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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 16.10.2007
Aktenzeichen: 2 EO 781/06
Rechtsgebiete: GG, ThürBG, ThürDG


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 2
ThürBG § 8 Abs. 2
ThürBG § 29
ThürDG § 25
ThürDG § 28
Eine Verletzung der Pflicht, dem in einem Auswahlverfahren über die Besetzung eines Beförderungsamtes unterlegenen Bewerber die Ablehnung mitzuteilen, berührt nicht die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung.

Es ist regelmäßig nicht zu beanstanden, einen Beamten für die Dauer einer gegen ihn durchgeführten disziplinarischen Untersuchung und eines anschließenden förmlichen Disziplinarverfahrens von einer an sich möglichen Beförderung auszunehmen. Etwas anderes gilt vorbehaltlich der besonderen Umstände des Einzelfalls auch nicht, wenn das Disziplinarverfahren entgegen dem Beschleunigungsgebot (§ 25 ThürDG) durchgeführt wurde. Eine solche Verzögerung kann grundsätzlich nur Ausgleichs- bzw. Schadenersatzansprüche des Beamten wegen einer entgangenen Beförderung begründen.


THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 2. Senat - Beschluss

2 EO 781/06

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Beförderungen,

hier: Beschwerde nach § 123 VwGO

hat der 2. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Schwan, den Richter am Oberverwaltungsgericht Bathe und den an das Gericht abgeordneten Richter am Verwaltungsgericht Notzke am 16. Oktober 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Weimar vom 1. August 2006 - 4 E 825/06 We - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.188,38 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die beabsichtigte Beförderung des Beigeladenen in ein Amt der Besoldungsgruppe A 8 BBesO.

Im Mai 2005 wurde im Rahmen einer landesweiten Ermittlung festgestellt, dass am 31. März 2004 auf dem Dienst-PC der Antragstellerin eine dienstlich nicht veranlasste Power-Point-Datei unter der Bezeichnung "MOTUMBO" eingegangen war, die kurze Zeit später an eine andere Mitarbeiterin des Polizeiverwaltungsamtes weitergeleitet wurde. Die Datei endete nach einer Abfolge von Textseiten mit der Darstellung eines unbekleideten Schwarzafrikaners mit einem überdimensionierten Geschlechtsteil.

Das gegen die Antragstellerin in der Folge eingeleitete Strafverfahren wegen des Verdachtes der Verbreitung pornografischer Schriften stellte die Staatsanwaltschaft Gera nach § 170 Abs. 2 StPO ein und teilte dies dem Leiter des Polizeiverwaltungsamtes mit Schreiben vom 29. August 2005 mit. Dieser ordnete daraufhin mit Schreiben vom 19. September 2005 die Fortsetzung des im Sommer 2005 gegen die Antragstellerin eingeleiteten, aber im Hinblick auf das Strafverfahren ausgesetzten Disziplinarverfahrens an.

Nach Stellungnahmen zum Verfahren und mehreren Sachstandsanfragen des Bevollmächtigten der Antragstellerin nahm im März 2006 die im Disziplinarverfahren eingesetzte Ermittlungsführerin die Untersuchungen mit einer schriftlichen Anhörung der Antragstellerin auf. Nachdem diese bestritt, die streitgegenständliche Datei selbst geöffnet und weitergeleitet zu haben, vernahm die Ermittlungsführerin im Mai 2006 die Empfängerin der E-Mail als Zeugin und bat das EDV-Referat des Polizeiverwaltungsamtes um Stellungnahme. Diese lag im Juli 2006 vor. Das Disziplinarverfahren ist bislang nicht abgeschlossen.

Nach den vom Thüringer Innenministerium mitgeteilten haushaltsrechtlichen Maßgaben stand im technischen Verwaltungsdienst des Polizeiverwaltungsamtes zum Beförderungstermin am 1. Juli 2006 ein Beförderungsamt der Besoldungsgruppe A 8 BBesO zur Verfügung. Nach einem Vermerk des Personalsachbearbeiters vom 14. Juni 2006 blieb, nachdem die Ermittlungsführerin mitgeteilt hatte, dass in Kürze nicht mit einer Einstellung des Disziplinarverfahrens zu rechnen sei, die Antragstellerin in dem Auswahlverfahren unberücksichtigt. Daraufhin beabsichtigte der Leiter des Polizeiverwaltungsamtes den Beigeladenen auf die Stelle zu befördern.

In der Folge erlangte die Antragstellerin Kenntnis von der bevorstehenden Beförderungsrunde und hat am 23. Juni 2006 das vorliegende Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beim Verwaltungsgericht Weimar eingeleitet.

Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, sie sei in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt. Ihr sei das Ergebnis des Auswahlverfahrens nicht mitgeteilt worden. Sie habe einen Anspruch auf Beförderung, da ihr diese zugesichert worden sei. Ihre Beförderung im Vorjahr sei bereits mit dem Hinweis auf das laufende Disziplinarverfahren zurückgestellt worden, obwohl sie auf Platz 1 der damaligen Rangliste gestanden habe. Die Fortsetzung des Disziplinarverfahrens sei sachwidrig. Die erhobenen Vorwürfe könnten nicht aufrecht erhalten bleiben, nachdem die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren eingestellt habe. Die Zurückstellung ihrer Beförderung erfolge aus sachfremden Gründen.

Die Antragstellerin hat beantragt,

dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu untersagen, im Thüringer Polizeiverwaltungsamt Beförderungen von der Besoldungsgruppe A 7 BBesO auf die Besoldungsgruppe A 8 BBesO auszusprechen, bis er die Beförderungsgrundsätze dargelegt und bestandskräftig über ihre Bewerbung zur Beförderung auf die Besoldungsgruppe A 8 BBesO sowie das gegen sie eingeleitete Disziplinarverfahren entschieden hat.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er hat vorgetragen, eine Zusage existiere nicht. Er habe die Antragstellerin zu recht wegen des laufenden Disziplinarverfahrens von der Beförderung ausgeschlossen. Auch wenn das Strafverfahren eingestellt worden sei und der Vorwurf der Verbreitung pornografischer Darstellungen nicht aufrechterhalten bliebe, stelle das Versenden der streitigen Datei an eine Arbeitskollegin ein dienstliches Fehlverhalten dar. Erst das Bestreiten dieser Tat mit Schreiben vom 19. April 2006 habe den Abschluss des Disziplinarverfahrens hinausverzögert.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich im Verfahren nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum beruflichen Werdegang und der Beurteilung der Antragstellerin und des Beigeladenen, zum Auswahlverfahren sowie zum erstinstanzlichen Vortrag der Beteiligten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts verwiesen (§ 130b Satz 1 VwGO in entsprechender Anwendung).

Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 1. August 2006 den Rechtsschutzantrag abgelehnt. Die Antragstellerin könne keinen Anordnungsgrund glaubhaft machen. Der Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin sei nicht verletzt. Allein eine Verletzung der Mitteilungspflicht rechtfertige nicht den Anspruch der Antragstellerin. Dies führe allenfalls zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. Die Antragstellerin könne die Beförderung auch nicht aufgrund einer Zusicherung beanspruchen. Ungeachtet dessen, ob eine solche überhaupt vorläge, könne sie jedenfalls nicht wirksam sein. Der Beförderung der Antragstellerin stehe das laufende Disziplinarverfahren entgegen. Dies begründe Eignungszweifel, die erst mit Abschluss des Disziplinarverfahrens geklärt werden könnten. Bei der Einleitung des Disziplinarverfahrens sei der Antragsgegner auch nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Zwar sei das der Antragstellerin vorgeworfene Verhalten nicht strafrechtlich relevant, es könne jedoch darüber hinaus Dienstpflichten, wie hier die Pflicht des Beamten, sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes nach der Achtung und dem Vertrauen auszurichten, die sein Beruf erfordere, verletzt haben. Die Versendung der streitgegenständlichen Datei entspreche offensichtlich nicht der Erwartung an das dienstliche Verhalten eines Hoheitsträgers. Es lägen auch keine Anhaltspunkte für unsachliche Erwägungen des Dienstherrn im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die Antragstellerin vor. Insbesondere könne die Dauer des Disziplinarverfahrens nicht beanstandet werden. Diese sei in der Arbeitsbelastung der Ermittlungsführerin begründet. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Antragstellerin wegen ihrer bereits 2005 übergangenen Beförderung nunmehr aus unsachlichen Gründen zurückgesetzt werden sollte.

Gegen diesen ihr am 7. August 2006 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 21. August 2006 beim Verwaltungsgericht Meiningen Beschwerde eingelegt, die sie mit beim Oberverwaltungsgericht am 7. September 2006 eingegangenem Schriftsatz begründet hat. Diesem Schriftsatz fehlte in der Titelzeile die Bezeichnung der Parteien sowie die Angabe des gerichtlichen Aktenzeichens. Im Hinblick hierauf beantragte die Antragstellerin am 8. September 2006, ihr wegen der Versäumung der Frist zur Beschwerdebegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, und legte gleichzeitig eine vollständige Fassung der Beschwerdebegründung vor.

In der Sache begründet sie ihre Beschwerde damit, dass entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bereits die fehlende Mitteilung über das Auswahlverfahren, über dessen Ergebnis und über die dem Verfahren zugrunde liegenden Beförderungsgrundsätze ihren Bewerbungsverfahrensanspruch verletze. Eine Verletzung dieses Anspruchs sei auch durch den Verstoß gegen das verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich fundierte Beschleunigungsgebot im Disziplinarverfahren begründet. Das gegen sie gerichtete Disziplinarverfahren sei ungebührlich hinausgezögert worden.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Weimar vom 1. August 2006 aufzuheben und dem von ihr gestellten erstinstanzlichen Antrag stattzugeben.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er wendet sich gegen den Wiedereinsetzungsantrag der Antragstellerin und verteidigt im Übrigen die erstinstanzliche Entscheidung.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag und äußert sich nicht zur Sache.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die gerichtliche Verfahrensakte, die Personalakten der Antragstellerin und des Beigeladenen, die Akte zum gegen die Antragstellerin anhängigen Disziplinarverfahren sowie den Behördenvorgang zum Auswahlverfahren (eine Heftung) Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung waren.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ihren Antrag abgelehnt, dem Antragsgegner vorläufig bis zum bestandskräftigen Abschluss eines erneuten Auswahlverfahrens über die Beförderung auf die besetzbare Planstelle der Besoldungsgruppe A 8 BBesO beim Thüringer Polizeiverwaltungsamt zu untersagen, den Beigeladenen auf diese Stelle zu befördern.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere genügt die schriftliche Beschwerdebegründung den formellen Anforderungen. Unschädlich ist im vorliegenden Fall, dass es - wohl versehentlich - der Bevollmächtigte der Antragstellerin in seinem fristgerecht beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schreiben zur Beschwerdebegründung vom 7. September 2006 in der Titelzeile unterlassen hat, das gerichtliche Aktenzeichen und die Verfahrensbeteiligten anzugeben. Der Schriftsatz lässt jedenfalls durch die Angaben im Antrag sowie in der weiteren Begründung hinreichend deutlich erkennen, welcher Beschluss des Verwaltungsgerichts Weimar angegriffen wird bzw. auf welches wirksam eingeleitete Beschwerdeverfahren er sich bezieht. Über den vom Bevollmächtigten der Antragstellerin vorsorglich gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher nicht zu befinden.

Die Beschwerde genügt darüber hinaus den inhaltlichen Begründungsanforderungen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Sie enthält einen bestimmten Antrag und legt substantiiert Gründe dar, aus denen nach Auffassung der Antragstellerin die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben ist.

Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Dabei ist der Senat in der Überprüfung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts grundsätzlich beschränkt. Gegenstand der Prüfung im Beschwerdeverfahren sind die von der Beschwerdeführerin rechtzeitig dargelegten Gründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Mit ihrem Beschwerdevorbringen zeigt die Antragstellerin aber im Ergebnis nicht auf, weshalb das Verwaltungsgericht zu Unrecht ihren Antrag nach § 123 VwGO im vorliegenden beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren abgelehnt haben sollte.

Mangels Beschwerderüge ist nicht mehr Gegenstand des Beschwerdeverfahrens die Feststellung des Verwaltungsgerichts zum Vorliegen des Anordnungsgrundes. Die Antragstellerin greift ebenso nicht die im Übrigen auch rechtlich zutreffenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs im beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren an.

Danach gilt, dass der Beamte zwar grundsätzlich keinen Anspruch auf Verleihung eines höheren statusrechtlichen Amtes hat. Die Möglichkeit, Beamte zu befördern, ist dem Dienstherrn in erster Linie im Interesse der Belange der öffentlichen Verwaltung eingeräumt. Die Entscheidung über eine Beförderung liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, wobei die Bewerber gemäß Art. 33 Abs. 2 GG, §§ 29, 8 Abs. 2 ThürBG nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung auszuwählen sind. Für die Einschätzung der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung verfügt der Dienstherr über eine Beurteilungsermächtigung, in Anbetracht deren eine gerichtliche Kontrolle sich darauf zu beschränken hat, ob der Dienstherr den gesetzlichen Rahmen und die anzuwendenden Rechtsbegriffe zutreffend gewürdigt, ob er richtige Sachverhaltsannahmen zugrunde gelegt, ob er allgemein gültige Wertmaßstäbe beachtet und sachfremde Erwägungen unterlassen hat. Der Beamte, der seine Beförderung anstrebt, hat einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr das ihm bei der Entscheidung über eine Beförderung zu Gebote stehende Auswahlermessen unter Einhaltung etwaiger Verfahrensvorschriften fehlerfrei ausübt (Bewerbungsverfahrensanspruch; vgl. zu allem m. w. N. zuletzt: Beschlüsse des Senats vom 26. Juli 2007 - 2 EO 14/07 - und vom 13. April 2006 - 2 EO 1065/05 -NVwZ-RR 2006, 745-750).

Mangels Rüge bedarf es im Beschwerdeverfahren nicht mehr der Klärung, ob die Antragstellerin kraft Zusicherung eine Beförderung beanspruchen kann. Nach den nicht angegriffenen rechtlichen und tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts fehlt eine wirksame Zusicherung.

Die Rüge der Antragstellerin, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs wegen der unterlassenen Mitteilung über das Auswahlverfahren und über dessen Ergebnis verneint, führt nicht zum Erfolg der Beschwerde. Selbst wenn der Antragsgegner einer solchen Mitteilungspflicht im vorliegenden Fall nicht nachgekommen sein sollte, kann die Antragstellerin allein aus diesem Umstand heraus nicht die vorläufige Unterlassung der Beförderung des Beigeladenen begehren. Zwar kann der unterliegende Bewerber in einem Auswahlverfahren über die Besetzung eines Beförderungsamtes geltend machen, ihm die Ablehnung so rechtzeitig mitzuteilen, dass er noch vor Vollzug der Auswahlentscheidung Rechtsschutz beantragen und Rechtsbehelfe einlegen kann (vgl. hierzu zuletzt: 1. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG, Beschlüsse vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 -, juris, und vom 24. September 2007 - 2 BvR 1586/07 - n. v., jeweils m. w. N.). Dies soll dem Beamten ermöglichen, dass ihm die umstrittene Beförderungsstelle bis zum Abschluss des Rechtsstreits in der Hauptsache offen gehalten wird. Die Verletzung dieses Anspruchs berührt jedoch nicht die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung. Missachtet der Dienstherr diese Verpflichtung, kann dies dazu führen, dass dem übergangenen Bewerber im Rahmen eines Konkurrentenstreitverfahrens im Klagewege die Besetzung des Beförderungsamtes nicht entgegengehalten werden kann (Durchbrechung des Prinzips der Ämterstabilität, vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 - 2 C 14.02 -, BVerwGE 118, 370; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 24. September 2007 - 2 BvR 206/07 -, n. v.) oder ihm Schadensersatzansprüche wegen der entgangenen Beförderung zustehen können (Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 6. Aufl., Rz. 77 m. w. N.). Insoweit nimmt der Senat auf die Ausführung des Verwaltungsgerichts Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin war der Antragsgegner auch nicht daran gehindert, die Antragsgegnerin im Auswahlverfahren wegen des gegen sie laufenden Disziplinarverfahrens zurückzustellen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass es regelmäßig begründet ist, einen Beamten für die Dauer einer gegen ihn durchgeführten disziplinarischen Untersuchung und eines anschließenden förmlichen Disziplinarverfahrens von einer an sich möglichen Beförderung auszunehmen. Der Dienstherr würde sich ansonsten im Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzen, wenn er einen solchen Beamten vor der abschließenden Klärung des disziplinarischen Vorwurfs beförderte oder in vergleichbarer Weise förderte und damit die Befähigung und Eignung des Betreffenden für eine höherwertige Verwendung bejahte, obwohl er zuvor mit der Einleitung disziplinarischer Ermittlungen zu erkennen gegeben hat, dass Anlass besteht, die Amtsführung oder das persönliche Verhalten des Betreffenden in seinem bisherigen Status zu beanstanden (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 13. Mai 1987 - 6 C 32.85 -, NVwZ-RR 1989, 32; Schnellenbach, a. a. O., Rz. 64 m. w. N.).

Etwas anderes gilt grundsätzlich auch nicht, wenn, wie die Antragstellerin meint, das Disziplinarverfahren entgegen dem Beschleunigungsgebot (§ 25 ThürBG) durchgeführt und unsachlich hinausgezögert wurde.

Es kann dahinstehen, ob dieser Vorwurf im Tatsächlichen zutrifft. Insoweit dürfte jedoch entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts gelten, dass allein der Hinweis auf die Arbeitsbelastung der Ermittlungsführerin die Dauer des bisherigen Ermittlungsverfahrens sachlich nicht rechtfertigt. Der Disziplinarvorgesetzte hat für eine zügige Durchführung des Disziplinarverfahrens Sorge zu tragen. Hierzu stehen ihm weitgehende Möglichkeiten zur Gestaltung des Disziplinarverfahrens nach den Bestimmungen des Thüringer Disziplinargesetzes zur Verfügung. So ist nach § 28 ThürDG die Bestellung eines Ermittlungsführers nicht zwingend. Falls er einen solchen beauftragt, ist er nicht auf eine bestimmte Person festgelegt, sondern kann jede geeignete Person - auch anderer Behörden - bestellen. Ungeachtet einer Bestellung kann er jederzeit die Ermittlungen an sich ziehen und Beweisaufnahmen selbst durchführen. Der Antragsgegner hat bislang nicht dargelegt, dass unter Beachtung dieser Möglichkeiten der Gestaltung des Verfahrens die bisherige Dauer des Disziplinarverfahrens sachlich gerechtfertigt ist.

Aber selbst eine sachwidrige Verzögerung des Disziplinarverfahrens unterstellt, führt dies nicht ohne weiteres zu einer den Erfolg des vorläufigen Rechtsschutzantrags voraussetzenden Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs der Antragstellerin. Eine solche Verzögerung vermag grundsätzlich nur Ausgleichs- bzw. Schadenersatzansprüche des Beamten zu begründen (vgl. so wohl auch: BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 1987 - 6 C 32.85 -, a. a. O.). Sollte das Disziplinarverfahren fürsorgepflichtwidrig verzögert worden sein und dies dazu geführt haben, dass die im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung bestehenden Eignungszweifel für die Besetzung der Stelle mit einem Konkurrenten den Ausschlag geben, so könnte darin ein Schaden liegen, für den die Pflichtverletzung des Disziplinarvorgesetzten oder Ermittlungsführers ursächlich wäre, wenn sich der disziplinarrechtliche Vorwurf als unbegründet herausstellen sollte (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. Februar 1994 - 2 M 221/94 -, juris Rz. 3).

Die Verzögerung führt aber nicht zu einem Anspruch des betroffenen Beamten, dass die für die Beförderung zuständige Dienststelle die aus den disziplinarrechtlichen Vorwürfen resultierenden Zweifel an seiner persönlichen Eignung zu ignorieren hat. Trotz der Verzögerung bleiben diese Zweifel erhalten. Im Falle einer Beförderung würde weiterhin der Vorwurf eines widersprüchlichen Verhaltens bestehen bleiben. Im Beförderungsauswahlverfahren kann auch regelmäßig nicht den notwendigen disziplinarrechtlichen Feststellungen vorgegriffen werden. Es bleibt der Klärung durch den Disziplinarvorgesetzten, der nicht zwingend identisch mit demjenigen ist, der die Beförderungsauswahl zu treffen hat, in den eigenständigen Verfahren nach dem Thüringer Disziplinargesetz vorbehalten, festzustellen, ob der Vorwurf eines Dienstvergehens in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht begründet ist. Diese Klärung kann nicht außerhalb der disziplinarischen Zuständigkeit und des Disziplinarverfahrens erfolgen.

Es liegt hier auch nicht ein besonders gelagerter Fall vor, der eine andere Bewertung gebietet. So war zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung für die zuständige Stelle nicht offensichtlich erkennbar, dass kein Dienstvergehen - und daraus herrührende Eignungszweifel - nachweisbar ist. Der Disziplinarvorwurf war zum einen in tatsächlicher Hinsicht noch offen. Allein der Vortrag der Antragstellerin spätestens mit Schriftsatz vom April 2006, die streitige Datei auf ihrem Dienst-PC überhaupt nicht geöffnet und weitergeleitet zu haben, führte zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung im Juni 2006 nicht zur Gegenstandslosigkeit des Vorwurfs. Weiterhin sprachen die vorhandenen Empfangs- und Sendelisten des Dienst-PC der Antragstellerin gegen diese Darstellung und begründeten konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht eines Dienstvergehens und die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen.

Den vorgehaltenen Verfehlungen, deren Nachweisbarkeit unterstellt, können zum anderen auch in rechtlicher Hinsicht nicht ohne weiteres jede disziplinarische Bedeutung abgesprochen werden. Zwar ist der disziplinarische Vorwurf insbesondere nach Einstellung des strafgerichtlichen Verfahrens und damit einhergehend dem Fallenlassen des Vorwurfs der Verbreitung pornografischer Darstellungen als eher gering einzuschätzen. Gleichwohl besteht der begründete Verdacht eines Dienstvergehens. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf verwiesen, dass hier möglicherweise die Pflicht des Beamten, sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes nach der Achtung und dem Vertrauen auszurichten, die sein Beruf erfordert (§ 57 Satz 3 ThürBG), verletzt ist. Die Versendung einer Datei, in der ein unbekleideter Schwarzafrikaner mit einem überdimensionierten Geschlechtsteil dargestellt wird, entspricht offensichtlich nicht der Erwartung an das dienstliche Verhalten eines Beamten. Insoweit wird auf die Ausführung des Verwaltungsgerichts Bezug genommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ausgehend hiervon liegt es auch nicht auf der Hand, eine disziplinarrechtlich unerhebliche Bagatellverfehlung anzunehmen. Es ist auch im Auswahlverfahren nicht offensichtlich, dass ein solches Dienstvergehen folgenlos sein wird. Zwar ist angesichts der Gesamtumstände der möglichen Tat und der Persönlichkeit der Antragstellerin durchaus offen, ob mit einer Disziplinarmaßnahme zu rechnen ist. Insoweit wird zu berücksichtigen sein, dass die Antragstellerin bislang disziplinarrechtlich nicht vorbelastet ist und die Beurteilungen ihr ein gutes Leistungs- und Eignungsurteil ausstellen. Ein Freispruch der Antragstellerin ist aber nicht zwingend. Es muss der Bewertung im Disziplinarverfahren vorbehalten sein, ob unter Abwägung aller Umstände - auch möglicherweise unter Berücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte - eine Disziplinarmaßnahme zu verhängen sein wird. Die Eignungszweifel sind damit noch nicht ausgeräumt.

Eine - unterstellte - fürsorgewidrige Verzögerung des Disziplinarverfahrens führt auch nicht dazu, dass der Dienstherr verpflichtet ist, die Beförderungsentscheidung bis zum Abschluss der disziplinarischen Untersuchungen hinauszuschieben. Eine solche - von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren auch nicht substantiiert vorgetragene - Forderung verkennt, dass die Beförderungsauswahl in erster Linie dem öffentlichen Interesse an bestmöglicher Besetzung einer freien Stelle dient, was auch das Interesse an einer zeitnahen Entscheidung bei Besetzbarkeit der Stelle einschließt. Aus der Fürsorge des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten, die nur im Rahmen des zurzeit bekleideten Amtes besteht, folgt demgegenüber kein Rechtanspruch auf Beförderung (vgl. hierzu OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. Februar 1994 - 2 M 221/94 -, a. a. O.; Fürst/Mühl, GKÖD Bd. 1, Teil 2a Beamtenrecht, 3. Lfg. 1996, K § 23 Rz. 13 m. w. N.; Schnellenbach, a. a. O., Rz. 65 f.).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen. Dieser hat im Beschwerdeverfahren weder einen Antrag gestellt noch in der Sache Stellung genommen mit der Folge, dass er sich einem Kostenrisiko nicht ausgesetzt hat (vgl. §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 1 i. V. m. §§ 47, 53 Abs. 3 Nr. 1 und 52 Abs. 5 Satz 2 GKG. Insoweit wird auf die Gründe der Streitwertfestsetzung der ersten Instanz Bezug genommen.

Ende der Entscheidung

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