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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 27.06.2006
Aktenzeichen: 2 EO 793/05
Rechtsgebiete: AMG, ApoG, ApBetrO, WvGO, ThürHeilBG


Vorschriften:

AMG § 69 Abs. 1
ApoG § 11a
ApBetrO § 24
WvGO § 146 Abs. 4 S. 6
ThürHeilBG § 5 Abs. 2
Die landesrechtliche Ermächtigungsnorm, wonach die Landesapothekenkammer ihre Mitglieder betreffende Verwaltungsakte, insbesondere auch zur Durchsetzung von deren Berufspflichten, erlassen kann, wird in ihrem Anwendungsbereich, soweit es die Durchsetzung unmittelbar geltender gesetzlicher Verpflichtungen der Apotheker betrifft, durch die bundesrechtlich vorrangige und inhaltlich speziellere Norm des § 69 Abs. 1 AMG eingeschränkt.

Die derzeitige Rechtslage, nach der einerseits der Verordnungsgeber in den Fällen der Rezeptsammelstellen ein den Wettbewerb zwischen den Apotheken weitgehend ausschließendes System geschaffen, andererseits der Gesetzgeber neuerdings mit dem Versandhandel einen verstärkten Wettbewerb in neuen Formen des Arzneimittelhandels zugelassen hat, ist nicht frei von Widersprüchen. Jedenfalls ist es angesichts dieser gesetzlichen Neuordnung fraglich, inwieweit die mit der Monopolisierung der Annahme von Rezepten in den Fällen des § 24 Apothekenbetriebsordnung einhergehende Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit anderer Apotheker noch mit Gemeinwohlinteressen sachlich zu rechtfertigen ist.


THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 2. Senat - Beschluss

2 EO 793/05 In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Rechts der freien Berufe einschl. Kammerrecht hier: Beschwerde nach §§ 80, 80a VwGO

hat der 2. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Graef und die Richter am Oberverwaltungsgericht Bathe und Dr. Hinkel am 27. Juni 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Weimar vom 3. Juni 2005 - 8 E 382/05 We - wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 16. März 2005 gegen die Anordnung unter Ziffer 1. in der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 11. März 2005 wird wiederhergestellt und gegen die Androhung der Ersatzvornahme unter Ziffer 2. angeordnet.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens ohne die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Untersagung der Antragsgegnerin, eine Rezeptsammelstelle in der Gemeinde C zu unterhalten.

Der Antragsteller ist Inhaber der W___apotheke in G und durch Bescheid des Thüringer Landesamtes für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz vom 24. November 2004 in Besitz einer Erlaubnis zum Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln. Der Beigeladene leitet die A____apotheke in O .

Bis zum 31. Dezember 2004 unterhielt der Antragsteller eine Rezeptsammelstelle in Form eines Briefkastens mit entsprechendem Aufdruck am Gebäude der Filiale der Kreissparkasse in der Gemeinde C , K . Mit Bescheid vom 8. September 2004 genehmigte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2006 den Betrieb einer Rezeptsammelstelle in der Gemeinde C , R , sowie dem Antragsteller für den Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis 31. Dezember 2007 den Betrieb einer solchen in der Gemeinde C , K .

Seit dem 1. Januar 2005 unterhielt der Beigeladene die Rezeptsammelstelle ebenfalls in Form eines Briefkastens zunächst am Gebäude der Kreissparkasse in C , hängte diesen aber im Verlauf des vorliegenden Verfahrens an die im Genehmigungsbescheid benannte Stelle um. Der Antragsteller beließ seinen Briefkasten an dem Gebäude der Kreissparkasse. Durch einen Aufkleber verwies er darauf, dass die W____apotheke G als Versandapotheke zugelassen sei und Arzneimittel und andere Apothekenprodukte durch Einwurf in den Briefkasten bestellt werden könnten.

Nach Anhörung des Antragstellers erließ die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 11. März 2005 eine Ordnungsverfügung, mit der sie dem Antragsteller untersagte, bis zum 30. Juni 2006 eine Rezeptsammelstelle in der Gemeinde C zu unterhalten. Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte sie dem Antragsteller ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500,00 € an. Die Anordnung sei bis spätestens 16. März 2005 zu erfüllen. Ferner ordnete sie die sofortige Vollziehung der Ordnungsverfügung an. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin an, dass der Antragsteller durch sein Verhalten gegen die Bestimmungen der Apothekenbetriebsordnung über das Anbringen von Rezeptsammeleinrichtungen verstoße. Die Einführung des Versandhandels habe an der Erlaubnispflicht von Rezeptsammelstellen nichts geändert. Die Verletzung der Apothekenbetriebsordnung stelle zugleich eine Verletzung der Berufspflichten eines Apothekers dar, deren Einhaltung durch die Ordnungsverfügung durchgesetzt werden müsse. Der Sofortvollzug der Verfügung sei im Interesse einer effektiven Durchsetzung der dem Beigeladenen eingeräumten Rechtsposition gerechtfertigt.

Gegen diesen ihm am 11. März 2005 zugestellten Bescheid legte der Antragsteller am 16. März 2005 Widerspruch ein, über den die Antragsgegnerin bislang nicht entschieden hat.

Am 18. März 2005 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Weimar den vorliegenden Rechtsschutzantrag gestellt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, er betreibe in der Gemeinde C keine Rezeptsammelstelle. Der Aushang des Briefkastens sei ihm vielmehr im Rahmen des ihm genehmigten Versandhandels erlaubt.

Er hat sinngemäß beantragt,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 14. März 2005 gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 10. März 2005 wiederherzustellen und gegen die unter Ziff. 2. der Ordnungsverfügung enthaltene Zwangsgeldandrohung anzuordnen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie hat zur Begründung im Wesentlichen die Ausführung des Ausgangsbescheids wiederholt.

Das Verwaltungsgericht Weimar hat mit Beschluss vom 3. Juni 2005 den Antrag abgelehnt. Die Anordnung des Sofortvollzuges sei in noch ausreichender Weise begründet. Es bestehe ein überwiegendes Interesse am Sofortvollzug, da die Ordnungsverfügung offensichtlich rechtmäßig sei. Der Antragsteller habe gegen die Bestimmungen der Apothekenbetriebsordnung und somit zugleich gegen seine Berufspflichten verstoßen. Er betreibe eine Rezeptsammelstelle ohne die erforderliche Erlaubnis. Die erteilte Versandhandelserlaubnis umfasse nicht die Einrichtung einer solchen Rezeptsammelstelle. Auch die Vollstreckungsandrohung sei rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Antragsteller hat gegen diesen ihm am 15. Juni 2005 zugestellten Beschluss beim Verwaltungsgericht Weimar am 29. Juni 2005 Beschwerde eingelegt und diese mit beim Oberverwaltungsgericht am 15. Juli 2005 eingegangenem Schriftsatz begründet. Im Wesentlichen führt er aus, dass die Erlaubnis des Versandhandels auch die Entgegennahmen von Bestellungen in der von ihm betriebenen Art erfasse. Der Gesetzgeber habe durch die Gesetzesänderung neue Vertriebswege eröffnet, die es den Kunden freistelle, sich persönlich zur Apotheke zu begeben oder eine Bestellung und Entgegennahme der Arzneimittel an irgendeinem anderen Ort stattfinden zu lassen. Die Rezeptsammelstelle fördere hingegen eine vom Gesetzgeber nicht mehr gewollte Monopolstellung des Inhabers der Erlaubnis. Die Interessensabwägung der Antragsgegnerin berücksichtige auch allein das Interesse des Mitbewerbers. Ein öffentliches Interesse am Sofortvollzug bestünde aber nicht. Die Anordnung sei auch insoweit rechtswidrig, als in dem von ihm angebrachten Briefkasten nicht nur Rezepte über verschreibungspflichtige Arzneimittel sondern auch Bestellungen anderer apothekenpflichtiger Produkte und sonstiger apothekenüblicher Ware eingeworfen werden könnten, was die Apothekenbetriebsordnung nicht verbiete.

Der Antragsteller beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Weimar vom 3. Juni 2005 wie erstinstanzlich beantragt zu entscheiden.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag und verteidigt den Beschluss des Verwaltungsgerichts.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die gerichtliche Verfahrensakte (ein Band) und die Behördenakte (eine Heftung) Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung waren.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht den vorläufigen Rechtsschutzantrag abgelehnt.

Die Beschwerde ist zulässig (§§ 146 Abs. 4, 147 VwGO). Die Beschwerde genügt vor allem den besonderen Begründungsanforderungen (§ 146 Abs. 4 S. 3 VwGO). So hat der Antragsteller Gründe dargelegt, aus denen nach seiner Auffassung die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben ist.

Die Beschwerde ist auch begründet. Der vom Antragsteller begehrte Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Ordnungsverfügung unter Nr. 1 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 11. März 2005 hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht ist zunächst zu Recht von einer an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes orientierten Interessensabwägung im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ausgegangen. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die erstinstanzliche Entscheidung. Das Verwaltungsgericht nimmt aber dann zu Unrecht die offensichtliche Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Anordnung an. Es spricht bereits einiges dafür, dass die Antragsgegnerin nicht befugt ist, Anordnungen zur Durchsetzung der Bestimmungen über die Rezeptsammelstellen nach der bundesrechtlichen Apothekenbetriebsordnung gegenüber dem Antragsteller zu erlassen. Es bestehen erhebliche Zweifel daran, ob sich die Antragsgegnerin auf eine sie ermächtigende Rechtsgrundlage berufen kann (vgl. 1.). Auch eine weitergehende Interessenabwägung spricht nicht gegen den Erfolg des vorliegenden Antrags (vgl. 2.).

1. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Antragsgegnerin in dem von ihr angenommenen Fall der Verletzung der Bestimmungen der Apothekenbetriebsverordnung nicht entscheidungsbefugt ist. Im Rahmen der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen Klärung der Sach- und Rechtsfragen, an der der Senat hier auch im Beschwerdeverfahren nicht gehindert ist (vgl. a.), spricht viel dafür, dass weder der Anwendungsbereich der von der Antragsgegnerin zitierten berufsrechtlichen Eingriffsnorm eröffnet (vgl. b.) noch nach der anzuwendenden arzneimittelrechtlichen Befugnisnorm nach § 69 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) eine Zuständigkeit der Antragsgegnerin begründet ist. Zuständig ist vielmehr das Thüringer Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz (vgl. c.).

a. Dem Senat ist eine entsprechende Überprüfung, die im Beschwerdeverfahren grundsätzlich auf die in der Beschwerdebegründung geltend gemachten Gründe beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO), nicht verwehrt. Zwar rügt der Antragsteller ausdrücklich nur, dass eine Voraussetzung der von der Antragsgegnerin und dem Verwaltungsgericht angenommenen Rechtsgrundlage nach § 5 Abs. 2 ThürHeilbG nicht vorläge, nämlich die Verletzung von Berufspflichten durch das streitige Anbringen eines Briefkastens zum Einwurf von Rezepten und Bestellungen anderer Apothekenprodukte. Dieser Vortrag setzt aber zwingend die Prüfung des Anwendungsbereichs der von der Behörde und der Vorinstanz zu Grunde gelegten Rechtsgrundlage voraus.

b. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Antragsgegnerin nicht nach § 5 Abs. 2 ThürHeilBG zum Einschreiten gegenüber dem Antragsteller befugt ist.

Zwar kann die Antragsgegnerin nach § 5 Abs. 2 ThürHeilBG ihre Mitglieder betreffende Verwaltungsakte, insbesondere auch zur Durchsetzung von Berufspflichten, erlassen. Zu diesen Berufspflichten der Apotheker gehört neben anderen die Befolgung der für die Ausübung des Berufes geltenden Gesetze und Verordnungen (§ 4 Abs. 1 Satzung der Antragsgegnerin vom 15. Juni 1999, § 3 Berufsordnung der Antragsgegnerin vom 17. September 1997), also auch der Apothekenbetriebsordnung und der darin enthaltenen Bestimmungen über die Rezeptsammelstellen (§ 24 Apothekenbetriebsordnung).

Die landesrechtliche Ermächtigungsnorm wird aber in ihrem Anwendungsbereich, soweit es die Durchsetzung unmittelbar geltender gesetzlicher Verpflichtungen der Apotheker betrifft, durch die bundesrechtlich vorrangige und inhaltlich speziellere Norm des § 69 Abs. 1 AMG eingeschränkt. Nach dieser Bestimmung ist die - nach Landesrecht zu bestimmende - zuständige Behörde zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen berufen. Der Anwendungsbereich dieser Ermächtigungsnorm ist im vorliegenden Fall eröffnet. Er ist nicht beschränkt auf Verstöße gegen das Arzneimittelrecht, sondern erfasst ebenso Verstöße gegen das Apothekengesetz und die dieses Gesetz ergänzenden Verordnungen wie die Apothekenbetriebsordnung (vgl. hierzu eingehend: BVerwG, Beschluss vom 22.01.1998 - 3 C 6.97 -, BVerwGE 106, 141; insoweit ausdrücklich bestätigend: BVerwG, Beschluss vom 14.04.2005 - 3 C 9.04 -, DVBl 2005, 1340; vgl. zuletzt auch: VG Düsseldorf, Urteil vom 25.01.2006 - 16 K 5720/04 -, zit. n. juris; OVG NW, Beschluss vom 19.08.2005 - 13 B 426/05 -, DVBl. 2006, 127).

§ 5 Abs. 2 ThürHeilBG gelangt auch nicht unter dem Gesichtspunkt zur Anwendung, dass diese Norm der Durchsetzung von Berufspflichten dient. Es liegt keine gegenüber der arzneimittelrechtlichen Eingriffsbefugnis speziellere oder eine andere Regelungsmaterie betreffende Befugnisnorm vor. In dem Fall der Durchsetzung einer Berufspflicht, die gleichzeitig eine arzneimittelgesetzliche Verpflichtung im Sinne des § 69 AMG darstellt, sind die tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Bewertungen der Kammeraufsicht identisch mit denen, die die zur Apothekenaufsicht berufene Behörde zu treffen hat. Der Entscheidung über das Tätigwerden nach beiden Ermächtigungen liegt die Feststellung der Verletzung derselben Norm und ein identischer Prüfungsmaßstab und -umfang zu Grunde und führt zu derselben Entscheidung, nämlich ob und in welchem Umfang Anordnungen zur zukünftigen Einhaltung der Verpflichtung zu treffen sind. Aus der Anwendung beider Normen würde daher eine vom Gesetzgeber grundsätzlich nicht gewollte konkurrierende Zuständigkeit verschiedener Behörden folgen. In dieser Konkurrenzlage hat die bundesgesetzliche Bestimmung der Apothekenaufsicht den Vorrang.

c. Zuständige Behörde nach § 69 Abs. 1 AMG ist in Thüringen aber das Thüringer Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz (§ 1 Thüringer Verordnung über die Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Arzneimittelrechts vom 10.09.2000 - GVBl. S. 309 -). Daran ändert auch nichts, dass die Antragsgegnerin zum einen berufen ist, nach den Bestimmungen der Apothekenbetriebsordnung die Erlaubnis zu erteilen, Rezeptsammelstellen zu unterhalten (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 ThürHeilBG), und zum anderen bei Verstoß gegen diese Bestimmungen ein Ordnungswidrigkeitsverfahren durchführen kann (§ 3 Abs. 2 Thüringer Verordnung über die Zuständigkeiten nach dem Gesetz über das Apothekenwesen und nach der Apothekenbetriebsordnung vom 04.06.1993 - GVBl. S. 346). Nach dem eindeutigen Wortlaut der Thüringer Verordnung über die Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Arzneimittelrechts werden ihr aber keine Befugnisse im vorbeschriebenen Anwendungsbereich des allein einschlägigen § 69 Abs. 1 AMG übertragen. Eine solche Zuständigkeitsübertragung mag sachlich wünschenswert sein; sie ist aber nicht Gesetzeslage.

2. Sprechen somit gewichtige Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Maßnahme, überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers gegenüber dem Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehbarkeit der Grundverfügung. Diese wird auch nicht durch andere Gesichtspunkte gerechtfertigt. So führt insbesondere das nunmehr zu duldende Verhalten des Antragstellers - ungeachtet der hier nicht zu klärenden Rechtmäßigkeit nach § 24 Apothekenbetriebsordnung - nicht zu einer Gefährdung der Sicherheit der Arzneimittelversorgung oder von sonstigen Gesundheitsbelangen. Der Antragsteller, dessen Zuverlässigkeit von keinem Beteiligten angezweifelt wird, betreibt die Sammelstelle im Rahmen des ihm erlaubten und in besonderer Weise reglementierten Versandhandels, der hinsichtlich der Übermittlung der Arzneimittel von der Apotheke zum Kunden erheblich strengeren Bedingungen unterworfen ist als diese für Apotheken gelten, die eine Rezeptsammelstelle unterhalten (vgl. insoweit § 11 a Gesetz über das Apothekenwesen und § 24 Abs. 4 Apothekenbetriebsordnung).

Auch die beruflichen Interessen des Beigeladenen führen zu keinem anderen Abwägungsergebnis. Ungeachtet dessen, inwieweit die Bestimmungen über die Rezeptsammelstellen erwerbswirtschaftliche Interessen von betroffenen Apothekern überhaupt schützen können, hat weder der Beigeladene noch die Antragsgegnerin aufgezeigt, in welchem konkreten Umfang diese Interessen gefährdet sind. Darüber hinaus ist die derzeitige Rechtslage zu den Strukturen der Vertriebswege in der Beziehung vom Kunden zum Apotheker nicht frei von Widersprüchen. Einerseits hat der Verordnungsgeber in den Fällen der Rezeptsammelstellen ein den Wettbewerb zwischen den Apotheken weitgehend ausschließendes System geschaffen; andererseits hat der Gesetzgeber neuerdings mit dem Versandhandel einen verstärkten Wettbewerb in neuen Formen des Arzneimittelhandels zugelassen. Er hat - so auch über das Internet - Vertriebswege eröffnet, die es dem Kunden freistellen, ob er sich auf den Weg zur Apotheke macht oder ob er Bestellungen und Entgegennahmen der Arzneimittel an irgendeinem anderen Ort stattfinden lässt (vgl. BT-Drucksache 15/1525, S. 165; BVerwG, Urteil vom 14.04.2005 - 3 C 9.04 -, NVwZ 2005, 1198; NiedersOVG, Beschluss vom 03.11.2004 - 8 ME 80/04 -, NVwZ-RR 2005, 468). Jedenfalls ist es angesichts dieser gesetzlichen Neuordnung fraglich, inwieweit die mit der Monopolisierung der Annahme von Rezepten in den Fällen des § 24 Apothekenbetriebsordnung einhergehende Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit anderer Apotheker noch mit Gemeinwohlinteressen sachlich zu rechtfertigen ist. Sie dürfte wohl überholt sein. Eine Gefährdung des hier vorrangig zu berücksichtigenden Schutzgutes der Sicherheit der Arzneimittelversorgung ist dann aber bei Zulassung mehrerer Rezeptsammelstellen in einem bestimmten Ort nicht ohne weiteres zu erkennen (vgl. zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen: BVerfG, Urteil vom 16.01.2002 - 1 BvR 1236/99 -, BVerfGE 104, 357 und Beschluss vom 11.02.2003 - 1 BvR 1972/00 -, BVerfGE 107, 186).

3. War mithin die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die streitgegenständliche Ordnungsverfügung wiederherzustellen, war in der Folge auch die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs gegen die Androhung eines Zwanggeldes für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Ordnungsverfügung anzuordnen, da die Vollstreckungsverfügung nicht mehr zur Anwendung gelangt, wenn die Grundverfügung nicht mehr sofort durchsetzbar ist.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Dem Beigeladenen waren keine Kosten aufzuerlegen, da er keine Anträge gestellt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), demzufolge entsprach es auch nicht billigem Ermessen, seine außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu erklären (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 i. V. m. §§ 47, 53 Abs. 3 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG. Insoweit nimmt der Senat auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts in der angegriffenen Entscheidung Bezug.

Hinweis: Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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