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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 11.11.2003
Aktenzeichen: 1 KO 271/01
Rechtsgebiete: ThürBO


Vorschriften:

ThürBO § 13 Abs. 4
Stätte der Leistung im Sinne des § 13 Abs. 4 Satz 1 ThürBO ist bei der Vermietung von Wohnraum der Ort, an dem regelmäßig die Mietverträge abgeschlossen werden. Bei gewerbsmäßiger Vermietung ist dies der Geschäftssitz des Vermieters.
THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 1. Senat - Im Namen des Volkes Urteil

1 KO 271/01

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Bauplanungs-, Bauordnungs- und Städtebauförderungsrecht,

hier: Berufung

hat der 1. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Prof. Dr. Strauch, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Husch und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Preetz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. November 2003 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 3. November 1999 - 1 K 578/99.We - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beklagten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin, eine Wohnungsbaugenossenschaft, begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Baugenehmigung für eine Werbetafel, die sie an einem ihrer Häuserblocks in A___ angebracht hat und mit der sie auf ihren Wohnungsbestand hinweist.

Am 8. September 1997 beantragte die Klägerin bei der Bauaufsichtsbehörde des Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für die Werbetafel an dem Gebäude S___________ in A____ (Flurstück a__, Flur 39 der Gemarkung Arnstadt). Die Beigeladene verweigerte hierzu ihr Einvernehmen.

Die Bauaufsichtsbehörde des Beklagten lehnte den Antrag mit Bescheid vom 6. März 1998 ab. Die Klägerin legte dagegen mit Schreiben vom 12. März 1998 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie geltend machte, angesichts der Entwicklung des Wohnungsmarktes zu Werbemaßnahmen gezwungen zu sein.

Das Thüringer Landesverwaltungsamtwies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 11. Februar 1999 zurück. Es ließ offen, ob die Umgebung des Gebäudes S______ in A___ einem reinen oder einem allgemeinen Wohngebiet entspricht. Jedenfalls sei die Werbetafel der Klägerin nicht an der Stätte der Leistung i. S. d. § 13 Abs. 4 ThürBO errichtet. Stätte der Leistung sei nur das Grundstück, auf dem die Leistung dargeboten, die Ware hergestellt, gelagert, verkauft oder verwaltet werde. Die Klägerin habe ihren Sitz in der B__________ ___ in A____. Von dort aus verwalte und vermiete sie ihre Wohnungen; dies sei auch ihre Geschäftsanschrift. Stätte der Leistung sei für die Klägerin daher die B________, nicht hingegen der Ort, an dem die streitgegenständliche Werbetafel angebracht sei.

Gegen den am 15. Februar 1999 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 15. März 1999 bei dem Verwaltungsgericht Weimar Klage erhoben.

Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, ihre Werbetafel befinde sich an der Stätte der Leistung i. S. d. § 13 Abs. 4 ThürBO. Stätte der Leistung seien im Falle der Wohnungsvermietung auch die Gebäude, in denen sich die zu vermietenden Wohnungen befänden. Unerheblich sei, wo sich der Vermieter aufhalte oder von welchem Ort aus er die Wohnungen verwalte.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid vom 6. März 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 1999 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr die Genehmigung zur Anbringung einer Werbetafel am Gebäude S___ in A___ zu erteilen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, die Auffassung der Klägerin habe zur Folge, dass der vom Gesetzgeber beabsichtigte Schutz der Wohngebiete vor Werbeanlagen unterlaufen werde.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Das Verwaltungsgericht Weimar hat die Klage mit Urteil vom 3. November 1999 - 1 K 578/99.We - abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, die Werbetafel der Klägerin befinde sich nicht an der Stätte der Leistung i. S. d. § 13 Abs. 4 ThürBO. Der Begriff "Stätte der Leistung" sei eng auszulegen. Entscheidend sei insoweit, wo die Geschäftstätigkeit ausgeübt werde. Dies sei bei der Wohnungsvermietung ausschließlich das Gebäude, in dem sich die Geschäftsräume des Vermieters befänden. Eine weitere Auslegung sei mit Sinn und Zweck der Regelung, den Wohncharakter des betreffenden Gebietes wirksam vor negativen Auswirkungen der Wirtschaftswerbung zu schützen, nicht vereinbar.

Auf den Antrag der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 26. April 2001 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.

Die Klägerin trägt im Berufungsverfahren im Wesentlichen vor, Stätte der Leistung i. S. d. § 13 Abs. 4 ThürBO sei das Grundstück, auf dem die Leistung dargeboten, die Ware hergestellt, gelagert, verkauft und verwaltet werde. Sie umfasse auch den Ort, an dem sich das Objekt der Leistung befinde, bei einer Vermietung also das Mietobjekt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 3. November 1999 - 1 K 578/99.We - abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 6. März 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Thüringer Landesverwaltungsamtes vom 11. Februar 1999 zu verpflichten, ihr eine Baugenehmigung für die Werbetafel an dem Gebäude S___________ in A____ (Flurstück a__, Flur 39 der Gemarkung Arnstadt) zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, es bestehe Einigkeit darüber, dass sich die Werbetafel der Klägerin in einem allgemeinen Wohngebiet befinde. Streit bestehe nur über die Auslegung des Begriffs "Stätte der Leistung". Die Ansicht der Klägerin habe zur Folge, dass in einem allgemeinen Wohngebiet, in dem Wohnhäuser verschiedener Eigentümer anzutreffen seien, jeder Eigentümer für die Vermietung von Wohnraum werben könne. Damit werde das Anliegen des § 13 Abs. 4 ThürBO, Werbung in reinen und allgemeinen Wohngebieten auf ein erträgliches Maß zu beschränken, unterlaufen. Auch dränge sich die Frage auf, wie sich ein Maklerbüro zu verhalten habe, das Grundstücke verschiedener Eigentümer vermarkte. Jedenfalls habe die Klägerin nicht vorgetragen, ob in dem Wohnblock, an dem ihre Werbetafel angebracht sei, freie Wohnungen existierten; dies sei der Tafel selbst auch nicht zu entnehmen.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag und äußert sich auch in der Sache nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens und die Behördenvorgänge (2 Hefter), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 11. November 2003 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung, denn ihrer Werbetafel stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen (§ 70 Abs. 1 Satz 1 ThürBO).

Die umstrittene Werbetafel ist bauordnungsrechtlich unzulässig. Sie befindet sich nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten in einem allgemeinen Wohngebiet. Gemäß § 13 Abs. 4 Satz 1 ThürBO sind in Kleinsiedlungsgebieten, Dorfgebieten, reinen Wohngebieten und allgemeinen Wohngebieten Werbeanlagen nur zulässig an der Stätte der Leistung; in reinen Wohngebieten darf überdies gemäß § 13 Abs. 4 Satz 2 ThürBO selbst an der Stätte der Leistung nur mit Hinweisschildern geworben werden. Das Gebäude S____________ in A____ ist nicht Stätte der Leistung in diesem Sinne.

§ 13 Abs. 4 Satz 1 ThürBO liegt die Intention zugrunde, dass die in der Vorschrift genannten Gebiete weitgehend von Werbeanlagen frei gehalten werden sollen. Werbeanlagen sollen nur dort zulässig sein, wo in den aufgeführten Gebieten zulässigerweise eine Leistung angeboten wird. Damit begrenzt § 13 Abs. 4 Satz 1 ThürBO die Zulässigkeit von Werbeanlagen in Kleinsiedlungsgebieten, Dorfgebieten, reinen Wohngebieten und allgemeinen Wohngebieten in unmittelbarem Bezug auf die in diesen Baugebieten planungsrechtlich zulässige, vor allem gewerbliche Nutzung. Gewerbliche Betätigung ist in diesen Baugebieten indes nur eingeschränkt bzw. ausnahmsweise zulässig.

Der Begriff "Stätte der Leistung" in § 13 Abs. 4 Satz 1 ThürBO ist demnach, da er nur eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot der Werbung in den in der Vorschrift genannten Gebieten ermöglichen soll, eng auszulegen. Insoweit gilt nichts anderes als für § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ThürBO, wonach auch im Außenbereich Werbeanlagen nur an der "Stätte der Leistung" zulässig sind. Die Auslegung hat streng am Wortsinn zu erfolgen. Sie ergibt, dass "Stätte der Leistung" der Ort ist, an dem die Leistung erbracht wird, für die geworben wird (vgl. auch Michel in Jäde/Dirnberger/Michel, Bauordnungsrecht Thüringen, [Loseblattsammlung, Stand Mai 2003] § 13 ThürBO, Rdnr. 25). Derjenige, der etwa in einem allgemeinen Wohngebiet - ausnahmsweise - gewerblich tätig ist, soll an dem Ort, an der die gewerbliche Tätigkeit stattfindet, werben können, nicht aber auf einem allein Wohnzwecken dienenden Grundstück für eine an einem anderen Ort ausgeübte gewerbliche Betätigung. Abzustellen ist mithin auf die Tätigkeit, die der Werbung Treibende ausübt und nicht auf das Produkt, für das er wirbt. Hielte man eine Werbung am Ort der "Belegenheit" des Produkts unabhängig davon für zulässig, ob der Werbetreibende dort auch seiner gewerblichen Tätigkeit nachgeht, hätte dies beispielsweise zur Folge, dass ein Makler vor jedem der betreuten Objekte Werbung treiben könnte. Dies widerspräche dem dargelegten Sinn und Zweck des § 13 Abs. 4 Satz 1 ThürBO.

Nach diesen Maßstäben ist "Stätte der Leistung" bei der Wohnraumvermietung der Ort, an dem regelmäßig die Mietverträge geschlossen werden. Bei gewerbsmäßiger Vermietung ist dies der Geschäftssitz des Vermieters, mag er auch in Einzelfällen Mietverträge in der jeweiligen Wohnung abschließen. "Stätte der Leistung" ist im Falle der Klägerin mithin ihr Gebäude in der B______, nicht aber der Häuserblock, an dem die umstrittene Werbetafel angebracht ist. Ob diese Werbetafel, wie der Beklagte meinte, verunstaltend wirkt i. S. d. § 13 Abs. 2 ThürBO, bedarf daher keiner Entscheidung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, denn sie hat keinen Antrag gestellt und sich damit auch nicht einem Kostenrisiko ausgesetzt (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 VwGO).

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren gemäß § 25 Abs. 2 GKG i. V. m. §§ 14, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG in der bis zum 31.12.2001 geltenden und hier gemäß § 73 Abs. 1 GKG noch anzuwendenden Fassung auf 5.000,- DM (umgerechnet 2.556,4594 Euro) festgesetzt.

Hinweis:

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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