angefochtene Entscheidung des Landgerichts auf dieser Gesetzesverletzung beruht. 2. In der Sache selbst beruht die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung materiellen Rechts. Seine Auffassung, das Gesetz sehe im Rahmen der Einzelbetreuerbestellung bei gleicher Eignung den Vorrang ehrenamtlicher Betreuer vor Berufsbetreuern nicht vor, ist unzutreffend, wie sich aus § 1897 Abs. 6 S. 1 BGB und im Übrigen aus dem Umkehrschluss aus Satz 2 der Vorschrift und aus § 1908 b Abs. 1 S. 2 BGB ergibt. Es handelt sich hierbei um eine vom Gesetzgeber des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes bewusst eingeführte Regelung hinsichtlich des Vorrangs ehrenamtlicher Betreuung vor der beruflich geführten, die dem Ziel dient, die Bestellung überqualifizierter Betreuer zu vermeiden und die Staatskasse bei Mittellosigkeit von Betreuten zu schonen (vgl. Staudinger/Bienwald, 13. Auflage, § 1897 Rn. 1 m.w.N.). An dieser durch das Gesetz vorgegebenen Vorrangregelung vermag auch ein anders lautender Vorschlag des Betroffenen im Sinne des § 1897 Abs. 4 BGB grundsätzlich nichts zu ändern (vgl. BayObLG NJW-FER 98, 105 für den Vorrang der Einzelbetreuung vor der Vereinsbetreuung; OLG Zweibrücken Rpfleger 1999, 535) Palandt/Diederichsen, BGB, 59. Auflage, § 1897 Rn. 23; FamREfK/Bienwald, § 1897 BGB Rn. 8; Staudinger/Biewald, a.a.O., § 1908 b Rn. 26). Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten wird, von den dargelegten Grundsätzen könne ausnahmsweise eine Abweichung zulässig sein, z.B. bei enger persönlicher Bindung des Betroffenen an den von ihm vorgeschlagenen Berufsbetreuer oder wenn ein bemittelter Betroffener das möchte (vgl. Paland/Diederichsen, a.a.O.), folgt dem auch der Senat. Darauf weist schon der Wortlaut von § 1897 Abs. 6 S. 1 BGB als "Soll-Vorschrift" hin. Dazu, ob solche Gründe vorliegend ausnahmsweise gegeben sind, enthält die angefochtene Entscheidung des Landgerichts indessen keine Feststellungen; soweit sie sich aus dem Anhörungsprotokoll ergeben, sind sie wegen des dargelegten Verfahrensfehlers des Landgerichts für den Senat nicht verwertbar. Eigene Ermittlungen sind dem Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren verwehrt. Die danach gebotene Zurückverweisung der Sache gibt dem Landgericht außerdem Gelegenheit, dem neuen Vorbringen der Beteiligten im Rechtsbeschwerdeverfahren, insbesondere demjenigen der Berufsbetreuerin H. S. in dem Schriftsatz vom 10.08.2000 zu dem besonderen Vertrauensverhältnis zu dem Betroffenen und der Absicht der ehrenamtlichen Betreuerin, in naher Zukunft als Berufsbetreuerin tätig zu werden, nachzugehen.

Ende der Entscheidung

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