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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 04.03.2004
Aktenzeichen: 3 KO 1149/03
Rechtsgebiete: ThürAGBSHG, BSHG, SGB I, SGB X, WoZuG


Vorschriften:

ThürAGBSHG § 1 S. 2
BSHG § 107
BSHG § 111 Abs. 2
BSHG § 11 Abs. 1 S. 2
SGB I § 30 Abs. 3
SGB X § 111
WoZuG § 3 a
WoZuG § 3 b
1. Ein - bei wiederkehrenden Leistungen auch zukünftig entstehender - Kostenerstattungsanspruch nach § 107 BSHG kann gemäß § 111 SGB X fristgerecht von bzw. bei derjenigen Gemeinde geltend gemacht werden, die im Wege eines gesetzlichen Auftragsverhältnisses nach § 96 Abs. 1 S. 2 BSHG i. V. m. dem landesrechtlichen Ausführungsgesetz vom örtlichen Träger der Sozialhilfe zur Durchführung von Aufgaben der Sozialhilfe herangezogen worden ist.

2. Schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand einer bestimmten Rechtslage kann zwischen Behörden, die Kostenerstattungsansprüchen aus § 107 BSHG ausgesetzt sind, nicht betroffen sein.

3. Die mit Wirkung zum 1. August 1996 eingefügte Bagatellregelung des § 111 Abs. 2 S. 2 BSHG gilt grundsätzlich auch für Kostenerstattungsansprüche gemäß § 107 BSHG, denen vor In-Kraft-Treten der Bagatellgrenze beendete Leistungszeiträume zugrunde liegen.


THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 3. Senat - Im Namen des Volkes Urteil

3 KO 1149/03

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Sozialhilferechts,

hier: Berufung

hat der 3. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Lindner, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schwachheim und die an das Gericht abgeordnete Richterin am Verwaltungsgericht Mößner

auf die mündliche Verhandlung vom 4. März 2004 für Recht erkannt:

Tenor:

Das Berufungsverfahren wird eingestellt, soweit die Berufung zurückgenommen worden ist. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des - gerichtskostenfreien - Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Beklagte wendet sich im Berufungsverfahren gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 29. Mai 2001 - 6 K 992/97 GE -, mit dem er zur Erstattung von Sozialhilfekosten verurteilt worden ist, die der Kläger für die Spätaussiedlerfamilie A leistete.

Die Eheleute ... und A sowie ihr gemeinsamer Sohn ... reisten am 2. Mai 1994 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie wurden dem Freistaat Thüringen zugewiesen, wo sie vom 20. Mai bis 4. November 1994 in einem Übergangswohnheim im Kreisgebiet des Beklagten lebten. Der Beklagte gewährte der Familie nach Auslaufen der Eingliederungshilfe ab 1. November 1994 Hilfe zum Lebensunterhalt.

Am 5. November 1994 verzog die Familie in das Gebiet der Stadt Brakel, die im Kreisgebiet des Klägers liegt. Die Stadt Brakel hatte sich in einem an eine Verwandte der A, die für die Familie Wohnraum bereits angemietet haben sollte, gerichteten Schreiben vom 29. August 1994 bereit erklärt, die Familie A für den Fall der Zuweisung und Anrechnung auf die Aufnahmequote der Stadt im Rahmen der Familienzusammenführung aufzunehmen. Sie gewährte den Eheleuten und dem Kind als sog. Delegationsgemeinde des Klägers mit Bescheid vom 7. Dezember 1994 ab 7. November 1994 Hilfe zum Lebensunterhalt nebst einmaligen Beihilfen.

A erhielt ab Januar 1995 Leistungen aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) und nahm ab 1. August 1996 eine Erwerbstätigkeit auf; ebenso ab diesem Zeitpunkt erhielt A im Rahmen einer Umschulungsmaßnahme Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz.

Die im Zeitraum 7. November 1994 bis 31. Juli 1996 aufgewandten Sozialhilfekosten betragen insgesamt 8.122,87 DM. Auf A entfallen 2.149,31 DM, und zwar für November 1994 bis Januar 1995 2.027,31 DM und im Dezember 1995 eine einmalige (Weihnachts-)Beihilfe in Höhe von 122,00 DM; für seine Ehefrau ... wurden insgesamt 5.007,49 DM (im Zeitraum November 1994 bis Oktober 1995 3.668,83 DM und von November 1995 bis Juli 1996 1.338,66 DM) sowie für das gemeinsame Kind ... 966,07 DM (von November 1994 bis Februar 1995 905,07 DM und im Dezember 1995 eine einmalige Beihilfe in Höhe von 61,00 DM) aufgewandt.

Bereits mit Schreiben vom 7. Dezember 1994 meldete die Stadt Brakel die Kostenerstattung gem. § 107 BSHG für die ab November 1994 beantragten Sozialhilfeleistungen für die Spätaussiedlerfamilie A beim Beklagten an. Die Kostenerstattung lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 20. Dezember 1994 mit der Begründung ab, Spätaussiedler könnten in einem Übergangswohnheim keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründen. Nachdem auch eine Erinnerung der Stadt Brakel zur Kostenerstattung im Januar 1996 erfolglos geblieben war, wandte sich der Kläger am 13. Februar 1996 unter Bezugnahme auf das Schreiben seiner sog. Delegationsnehmerin, der Stadt Brakel, selbst an den Beklagten mit der Bitte, im Hinblick auf die anstehende höchstrichterliche Klärung der Streitfrage des gewöhnlichen Aufenthalts von Spätaussiedlern in einem Übergangswohnheim auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Dem entsprach der Beklagte nicht.

Der Kläger hat am 20. Juni 1997 beim Verwaltungsgericht Gera Klage erhoben.

Er hat im Wesentlichen vorgetragen, die mit Umzug der Familie A am 5. November 1994 und Bewilligung von Sozialhilfe ab dem 7. November entstandene Hilfebedürftigkeit sei auch nicht während des Bezuges von Leistungen aus dem ESF entfallen. Die Spätaussiedler hätten im Übergangswohnheim des Beklagten ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründet, da sie dort für 5 Monate und 16 Tage gelebt haben. Die Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 Satz 2 BSHG sei in der zum 1. August 1996 in Kraft getretenen Fassung anzuwenden.

Der Kläger hat unter Bezugnahme auf die von ihm eingereichte Kostenaufstellung beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 8.122,87 DM für die in der Zeit vom 7. November 1994 bis 31. Juli 1996 geleistete Hilfe zum Lebensunterhalt für ..., ... und A nebst 9,26 % Zinsen seit dem 20. Juni 1997 zu erstatten.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Spätaussiedler könnten in einem Übergangwohnheim keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründen. Im Übrigen sei die Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 BSHG a. F. von 5.000,00 DM pro Person im maßgeblichen Zeitraum 7. November 1994 bis 31. Juli 1996 nicht überschritten.

Das Verwaltungsgericht Gera hat ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 29. Mai 2001 - 6 K 992/97 GE - den Beklagten zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 8.122,87 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20. Juni 1997 verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Erstattungsanspruch bei Umzug (§ 107 BSHG) sei vorliegend gegeben, da die Mitglieder der Familie A im Erstattungszeitraum im Übergangswohnheim des Beklagten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs begründet hätten und binnen eines Monats nach ihrem Umzug der Hilfe bedurften. Die Hilfebedürftigkeit sei bezüglich A im Erstattungszeitraum durchgängig gegeben gewesen. Da der Kläger für diese im Zeitraum 7. November 1994 bis 31. Juli 1996 über 5.000,00 DM geleistet habe, spiele die Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 S. 1 BSHG für sie keine Rolle.

Etwas anderes gelte zwar für ... und ..., deren Hilfeleistungen jeweils unter der Bagatellgrenze lägen. Bezogen auf die Familie überschritten die Leistungen insgesamt jedoch die Bagatellgrenze und seien daher zu erstatten. Denn zugunsten des Klägers greife Satz 2 der Norm, eingefügt durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juni 1996, in Kraft getreten zum 1. August 1996, ein. § 111 Abs. 2 S. 2 BSHG in der zum 1. August 1996 in Kraft getretenen Fassung beziehe sich auch auf vor diesem Zeitpunkt liegende Erstattungsforderungen, sofern diese im Streit geblieben seien. Dies ergebe sich bereits aus der Gesetzesüberschrift, wonach diese Vorschrift den Umfang der Kostenerstattung regele. § 111 Abs. 2 S. 2 BSHG stelle weder einen Ausschlusstatbestand noch eine materiell-rechtliche Einrede dar, sondern regele, in welcher Höhe Kostenerstattungsansprüche durchsetzbar seien. Es sei daher eine Vorschrift des Verfahrensrechts und erfasse alle noch nicht abgeschlossenen Rechtsverhältnisse. Die zur Problematik der Rückwirkung von Gesetzen entwickelte Rechtsprechung greife mangels Vertrauensschutz des Beklagten nicht ein. Mit der zum 1. August 1996 in Kraft getretenen Gesetzesfassung habe das Redaktionsversehen bei der Einfügung von S. 1 der Vorschrift beseitigt werden sollen. Denn mit der Anhebung der Bagatellgrenze von 400,00 DM auf 5.000,00 DM in § 111 Abs. 2 S. 1 BSHG durch das Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993 sei die Auswirkung der Neuregelung auf Bedarfsgemeinschaften nicht bedacht worden, so dass Satz 2 der Norm eingefügt worden sei. Der Zinsanspruch in Höhe von 4 % ergebe sich aus § 288 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. § 291 BGB entsprechend. § 288 Abs. 1 S. 1 BGB in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 30. März 2000, wonach eine Geldschuld während des Verzuges für das Jahr mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskont-Überleitungs-Gesetzes vom 9. Juni 1998 zu verzinsen sei, finde nach Art. 229 § 1 Abs. 1 S. 3 EGBGB nur auf solche Geldschulden Anwendung, die seit dem 1. Mai 2000 fällig geworden seien.

Gegen das dem Beklagten am 19. Juli 2001 zugestellte Urteil hat dieser am 9. August 2001 die Zulassung der Berufung wegen Divergenz beantragt und diesen Antrag unter Hinweis auf § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO dahin gehend begründet, das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera weiche hinsichtlich der Geltung von § 111 Abs. 2 S. 2 BSHG von dem Urteil des ThürOVG vom 12. September 2000 - 2 KO 38/96 - ab und beruhe darauf auch.

Der Senat hat die Berufung mit Beschluss vom 28. November 2003 - 3 ZKO 540/01 -wegen Divergenz gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4, § 124a VwGO a. F. zugelassen. Der Beschluss ist dem Beklagten am 5. Dezember 2003 zugestellt worden.

Der Beklagte begründet die Berufung mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2003 dahin gehend, die Auslegung des § 111 Abs. 2 S. 2 BSHG durch das Verwaltungsgericht widerspreche dem Willen des Gesetzgebers. Zwingend sei eine Übergangsvorschrift gefordert.

Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch den Vorsitzenden des Senats bis zum 19. Januar 2004 führt der Beklagte mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz ergänzend aus:

Er mache sich die Rechtsprechung des 2. Senats des ThürOVG (Urteil vom 12. September 2000 - 2 KO 38/96 -) und des VG Magdeburg in seinem Urteil vom 9. Februar 1999 - 6 K 579/97 - zu Eigen und nehme auf seinen Zulassungsantrag Bezug. Vorliegend sei der Leistungszeitraum zum 31. Juli 1996 beendet, somit am 1. August 1996 abgeschlossen und der Erstattungsanspruch schon entstanden gewesen. Die rechtliche Beurteilung abgeschlossener Sachverhalte richte sich grundsätzlich nach dem Recht, das im Zeitpunkt der in der Vergangenheit liegenden oder eingetretenen Tatsachen Geltung besessen habe. Es sei somit rechtlich unbeachtlich, ob der Erstattungsanspruch zwischen Sozialhilfeträgern über einen Gesetz gewordenen Stichtag hinaus weiter in Streit geblieben sei. Folglich greife § 111 Abs. 2 S. 2 BSHG in der alten Fassung ein. Allein aus der Überschrift und der Stellung einer Regelung im Gesetz könne nicht der Schluss auf eine verfahrensrechtliche Vorschrift gezogen werden. Für die Zuordnung einer Vorschrift zum Verfahrens- oder materiellen Recht sei allein deren Regelungsgehalt maßgeblich. Da nach § 111 BSHG nur aufgewendete Kosten zu erstatten seien, soweit die Hilfe dem Gesetz entspreche, sei bei Erstattungsansprüchen stets die materielle Rechtmäßigkeit der Sozialhilfegewährung im Zeitpunkt der Leistung zu prüfen. Auf die Entstehungsgeschichte und den Willen des Gesetzgebers komme es bei der Auslegung nicht entscheidend an. Daher gehe die Auffassung des Gerichts, der Gesetzgeber habe S. 2 der Norm zum 1. August 1996 gerade ohne Übergangsvorschrift eingefügt, um den erstattungsberechtigten Sozialhilfeträgern die Geltendmachung ihrer vor diesem Datum entstandenen Erstattungsansprüche durch Teilhabe an einer günstigeren Regelung quasi zu erleichtern, fehl. Es werde nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt mit der Folge eingegriffen, dass ein Erstattungsanspruch wieder auflebe. Dies verstoße jedoch gegen das Gebot der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes, auf das sich auch der Beklagte berufen könne. Er müsse seine Haushaltswirtschaft verlässlich planen und müsse sich daher auf geltendes Recht verlassen können. Sein insoweit schützenswertes Vertrauen schließe ein, von belastenden Eingriffen mit Rückwirkung und den daraus resultierenden Zahlungsverpflichtungen verschont zu bleiben. Das Urteil sei daher insoweit aufzuheben, als der Beklagte um einen 5.000,00 DM übersteigenden Betrag bzw. in Höhe der an ... und A geflossenen Leistungen verurteilt worden sei.

Mit Schriftsatz vom 11. Februar 2004 hat der Beklagte die Berufung insoweit zurückgenommen, als sie sich gegen die Verurteilung zur Erstattung der für A aufgewandten Sozialhilfeleistungen in Höhe von 5.007,49 DM gerichtet hat.

Der Beklagte beantragt nunmehr,

unter entsprechender Abänderung des ohne mündliche Verhandlung ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Gera vom 29. Mai 2001 - 6 K 992/97 GE - die Klage abzuweisen, soweit ein Betrag von mehr als 5.007,49 DM mit 4 % Zinsen gefordert wird.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er führt aus: Da auf eine Übergangsregelung verzichtet worden sei, gelte die Neuregelung in § 111 Abs. 2 S. 2 BSHG ab In-Kraft-Treten auch für zuvor abgeschlossene Leistungszeiträume. Aus der Überschrift der Norm und ihrem Sinn und Zweck sei klar erkennbar, dass der Abs. 2 keine materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Entstehung regele. Es handele sich um eine bloße Verfahrensvorschrift, die die gerichtliche Durchsetzbarkeit des Anspruchs betreffe und verhindern wolle, dass für relativ geringe Zahlungsleistungen ein überproportionaler Bürokratieaufwand betrieben werde. Auf Vertrauensschutz könne sich der Beklagte nicht berufen, da die Rechtsprechung zur Rückwirkung von Gesetzen allein dem Schutz des Bürgers gegen den Staat diene, nicht jedoch einem Sozialhilfeträger, der selbst Teil des Staates sei. Vertrauensschutzgesichtspunkte hätten auch in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. März 1993 - 5 C 6/91 -, wonach die zum 1. Juli 1983 ohne Übergangsregelung in Kraft getretene Ausschlussfrist des § 111 SGB X auch auf zuvor entstandene Erstattungsansprüche anzuwenden sei, keine Rolle gespielt.

Bezüglich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs des Klägers (Beiakte I) und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakten II und III) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsverfahren ist nach §§ 125 Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 3 S. 1 VwGO einzustellen, soweit der Beklagte seine Berufung zurückgenommen hat.

Im Übrigen ist die vom Senat zugelassene Berufung zulässig, die sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 29. Mai 2001 - 6 K 992/97 GE - nur noch insoweit richtet, als der Beklagte darin zur Erstattung der für ... und ... A aufgewandten Sozialhilfekosten in Höhe von 3.115,38 DM nebst Zinsen verurteilt worden ist. Das Rechtsmittel ist nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch den Vorsitzenden des Senats (§ 194 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 124a Abs. 3 S. 3 VwGO a. F.) fristgerecht begründet worden. Die Berufungsgründe entsprechen den formellen Erfordernissen (§ 124a Abs. 3 S. 4 VwGO a. F.).

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Recht verurteilt, die mit der Leistungsklage geltend gemachten Aufwendungen für ... und A aus der Hilfe zum Lebensunterhalt im Zeitraum von November 1994 bis Juli 1996 zu erstatten.

Anspruchsgrundlage für die begehrte Kostenerstattung ist § 107 Abs. 1 BSHG in der Fassung vom 23. März 1994 (BGBl. I S. 646), gültig ab 1. Januar 1994. Danach gilt: Verzieht eine Person vom Ort ihres bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts, ist der Träger der Sozialhilfe des bisherigen Aufenthaltsortes verpflichtet, dem nunmehr zuständigen örtlichen Träger der Sozialhilfe die dort erforderlich werdende Hilfe außerhalb von Einrichtungen im Sinne des § 97 Abs. 2 S. 1 zu erstatten, wenn die Person innerhalb eines Monats nach dem Aufenthaltswechsel der Hilfe bedarf. Gemäß Abs. 2 S. 1 der Norm entfällt diese Verpflichtung, wenn für einen zusammenhängenden Zeitraum von zwei Monaten keine Hilfe zu gewähren war. Sie endet spätestens nach Ablauf von zwei Jahren seit dem Aufenthaltswechsel (§ 107 Abs. 2 S. 2 BSHG).

Die Voraussetzungen nach Abs. 1 der Norm sind erfüllt. Das hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil näher ausgeführt und darauf nimmt der Senat Bezug.

Entgegen den Bedenken des Beklagten hat die Spätaussiedlerfamilie mit ihrem Zuzug am 4. November 1994 in den Zuständigkeitsbereich des Klägers auch einen Wohnsitz i. S. d. § 30 Abs. 3 SGB I aufgegeben.

Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 18. März 1999- 5 C 11/98 - NVwZ-RR 1999, 583 = FEVS 49, 434 (vorgehend ThürOVG, Grundurteil vom 1. Juli 1997 - 2 KO 38/96 - ThürVBl. 1997, 279) ausgeführt hat, ist zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts ein dauerhafter oder längerer Aufenthalt nicht erforderlich; es genüge vielmehr, dass sich der Betreffende am Ort "bis auf weiteres" im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhält und dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat. Die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem Übergangswohnheim setzt nicht - positiv - voraus, dass der Spätaussiedler bei Bezug der Unterkunft erklärt hat, auch nach Verlassen des Übergangswohnheimes am Zuweisungsort bleiben zu wollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 1999 - 5 C 21/98 - FEVS 51, 385). Die zeitliche Dauer des Aufenthalts ist somit nicht allein maßgeblich; auch bei einem Aufenthalt von kürzerer Dauer kann ohne gegenteilige Anhaltspunkte grundsätzlich ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet werden (vgl. Sächsisches OVG, Beschluss vom 22. September 1999 - 1 S 761/98 - FEVS 52, 113; OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 11. Mai 2000 - 12 A 10908/99 - FEVS 53, 41, vom 17. August 2000 - 12 A 10912/99 - FEVS 53, 171, vom 25. Juli 2003 - 12 A 10656/03 -, zitiert nach Juris, und Beschluss vom 22. Januar 2002 - 12 A 11101/01 - FEVS 53, 475), auch wenn andererseits ein längerer Aufenthalt grundsätzlich ein Verbleiben bis auf weiteres zu indizieren vermag, wie angemerkt sei. Das Verwaltungsgericht hat in Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 1999 - 5 C 21/98 - a.a.O. sowie Beschluss vom 24. Januar 2000 - 5 B 211/99 - Buchholz 436.0 § 107 BSHG Nr. 3 = FEVS 51, 389; ferner BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2001 - 5 C 3/00 - NVwZ-RR 2002, 284 = FEVS 53, 200) das objektive Moment des über einige Monate andauernden Aufenthalts im Gebiet des Beklagten herangezogen.

Die Bestätigung der Stadt Brakel vom 29. August 1994, wonach von einer Verwandten bereits Wohnraum für die Familie in Brakel angemietet worden sein soll, führt zu keiner anderen Beurteilung. Dazu wäre nur dann Anlass, wenn bereits am 20. Mai 1994, dem Zeitpunkt der Aufenthaltsnahme im Übergangswohnheim des Beklagten, Anhaltspunkte für einen sich manifestierenden gegenteiligen Willen der Familie A, nur kurzfristig im Bereich des Beklagten zu verweilen, vorhanden gewesen wären. Dazu wurde weder vorgetragen, noch gibt es entsprechende tatsächliche Hinweise.

Der Kostenerstattungsanspruch ist nicht gemäß § 111 SGB X ausgeschlossen, der mangels anderweitiger Regelungen im BSHG gemäß § 37 SGB I auch für Erstattungsansprüche des BSHG als eines besonderen Teils des Sozialgesetzbuches (§ 68 Nr. 11 SGB I) gilt. Der Kläger hat seinen Kostenerstattungsanspruch bereits während des Laufs der Ausschlussfrist des § 111 SGB X a. F., in Kraft getreten durch das Gesetz vom 4. November 1982 (BGBl. I S. 1450), gültig ab 1. Juli 1983 (im Folgenden: § 111 SGB X a. F.) geltend gemacht. Mithin kommt es nicht auf die Fassung der Norm durch Art. 10 Nr. 8 des Gesetzes zur Einführung des Euro im Sozial- und Arbeitsrechts sowie zur Änderung anderer Vorschriften (4. Euro-Einführungsgesetz) vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1983) an.

Gemäß § 111 S. 1 SGB X a. F. ist ein Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Nach Satz 2 der Norm beginnt der Lauf der Frist frühestens mit Entstehung des Erstattungsanspruchs. Dies ist fristgerecht geschehen.

Der Kostenerstattungsanspruch des Klägers ist mit Schreiben vom 7. Dezember 1994 von der Stadt Brakel dem Beklagten angezeigt worden, die ihn als beauftragte Gemeinde des Klägers auch anmelden durfte.

Grundsätzlich ist der Erstattungsanspruch zwar vom "Erstattungsberechtigten" (§111 S. 1 SGB X a. F.) geltend zu machen. Danach ist erstattungsberechtigt der Leistungsträger, dem ein Erstattungsanspruch gegen einen anderen Leistungsträger (dem "Erstattungsverpflichteten") nach §§ 102 ff. SGB X oder nach den besonderen Teilen des Sozialgesetzbuches (§ 68 Nr. 11 SGB I) zusteht, mithin vorliegend der Kläger und nicht die Stadt Brakel. Deren Anmeldung als der zur Aufgabendurchführung herangezogenen Gemeinde ist dem Kläger als örtlichem Träger der Sozialhilfe indessen zuzurechnen.

Ob generell in Fällen eines bestehenden Auftragsverhältnisses zum erstattungsberechtigten Leistungsträger für die fristwahrende Anmeldung im Sinne des § 111 SGB X allein auf das rechtzeitige Tätigwerden des beauftragten Trägers abzustellen ist, mag dahin stehen (vgl. Hauck/Haines, SGB X, Loseblatt-Kommentar, Band 3, Stand: Januar 2000, Rn. 4 zu § 111 und zur früheren Rechtslage im Bereich der Sozialhilfe: Schellhorn, BSHG, Kommentar, 14. Auflage, Rn. 4 zu § 112 BSHG a. F.). Jedenfalls bei gesetzlich ausgestalteten Auftragsverhältnissen ist davon auszugehen, dass der Erstattungsanspruch von dem und bei dem für die Leistung zuständigen Träger angemeldet werden kann (vgl. näher Beschlüsse des Senats vom 5. Februar 2004 - 3 ZKO 561/01 - und vom 11. März 2004 - 3 ZKO 733/03 -). So liegt es hier.

Handelt es sich um einen örtlich zuständigen Sozialhilfeträger, der Kostenerstattung gemäß § 107 BSHG verlangen kann, richtet sich die Aufgabenwahrnehmung ggf. nach weiteren landesrechtlichen Bestimmungen, zu denen § 96 Abs. 1 S. 2 BSHG ermächtigt. Für die Stadt Brakel ergab sich deshalb die Befugnis zur Verfolgung des Erstattungsanspruchs nach Maßgabe der Jahresfrist des § 111 SGB X a. F. aus § 2 Abs. 2 der Satzung über die Durchführung der Sozialhilfe im Kreis Höxter vom 30. Mai 1975 und der Ersten Änderungssatzung vom 4. August 1981. Zu einer solchen Regelung durch Satzung ermächtigt § 3 Abs. 1 S. 1 des Nordrhein-Westfälischen Ausführungsgesetzes zum BSHG vom 25. Juni 1962 (GV NW S. 344) in der maßgeblichen Fassung vom 18. Dezember 1984 (GV NW 1985 S. 14) (i. F.: NWAGBSHG). Die herangezogene Gebietskörperschaft wird zwar insoweit im eigenen Namen tätig, wie § 3 Abs. 1 S. 2 NWAGBSHG a. F. ausdrücklich anordnet. Die Heranziehung von kommunalen Körperschaften durch die örtlichen Träger der Sozialhilfe, sei es, dass diese im eigenen, sei es im fremden Namen entscheiden, ändert aber in beiden Fällen nichts daran, dass Anspruchsinhaber der zuständige Träger der Sozialhilfe bleibt. Die kreisangehörige Gemeinde handelt gleichsam als "Außenstelle"; auch an der Verantwortlichkeit des zuständigen örtlichen Trägers der Sozialhilfe ändert sich dadurch nichts; sie nimmt nur auf Grund einer besonderen Form der Aufgabenübertragung in ihrem Gebiet Teile der dem örtlichen Träger obliegenden Aufgaben wahr. Liegt mithin keine echte Delegation mit Zuständigkeitswechsel vor, kann dem Kläger als Anspruchsinhaber und nach wie vor zuständig gebliebenem örtlichen Sozialhilfeträger gemäß § 96 Abs. 1 BSHG auch nicht von Rechts wegen die Verfolgung des Erstattungsanspruchs im Verwaltungsstreitverfahren verwehrt sein (vgl. zum Verhältnis von Delegation und Mandat: Mergler/Zink, BSHG, Loseblatt-Kommentar, Teile I und II, Stand: Mai 2003, Rn. 46 zu § 90 BSHG und Rnrn. 15 und 16 zu § 96 BSHG).

Das genannte Schreiben der Stadt Brakel vom 7. Dezember 1994 (wegen des genauen Wortlauts wird auf Blatts der Beiakte I Bezug genommen) genügt als für die Wahrung der Ausschlussfrist rechtssichernde Mitteilung; es wird angegeben, für welchen Hilfeempfänger welche Sozialleistungen gewährt werden und für welche Leistungen Kostenerstattung begehrt wird. Die Behörde benennt die Mitglieder der Spätaussiedlerfamilie und schildert in groben Zügen den maßgeblichen Sachverhalt. Nicht erforderlich ist, dass das Bestehen einer vorrangigen Leistungspflicht nach Grund und Höhe in allen Einzelheiten ausgeführt, bewiesen oder die Kostenerstattungsforderung beziffert wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 2003 - 5 C 18/02 - FEVS 54, 495). Auch erst zukünftig entstehende, wiederkehrende Ansprüche auf Sozialhilfeleistungen konnten durch eine solche Anmeldung erfasst werden (vgl. BSG, Urteil vom 22. August 2000 - B 2 U 24/99 R - FEVS 52, 145 sowie Urteil vom 28. November 1990 - 5 RJ 50/89 - zitiert nach Juris; Hauck/Haines, SGB X, Band 3, Stand: Januar 2000, § 111 Rnrn. 1, 3a, 7; a. A. Bayerischer VGH, Beschluss vom 22. August 2001 - 12 B 99.889 - FEVS 53, 165).

Ist der Anspruch auf Kostenerstattung nach § 107 Abs. 1 BSHG somit dem Grunde nach gegeben, bestehen auch der Höhe nach keine Einschränkungen. Dazu ist wegen der Bagatellgrenze nach § 111 Abs. 2 BSHG ohne Rücksicht auf die Beschränkung auf den strittigen Betrag für Leistungen an ... und A bis Dezember 1995 (durch Rücknahme der Berufung hinsichtlich der Erstattungsforderung für A) die Gesamtleistung bis Juli 1996 zu betrachten.

Dies gilt zunächst im Hinblick auf den Grundsatz der Interessenwahrung. Gemäß § 111 Abs. 1 S. 1 BSHG sind aufgewendete Kosten nur zu erstatten, soweit die Hilfe dem Gesetz entspricht.

Eine Beschränkung auf die nach den Umständen unabweisbar gebotene Hilfe ergibt sich im vorliegenden Fall nicht aus den §§ 3a Abs. 1 S. 2, 3b Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussiedler vom 6. Juli 1989 (BGBl. I S. 137), eingefügt durch Art. 1 Nr. 3 des zum 1. März 1996 in Kraft getretenen Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussiedler vom 26. Februar 1996 (BGBl. I S. 223) - Wohnortzuweisungsgesetz (WoZuG 1996) -. Denn zum einen erfasst § 3a Abs. 1 S. 1 WoZuG 1996 nur Spätaussiedler, die abweichend von der Verteilung bzw. Zuweisung an einem anderen Ort ihren ständigen Aufenthalt nehmen und gilt daher nach seinem Wortlaut schon nicht - wie vorliegend - auf ein Verziehen von Spätaussiedlern vor In-Kraft-Treten der Norm. Zum anderen schließen § 6 WoZuG, neu gefasst durch Art. 1 Nr. 3 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Festlegung eines vorläufigen Wohnortes für Spätaussiedler vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3222) - in Kraft getreten zum 1. Januar 1998 -, und der ab 1. Juli 2000 geltende § 5 WoZuG, in der Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Wohnortzuweisungsgesetzes vom 2. Juni 2000 (BGBl. I S. 775), die Anwendung der §§ 3a und b WoZuG 1996 auf Spätaussiedler, die vor dem 1. März 1996 in der Bundesrepublik Deutschland ohne Rücksicht auf die Zuweisung den Wohnsitz gewechselt haben - wie vorliegend -, aus.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese rückwirkenden Rechtsänderungen aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sind nicht zu erheben (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2001 - 5 C 3/00 - FEVS 53, 2002 = NVwZ-RR2002, 284 und eingehend Beschlüsse des Senats vom 29. Januar 2004 -3 ZKO 219/01- zur Veröffentlichung vorgesehen und vom 6. April 2004 - 3 ZKO 245/04 -).

Der Anspruch auf Erstattung der für ... und A aufgewandten Sozialhilfekosten scheitert ebenso nicht an der Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 BSHG.

Die an die Familie A geleisteten Beträge überschreiten in einem Zeitraum von 12 Monaten insgesamt die Bagatellgrenze von 5.000,00 DM:

Im Zeitraum November 1994 bis Oktober 1995 wurden für A 3.668,83 DM, für A 2.027,31 DM sowie für das gemeinsame Kind ... 905,07 DM, mithin insgesamt 6.601,21 DM aufgewandt. Damit gilt die Bagatellgrenze auch für den sich anschließenden Leistungszeitraum (§ 107 Abs. 2 BSHG) als gewahrt (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Dezember 2000 - 5 C 30.99 - BVerwGE 112, 294 und vom 26. September 2002 - 5 C 1/02 - FEVS 54, 193).

Die Erstattungsverpflichtung ist auch nicht davon abhängig, dass der für jeden einzelnen Familienangehörigen aufgewandte Sozialhilfebetrag die Bagatellgrenze von 5.000,00 DM des § 111 Abs. 2 BSHG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944) überschreitet (im Folgenden: § 111 Abs. 2 BSHG a. F.). Danach sind Kosten unter 5.000,00 DM, bezogen auf einen Zeitraum der Leistungsgewährung von bis zu zwölf Monaten, außer in den Fällen einer vorläufigen Leistungsgewährung nach § 97 Abs. 2 S. 3 nicht zu erstatten. Vielmehr ist im vorliegenden Fall, in dem die Sozialhilfeleistungen für A zum 31. Juli 1996 endeten, in Anwendung des S. 2 des § 111 Abs. 2 BSHG, der mit Art. 1 Nr. 34 des Gesetzes zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996 (BGBl. I S. 1088) (im Folgenden: § 111 Abs. 2 BSHG n. F.) angefügt wurde, nur gefordert, dass die für die Familie insgesamt aufgewandten Sozialhilfekosten über einem Betrag von 5.000,00 DM liegen.

§ 111 Abs. 2 S. 2 BSHG n. F. lautet:

Die Begrenzung auf 5.000 Deutsche Mark gilt, wenn die Kosten für die Mitglieder eines Haushalts im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 2 zu erstatten sind, abweichend von Satz 1 für die Mitglieder des Haushalts zusammen.

Die Vorschrift ist zwar erst zum 1. August 1996 in Kraft getreten. Jedenfalls in Fällen der vorliegenden Art, in denen der zweijährige Kostenerstattungszeitraum des § 107 Abs. 2 S. 2 BSHG (hier bis 4. November 1996) bei In-Kraft-Treten der Gesetzesänderung noch nicht abgeschlossen war, ist die Rechtsänderung auch auf solche Kostenerstattungsansprüche anzuwenden.

Aus dem In-Kraft-Treten des § 111 Abs. 2 S. 2 BSHG n. F. zum 1. August 1996 folgt nicht, dass die Norm erst auf danach gewährte Leistungen Anwendung findet (so aber: ThürOVG, Urteil vom 12. September 2000 - 2 KO 38/96 - ThürVBl. 2001, 58; Schellhorn, Kommentar zum BSHG, 16. Aufl., § 111 Rn. 30). Diese Ansicht schließt aus dem Fehlen einer Übergangsvorschrift, § 111 Abs. 2 S. 2 BSHG n. F. entfalte keine Rückwirkung und erfasse nur diejenigen Sachverhalte, in denen die anspruchsbegründenden Tatsachen für Kostenerstattungsansprüche nach dem In-Kraft-Treten entstanden seien (vgl. Lehr- und Praxiskommentar zum BSHG, 5. Aufl., im Folgenden: LPK-BSHG, § 111 Rn. 32; Schoch, Änderung der §§ 94 bis 152 BSHG [einschließlich der Maßgaben des EV] durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts, NDV 1997, 65 ff.; Schiedsspruch der Zentralen Schiedsstelle vom 13. Februar 1997 - B 26/96 - ZfF 1997, 84 zum In-Kraft-Treten der Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 BSHG zum 1. Januar 1994). Eine Übergangsregelung in diesem Sinne bildet auch § 144 BSHG nicht, da sie auf "dieses Gesetz", mithin auf die damals in Kraft getretene Fassung des Bundessozialhilfegesetzes bezogen ist, wie angemerkt sei.

Indes ist eine Übergangsvorschrift nur dann vonnöten, wenn "altes" Recht und nicht das neue Recht auf vor In-Kraft-Treten der Neuregelung liegende Sachverhalte angewandt werden soll. Im Grundsatz hat vielmehr zu gelten, dass das neue Recht maßgeblich wird. Für sozialrechtliche Erstattungsansprüche hat dies das Bundesverwaltungsgericht zu der am 1. Juli 1983 in Kraft getretenen Ausschlussfrist des § 111 SGB X für die Anmeldung ausdrücklich entschieden (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. März 1993 - 5 C 6/91 - BVerwGE 92, 167).

Nach diesem im intertemporalen Verwaltungsrecht allgemein geltenden Grundsatz der sofortigen Anwendung des neuen Rechts auch auf nach altem Recht entstandene Rechte und Rechtsverhältnisse gilt im Zweifel ab In-Kraft-Treten das neue Recht auch für die bereits unter dem früheren Recht begründeten Rechte (vgl. nur Manfred Aschke, Übergangsregelungen als verfassungsrechtliches Problem, Dissertation, in: Europäische Hochschulschriften, Reihe 2, Band 598, 1987, S. 16 ff., 215). Etwas anderes kann dann anzunehmen sein, wenn nach dem früheren Recht diese Rechtsverhältnisse bereits endgültig abgeschlossen sind (Grundsatz der Unantastbarkeit in der Vergangenheit abgeschlossener Rechtsverhältnisse; vgl. Kopp, Grundsätze des intertemporalen Verwaltungsrechts, in: Die Sozialgerichtsbarkeit 1993, S. 593 ff.; Hans Schneider, Gesetzgebung, 2. Aufl., Rn. 531).

Dem letzteren Grundsatz folgt die Ansicht, die § 111 Abs. 2 S. 2 BSHG erst auf ab dem 1. August 1996 beginnende Leistungszeiträume anwenden will; sie wird unter Hinweis auf die Regeln des intertemporalen Verwaltungsrechts damit begründet, dass die Norm auf im Zeitpunkt der Verkündung bereits abgewickelte, geregelte und abgeschlossene Sachverhalte nicht anwendbar sei, da Gesetze grundsätzlich in die Zukunft wirkten und deshalb auch nur die unter ihrer Herrschaft begründeten Rechtsverhältnisse erfassten. Abgeschlossen seien auch solche Erstattungssachverhalte, bei denen zwar nicht das Erstattungsverhältnis, aber der Leistungszeitraum beendet sei. Mit Erbringung der Leistung sei der Kostenerstattungsanspruch entstanden und damit abgeschlossen. Eine Anwendung auf vor In-Kaft-Treten abgeschlossene Leistungszeiträume sei damit eine echte Rückwirkung und grundsätzlich unzulässig (vgl. Schiedsspruch der Zentralen Schiedsstelle vom 13. Februar 1997 - B 26/96 - ZfF 1997, 84 zum In-Kraft-Treten der Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 BSHG zum 1. Januar 1994; vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 8. März 2001 - 16 A 1909/00 - FEVS 53, 185 und vom 29. Mai 2001 - 16 A 455/01 - FEVS 53, 273 und Niedersächsisches OVG, Urteil vom 14. August 2002 - 4 LB 629/01 - NDV-RD 2003, 12). Diese Auffassung trägt dem Umstand nicht hinreichend Rechnung, dass jedenfalls bei noch aktuellen und etwa noch anhängigen Sachverhalten schwerlich von einer Abgeschlossenheit gesprochen werden kann (vgl. zur vergleichbaren Fragestellung: Burkhard Hess, Intertemporales Privatrecht, Habilitation, 1998, im Folgenden: Hess, § 1 II. Dogmatische Grundpositionen zum Übergangsrecht S. 12 ff., § 2 III. Temporäre Wirkungen von Gesetzen S. 51, § 7 I. 1. Rückwirkungsverbot und Vertrauensschutz S. 291 ff., § 8 II. 3. c. Anknüpfung im intertemporalen Privatrecht, wandelbare und unwandelbare Anknüpfungen S. 331 [347]).

Ein Rechtsverhältnis kraft öffentlichen Rechts ist erst dann "abgeschlossen", wenn es durch rechtskräftiges Urteil, bestandskräftigen Verwaltungsakt, Vergleich, Verzicht, Anerkenntnis etc. definitiv festgestellt oder abgewickelt ist (vgl. Kopp, a. a. O., S. 597 Fn. 51, S. 598 m. w. N., Fn. 76 f.; Hess, a. a. O. S. 13). Davon kann keine Rede sein, wenn zwischen den Beteiligten im Gerichtsverfahren um Grund und Höhe des Leistungsanspruchs gestritten wird.

Auch der Grundsatz der Sofortwirkung und der Nichtrückwirkung rechtfertigt keine andere Beurteilung. Danach kann vom Gesetz auch gewollt sein, dass der Rechtssatz im Zweifel nur die Zukunft und nicht die Vergangenheit ordnen will, so dass Entstehung und Fortbestand eines Rechts sich grundsätzlich nach dem bisherigen Recht richten (vgl. Kopp, a. a. O., S. 595). Dieser Grundsatz kann indessen schon nicht durchgreifen: Die Bagatellgrenze selbst lässt als Leistungsverweigerungsrecht Entstehung und Fortbestehen des Erstattungsanspruches unberührt, da der Erstattungsanspruch - soweit er die Bagatellgrenze nicht erreicht - nur nicht durchgesetzt werden kann (vgl. VG Hannover, Gerichtsbescheid vom 3. November 1999 - 15 A 5821/98 - ZfF 2001, 88, zitiert nach Juris; Gutachten des Deutschen Vereins vom 30. September 1998 - G 62/98 - NDV 1998, 349; zur Bagatellgrenze des § 110 SGBX: Hauck/Haines, SGB X, Band III, Stand: Januar 2000, § 110 SGB X Rn. 10; Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG, Stand: November 2001, § 111 Rn. 14; a. A.: LPK-BSHG, § 111 Rn. 32; Schoch, Änderung der §§ 94 bis 152 BSHG [einschließlich der Maßgaben des EV] durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts, a. a. O.).

Der Senat sieht sich vielmehr in der Auffassung, dass es regelmäßig bei der Anwendung des neuen Rechts zu bleiben hat, durch den ebenso anerkannten Grundsatz bzw. Gesichtspunkt des Gewichts und der Dringlichkeit des Regelungsanliegens des neuen Rechts bestätigt (Kopp, a. a. O., S. 600). Danach ist anzunehmen: Je gewichtiger und dringlicher das Anliegen ist, auf dem ein neues Gesetz beruht, desto eher folgt daraus, dass es auch bereits vorher unter dem früheren Recht begründete Rechte, Pflichten oder Rechtsverhältnisse erfassen soll. Wenn das neue Recht ein gesetzgeberisches Versagen beseitigt - wie hier -, spricht alles dafür, dass die Vereinfachung der Kostenerstattung in den typischen Fällen der Sozialhilfegewährung an Familien nicht nur für die Zukunft wirken soll.

Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 13/3904 zu Nr. 20 b):

"... Die Kostenerstattung bei Umzug oder bei Übertritt aus dem Ausland betrifft jedoch häufig Familien, d. h. Haushalte im Sinne von § 11 Abs. 1 S. 2, die ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt erhalten. In diesen Fällen verhindert die bisherige Begrenzung auf 5.000.- DM pro Person oftmals eine Kostenerstattung, so dass die §§ 107 und 108 auch in typischen Fällen nicht zur Anwendung kommen. Die Begrenzung wird deshalb auf 5.000.- DM pro Haushalt im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 2 bezogen. ... Die Änderung dient auch der Verwaltungsvereinfachung. Es ist in Zukunft nicht mehr erforderlich, im Wege komplizierter Berechnungen die für den Haushalt einheitlich errechnete Hilfe auf die haushaltsangehörigen Hilfeempfänger umzulegen."

Der Gesetzgeber schätzte mithin das Ergebnis der Regelung des § 111 Abs. 2 BSHG a. F. ab Januar 1994 als unbefriedigend ein und nahm dies daher zum Anlass der Änderung. Bei Familien konnte die Anwendung des S. 1 des § 111 BSHG von 5.000,00 DM pro Person dazu führen, dass Aufwendungen von jeweils knapp unter 5.000,00 DM gleichwohl zur Leistungsverweigerung berechtigten, obwohl der Sinn der ursprünglichen Bagatellregelung damit nicht mehr getroffen wurde. In der Sache sind dies gerade typische Fälle.

Gerade die für die Zukunft erstrebte Verwaltungsvereinfachung legt die Anwendung der Neufassung der Norm nicht nur auf erst beginnende Leistungszeiträume, sondern gerade auch auf anhängige und anhängig werdenden Erstattungsstreitverfahren nahe, um das erwünschte Ziel zu erreichen. Auch bei zuvor beendeten Leistungszeiträumen muss nach der Neufassung im Gerichtsverfahren nach dem 1. August 1996 keine personengenaue Aufschlüsselung mehr erfolgen. Mithin sind auch Streitfragen, z. B. wem das Kinder- oder Wohngeld als Einkommen zuzurechnen sind sowie die Aufteilung der Unterkunftskosten etc., nicht mehr zu entscheiden. Ein erheblicher Verwaltungsaufwand, der für eine Aufschlüsselung der Kosten auf verschiedene Personen anfällt, wird damit auch in diesen Fällen vermieden. Aus dem Hinweis im Wortlaut der Gesetzesbegründung, dass in Zukunft eine komplizierte Berechnung nicht mehr erforderlich werde, kann mithin nicht geschlossen werden, dass eine Anwendung der Vorschrift auf bereits entstandene Ansprüche nicht gewollt gewesen ist (so aber OVG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 8. März 2001 - 16 A 1909/00 - a. a. O. und vom 29. Mai 2001 - 16 A 455/01 - a. a. O. und Niedersächsisches OVG, Urteil vom 14. August 2002 - 4 LB 629/01 - a. a. O.).

Ob durch die ergänzende Regelung in § 111 Abs. 2 S. 2 BSHG auch Erstattungsansprüche für Leistungszeiträume erfasst werden, die im Zeitpunkt der Gesetzesänderung bereits längere Zeit beendet sind, kann offen bleiben. Eine faktische Grenze für den zeitlichen Anwendungsbereich der Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 S. 2 BSHG n. F. folgt ohnedies aus der Jahresfrist des § 111 SGB X für die Geltendmachung des Erstattungsanspruches und der Kostenerstattung für zwei Jahre nach § 107 Abs. 2 S. 2 BSHG bei Überschreitung der Bagatellgrenze innerhalb eines beliebigen 12-Monatszeitraumes (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2002 - 5 C 1/02 - a. a. O.).

Im vorliegenden Fall indes begann der Leistungszeitraum am 7. November 1994 und schloss nach § 107 Abs. 2 S. 2 BSHG spätestens am 6. November 1996. Galt mithin für die Erstattungsansprüche wegen Leistungen an A die Bagatellgrenze in der neuen Gesetzesfassung und damit einheitlich für die gesamte Familie, kann die anzuwendende Gesetzesfassung bei den Erstattungsansprüchen für die Leistungen an die übrigen Familienmitglieder ... und A, an die die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt zum Januar bzw. Februar 1995 eingestellt worden ist, keine andere sein. Hinzu kommt, dass der Kläger ohnehin wegen der Leistungen an die Spätaussiedlerfamilie bis einschließlich 31. Juli 1996 den Erstattungsanspruch vollständig nicht unter der Geltung des bisherigen Rechts hätte beziffern können. Vielmehr war eine Abrechnung der erbrachten Hilfen zum Lebensunterhalt zur Erstattung frühestens am Tag des In-Kraft-Tretens der Neuregelung möglich.

Der Anwendung des § 111 Abs. 2 S. 2 BSHG n. F. steht auch nicht eine etwa unzulässige Rückwirkung aus verfassungsrechtlichen Gründen entgegen.

Entscheidend ist, dass die an Kostenerstattungsstreitigkeiten nach § 107 BSHG Beteiligten Hoheitsträger sind, die in Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben nach dem BSHG um einen gesetzlich geregelten Kostenerstattungsausgleich streiten (insofern schon die Schutzwürdigkeit von Hoheitsträgern im Rahmen des Kostenerstattungsanspruches nach § 103 BSHG bezweifelnd: ThürOVG, Urteil vom 27. August 1996 - 2 KO 310/95 - ThürVBl. 1997, 37). In dieser Funktion können Hoheitsträger entgegen der Ansicht des Beklagten als Teil des Staates grundsätzlich nicht den für Bürger geschaffenen Schutz gegen rückwirkende Gesetze für sich in Anspruch nehmen.

Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 23. Oktober 2001 - 5 C 3/00 - (FEVS 53, 200) zur Rechtsänderung des § 3b WoZuG 1996 durch § 5 WoZuG 2000 bereits klargestellt, dass verfassungsrechtliche Bedenken in Ermangelung schutzwürdiger Vertrauenslagen nicht zu erheben sind. In der Sache hat das Bundesverwaltungsgericht damit bei fehlenden Übergangsvorschriften den Grundsätzen des intertemporalen Verwaltungsrechts Rechnung getragen, dass nämlich gesetzgeberische Änderungen im Regelfall ab deren In-Kraft-Treten zu beachten sind; dies gilt insbesondere dann, wenn Behörden im Verhältnis untereinander Ansprüche verfolgen (vgl. zum fehlenden Vertrauensschutz insoweit bereits: BVerwG, Urteil vom 20. Juni 1967 - V C 175.66 - BVerwGE 27, 215).

Ein allgemeines Verbot rückwirkender Gesetze enthält das Grundgesetz außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereichs von Art. 103 Abs. 2 GG nicht. Ein Rückwirkungsverbot ergibt sich vielmehr aus den Grundrechten und dem Rechtsstaatsprinzip, zu dessen wesentlichen Elementen die Rechtssicherheit zählt, der auf Seiten des Einzelnen das Vertrauen in den Bestand von Rechtsnormen und Rechtsakten bis zu ihrer ordnungsgemäßen Aufhebung entspricht (st. Rspr. des BVerfG, vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 25. Mai 1993 - 1 BvR 1509/1648/91 - BVerfGE 88, 384 [403]). Aus dieser Gedankenverbindung Rechtsstaatsprinzip - Rechtssicherheit -Vertrauensschutz folgt, dass für den Bürger Rechtssicherheit in erster Linie Vertrauensschutz bedeutet (vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog, Kommentar zum Grundgesetz, Band II, Stand: Februar 2003, Art. 20 GG Rn. 65 m. w. N. zur Rspr. des BVerfG). Als spezifischer Schutz des Bürgers gegen den Staat kann somit die zu rückwirkenden Gesetzen ergangene Rechtsprechung des BVerfG nicht auf juristische Personen des öffentlichen Rechts übertragen werden, um Hoheitsträger im Streit untereinander zu schützen oder für die Einhaltung gesetzmäßiger Formen bei einer Gesetzesänderung zu sorgen. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen kann nur für solche juristische Personen des öffentlichen Rechts oder ihre Teilgliederungen anerkannt werden, die von den ihnen durch die Rechtsordnung übertragenen Aufgaben her unmittelbar einem durch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich zuzuordnen sind oder kraft ihrer Eigenart ihm von vornherein zugehören, die also wie Bürger schutzwürdig sind und die als eigenständige, vom Staat unabhängige oder jedenfalls distanzierte Einrichtungen bestehen. Ihre Tätigkeit betrifft insoweit nicht den Vollzug gesetzlich zugewiesener hoheitlicher Aufgaben, sondern die Ausübung grundrechtlicher Freiheiten. In den von den Grundrechten und dem Prinzip der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes geschützten Lebensbereich von Bürgern gehört das Wirken juristischer Personen des öffentlichen Rechts nicht allein deshalb, weil ihnen Selbstverwaltungsrechte zustehen. Besteht die Funktion, in der eine juristische Person des öffentlichen Rechts von einem rückwirkenden Gesetz betroffen wird, in der Wahrnehmung gesetzlich zugewiesener und geregelter öffentlicher Aufgaben, so ist die juristische Person insoweit als Teil des Staates offensichtlich nicht schutzwürdig (vgl. zum Grundrechtsschutz juristischer Personen des öffentlichen Rechts: BVerfG, Beschluss vom 31. Oktober 1984 - 1 BvR 35, 356, 794/82 - BVerfGE 68, 193 [206 ff.]). Etwas anderes gilt nur, soweit der Kernbereich der verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) betroffen ist, was vorliegend ausscheidet.

Die Aufgaben nach dem BSHG, unter anderem die Gewährung von Sozialhilfe, sind örtlichen und überörtlichen Trägern (§§ 9, 96 BSHG in Verbindung mit den jeweiligen landesrechtlichen Ausführungsgesetzen) als hoheitliche Aufgabe übertragen worden; die kreisfreien Städte und Landkreise werden in Wahrnehmung dieser gesetzlich zugewiesenen und geregelten öffentlichen Aufgaben als Teil des Staates tätig. Daher sind sie unabhängig davon, ob sie die Aufgaben des BSHG nach Landesrecht im eigenen (wie in Thüringen, § 1 S. 2 Thüringer Gesetz zur Ausführung des BSHG in der Fassung vom 24. Juni 2003 - GVBl. S. 369) oder übertragenen Wirkungskreis wahrnehmen (vgl. die Nachweise zum Landesrecht bei Schellhorn, BSHG, Kommentar, 16. Aufl., Rn. 34 zu § 96 BSHG), nicht in diesem Sinne als zum Kernbereich gehörend (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 18. Juli 1967 - u.a. 2 BvF 3/62 - BVerfGE 22, 180) schutzwürdig. Deshalb kann die einen Annex zur Sozialhilfegewährung darstellende Kostenerstattung zwischen Sozialhilfeträgern gemäß § 107 BSHG ebenso wenig in die Selbstverwaltungsgarantie eingreifen. Diese Regelung verlängert nur die ursprüngliche, durch einen Umzug entfallende Verpflichtung zur Sozialhilfegewährung, indem der zuvor örtlich zuständige Träger der Sozialhilfe dem örtlichen Träger der Sozialhilfe am Zuzugsort die entstandenen Kosten für einen Leistungszeitraum von maximal zwei Jahren zu erstatten hat (vgl. Beschluss des Senats vom 29. Januar 2004 - 3 ZKO 219/01 - und vom 6. April 2004 - 3 ZKO 245/04 -).

Die vom Gesetzgeber ergänzte Norm des § 111 Abs. 2 S. 2 BSHG erfordert daher zur Bagatellgrenze von 5.000,00 DM eine Beurteilung für die gesamte Familie A. Der geltend gemachte Erstattungsanspruch im Zeitraum 7. November 1994 bis 31. Juli 1996 ist daher auch für ... und A - wie vom Verwaltungsgericht festgestellt - sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach gegeben:

Die für ... A aufgewandten Sozialhilfekosten erreichten von November 1994 bis Januar 1995 2.027,31 DM und für ... von November 1994 bis Februar 1995 905,07 DM. Zusammen mit den für seine Ehefrau ... im Zeitraum November 1994 bis Oktober 1995 aufgewandten Beträge von 3.668,83 DM ist in dem ersten Zwölfmonatszeitraum die Bagatellgrenze von 5.000,00 DM für die gesamte Familie überschritten, so dass auch die restlichen Kosten für ... und A (Weihnachtsbeihilfen im Jahre 1995 in Höhe von 122,00DM bzw. 61,00 DM) zu erstatten waren.

Darauf, dass die Erstattungspflicht für die an ... und A im Dezember 1995 geleisteten Beihilfen (insgesamt 183,00 DM) gemäß § 107 Abs. 2 S. 1 BSHG entfallen ist, hat sich der Beklagte nicht berufen. Im Hinblick auf den fortdauernden Hilfebedarf der A während des eingeklagten Zeitraumes wird bei einer Gesamtbetrachtung nach § 11 Abs. 1 S. 2 BSHG auch eine Unterbrechung fern liegen, zumal § 111 Abs. 2 S. 2 BSHG in der geltenden Fassung die Mitglieder eines Haushalts im Erstattungsverfahren als Einheit zusammenfasst.

Das Verwaltungsgericht hat ferner dem Kläger den Zinsanspruch in Höhe von 4 % seit Rechtshängigkeit zu Recht zugesprochen. Auf die Ausführungen des Gerichts auf Seite 9 des angegriffenen Urteils wird ebenso Bezug genommen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Soweit das Rechtsmittel zurückgenommen worden ist, ergibt sich die Kostenfolge aus § 155 Abs. 2 VwGO, im Übrigen aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 194 Abs. 5 VwGO i. d. F. des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess [RMBereinVpG] vom 20. Dezember 2001 [BGBl. I S. 3987] i. V. m. § 188 S. 2 VwGO a. F.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe, aus denen die Revision zuzulassen ist (§ 132 Abs. 2 VwGO), bestehen nicht.

Ende der Entscheidung

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