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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 15.11.2001
Aktenzeichen: 6 W 609/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1835
BGB § 1836
BGB § 1908i
1. Für Rechtsanwälte als Betreuer besteht ein Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 1835 Abs. 3 BGB dann nicht, wenn dem Betroffenen Prozesskostenhilfe bewilligt wurde oder hätte bewilligt werden können.

2. Der Aufwendungsersatzanspruch des Rechtsanwalts entfällt, wenn aus der damaligen Sicht als Betreuer seine Vorgehensweise ohne jede Erfolgsaussicht war und er eine entsprechende Prüfung vor Berufungseinlegung unterlassen hat.

3. Aufwendungsersatz in Höhe der vollen, bei Einlegung einer Berufung entstehenden Rechtsanwaltsgebühren steht dem Betreuer nur zu, wenn es erforderlich war, die Berufung verbunden mit einem Prozesskostenhilfeantrag einzulegen, anstatt zunächst lediglich einen Prozesskostenhilfeantrag für eine beabsichtigte Berufung zu stellen.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 609/01

In dem Verfahren

hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer sowie die Richter am Oberlandesgericht Kramer und Bettin auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 vom 14.09.2001 gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mühlhausen vom 15.08.2001

am 15.11.2001

beschlossen:

Tenor:

1. Der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mühlhausen vom 15.08.2001 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen.

2. Der Gegenstandswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 1.995 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1 ist seit dem 25.10.1995 als weiterer Betreuer des Betroffenen für den Aufgabenkreis Vermögenssorge bestellt. Im Jahre 1996 hat das Vormundschaftsgericht die Bestellung dahin präzisiert, dass die Ergänzungsbetreuung nur die Verwendung der dem Betreuten aus seiner Unfallversicherung zur Verfügung stehenden Mittel umfasst.

Der Ergänzungsbetreuer führte vor dem Landgericht Mühlhausen einen Rechtsstreit für den Betreuten gegen dessen im Übrigen bestellte Betreuerin, seine Ehefrau Karina Schichlein um Rückzahlung von insgesamt 96.937,82 DM (Az.: 3 O ...des Landgerichts Mühlhausen). Diese Klage hatte nur im Umfang von 17.439,55 DM nebst Zinsen Erfolg. Gegen dieses Urteil legte der Ergänzungsbetreuer für den Betroffenen Berufung beim Thüringer Oberlandesgericht, verbunden mit einem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ein. Den Prozesskostenhilfeantrag wies das Thüringer Oberlandesgericht wegen fehlender Erfolgsaussicht der Berufung zurück. Der Beteiligte zu 1 nahm die Berufung daraufhin zurück. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Mühlhausen vom 24.07.2000 wurden die vom Betroffenen an den Beteiligten zu 1 zu erstattenden Rechtsanwaltskosten für das zweitinstanzliche Verfahren gemäß § 19 BRAGO auf 2.550,49 DM festgesetzt.

Mit Schriftsatz vom 09.01.2001 beantragte der Beteiligte zu 1 für seine Tätigkeit im Berufungsverfahren vor dem Thüringer Oberlandesgericht die Festsetzung einer angemessenen Vergütung gegen die Staatskasse und berechnete diese nach Stundenaufwand (10,5 Stunden x 190 DM = 1.195 DM inklusive Mehrwertsteuer). Nachdem der Beteiligte zu 2 lediglich der Festsetzung einer Vergütung in Höhe von 687,72 DM nach einem Stundensatz von 60 DM zugestimmt hatte, beantragte der Beteiligte zu 1, seinen ursprünglichen Vergütungsantrag als Antrag auf Aufwendungsersatz für eine notwendige Dienstleistung nach § 1835 Abs. 3 BGB zu betrachten.

Mit Beschluss vom 14.05.2001 hat das Vormundschaftsgericht auf den Antrag des Beteiligten zu 1 als Aufwendungsersatz einen Betrag in Höhe von 2.550,49 DM auf Grund des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 24.07.2000 gegen die Staatskasse festgesetzt.

Auf die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2 hat das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichts abgeändert und den Aufwendungsersatz lediglich in Höhe von 1.995 DM einschließlich Mehrwertsteuer für gerechtfertigt erachtet. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, für seine Tätigkeit im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Jena für den Betroffenen stehe dem Beteiligten zu 1 Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3 BGB zu. Er habe jedoch seinen Antrag ausdrücklich auf den zuvor in dem Vergütungsantrag genannten Betrag in Höhe von 1.995 DM beschränkt; es sei unzulässig, ihm Aufwendungsersatz über den beantragten Betrag hinaus zu gewähren. Wegen der Begründung im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf den Beschluss des Landgerichts.

Hiergegen richtet sich die vom Landgericht zugelassene sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2, auf deren Begründung der Senat Bezug nimmt.

II.

Die nach den §§ 56 g Abs. 5 S. 2, 27 ff. FGG an sich statthafte und auch sonst zulässige sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 hat in der Sache vorläufigen Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, weil dessen angefochtene Entscheidung auf einer Gesetzesverletzung beruht, §§ 27 FGG, 550 ZPO.

1. Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 2 ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht dem Beteiligten zu 1 Aufwendungsersatz für seine Tätigkeit für den Betroffenen im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Jena nach den §§ 1908 i Abs. 1,1835 Abs. 3 BGB zuerkannt hat. Nach diesen Bestimmungen hat ein Betreuer für zu seinem Gewerbe oder Beruf gehörende Dienste, die er zum Zwecke der Führung der Betreuung leistet, nach den für den Auftrag geltenden Vorschriften der §§ 669, 670 BGB einen Aufwendungsersatzanspruch. Erstattungsfähig sind solche berufsspezifischen Dienste, für die ein anderer Betreuer, der die hierfür erforderliche Qualifikation nicht besitzt, berechtigterweise einen entsprechend qualifizierten Dritten hinzugezogen hätte. Nach § 1835 Abs. 1 S. 1 BGB richtet sich der Aufwendungsersatzanspruch grundsätzlich gegen den Betroffenen, weil dieser nicht davon profitieren soll, dass der ihm bestellte Betreuer auf Grund seiner Spezialkenntnisse für ihn etwas verrichtet, wozu jeder andere Betreuer berechtigterweise fremde Hilfe in Anspruch genommen hätte. Ist der Betreute mittellos, so sind die von dem Pfleger geleisteten berufsspezifischen Dienste, soweit nicht andere Institutionen hierfür aufzukommen haben, gemäß § 1835 Abs. 4 S. 1 BGB aus der Staatskasse zu erstatten. Wird die Betreuung berufsmäßig geführt, so hat der Betreuer ein Wahlrecht, ob er seine berufsspezifische Tätigkeit entweder als Vergütung nach § 1836 Abs. 2 BGB oder als Aufwendungsersatz nach § 1835 Abs. 3 BGB abrechnet (vgl. OLG Frankfurt, Rpfleger 2001, 491 m.w.N.). Hier hat der Beteiligte zu 1 letztlich Aufwendungsersatz gewählt.

Für einen Rechtsanwalt als Betreuer ist die Prozessvertretung des Betroffenen grundsätzlich nach § 1835 Abs. 3 BGB jedenfalls dann erstattungsfähig, wenn wie hier für das Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Anwaltszwang besteht. Allerdings wird für Rechtsanwälte als Betreuer ein Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 1835 Abs. 3 BGB - insofern tritt der Senat dem Beteiligten zu 2 im Grundsatz bei - dann nicht bestehen, wenn dem Betroffenen Prozesskostenhilfe bewilligt wurde oder hätte bewilligt werden können. Der Betreuer ist nämlich gehalten, die Aufwendungen im Interesse des Betroffenen möglichst niedrig zu halten. Hierzu gehört auch, bei entsprechend geringem Einkommen des Betroffenen zunächst die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung auf diesem Wege zu bewirken. Erst wenn auf diesem Wege keine anwaltliche Prozessvertretung erreicht werden kann, sind die Aufwendungen für die beruflichen Dienste des Anwalts als Betreuer erforderlich und mithin erstattungsfähig (vgl. OLG Frankfurt, a.a.O. m.w.N.). Im vorliegenden Fall hat der Beteiligte zu 1 indessen gerade diesen Weg eingeschlagen, mit der Berufungseinlegung um Prozesskostenhilfe nachgesucht und die Berufung sodann, als Prozesskostenhilfe abgelehnt wurde, zurückgenommen. Sein Aufwendungsersatzanspruch würde mithin dem Grunde nach nur dann entfallen, wenn die eingelegte Berufung aus Sicht des Beteiligten zu 1 ohne jede Erfolgsaussicht war und er eine entsprechende Prüfung vor Berufungseinlegung unterlassen hätte. Das folgt daraus, dass sich der Umfang des Aufwendungsersatzanspruchs nach den §§ 669, 670 BGB bestimmt. Voraussetzung ist mithin, dass der Betreuer die Erledigung der betreffenden Angelegenheit den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Entscheidend ist dabei nicht, ob die getätigten Aufwendungen aus einer rückblickenden Betrachtung heraus tatsächlich erforderlich waren, sondern ob der Betreuer sie nach sorgfältiger Abwägung zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung aus seiner damaligen Sicht für erforderlich halten durfte. Für die Beurteilung dieser Frage ist dem Tatrichter ein Beurteilungsermessen eingeräumt, das nur einer beschränkten Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht unterliegt (vgl. BayObLG, FGPrax 2000, 65; OLG Frankfurt, a.a.O.). Rechtsfehler bei der entsprechenden Beurteilung des Landgerichts sind weder ersichtlich noch vom Beteiligten zu 2 aufgezeigt.

2. Gleichwohl kann die angefochtene Entscheidung des Landgerichts keinen Bestand haben, weil tragfähige Feststellungen zur Höhe des Aufwendungsersatzanspruchs fehlen. Für die Abrechnung berufsspezifischer Dienst gelten die für die jeweiligen Dienste üblichen Vergütungssätze; beim Anwalt, der die anwaltliche Vertretung in Rechtsstreitigkeiten übernimmt, mithin die BRAGO (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 60. Auflage, § 1835 Rn. 16 m.w.N.). Die BRAGO sieht eine Vergütung des Rechtsanwalts nach Stundensätzen im gerichtlichen Verfahren nicht vor; vielmehr bestimmen sich die Gebühren des Rechtsanwalts nach den §§ 31 ff. BRAGO. Zu deren Höhe hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen. Der Senat kann diese Feststellungen im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht nachholen, zumal sich aus der Akte hierfür auch keine hinreichenden Ansatzpunkte ergeben. Insbesondere ist dem in der Akte befindlichen Kostenfestsetzungsbeschluss, der, abgesehen von den Einwendungen des Beteiligten zu 2 gegen seine Wirksamkeit ohnehin nur zwischen dem Beteiligten zu 1 und dem Betroffenen Wirkung entfaltet und die Staatskasse mithin nicht bindet, eine für den Senat überprüfbare Kostenrechnung des Beteiligten zu 1 (§ 18 BRAGO) nicht beigefügt. In diesem Zusammenhang wird das Landgericht auch zu bedenken haben, ob der Beteiligte zu 1 im Interesse der Kostenersparnis gehalten war, statt Berufung verbunden mit einem Prozesskostenhilfeantrag einzulegen, zunächst lediglich einen Prozesskostenhilfeantrag für eine beabsichtigte Berufung zu stellen. In diesem Fall hätte sich nämlich nach § 51 Abs. 1 BRAGO die 13/10-Prozessgebühr (§§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 11 Abs. 1 S. 4 BRAGO) auf die Hälfte reduziert.

3. Den Wert des Beschwerdegegenstands hat der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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