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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 09.03.2001
Aktenzeichen: 6 W 819/00
Rechtsgebiete: ZVG, ZPO


Vorschriften:

ZVG § 180
ZPO § 829
ZPO § 857
Rechtliche Grundlage: ZVG § 180; ZPO §§ 829, 857

Der Miteigentümer eines Grundstücks, dessen Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft und Teilung und Auskehrung des Erlöses gepfändet wurde, ist hinsichtlich der Teilungsversteigerung des Grundstücks ohne Zustimmung des Pfändungspfandrechtsgläubigers antragsberechtigt.

Thüringer Oberlandesgericht, 6. Zivilsenat, Beschluss vom 09.03.2001 6 W 819/00


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

6 W 819/00 5 T 673/00 (Landgericht Gera)

In dem Zwangsversteigerungsverfahren

zur Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft hinsichtlich des im Grundbuch ......................eingetragenen Grundstücks an dem beteiligt sind: 1. .............................. - Antragsgegner, Beschwerdegegner und Beschwerdeführer im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Osthoff & Dörr, Saalstraße 8, 07743 Jena 2. ..................................... - Antragstellerin, Beschwerdeführerin und Beschwerdegegenerin im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Müller, Dr. Helfrecht & Lasse, Hansering 3, 06108 Halle/Saale - 3. der Freistaat Thüringen, vertreten durch das Finanzamt.............. - Pfändungsgläubiger - hat der 6. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. h.c. Bauer sowie die Richter am Oberlandesgericht Kramer und Bettin auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners vom 06./08.12.2000 gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Gera vom 23.11.2000 am 09.03.2001

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde hat der Antragsgegner zu tragen.

3. Der Beschwerdewert wird auf 5.100 DM festgesetzt. Gründe: I. Die Parteien sind Miteigentümer zu je 1/2 des im Betreff bezeichneten Grundstücks. Mit Beschluss vom 18.07.2000 ordnete das Amtsgericht auf den am 11.07.2000 eingegangenen Antrag der Antragstellerin die Teilungsversteigerung des Grundstücks zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft an. Bereits vorher, nämlich mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung Nr. 65/2000/II vom 28.04.2000 hatte der Beteiligte zu 3 wegen rückständiger Steuerforderungen gegenüber der Antragstellerin deren Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft an dem Grundstück und auf Verteilung des Erlöses gepfändet sowie dessen Einziehung angeordnet. Diese Verfügung wurde dem Antragsgegner als Drittschuldner am 10.05.2000 durch Niederlegung zugestellt. Auf den Antrag des Antragsgegners hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 04.10.2000 das Teilungsversteigerungsverfahren mit der Begründung aufgehoben, die Antragstellerin sei wegen der Pfändung ihres Aufhebungsanspruchs nicht antragsberechtigt gewesen. Es hat die Wirksamkeit seines Beschlusses bis zur Rechtskraft ausgesetzt. Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat im Beschwerdeverfahren den Beteiligten zu 3 in das Verfahren einbezogen, der mit Schreiben vom 10.11.2000 erklärte, der von der Antragstellerin beantragten Teilungsversteigerung werde zugestimmt. Das Landgericht hat sodann unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Sache zur weiteren Behandlung und Entscheidung unter Beachtung seiner Rechtsauffassung an das Amtsgericht zurückgegeben und die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Antragsgegner auferlegt. Das Landgericht vertritt ebenso wie das Amtsgericht die Auffassung, derjenige Miteigentümer, dessen Anteil gepfändet ist, sei nicht berechtigt, den Antrag auf Teilungsversteigerung ohne Zustimmung des Pfandgläubigers zu stellen. Indessen sei der Pfandgläubiger an dem Teilungsversteigerungsverfahren zu beteiligen. Das habe das Landgericht im Beschwerdeverfahren nachgeholt; die erforderliche Zustimmung liege nunmehr vor. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners. Im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wiederholen und vertiefen die Beteiligten ihr bisheriges Vorbringen. Der Antragsgegner meint im Übrigen, die nunmehr erteilte Zustimmung des Beteiligten zu 3 entfalte jedenfalls keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragstellung. Wegen des Vorbringens und der Rechtsauffassung der Beteiligten im Einzelnen verweist der Senat auf die beiderseitigen Schriftsätze. II. Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 180 Abs. 1, 95 ZVG, 793 Abs. 2, 568 Abs. 2 ZPO an sich statthaft und auch sonst zulässig. Da das Landgericht inhaltlich eine andere Entscheidung als das Amtsgericht getroffen hat, liegt der für die Zulässigkeit der sofortigen weiteren Beschwerde erforderliche neue selbständige Beschwerdegrund in der Entscheidung des Landgerichts nach § 568 Abs. 2 S. 2 ZPO vor. In der Sache hat die sofortige weitere Beschwerde keinen Erfolg, weil das Landgericht den Beschluss des Amtsgerichts im Ergebnis zu Recht aufgehoben und das Amtsgericht angewiesen hat, das Teilungsversteigerungsverfahren fortzusetzen. Nach der in Rechtsprechung und Literatur herrschenden Meinung kann der Gläubiger des Miteigentümers eines Grundstücks (§ 1008 BGB) den Anspruch seines Schuldners auf Aufhebung der Gemeinschaft und auf eine dem Bruchteilen entsprechende Teilung und Auskehrung des Erlöses gemäß den §§ 857, 829 ZPO pfänden und sich überweisen lassen (§ 835 ZPO). Er kann sodann die Zwangsversteigerung des ganzen Grundstücks (§§ 180 ff ZVG) betreiben (vgl. BGHZ 90, 207 ff m.w.N., auch zur Gegenmeinung). Nicht einheitlich wird in Rechtsprechung und Literatur die Frage beantwortet, ob in diesen Fällen weiterhin dem Schuldner allein, also ohne Mitwirkung oder Zustimmung des Pfändungspfandrechtsgläubigers, das Recht zusteht, den Antrag auf Teilungsversteigerung zu stellen. Der Senat schließt sich anders als die Instanzgerichte der Auffassung an, dass ein Miteigentümer eines Grundstücks, dessen Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft und Teilung und Auskehrung des Erlöses gepfändet wurde, nach wie vor auch ohne Zustimmung des Pfändungspfandrechtsgläubigers antragsberechtigt hinsichtlich der Teilungsversteigerung des Grundstücks ist (vgl. OLG Hamm, Rpfleger 1958, 270; LG Osnabrück, Rpfleger 1956, 103; LG Wuppertal, NJW 1961, 785; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 21. Auflage, § 859 Rn. 31 m.w.N.; Böttcher, Rpfleger 1993, 389, 391; a.A. OLG Hamburg, MDR 1958, 45; LG Frankental, Rpfleger 1985, 500; Zeller/Stöber, ZVG, 16. Auflage, § 180 Ziff. 11.10; Stöber, Rpfleger 1963, 337). Durch die Pfändung des Anspruchs auf Aufhebung der Gemeinschaft und Verteilung sowie Auskehrung des Erlöses bleibt der Anteilseigentümer materiell Inhaber des entsprechenden Rechts (vgl. OLG Hamm, a.a.O.; Böttcher, a.a.O.; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 2. Auflage, § 829 Rn. 53 jeweils m.w.N.). Die Wirkungen der Pfändung bestimmen sich in Bezug auf den Schuldner gemäß § 857 Abs. 1 ZPO nach § 829 Abs. 1 S. 2 ZPO; der Schuldner hat sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung zu enthalten. Es erscheint dem Senat schon zweifelhaft, ob der Antrag auf Teilungsversteigerung, der nicht eine materiell-rechtliche Verfügung über das Grundstück, sondern lediglich eine Prozesshandlung darstellt, überhaupt unter den Verfügungsbegriff des § 829 Abs. 1 S. 2 ZPO fällt (a.A. Stöber, Rpfleger 1963, a.a.O.). Jedenfalls aber verbietet § 829 Abs. 1 S. 2 ZPO trotz des scheinbar eindeutigen Wortlauts der Vorschrift nur solche Verfügungen, die den Pfändungspfandrechtsgläubiger beeinträchtigen; andere Verfügungen des Schuldners sind als Ausfluss seiner materiell-rechtlichen Berechtigung nach wie vor möglich (vgl. BGH, NJW 1968, 2059 f. m.w.N.). Selbst wenn in dem Antrag auf Teilungsversteigerung eine Verfügung im Sinne des § 829 Abs. 1 S. 2 ZPO liegen sollte, beeinträchtigt sie nach Auffassung des Senats die Rechte des Pfändungspfandrechtsgläubigers nicht. Typischerweise besteht das Interesse desjenigen, der im Vollstreckungswege ein Pfändungspfandrecht erhält, in der möglichst umfassenden und schnellen Realisierung seiner Forderung; insbesondere darin liegt auch Sinn und Zweck der Vorschriften über die Zwangsvollstreckung, auch derjenigen über die Forderungspfändung bzw. die Pfändung anderer Vermögensrechte, §§ 828 ff ZPO. Gerade diesem Zweck dient aber die Teilungsversteigerung, und zwar unabhängig davon, ob sie auf Antrag des Pfändungspfandrechtsgläubigers oder aber des betroffenen Miteigentümers selbst erfolgt (vgl. OLG Hamm, a.a.O.; Böttcher, a.a.O.; a. A. Stöber, a.a.O.). Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Pfändungspfandrechtsgläubiger könne - aus welchen Gründen auch immer - an der Fortdauer des Gemeinschaftsverhältnisses an dem ursprünglichen Pfandobjekt interessiert sein. Ein solches - auch von seinen Befürwortern unter Hinweis auf die entsprechende Anwendung von § 1258 Abs. 2 BGB nicht näher spezifiziertes Interesse des Pfändungspfandrechtsgläubigers (vgl. Stöber, a.a.O.) liegt nach Auffassung des Senats indessen nicht im Schutzbereich des § 829 Abs. 1 S. 2 ZPO, der den Pfändungspfandrechtsgläubiger nur vor solchen Handlungen des Schuldners schützen will, die die Realisierung seiner Forderung beeinträchtigen könnten. Dem ist im Teilungsversteigerungsverfahren jedoch dadurch Genüge getan, dass der Pfändungspfandrechtsgläubiger an diesem Verfahren zu beteiligen ist, der Erlös aus der Teilungsversteigerung im Wege der dinglichen Surrogation weiterhin der Bruchteilsgemeinschaft zusteht und das Pfandrecht daran fortbesteht. Ohne Zustimmung des Pfändungspfandrechtsgläubigers kann keine Auseinandersetzung des Erlöses erfolgen; sie wäre ihm gegenüber relativ unwirksam, §§ 135, 136 BGB (vgl. Böttcher, a.a.O.; Stein/Jonas/Brehm, a.a.O.). Damit erweist sich die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners bereits aus diesen Gründen als unbegründet; einer Entscheidung darüber, zu welchem Zeitpunkt eine Zustimmung des Pfändungspfandrechtsgläubigers zu dem Antrag auf Teilungsversteigerung vorliegen muss und welchen Einfluss es auf die Kostenentscheidung hat, wenn sie erst im Beschwerdeverfahren beigebracht wird, bedarf es nicht. Die Kostenentscheidung für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; den Beschwerdewert hat der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht nach den §§ 12 Abs. 1 GKG, 3 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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