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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 21.10.2003
Aktenzeichen: 8 U 410/03
Rechtsgebiete: BGB, VVG, AVB/RentV


Vorschriften:

BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt.
BGB § 818 Abs. 1
BGB § 330
BGB § 331
BGB § 332
BGB § 130
VVG § 166
AVB/RentV § 17 Abs. 3
Bei Fehlen einer abweichenden Vereinbarung im Valutaverhältnis kann der Versicherungsnehmer die in der Auszahlung der Lebensversicherungssumme liegende Schenkungsofferte gegenüber dem im Versicherungsantrag bezeichneten Bezugsberechtigten auch durch ein Testament widerrufen, ohne dass es eines Zugangs dieses Widerrufs bedarf (entsprechend § 332 BGB). Dies gilt jedenfalls dann, wenn es im Versicherungsschein heißt, dass sich "das Bezugsrecht aus dem Versicherungsantrag oder späteren Verfügungen ergebe". Der ursprüngliche Bezugsberechtigte muß in diesem Fall die nach dem Widerruf und nach dem Erbfall an ihn ausgezahlte Versicherungssumme gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB an den im Testament bezeichneten neuen Bezugsberechtigten herausgeben.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 U 410/03

verkündet am: 21.10.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts Jena durch die Richter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. Oktober 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 19.03.2003, AktZ. 3 O 981/02, wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 95.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Herausgabe einer Lebensversicherungssumme. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung.

Die Erblasserin war mit der Mutter der Beklagten, die in X. eine Agentur einer Vermögensberatungsgesellschaft betrieb, seit Jahren gut bekannt.

Am 04.12.1996 beantragte die Erblasserin auf Vermittlung der Mutter der Beklagten den Abschluss einer Rentenversicherung bei der Y-Versicherung. Die Rentenzahlung sollte nach 6 Jahren, nämlich am 01.12.2002 beginnen und 15 Jahre lang laufen. Für den Fall des vorzeitigen Ablebens der Versicherungsnehmerin sollte eine Kapitalabfindung gezahlt werden. Für diesen Fall gab die Erblasserin in dem schriftlichen Antrag an, dass die Beklagte bezugsberechtigt sein sollte.

Der Versicherungsschein ist am 13.01.1997 ausgestellt worden. Darin heißt es, dass sich das Bezugsrecht "aus dem Versicherungsantrag oder späteren Verfügungen" ergebe. In den zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen heißt es unter § 17, dass ein Widerruf des Bezugsrechts bei der Versicherung schriftlich angezeigt werden müsse und das Bezugsrecht nach dem Tode der Versicherungsnehmerin nicht mehr widerrufen werden könne.

Am 07.04.1999 verfasste die Erblasserin ein privatschriftliches Testament, in welchem sie ihre Vermögensgegenstände auf ihren Bruder und die Klägerin vollständig verteilte. Der Bruder sollte das Haus in Z., weitere Grundstücke und Aktien bekommen, die Klägerin das Auto, eine Eigentumswohnung in T. und die streitgegenständliche Lebensversicherungspolice. Im Testament heißt es wörtlich: "Bezugsrecht der Versicherungsleistung geht an Frau ... (Klägerin), nicht wie im Vertrag geschrieben an ... (Beklagte)."

Die Klägerin war mit der Erblasserin nicht verwandt, aber gut befreundet.

Die Erblasserin hat den Beginn der Rentenzahlung nicht erlebt, sondern ist am 11.04.2001 verstorben.

Am Folgetag beantragte die Mutter der Beklagten die Auszahlung der Lebensversicherungssumme an die Beklagte. Hierzu übersandte sie am 23.04.2001 die Originalversicherungspolice an die Versicherung.

Am 05.05.2001 ist die Lebensversicherungssumme (Klageforderung) an die Beklagte ausgezahlt worden.

Am 10.05.2001 ist das Testament vom 07.04.1999 eröffnet worden.

Am 07.09.2001 stellte das Amtsgericht B. einen gemeinschaftlichen Erbschein aus, wonach die Klägerin und der Bruder der Erblasserin aufgrund des Testaments vom 07.04.1999 Miterben zu je 1/2 geworden waren.

Die Y-Versicherung hat erst nach dem Erbfall von dem Testament vom 07.04.1999 Kenntnis erlangt. Ein anderweitiger vorheriger Widerruf des Bezugsrechts ist gegenüber der Versicherung nicht erfolgt.

Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 03.07.2002 unter Fristsetzung bis zum 19.07.2002 erfolglos auf, die Lebensversicherungssumme an die Klägerin herauszugeben.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Es sei zwar versicherungsrechtlich korrekt gewesen, die Versicherungssumme an die Beklagte auszuzahlen. Denn die Erblasserin habe vergessen gehabt, den Widerruf der Bezugsberechtigung zu Lebzeiten gegenüber der Versicherung zu erklären.

Die Beklagte habe aber mangels eines Rechtsgrundes im Valutaverhältnis (Beziehung zwischen Erblasserin und Beklagter) kein Recht, die Versicherungssumme zu behalten. Denn die Erblasserin habe das Bezugsrecht gemäß § 332 BGB durch das Testament wirksam widerrufen gehabt.

Soweit in der Rechtsliteratur teilweise die Ansicht vertreten werde, dass der Rechtsgrund in dem Versicherungsvertrag selbst zu sehen sei (so Wolf FamRZ 2002, 147), gelte dies nur vor dem Hintergrund, dass die Erben nicht selten versuchten, nach dem Erbfall solche Versicherungszuwendungen rückgängig zu machen und den Erblasserwillen zu unterlaufen. Diese Rechtsansicht könne im vorliegenden Fall nicht gelten, weil es gerade dem testamentarischen Erblasserwillen entspreche, die Zuwendung rückgängig zu machen und die Versicherungssumme an die Klägerin auszuzahlen.

Ein Rechtsgrund liege auch nicht in einer Schenkung, denn die Erblasserin habe gegenüber der Beklagten nie eine Schenkungsofferte abgegeben.

Es sei verwunderlich, wie die Mutter der Beklagten in den Besitz der Originalpolice gelangt sei, die sich bei den Unterlagen der Erblasserin befunden habe. Sie müsse diese eigenmächtig in ihren Besitz gebracht haben, denn der Bruder der Erblasserin habe sie ihr nicht gegeben.

Indem die Mutter der Beklagten damals ihrer Tochter eine Kopie des Versicherungsantrages zur Kenntnis gebracht habe, habe sie eigenmächtig gehandelt und hierbei gegen ihre Schweigepflicht als Vermögensberaterin verstoßen.

Die Erblasserin habe das Testament vom 07.04.1999 aus freiem Willen errichtet. Die Klägerin und die Mutter der Beklagten hätten hiervon keine Kenntnis gehabt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zugunsten der bestehenden Erbengemeinschaft nach ..., geb. ... , verstorben am 11.04.2001, bestehend aus:

a) Frau ...

b) Herrn ...

71.614,64 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.07.2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert, da sie nach dem Testament in Wahrheit nur Vermächtnisnehmerin und nicht Miterbin sei. Der Erbschein sei daher unrichtig.

Ihre Mutter und die Erblasserin seien nicht nur gut bekannt, sondern sehr gut befreundet gewesen. Die Erblasserin habe die Lebensversicherung zunächst der Mutter selbst zuwenden wollen, die dies aber abgelehnt habe, weshalb die Beklagte eingetragen worden sei, und zwar eigenhändig durch die Erblasserin (letzteres unstreitig).

Die Erblasserin habe es bewusst und gewollt unterlassen, die Bezugsberechtigung der Beklagten gegenüber der Versicherung zu widerrufen, obschon ihr diese Widerrufsmöglichkeit sehr wohl bekannt gewesen sei.

Bei der Abfassung des Testaments sei die Erblasserin von der Klägerin "stark beeinträchtigt" worden. Die Klägerin sei mit allen zerstritten gewesen, auch heute noch.

Ihr - der Beklagten - gegenüber habe die Verstorbene mehrfach erwähnt, dass es "eine Versicherung" gäbe, die sie "einmal bekommen solle und wovon sie der Mutter etwas abgeben solle".

Die Beklagte habe für die Erblasserin "viele Wege" und "verschiedene Dinge erledigt", insbesondere habe sie die Erblasserin häufig nach G. chauffiert, bzw. "sie auch mal gefahren, und zwar mehrfach". Die Erblasserin "habe immer gesagt, dass sie dies durch die Zuwendung einer größeren Summe honorieren wolle".

Die Mutter habe der Beklagten am gleichen Abend des Ausfüllens des Versicherungsantrages eine Durchschrift des Antrages zu Kenntnis gegeben. Sie - die Beklagte - sei mit der darin ausgewiesenen Bezugsberechtigung einverstanden gewesen. Die Mutter habe aber zu keiner Zeit über die Originalpolice verfügt.

Von dem Testament habe die Mutter erst nach dessen Eröffnung erfahren, durch den Bruder der Verstorbenen. Sodann habe die Mutter die Beklagte informiert.

Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Versicherungssumme sei der Versicherungsvertrag selbst.

Es liege eine Schenkung von Todes wegen gemäß § 518 BGB vor, deren Formmangel durch die Auszahlung geheilt worden sei.

Der Beklagten wurde durch Beschluss vom 08.01.2003 in erster Instanz nachgelassen, auf die im Termin vom 08.01.2003 erteilten Hinweise des Landgerichts bis zum 29.01.2002 Stellung zu nehmen (s. Feststellung im Urteil Bl., unstreitig). Die Beklagte hat sodann einen Schriftsatz vom 27.01.2003, eingegangen am 28.01.2003, eingereicht.

Mit weiterem nachgereichtem, nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.03.2002 (Bl. 67) hat die Beklagte behauptet, dass die Erblasserin auch am Tage der Ausfüllung des Versicherungsantrages darauf hingewiesen habe, dass die Beklagte ihrer Mutter etwas von dem Geld abgeben solle (Bl. 67). Am darauf folgenden Tag habe die Erblasserin die Beklagte auch direkt angesprochen und mitgeteilt, dass sie Begünstigte der Versicherung sei. Die Versicherungspolice sei der Zeugin (Mutter der Beklagten) durch den Bruder der Erblasserin im Versicherungsordner übergeben worden.

Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 19.03.2003 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch aus §§ 2039 Satz 2, 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. BGB auf Herausgabe der Versicherungssumme habe. Denn die Beklagte habe diese ohne Rechtsgrund erlangt. Die Klägerin sei aktivlegitimiert, da sie ausweislich des Erbscheins vom 07.09.2001 Erbin geworden sei, nämlich Miterbin zu 1/2 neben dem Bruder der Erblasserin. Die Beklagte habe nicht substantiiert dargelegt, dass die Klägerin lediglich Vermächtnisnehmerin sei. Soweit die Beklagte im Versicherungsantrag als Begünstigte eingetragen sei, liege dem kein Rechtsgrund zu Grunde. Denn ein Schenkungsvertrag zwischen der Erblasserin und der Beklagten sei nicht zustande gekommen. Die Erklärung im Versicherungsantrag, wonach die Beklagte Bezugsberechtigte sei, sei nämlich keine an die Beklagte adressierte und ihr zugegangene Willenserklärung gewesen. Etwas anderes habe die Beklagte nicht schlüssig dargelegt. Auch nach dem Tode der Erblasserin sei kein Schenkungsvertrag zustande gekommen, da die Erblasserin die Begünstigung der Beklagten bereits im Testament widerrufen gehabt habe. Der Anspruch aus der Lebensversicherung sei somit in den Nachlass gefallen und stehe der Erbengemeinschaft zu. Der Zinsanspruch ergebe sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Gegen das - ihr am 11.04.2003 zugestellte - Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 19.03.2003 hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 02.05.2003, eingegangen am 05.05.2003, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 20.05.2003, eingegangen am 21.05.2003, begründet.

Die Beklagte trägt vor:

Das Landgericht habe nicht erkannt, dass hier ein Schenkungsvertrag unter Lebenden zustande gekommen sei. Die Erblasserin habe ihr - der Beklagten - zu Lebzeiten gesagt, dass sie die Lebensversicherung einmal bekommen solle. Darin liege ein Angebot, das die Beklagte stillschweigend angenommen habe. Auch in der Weitergabe der Durchschrift des Versicherungsantrages liege ein solches Angebot. Denn die Mutter der Beklagten habe die Durchschrift "auftragsgemäß" als Botin an die Beklagte weitergeleitet.

Soweit die Beklagte ihren Sachvortrag nach und nach vervollständigt habe, könne ihr dies nicht zum Nachteil gereichen. Denn dies sei der fehlenden Detailkenntnis geschuldet gewesen.

Nicht die Beklagte müsse das Bestehen eines Rechtsgrundes beweisen, sondern die Klägerin das Fehlen.

Das Testament habe sich auf den Schenkungsvertrag nicht mehr auswirken können.

Auch durch die auftragsgemäße Auszahlung der Versicherungssumme sei ein Schenkungsvertrag zustande gekommen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Mühlhausen vom 19.03.2003 (AktZ. 3 O 981/02) die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin trägt vor:

Die der Beklagten durch die Mutter ausgehändigte Durchschrift des Versicherungsantrags sei als "Durchschrift für den Vermittler" bezeichnet gewesen und daher nicht für die Beklagte bestimmt gewesen. Das Urteil des Landgerichts sei richtig, seiner Begründung sei zu folgen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Sie ist zwar zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511 Abs. 1, 2 Nr. 1, 517, 519, 520 ZPO).

Sie ist aber in der Sache unbegründet.

Denn das Landgericht hat der Klage mit Recht stattgegeben.

Soweit die Klägerin im Termin vor dem Senat erklärt hat (insoweit nicht protokolliert), dass die Erbengemeinschaft zwischen ihr und dem Bruder der Erblasserin mittlerweile auseinandergesetzt sei und ihr der Klageanspruch übertragen worden sei, hat dies gemäß § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO auf den Prozess keinen Einfluss.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Herausgabeanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB (Leistungskondiktion; vgl. Staudinger/Jagmann, BGB, Neubearb. 2001, § 332 RdNr. 5). Dieser Anspruch gehört zum Nachlass. Die Klägerin darf ihn als Miterbin einklagen (§ 2039 BGB).

Die Klägerin ist Miterbin geworden, nicht nur Vermächtnisnehmerin. Denn die Erblasserin hat ihr gesamtes Vermögen nach Vermögensgruppen auf zwei Personen verteilt. Darin liegt eine Erbeinsetzung (Palandt/Edenhofer, BGB, 62. Aufl. 2003, § 2087 RdNr. 4).

Die Beklagte hat durch Leistung der Erblasserin etwas erlangt, nämlich die Bezugsberechtigung, die unter der aufschiebenden Bedingung des Erbfalls stand (BGH NJW-RR 1989, 21 f.; OLG Karlsruhe, OLGR 2001, 52 f.; OLG Düsseldorf, ZEV 1996, 142 ff.; Larenz, Schuldrecht I, 14. Aufl. 1987, § 17 I b; Jauernig/Schlechtriem, BGB, 10. Aufl. 2003, § 812 RdNr. 41, 44). Die Erblasserin hat die Bezugsberechtigung an die Beklagte dadurch geleistet, dass sie die Beklagte im Versicherungsantrag als Bezugsberechtigte eingetragen hat. Dass es sich hierbei bis zum Eintritt des Erbfalls nur um eine Erwerbs-aussicht handelte (Teslau in v. Bühren, Handbuch Versicherungsrecht, 2. Aufl. 2003, § 13 RdNr. 324), steht der Bejahung einer "Leistung" im Sinne von § 812 BGB nicht entgegen. Denn auch Erwerbsaussichten, deren Wert nicht in Geld geschätzt werden kann (vgl. zum Bezugsrecht: BGH NJW 1984, 1611), können "geleistet" werden (Medicus, Schuldrecht II, 11. Aufl. 2003, RdNr. 634; Loewenheim, Bereicherungsrecht, 2. Aufl. 1997, Seite 20; Jauernig/ Schlechtriem, BGB, 10. Aufl. 2003, § 812 RdNr. 8; RGRK/Heimann-Trosien, BGB, 12. Aufl. 1989, § 812 RdNr. 5). Es genügt, wenn das "Erlangen" im Sinne von § 812 BGB erst durch das Hinzutreten späterer Ereignisse zustande kommt (RGRK/ Heimann-Trosien, BGB, 12. Aufl. 1989, § 812 RdNr. 5), nämlich - wie hier - durch den Todesfall, durch den der - dann "geleistete" - Auszahlungsanspruch entsteht (Prölss/Martin/Kohlhosser, VVG, 26. Aufl. 1998, ALB 86 § 13 RdNr. 30). Für die Bejahung einer "Leistung" im Sinne von § 812 BGB ist es außerdem unerheblich, ob eine Schuld des Leistenden besteht (arg. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder ob der Leistende hiervon Kenntnis hat (arg. § 814 BGB).

Mit dem Erbfall ist die Bezugsberechtigung versicherungsrechtlich zu einem Anspruch gegen die Versicherung erstarkt (§ 166 Abs. 2 VVG; Schwintowski in Berliner Kommentar zum VVG, 1999, § 166 RdNr. 18). Durch Surrogation hat die Beklagte daraus den Geldbetrag erlangt (s. Wortlaut des § 818 Abs. 1 BGB), weil am 05.05.2001 die Versicherungssumme ausgezahlt worden ist (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 62. Aufl. 2003, § 818 RdNr. 14). Gemäß § 818 Abs. 1 BGB muss die Beklagte daher das Surrogat - die Versicherungssumme - herausgeben.

Die Beklagte hat die Versicherungssumme "ohne rechtlichen Grund" im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB erlangt. Entscheidend ist insoweit, ob im Verhältnis zwischen der Erblasserin und der Beklagten (dem Valutaverhältnis) ein rechtlicher Grund gegeben ist. Das ist nicht der Fall.

Als einziger ernsthafter rechtlicher Grund kommt hier ein Schenkungsvertrag in Frage. Denn die Bezugsberechtigung selbst ist kein rechtlicher Grund, sondern hiervon zu unterscheiden (Staudinger/Jagmann, BGB, Neubearb. 2001, § 330 RdNr. 41). Die Bezugsberechtigung betrifft auch das Verhältnis zwischen der Versicherung und der Beklagten (sog. Vollzugsverhältnis), nicht das Valutaverhältnis. Denn die Bezugsberechtigung gibt keine Antwort darauf, "warum" die Erblasserin etwas an die Beklagte geleistet hat. Eine solche Antwort kann nur das Valutaverhältnis geben (Antwort z.B.: sie wollte der Beklagten etwas schenken).

Eine Schenkung ist aber nicht zustande gekommen.

Eine Schenkung setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus (speziell für das Bezugsrecht: BGHZ 91, 288 ff.). Die Klägerin bestreitet, dass die Einräumung der Bezugsberechtigung - das Schenkungsangebot nach § 145 BGB - bei der Beklagten mit Zustimmung bzw. mit Willen der Erblasserin zugegangen ist. Ein Zugang ist für das Zustandekommen der Schenkung erforderlich (Prölss/Martin/Kohlhosser, VVG, 26. Aufl. 1998, ALB § 13 RdNr. 30). Die Beklagte hat im ersten Rechtszug nur vorgetragen, dass ihre Mutter ihr eine Kopie des Versicherungsantrages übergeben habe. Sie hat im ersten Rechtszug nicht behauptet, dass dies mit Willen der Erblasserin oder in deren Auftrag geschehen sei. Dies hat sie erstmals im zweiten Rechtszug vorgetragen, was gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO verspätet war.

Somit liegt in der Aushändigung der Kopie des Versicherungsantrags kein Schenkungsangebot an die Beklagte.

Soweit die Beklagte weiter vorgetragen hat, dass die Erblasserin zu ihr mehrfach gesagt habe, dass es eine Versicherung gebe, die sie einmal bekommen solle und wovon sie der Mutter etwas abgeben solle (Bl. 49, dort kein Beweis angeboten), ist dies unsubstantiiert. Denn es fehlen Angaben zu Ort, Zeit und Umständen. Da die Klägerin eine negative Tatsache beweisen muss, nämlich das Fehlen eines rechtlichen Grundes, ist von der Beklagten ein substantiierter Sachvortrag hierzu zu verlangen (BGH NJW-RR 1999, 1152 f.). Ohne Angaben zum Zeitpunkt eines Schenkungsangebots kann die Klägerin nicht nachprüfen, ob es Zeugen hierfür gibt. Sie hat daher gar keine Chance, den Gegenbeweis zu führen.

Soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 11.03.2003 (Bl. 67) weiteren Sachvortrag nachgeschoben hat und Beweis durch Parteivernehmung angeboten hat, war dies verspätet (§§ 296 a, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Der Entschuldigungsgrund der Beklagten, wonach dies auf "fehlender Detailkenntnis" beruht habe, ist nicht ausreichend, weil eine Partei die erforderlichen Erkundigungen für ihren Sachvortrag rechtzeitig einholen muss (arg. § 282 Abs. 2 ZPO). Die Hinweise auf "Nervosität" und "unerwartete Fragestellung" können für den Schriftsatz vom 11.03.2003, der erst 2 Monate nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereicht worden ist, nicht gelten.

Auch durch die Y-Lebensversicherung als Erklärungsbotin ist der Beklagten kein Schenkungsangebot der Erblasserin zugegangen. Denn die Versicherung hat keine Kopie des Versicherungsantrags mit der Bezugsberechtigung an die Beklagte weitergeleitet.

Geht man davon aus, dass in der Auszahlung der Versicherungssumme ein durch die Botin weitergeleitetes konkludentes Schenkungsangebot liege, so ist auch dadurch kein Schenkungsvertrag zustande gekommen. Denn insoweit war das Schenkungsangebot bereits zuvor durch das Testament widerrufen worden. Bis zum Zugang bei der Beklagten konnte das Schenkungsangebot jederzeit widerrufen werden (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BGB). Zwar muss ein Widerruf ebenfalls zugehen (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BGB). Das Testament, das den Widerruf enthielt, ist der Beklagten aber nie zugegangen. Sie hat erst nach der Auszahlung hiervon erfahren. Ein Zugang war aber gemäß § 332 BGB entbehrlich. Diese Vorschrift muss im Zusammenhang mit §§ 330, 331 BGB gelesen werden. § 330 regelt den Lebensversicherungsvertrag. Die vorliegende Rentenversicherung ist eine spezielle Form der Lebensversicherung (§ 1 Abs. 1 Satz 2 VVG). § 332 BGB regelt, dass der Versprechensempfänger (die Erblasserin: vgl. § 331 Abs. 1 BGB) den im Vertrag bezeichneten Dritten (Bezugsberechtigten) auch mittels eines Testamentes austauschen kann. Voraussetzung ist, dass ein widerrufliches Bezugsrecht vorliegt, was hier unstreitig der Fall ist. Das Testament braucht dem Dritten, dessen Bezugsrecht widerrufen wird, nicht zuzugehen (Staudinger/Jagmann, BGB, Neubearb. 2001, § 332 RdNr. 1; MünchKomm-Gottwald, BGB, 4. Aufl. 2003, § 332 RdNr. 2). Der Widerruf ist gemäß § 332 BGB auch ohne Zugang wirksam. Denn es ist nicht üblich, dass Testamente zugesandt werden oder zugehen. Der Wortlaut des § 332 BGB sieht einen Zugang auch nicht vor. § 332 BGB gilt zwar nur "im Zweifel", d.h., die Vorschrift gilt nicht, wenn eine anderweitige klare Regelung vorhanden ist, die jeden Zweifel ausschließt. Im vorliegenden Fall ist eine solche Regelung aber nicht vorhanden, vielmehr heißt es im Versicherungsschein wie folgt: "Das Bezugsrecht ergibt sich aus dem Versicherungsvertrag oder späteren Verfügungen." Von einem Zugang ist dort nicht die Rede. Die Regelung im Versicherungsschein muss so verstanden werden, dass damit die Vorschrift des § 332 BGB nicht in Frage gestellt werden sollte, wonach das Bezugsrecht auch durch eine "Verfügung" von Todes wegen (Testament, siehe § 1937 BGB) geändert werden konnte.

Zwar gilt § 332 BGB nach seinem Regelungszusammenhang auf den ersten Blick nur innerhalb der Beziehung zwischen Versicherungsnehmer (Erblasserin) und Lebensversicherungsgeber (Y-Versicherung), somit im sog. Deckungsverhältnis. Die Vorschrift muss aber im Valutaverhältnis entsprechend zur Anwendung kommen. Denn andernfalls wäre das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel, dem Erblasserwillen den Vorrang zu geben (G. Vollkommer, ZEV 2000, 10 ff., [11]), nicht zu verwirklichen. Dieses Ziel ergibt sich zum einen aus § 332 BGB, wonach sogar der Versicherungsvertrag durch ein Testament geändert werden kann. Zum anderen ergibt es sich aus § 2084 BGB, eine beim Lebensversicherungsvertrag zugunsten Dritter entsprechend anwendbare Vorschrift (Harder, FamRZ 1976, 418). Danach muss die Auslegung so erfolgen, dass der Wille des Erblassers Erfolg haben kann.

Für eine entsprechende Anwendung von § 332 BGB im Valutaverhältnis plädieren auch Stimmen in der Rechtsliteratur (Schmalz-Brüggemann, ZEV 1996, 84 ff. [87]; G. Vollkommer, ZEV 2000, 10 ff. [12, sub 2.4 und FN 23]). Der Bundesgerichtshof hat zwar hierzu soweit ersichtlich noch nicht Stellung genommen. Dies hindert aber die Anwendung nicht. Schmalz-Brüggemann begründet seine Ansicht damit, dass § 332 BGB einen zugangslosen Widerruf im Deckungsverhältnis ermögliche, und nicht einzusehen sei, warum nicht auch ein zugangsloser Widerruf im Valutaverhältnis zulässig sein soll. Wenn schon der schriftliche Versicherungsvertrag durch das Testament abgeändert werden kann, dann muss der Schenkungsvertrag bzw. die darauf abzielende Schenkungsofferte, die vorliegend in der Auszahlung gesehen werden soll, erst recht abgeändert werden können. Andernfalls würde der zugangslose Widerruf, den § 332 BGB ermöglicht, gar nichts nützen.

Es ist auch zu berücksichtigen, dass die Verfasser des BGB bei der Abfassung des § 332 BGB gar nicht auf die Idee gekommen waren, dass in der Auszahlung eine Schenkungsofferte liegen könne (Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Band II, 4. Aufl. 1992, § 11 Abschnitt 6 c [Seite 150]). Es ist davon auszugehen, dass die Verfasser des BGB dieses Problem, wenn sie es erkannt hätten, dahin geregelt hätten, dass § 332 BGB auch für das Valutaverhältnis gelten muss. Denn sie haben einen grundsätzlichen Gleichlauf zwischen Deckungs- und Valutaverhältnis angestrebt, nicht einen grundsätzlichen Gegenlauf zwischen beiden (G. Vollkommer, ZEV 2000, 10 ff. [Seite 12, sub 2.4]). Dementsprechend wird in der Rechtsliteratur die Erfindung eines gegenläufigen Schenkungsvertrages als "bare Konstruktionsjurisprudenz" angesehen (G. Vollkommer, ZEV 2000, 10 ff. [Seite 11, FN 11] und zuvor schon Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Band II, 4. Aufl. 1992, § 11 Abschnitt 6 c [Seite 151]).

Soweit § 17 Abs. 3 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen vorsieht, dass der Widerruf des Bezugsrechts erst wirksam wird, wenn er beim Versicherungsgeber eingeht, gilt diese Regelung nur im Deckungsverhältnis, nicht aber im Valutaverhältnis (Schmalz-Brüggemann, ZEV 1996, 84 ff. [87]; G. Vollkommer, ZEV 2000, 10 ff. [12, sub 2.4 und FN 23]). Denn die Erblasserin und die Beklagte haben nicht vereinbart, dass die Regelung zwischen ihnen beiden gelten soll. § 17 Abs. 3 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen schützt auch nur den Versicherungsgeber, damit er von vornherein nicht in die Gefahr gerät, an die falsche Person auszuzahlen und nachher eventuell zweimal zahlen zu müssen.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Erblasserin für die Beklagte im Valutaverhältnis mehr Rechte einräumen wollte, als sich aus dem Deckungsverhältnis ergaben und als zum Schutz des Versicherungsgebers erforderlich waren.

Auch § 166 VVG sieht einen Zugang des Widerrufs beim Bezugsberechtigten nicht vor.

In der Rechtsliteratur wird die Stellung des Bezugsberechtigten beim Lebensversicherungsvertrag zugunsten Dritter auch mehr mit der Stellung eines durch eine einseitige Verfügung von Todes wegen Begünstigten verglichen (Staudinger/Jagmann, BGB, Neubearb. 2001, § 330 RdNr. 28 m.w.N). Dessen Rechtsstellung kann der Erblasser aber beseitigen (§§ 2253, 2254 BGB). Der Dritte ist vor einem Widerruf durch die Erben geschützt, weil eben nur der Erblasser widerrufen kann. Ein weitergehender Schutz ist nicht geboten.

Bei dem gefundenen Ergebnis kann dahinstehen, ob die bloße Auszahlung überhaupt als Schenkungsangebot angesehen werden kann. Diese Sichtweise erscheint deshalb als bedenklich, weil die Auszahlung durchaus auf einem Irrtum beruhen kann und an die falsche Person gerichtet sein kann. Die Versicherungspolice selbst enthält keinen Namen des Bezugsberechtigten, sondern verweist nur auf den Versicherungsantrag, der aber der Beklagten nicht mit Willen der Erblasserin zugegangen ist (s. oben). Im Übrigen verweist die Police auf die Möglichkeit einer abweichenden Verfügung und begründet daher auch keinen Vertrauensschutz für die Beklagte.

Soweit Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl. 2003, § 332 RdNr. 1 unter Hinweis auf RGZ 170, 380 ff. einen Zugang des Widerrufs beim Beschenkten verlangen, betrifft dieses Urteil den Fall des § 531 Abs. 1 BGB (Widerruf wegen groben Undanks), der hier nicht vorliegt.

Soweit Wolf FamRZ 2002, 147 ff. den Rechtsgrund des Valutaverhältnisses im Deckungsverhältnis selbst erblickt (a.A. BGH VersR 1993, 728 ff.; Staudinger/Jagmann, BGB, Neubearb. 2001, § 328 RdNr. 45), gilt dies nur dann, wenn sich feststellen lässt, dass der Erblasser zu keiner Zeit einen Widerruf erklärt hat (Wolf, a.a.O.). Vorliegend hat die Erblasserin aber im Testament einen Widerruf erklärt.

Soweit die Beklagte behauptet hat, dass die Erblasserin einen Widerruf gegenüber der Versicherung bewusst unterlassen habe, ist dies unerheblich. Denn daraus kann nicht abgeleitet werden, dass der testamentarische Widerruf gar nicht gewollt war. Möglicherweise hat nämlich die Erblasserin den testamentarischen Widerruf für ausreichend gehalten und nur deshalb den Widerruf gegenüber der Versicherung nicht erklärt. Ein Wille, der dem Testament entgegenstehen könnte, lässt sich nicht feststellen.

Da somit kein Rechtsgrund gegeben ist, kann die Klägerin die Versicherungssumme herausverlangen.

Auch der Zinsanspruch ist vom Landgericht zutreffend zuerkannt worden.

Nebenentscheidungen:

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Denn die vorliegende Rechtsfrage der analogen Anwendung von § 332 BGB im Valutaverhältnis ist grundsätzlicher Natur, höchstrichterlich noch nicht entschieden und hat auch erhebliche praktische Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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