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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 07.01.2003
Aktenzeichen: 8 U 1420/01
Rechtsgebiete: EGZPO, ZPO, BGB, InsO


Vorschriften:

EGZPO § 26 Nr. 5
ZPO § 343 Satz 1
ZPO § 523
ZPO § 543 I a. F.
BGB § 151
BGB § 181
BGB § 2160
BGB § 1972
BGB § 1990
BGB § 1990 I 1
BGB § 1991
BGB § 1991 IV
BGB § 1992
BGB § 1992 Satz 1
BGB § 2060
BGB § 2065 II
BGB § 2174 I
BGB § 2306
BGB § 2318
BGB § 2322
BGB § 2323
InsO § 327
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 U 1420/01

Verkündet am: 07.01.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Krueger, die Richterin am Oberlandesgericht Kodalle und den Richter am Landgericht Rümmler

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 03.12.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Versäumnisurteil vom 24.9.2002 wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass sich seine vorläufige Vollstreckbarkeit nach diesem Urteil richtet.

Dem Beklagten werden auch die weiteren Kosten seiner Berufung auferlegt.

Dem Beklagten wird die Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass der am 21.10.1997 in Marburg verstorbenen Erblasserin - auch wegen der Kosten des vorliegenden Rechtsstreits - vorbehalten.

Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 35700,00 € abwenden, sofern die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Von der Darstellung eines Tatbestandes wurde gemäß §§ 26 Nr. 5 EGZPO; 543 I ZPO a. F. abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511; 511a; 516; 518; 519 ZPO a. F.; § 26 Nr. 5 EGZPO). Da die mündliche Verhandlung des Landgerichts, auf die das angefochtene Urteil erging, am 11.10.2001 und damit vor dem 1.1.2002 geschlossen wurde, findet auf die Berufung das bis zum 31.12.2001 gültige Zivilprozessrecht Anwendung.

Aufgrund des Einspruchs des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 24.9.2002 ist der Prozess in die Lage vor dessen Säumis zurückversetzt worden (§§ 523; 342 ZPO). Gleichwohl war das mit dem Einspruch angefochtene Versäumnisurteil nach §§ 523; 343 Satz 1 ZPO aufrecht zu erhalten, weil das Urteil, das nunmehr auf die Verhandlung über den Einspruch ergeht, mit der im Versäumnisurteil enthaltenen Entscheidung übereinstimmt.

Die Berufung des Beklagten ist nämlich durch das Versäumisurteil zu Recht zurückgewiesen worden. Denn in der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil ist zu Recht ergangen.

Auf den hier streitgegenständlichen Vermächtnisanspruch zugunsten eines ausländischen Vermächtnisnehmers ist deutsches Recht anzuwenden.

Die Rechtsnachfolge von Todes wegen richtet sich nach dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehört (Art. 25 I EGBGB). Nach dem Erbstatut beurteilen sich auch die Voraussetzungen und Wirkungen letztwilliger Verfügungen, insbesondere auch die Möglichkeit der Anordnung von Vermächtnissen (Palandt - Heldrich Art. 25 EGBGB, Rnr. 11) und ebenso die Testamentsauslegung (Palandt a.a.O.). Die Erblasserin hatte aber zur Zeit ihres Todes die deutsche Staatsangehörigkeit.

Die Erblasserin hat das streitgegenständliche Vermächtnis den und nicht zugewendet

Dies ergibt eine Auslegung des vor dem Notar mit Amtssitz in zu dessen Urkundenrolle Nr. 273/1982 errichteten Testaments der Erblasserin vom 28.9.1982.

Allerdings wird der Orden im Text des Testamentes nicht erwähnt, sondern was für die Auslegung des Beklagten spricht. Jedoch ist nicht am buchstäblichen Sinn des Testaments zu haften, sondern der wirkliche Wille der Erblasserin zu erforschen (§ 133 BGB).

Dieser Wille ging jedenfalls nicht dahin, persönlich die vermachte Geldsumme zur freien Verfügung zu überlassen Dies ergibt sich aus dem Zusatz "für ihr Hilfswerk" in dem Testament. Das Vermächtnis sollte nicht persönlich bereichern, sondern deren Anliegen zugute kommen, anderen zu helfen.

Die Formulierung ist auch nicht als Vermächtnis an persönlich mit der Auflage zu verstehen, das vermachte Geld für die Hilfstätigkeit der Bedachten einzusetzen. Der Erblasser kann durch Testament auch einen Vermächtnisnehmer zu einer Leistung verpflichten, ohne einem anderen ein Recht auf die Leistung zuzuwenden (§ 1940 BGB). Dagegen spricht jedoch die Verwendung des Wortes "Hilfswerk", das wohl nicht das persönliche Wirken von meint, sondern die von ihr begründete Organisation. Für diese Auslegung spricht auch, dass zwischen den Parteien unstreitig ist, daß die Erblasserin, den Namen des von gegründeten Ordens nicht kannte und damit keine Möglichkeit hatte, den Orden besser zu benennen. Das Testament legt vielmehr nahe, dass nicht deren Namen nur das "Hilfswerk" näher konkretisierte, sondern diese Organisation, eben der Orden, Bedachter sein sollte. Denn das Geld war nicht für sondern "für ihr Hilfswerk" bestimmt.

Die sich aus § 2174 I BGB ergebende Forderung des Ordens gegen die Erbin wurde auch wirksam an den Kläger abgetreten. § 181 BGB steht dem nicht entgegen. Der Kläger musste Schwester nicht von den Beschränkungen des § 181 BGB entbinden, weil der Forderungserwerb ihm nur rechtlichen Vorteil gebracht hätte. Gleichwohl liegt insoweit eine Gestattung kraft Satzung zugunsten der Vertreterin vor.

Allerdings ist dem Beklagten zuzugeben, dass bei der hier vorliegenden Mehrvertretung auch die Schwester vom Selbstkontrahieren befreien müssen, dies aber nicht getan haben. Entgegen der Rechtsprechung des Landgerichts Bayreuth (RpflG 1982, 17) ist es grundsätzlich erforderlich, dass beide Vertretenen bei der Mehrfachvertretung Gestattungen im Sinne des § 181 BGB aussprechen (so Münchner Kommentar zum BGB - Schramm, 4. Aufl. § 181 Rnr. 50, Soergel - Leptien § 181 Rnr. 36, dort FN. 212; Staudinger - Schilken 13. Bearbeitung Rnr. 49). Anderenfalls wird dem durch § 181 BGB geschützten Interesse des nicht befreienden Vertretenen an einer angemessenen Wahrung seiner Interessen durch seinen Vertreter nicht Genüge getan.

Der Meinungsstreit braucht jedoch vorliegend nicht entschieden werden, weil § 181 BGB vorliegend seinem Sinn und Zweck nach nicht angewendet werden muss. Nach dem gesetzgeberischen Motiv sollte mit dieser Vorschrift ein Interessenkonflikt der am Geschäft Beteiligten vermieden werden, den die Verfasser des BGB beim Selbstkontrahieren regelmäßig annahmen (OLG Hamm Rpfl. 1994, 310).

Für das hier vorliegende Geschäft bestand kein solcher Interessenkonflikt. Die Generalvollmacht der ermächtigte Schwester ausdrücklich, Rechtsgeschäfte vorzunehmen, die von den vorgenommen werden, insbesondere auch Veräußerungen von Rechten, also auch Forderungsabtretungen. Die Abtretung an den Kläger als Dachorganisation aller deutschen Niederlassungen des Ordens ist eine lediglich interne Vermögensverlagerung innerhalb desselben Ordens und lässt keinen Interessengegensatz zwischen den Parteien des Abtretungsvertrages erkennen. Die bedürfen daher nicht des Schutzes des § 181 BGB.

Die Abtretungserklärung vom 19.2.2001 ist zwar ihrem Wortlaut nach kein Vertrag, sondern nur ein Angebot der auf Abtretung des Vermächtnisanspruchs. Gleichwohl ist hier ein Abtretungsvertrag zustande gekommen. Denn ein Abtretungsangebot kann auch konkludent dadurch angenommen werden, dass der Abtretungsempfänger die Forderung einklagt (Palandt - Heinrichs § 151 Rnr 2). Im Übrigen ist bei derartigen, lediglich rechtlich vorteilhaften Geschäften wie dem vorliegenden nach § 151 BGB anzunehmen, dass der Abtretende auf eine Annahmeerklärung stillschweigend verzichtet (BGH NJW 1999, 2179). Dies ist hier der Fall.

Da von vornherein nicht die vorverstorbene persönlich, sondern die zum Zeitpunkt des Erbfalles existierenden durch das Vermächtnis bedacht wurden, scheidet eine Anwendung des § 2160 BGB, der Vermächtnisse zugunsten Vorverstorbener für unwirksam erklärt, aus.

Der Beklagte ist auch der richtige Beklagte. Ein Anspruch, der sich gegen den Nachlass richtet, kann nämlich sowohl gegen den Erben als auch gegen den Testamentsvollstrecker geltend gemacht werden (§ 2213 I 1 BGB). Der Vermächtnisanspruch ist eine solche Verbindlichkeit gegen den Nachlass (§ 1967 II BGB). Dass dem Beklagten nicht die Verwaltung des Nachlasses zustand, hat dieser nicht vorgetragen. Aus der vom Beklagten angeführte Entscheidung BGHZ 104, 1ff ergibt sich nichts anderes.

Soweit der Beklagte eine bindende Anweisung des Erblassers behauptet, er als Testamentsvollstrecker habe über die Verwendung der vermachten Gelder entscheiden dürfen, so ist dies unsubstantiiert. Die näheren Umstände dieser Anweisung wurden nicht dargetan. Grundsätzlich sind auch nur Anweisungen des Erblassers in letztwilligen Verfügungen vom Nachlassverwalter zu befolgen (§ 2216 II 1 BGB). Dies hat der Beklagte aber nicht vorgetragen. Eine derartige Anweisung, die den Testamentsvollstrecker letztlich ermächtigt, die Person des Bedachten zu bestimmen, wäre wohl auch nach § 2065 II BGB unwirksam.

Durch die Zahlung der Klagesumme zur Abwendung der Zwangsvollstreckung hat der Beklagte das Vermächtnis nicht erfüllt. Derartige Leistungen auf einen noch nicht rechtskräftigen Vollstreckungstitel haben noch keine Tilgungswirkung (BGHZ 86, 267, 269).

Schließlich ist der Vermächtnisanspruch des Klägers auch nicht wie vom Beklagten auf Seite 3 seines Schriftsatzes vom 14.2 2002 angegeben gemäß §§ 1972; 2060; 1992; 2306; 2318; 2322; 2323 BGB um 16,8872 % verhältnismäßig zu kürzen. Aus diesen im Sachstandsbericht vom 29.12.1998 angegebenen Vorschriften zum Aufgebot der Nachlassgläubiger, Erbenhaftung und Pflichteilsrecht ergibt sich diese Rechtsfolge jedenfalls im vorliegenden Fall nicht.

Mit diesem Vortrag hat der Beklagte jedoch zugleich die Dürftigkeitseinrede gemäß §§ 1992 Satz 1; 1990 I 1 BGB erhoben. Dazu war der Beklagte auch berechtigt.

Obwohl § 1992 Satz 1 BGB nur den Erben als Inhaber der Rechte aus den §§ 1990 und 1991 BGB erwähnt, steht zumindest die Unzulänglichkeitseinrede nach § 1990 I 1 BGB auch dem zur Verwaltung des Nachlasses berechtigten Testamentsvollstrecker zu (RG Warn. Rspr., Band IX, 1918 Nr. 122). Dem steht nicht entgegen, dass der zur Nachlassverwaltung berechtigte Testamentsvollstrecker in der Zwangsvollstreckung ohnehin nur mit dem Nachlass haftet (§§ 748 I; 749 Satz 2 ZPO), so dass eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass in diesem Falle nicht in den Urteilsausspruch aufgenommen werden muss (§ 780 II ZPO). Denn die Rechtsprechung hat zu Recht darauf abgestellt, dass es dem Testamentsvollstrecker wie dem Erben nach § 1991 IV BGB obliegt, Vermächtnisansprüche wie im Insolvenzfalle zu berichtigen (RG a.a.O. zu §§ 226, 227 KO). Damit hat der Testamentsvollstrecker nach § 327 InsO die Pflicht, Vermächtnisse als nachrangige Nachlassverbindlichkeiten zu berichtigen. Zur Sicherstellung der Reihenfolge der Befriedigung muss dem Testamentsvollstrecker die Unzulänglichkeitseinrede zur Verfügung stehen, wenn Vermächtnisnehmer auf Kosten vorrangiger Nachlassgläubiger Befriedigung aus dem Nachlass suchen.

Dementsprechend wäre hier die Aufnahme der gegenständlichen Haftungsbeschränkung in den Urteilsausspruch unnötig. Der Beklagte ist kraft Gesetzes zur Verwaltung des Nachlasses berechtigt (§ 2205 Satz 1 BGB). Umstände, die einen dieser Befugnis entgegenstehenden Willen der Erlasserin ergeben (§ 2208 I 1 BGB), sind von keiner der Parteien dargelegt worden.

Gleichwohl hat sich der Senat entschlossen, die Haftungsbeschränkung in den Urteilsausspruch klarstellend aufzunehmen. Dies ist unschädlich und erscheint hier zweckmäßig. Gesetzliche Hinderungsgründe bestehen dagegen nicht (RG a.a.O.).

Der Zinsanspruch wurde mit zutreffender Begründung erst seit dem 23.2.2001 zuerkannt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11; 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision gegen dieses Urteil wurde nicht zugelassen, weil die in § 543 II ZPO genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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