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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 20.12.2004
Aktenzeichen: 9 W 654/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 1 Abs. 3
WEG § 3 Abs. 1
WEG § 3 Abs. 2
Es bleibt bei der in der bisherigen Rechtsprechung herrschenden Auffassung, dass am Einzelstellplatz einer durch eine mechanische Hebevorrichtung verbundenen Doppelstockgarage (sog. Duplexgarage) in Ermangelung der erforderlichen Raumeigenschaft kein Sondereigentum begründet werden kann.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

9 W 654/03

In dem Grundbuchverfahren

betreffend das Teileigentumsgrundbuch für Erfurt Mitte, Blatt ..., Flur ..., Flurstück ...,

hat der 9. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bettin, Richter am Oberlandesgericht Timmer und Richter am Oberlandesgericht Giebel

auf die weitere Beschwerde vom 04.11.2003 gegen den Beschluss des Landgerichts Erfurt vom 24.10.2003 ohne mündliche Verhandlung am 20.12.2004 beschlossen:

Tenor:

1. Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten der weiteren Beschwerde.

3. Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Hinsichtlich der Darstellung des Sachverhalts wird auf den angefochtenen Beschluss des Landgerichts Erfurt Bezug genommen.

1. Das Landgericht hat die auf die Unterteilung des Sondereigentums an einer durch eine mechanische Hebevorrichtung verbundenen Doppelstockparkebene (sog. Duplexgarage) in zwei Sondereigentumseinheiten (untere und obere Parkebene) abzielende Erstbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen, weil am einzelnen Stellplatz kein Sondereigentum begründet werden könne. Dabei ist das Landgericht der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, insbesondere der des Bayerischen Obersten Landesgerichts (vgl. BayOblG NJW-RR 1995, 783 mit Nachw.) gefolgt. Hinsichtlich der Gründe wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die weitere Beschwerde, die unter Berufung auf entsprechende Stimmen im Schrifttum (vgl. Hügel NotBZ 2000, 350, 354, 355 mit Nachw.) die entgegengesetzte Auffassung vertritt. Nachdem der Senat mit Verfügung vom 05.03.2004 - zunächst unter Hintanstellung der rechtlichen Grundsatzproblematik - bereits formale Bedenken wegen der Bestimmungen der betreffenden Gemeinschaftsordnung geäußert hat, hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 10.08.2004 die schriftlichen Zustimmungserklärungen der übrigen Miteigentümer hinsichtlich der beabsichtigten Unterteilung vorgelegt.

2. Die weitere Beschwerde ist nicht begründet.

Die Entscheidung des Landgerichts lässt keinen Rechtsfehler i.S.d. §§ 78 S. 2 GBO, 546, 547 ZPO erkennen.

Auch nach eingehender Abwägung aller für eine Anerkennung der Sonderrechtsfähigkeit des Einzelstellplatzes einer Doppelstockgarage vorgebrachten Argumente tritt der Senat der in der bisherigen Judikatur - jedenfalls soweit die Entscheidung tragend - einhellig ablehnenden Auffassung bei. Eine Sonderrechtsfähigkeit scheidet aus Rechtsgründen aus. Die vom Antragsteller dargelegten Argumente vermögen eine abweichende Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Eine Zuerkennung der Sonderrechtsfähigkeit scheitert jedenfalls daran, dass dem einzelnen Stellplatz einer Doppelstockgarage die in § 1 Abs. 3 WEG zur Begründung von Teileigentum vorausgesetzte Raumeigenschaft fehlt.

a) Soweit die Beschwerdebegründung aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 S. 2 WEG ("abgeschlossene Räume") den Schluss ziehen will, dass der Gesetzgeber mit der Verwendung des Begriffs "Räume" nicht nur das Merkmal der Abgeschlossenheit, sondern zugleich die Raumeigenschaft des Garagenstellplatzes habe fingieren wollen, so ist diese Auslegung nicht zwingend. Gegen sie spricht insbesondere die systematische Stellung der Bestimmung. Während in § 3 Abs. 1 WEG die Raumeigenschaft zur - unverzichtbaren - Voraussetzung der vertraglichen Einräumung von Sondereigentum erklärt wird, regelt Abs. 2 S. 1 WEG das Abgeschlossenheitskriterium in Form einer Sollvorschrift. Da die für Garagenstellplätze geltende Fiktion gerade in diesem zweiten Absatz verankert ist, ist davon auszugehen, dass die Reichweite der Fiktionswirkung lediglich das in Satz 1 angesprochene Merkmal umfasst. Andernfalls hätte es aus gesetzessystematischer Sicht näher gelegen, in einem eigenen Absatz die beiden vorausgegangenen Absätze zu verklammern und eine generelle Ausnahmeregelung für Stellplätze sowohl hinsichtlich der Abgeschlossenheit als auch der Raumeigenschaft zu treffen.

b) Wenn die Beschwerdebegründung die scheinbar nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Doppelstockgaragen und ebenerdigen Tiefgaragenstellplätzen beanstandet, so übersieht sie, dass diese Differenzierung auf sachliche Gründe zurückzuführen ist.

Anders als beim einzelnen Parkplatz einer mechanischen Hebebühne, der den Luftraum über der Grundfläche mit dem darunter oder darüber liegenden Parkplatz teilt, hat der ebenerdige Tiefgaragenstellplatz einen lichten Raum, der ausschließlich diesem Stellplatz zugewiesen ist. Zu Unrecht meint der Antragsteller, die "natürliche Raumeigenschaft" auch eines solchen Stellplatzes bleibe unerklärlich, da er zur Seite hin offen und deshalb überhaupt nur aufgrund der Fiktion des § 3 Abs. 2 S. 2 WEG als "Raum" anzusehen sei. Diese Argumentation verkennt, dass der Berechtigte eines ebenerdigen Stellplatzes - im Gegensatz zum Nutzer einer Hebebühne - jedenfalls die tatsächliche Möglichkeit hat, andere auszuschließen. Er könnte, technisch betrachtet, ohne weiteres den durch die Flächenbegrenzung ausgewiesenen Raum durch ein Metallgitter, eine Holzwand o.ä. absperren. Auch dem Einwand, aufgrund der in der Praxis häufig beengten Raumverhältnisse würden die Berechtigten mehrerer neben einander liegender ebenerdiger Stellplätze ebenfalls den Luftraum des jeweiligen Nachbarplatzes beim Türöffnen - faktisch - gemeinsam nutzen, ist damit der Boden entzogen. Das Abgeschlossenheitserfordernis des § 3 Abs. 2 S. 1 WEG wird für Garagenstellplätze gem. § 3 Abs. 2S. 2 WEG lediglich insoweit fingiert, als es der tatsächlichen Anbringung einer solchen Begrenzungsvorrichtung nicht zwingend bedarf, sondern die Markierungen auf der Bodenfläche ausreichen. Es macht aber für die Bewertung der Raumeigenschaft einen erheblichen Unterschied, ob der betreffende Nutzer - wie beim ebenerdigen Parkplatz - lediglich freiwillig auf die Anbringung einer Begrenzungsvorrichtung verzichtet (und sich mit den Bodenmarkierungen begnügt) oder ob bereits aus technisch-physikalischen Gründen jegliche potenzielle Abgeschlossenheit - wie bei der Hebebühne - ausscheidet.

Die unterschiedliche rechtliche Bewertung von horizontaler und vertikaler Offenheit eines Stellplatzes wurzelt mithin in den nach der natürlichen Verkehrsanschauung unterschiedlichen Raumeigenschaften von Doppelstockgarage und Tiefgaragenstellplatz. Der Vorwurf einer sachwidrigen Ungleichbehandlung ist nicht begründet.

b) Der Senat folgt auch nicht dem Antragsteller, wenn er die an der Verkehrsanschauung orientierte Betrachtungsweise der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur als "puristisch" einstuft, die den berechtigten Interessen der Praxis nicht gerecht werde. Mag der Gesetzgeber mit der Fiktion des § 3 Abs. 2 S. 2 WEG eine erleichterte Verkehrsfähigkeit und damit grundsätzlich die Möglichkeit der Sonderrechtsfähigkeit des einzelnen Stellplatzes im Auge gehabt haben, so kann das jedenfalls nur für solche Eigentumsformen gelten, die nach den Anschauungen des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs unbedenklich verkehrsfähig sind. Eben diese Voraussetzung erfüllt der einzelne Stellplatz einer Doppelstockgarage nicht. Denn die Begründung eines Sondereigentums wäre mit den das Sachenrecht dominierenden Grundsätzen des Typenzwangs und der Typenfixierung (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 62. Aufl., Einf. Vor § 854, Rn. 3 mit Rspr.-Nachw.) nicht zu vereinbaren. Eine Anerkennung würde nicht den Interessen der Praxis dienen, sondern in Wahrheit ihrem Bedürfnis nach Rechtsklarheit und Rechtssicherheit der Zuordnung unbeweglicher Sachen zuwiderlaufen.

aa) Das Grundkonzept des Rechtsinstituts des Wohnungseigentums beruht auf der Kombination zwischen den zum Miteigentum der Gemeinschaft gehörenden Grundstück bzw. Gebäudeteilen und den Sondereigentumseinheiten (Wohnungseigentum und Teileigentum gem. § 1 Abs. 2, Abs. 3 WEG) der einzelnen Wohnungseigentümer. Dabei unterliegt nach den Vorstellungen des Gesetzes jeder Raum, jeder Teil, jede Anlage und jede Einrichtung der eindeutigen Zuordnung zu einem der genannten Eigentumsmodalitäten, d.h. entweder dem Herrschaftsbereich des Einzelnen oder der Gemeinschaft.

Nach der Vorschrift des § 13 Abs. 1 WEG ist dem Wohnungseigentümer hinsichtlich seines Sondereigentums die gleiche Rechtsmacht wie dem Alleineigentümer einer Sache verliehen. So wie dieser gem. § 903 S. 1 BGB - vorbehaltlich der dort genannten Schranken - mit der ihm gehörenden Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen kann, so darf auch der Wohnungseigentümer über sein Sondereigentum gem. § 13 Abs. 1 WEG nach Belieben verfügen und andere von Einwirkungen ausschließen. Zwar findet dieses Recht nach dem Wortlaut der Vorschrift - wie das des Eigentümers kraft des Schrankenvorbehalts des § 903 S. 1 BGB - dort seine Grenzen, wo das Gesetz oder die Rechte Dritter entgegenstehen. Gleichwohl besteht der Kerngedanke, der zugleich die auf Privatautonomie und Individualeigentum gründende Rechts- und Gesellschaftsordnung verkörpert, darin, dass eine Bodenfläche samt zugehörigem Luftraum einer einzelnen souveränen Person zugewiesen wird. Diese übt die Sachherrschaft vollumfänglich aus, die lediglich insoweit Einschränkungen unterworfen ist, als die Ausübung des Herrschaftsrechts unmittelbare Auswirkungen auf Belange des Gemeinschaftseigentums zeitigt (vgl. etwa die Duldung des Betretens und Zugangs der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile aus besonderem Anlass, § 14 Nr. 4 WEG).

bb) Mit diesem elementaren Leitbild der abgegrenzten Herrschaftsbereiche des Gemeinschaftseigentums auf der einen Seite und des Wohnungssondereigentums auf der anderen Seite unvereinbar ist, wenn zwei Sondereigentümer gleichberechtigt denselben Luftraum über einer abgegrenzten Bodenfläche miteinander teilen. Das Sondereigentum bzw. Alleineigentum setzt seiner Definition entsprechend gerade voraus, dass ein ungeteiltes Herrschaftsrecht eines Sonder- oder Alleineigentümers besteht. Das ist bei der Begründung von Sondereigentum am einzelnen Stellplatz einer Doppelstockgarage nicht der Fall, weil die Herrschaft bzw. Duldung durch den einen Berechtigten unmittelbar mit der Herrschaft und der Duldung des anderen Berechtigten korrespondieren. Keiner kann den anderen grundsätzlich von der Einwirkung auf seinen Herrschaftsbereich ausschließen, beide haben den Zugang des anderen zu gestatten und sind ihrerseits auf die Gewährung des Zutritts durch jenen angewiesen.

Eine solche tatsächliche wie rechtliche Limitierung eines autonomen Sonderrechts widerspräche im Ergebnis den eigenen Voraussetzungen und passt jedenfalls nicht in das durch Typenzwang und Typenfixierung abgeschlossene System der geltenden Sachenrechtsordnung. Die vermeintlich praxisnahe gesteigerte Verkehrsfähigkeit des einzelnen Stellplatzes erweist sich insoweit als Scheinargument, weil sie zu Herrschaftsüberschneidungen führt und die Gefahr vermehrter Interessenkonflikten birgt. Der Senat hält deshalb an der bislang in der Rechtsprechung vorherrschenden Auffassung fest.

3. Die Voraussetzungen einer Vorlage an den Bundesgerichtshof sind nicht erfüllt. Sie wäre nach §§ 79 Abs. 2 S. 1 GBO, 28 Abs. 2 S. 1 FGG nur zulässig, wenn der Senat bei der Auslegung einer bundesgesetzlichen Norm von der auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgericht abweichen würde. Das ist nicht der Fall. Das einzige - auch von der Beschwerdebegründung als Beleg für ihre Auffassung herangezogene - Judikat, das einer Sonderrechtsfähigkeit für Doppelstockstellplätze zuneigt, stammt vom OLG Hamm (vgl. Beschl. vom 04.10.1983 Rpfleger 1983, 19, 20). Doch war das Gericht ausweislich der Gründe im Streitfall nicht genötigt, diese Frage zu entscheiden, weil sie nicht entscheidungserheblich war. Auf ein bloßes obiter dictum lässt sich eine Divergenzvorlage nicht stützen (vgl. Bauer/von Oefele/Budde, GBO, § 79, Rn. 14 mit Rspr.-Nachw.).

Die weitere Beschwerde war nach allem als unbegründet zurückzuweisen.

4. Die Kostenlast und der Beschwerdewert ergeben sich aus den §§ 131 Abs. 1 Nr. 1, 30 Abs. 2 KostO.



Ende der Entscheidung

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