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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 29.10.2007
Aktenzeichen: 4 EO 1320/05
Rechtsgebiete: AO, ThürKAG, ThürKO


Vorschriften:

AO § 37 Abs. 1
AO § 37 Abs. 2
ThürKAG § 7 Abs. 1
ThürKAG § 7 Abs. 7
ThürKAG § 21a Abs. 2
ThürKAG § 21a Abs. 4
ThürKO § 12 Abs. 1
ThürKO § 121 Abs. 1
1. Ein Aufgabenträger ist grundsätzlich zur Satzungsanpassung nach § 21a ThürKAG und zur Rückzahlung von Abwasserbeiträgen nach § 21a Abs. 4 ThürKAG verpflichtet, wenn er vor dem 01.01.2005 Beiträge eingenommen hat, zu diesem Stichtag noch Aufgabenträger war und erst im Laufe der 12-Monatsfrist nach § 21a Abs. 2 ThürKAG die Aufgaben der Abwasserentsorgung auf einen neuen Aufgabenträger übertragen hat (Fortführung der Senatsrechtsprechung im Beschluss vom 03.05.2007 - 4 EO 101/07).

2. Die Aufsichtsbehörde kann aber den Erlass einer Änderungssatzung nach § 21a Abs. 2 ThürKAG durch einen solchen Aufgabenträger nicht verlangen, wenn Rückzahlungsansprüche nach § 21a Abs. 4 ThürKAG faktisch ausscheiden, weil der Aufgabenträger alle vor dem 01.01.2005 erlassenen Abwasserbeitragsbescheide aufgehoben hat und auf dieser Grundlage eine Erstattung entsprechend § 37 Abs. 2 AO erfolgt.


THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 4. Senat - Beschluss

4 EO 1320/05 In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Kommunalaufsichtsrecht,

hier: Beschwerde nach §§ 80, 80a VwGO

hat der 4. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Aschke, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Blomenkamp und die abgeordnete Richterin am Verwaltungsgericht Siegl am 29. Oktober 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 09.12.2005 - Az. 8 E 833/05 Me - wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin wendet sich im Eil- und Beschwerdeverfahren gegen die für sofort vollziehbar erklärte Aufforderung der Rechtsaufsichtsbehörde, eine den Anforderungen des § 21a Abs. 2 ThürKAG genügende Satzung vorzulegen.

Die Antragstellerin hat bis zum 31.07.2005 im Gemeindegebiet die Aufgaben der Abwasserentsorgung sowie in einigen Ortsteilen die der Wasserversorgung wahrgenommen. Zum Gemeindegebiet gehörten die Gemeinden, die sich ursprünglich zu dem Wasser- und Abwasserzweckverband Nesse-Böber zusammengeschlossen hatten. Nach Auflösung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes Nesse-Böber infolge der Gründung der neuen Gemeinde Hörselberg zum 01.01.1996 nahm die Antragstellerin aufgrund ihrer Beitrags- und Gebührensatzung vom 09.04.1997 in diesen Gemeinden Abwasserbeiträge ein.

Außerdem gehörten zum Gemeindegebiet die Gemeinden Kälberfeld und Sättelstädt/Sondra, die sich 1992 mit der Gemeinde Mechterstädt zum AZV Hörsel-Emsetal zusammengeschlossen hatten. Zumindest im Gebiet von Sättelstädt hat der AZV Hörsel-Emsetal Abwasserbeiträge erhoben und eingenommen. Nach der Auflösung des AZV Hörsel-Emsetal zum 31.12.2003 hat die Antragstellerin, die seit diesem Zeitpunkt die Aufgaben der Abwasserentsorgung wahrnahm, für dieses Gebiet keine beitragsrechtlichen Regelungen erlassen.

Zum 01.01.2003 gründete die Antragstellerin mit anderen Gemeinden den Trink- und Abwasserverband Eisenach-Erbstromtal - TAVEE -, dem sie zunächst die Wasserversorgung für die Ortsteile Kälberfeld und Sättelstädt/Sondra und mit Wirkung zum 01.08.2005 alle übrigen Aufgaben der Abwasserentsorgung und, soweit diese ihr noch oblagen, der Wasserversorgung für das Nesse-Böber- und das Hörsel-Emse-Gebiet übertrug.

Mit Bescheid vom 01.12.2005 beanstandete der Antragsgegner und Beschwerdeführer die von der Antragstellerin "unterlassene Beschlussfassung einer den Anforderungen des § 21a Abs. 2 ThürKAG genügenden Satzung für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.07.2005" und verpflichtete sie, ihm bis zum 08.12.2005 eine entsprechende Satzung vorzulegen. Für den Fall der Nichtbefolgung drohte er die Ersatzvornahme an. Die Regelungen erklärte er für sofort vollziehbar.

Auf Ersuchen der Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz hat das Verwaltungsgericht Meiningen mit Beschluss vom 09.12.2005 die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs wiederhergestellt.

Dagegen hat der Antragsgegner am 16.12.2005 Beschwerde erhoben. Die Antragstellerin sei entgegen den Feststellungen des Verwaltungsgerichts verpflichtet, jeweils rückwirkend für die Zeit vom 01.01. bis 31.07.2005 die beitragsrechtlichen Bestimmungen der Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren sowie die Festsetzung von Kostenerstattungen zur Entwässerungssatzung für die Orte Großenlupnitz, Wenigenlupnitz, Ettenhausen/Nesse, Hastungsfeld, Bolleroda, Beuernfeld, Melborn und Burla der Gemeinde Hörselberg vom 09.04.1997 in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 05.06.2000 (BGKS-EWS Nesse-Böber-Gebiet) an § 7 Abs. 7 ThürKAG anzupassen und eine Satzung über die Erhebung von Beiträgen zur Entwässerungssatzung für die Orte Kälberfeld, Sättelstädt und Sondra (BS-EW S Hörsel-Emse-Gebiet) zu erlassen. Für die Zeit vor dem 01.08.2005 habe die Antragstellerin weiterhin die Befugnis, Normen zu erlassen. Der TAVEE sei dazu nicht berechtigt.

Mit Schriftsatz vom 01.06.2007 hat die Antragstellerin auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass sie mittlerweile sämtliche Beitragsbescheide aufgehoben habe, da sie davon ausgegangen sei, dass die Beitragssatzungen aufgrund fehlerhafter Kalkulationen rechtswidrig seien. Die Gemeinde habe aufgrund eines Kooperationsvertrages mit der G GmbH Hannover keinen eigenen Herstellungsaufwand gehabt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte (3 Heftungen), die Gegenstand der Beratung waren, Bezug genommen.

II.

Die Beschwerdebegründung muss gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO unter anderem die Gründe darlegen, aus denen die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches der Antragstellerin betreffend die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der rechtsaufsichtsbehördlichen Aufforderung in dem Bescheid vom 01.12.2005 durch das Verwaltungsgericht ist danach zwar zulässig, aber unbegründet.

Zunächst ist festzustellen, dass sich die Beschwerde nach den Darlegungen, insbesondere unter Ziffer VI. der Beschwerdebegründung vom 09.12.2005, allein gegen die Feststellungen des Verwaltungsgerichts bezüglich der Anpassung der beitragsrechtlichen Bestimmungen der Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren sowie die Festsetzung von Kostenerstattungen zur Entwässerungssatzung für die Orte Großenlupnitz, Wenigenlupnitz, Ettenhausen/Nesse, Hastungsfeld, Bolleroda, Beuernfeld, Melborn und Burla der Gemeinde Hörselberg vom 09.04.1997 in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 05.06.2000 (BGKS-EWS Nesse-Böber-Gebiet) an § 7 Abs. 7 ThürKAG und des Erlasses einer Satzung über die Erhebung von Beiträgen zur Entwässerungssatzung für die Orte Kälberfeld, Sättelstädt und Sondra (BS-EW S Hörsel-Emse-Gebiet) richtet.

Mit den fristgerecht vorgetragenen Gründen, auf deren Nachprüfung der Senat im Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, hat der Antragsgegner im Ergebnis keinen Erfolg.

Bei der Entscheidung über einen einstweiligen Rechtsschutzantrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine Abwägung zwischen dem Interesse an der aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs einerseits und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits vorzunehmen. Für die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts ist dabei ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt, unabhängig davon, ob die sofortige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts einer gesetzlichen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO) oder einer behördlichen Anordnung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) entspringt (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 18.07.1973 - 1 BvR 23, 155/73 -, BVerfGE 35, 382 [402]; Beschluss des Zweiten Senats vom 21.03.1985 - 2 BvR 1642/83 -, BVerfGE 69, 220 [228, 229]). Nach § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Alt. VwGO ist daher die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Bescheid, dessen sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO behördlich angeordnet worden ist, wiederherzustellen, wenn es an den formellen Begründungsvoraussetzungen des § 80 Abs. 3 VwGO fehlt oder in materieller Hinsicht das Aufschubinteresse des Betroffenen das öffentliche Interesse an der Vollziehung des angegriffenen Bescheides überwiegt. Ein überwiegendes öffentliches Interesse kann nicht angenommen werden, wenn die besondere Eilbedürftigkeit zu verneinen oder der Bescheid offensichtlich rechtswidrig ist (vgl. die Senatsbeschlüsse vom 16.12.2002 - 4 EO 866/02 - ThürVGRspr. 2003, 135 = ThürVBl. 2003, 132 = KStZ 2003, 114 und vom 15.10.2003 - 4 EO 551/03 - NJ 2004, 138).

Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid des Landratsamtes des Wartburgkreises vom 01.12.2005 gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Hs. VwGO wiederhergestellt.

Der auf die Aufforderung zum Satzungserlass bezogene Eilantrag der Antragstellerin hat sich nicht deshalb erledigt, weil die der Antragstellerin von der Rechtsaufsichtsbehörde gesetzte Frist bis zum 08.12.2005 verstrichen ist. Wie sich bei einer am objektiven Erklärungsgehalt der einzelnen Regelungen des Bescheides orientierten Auslegung (vgl. zur Auslegung der Regelungen eines Bescheides etwa den Beschluss des Senats vom 26.07.2005 - 4 EO 131/02 - mit weiteren Nachweisen) ergibt, bezieht sich die Fristsetzung bis zum 08.12.2005 nicht darauf, dass die Antragstellerin der Aufforderung zur Vorlage der entsprechenden Satzung nach Verstreichen des genannten Zeitpunktes nicht mehr nachkommen solle oder könne. Bei der genannten Frist handelt es sich vielmehr um eine Fristsetzung nach § 121 Abs. 1 Satz 1 ThürKO, die Voraussetzung für die Durchführung der in Ziffer 3. und 4. des Bescheides vom 01.12.2005 angedrohten Ersatzvornahme durch die Rechtsaufsichtsbehörde ist und mit der aufsichtsbehördlichen Grundverfügung verbunden wurde.

Der Bescheid des Landratsamtes des Wartburgkreises vom 01.12.2005 ist offensichtlich rechtswidrig, soweit die Antragstellerin gemäß § 21a Abs. 2 Satz 1 ThürKAG zur Anpassung der BGKS-EWS Nesse-Böber und zum Erlass einer Satzung über die Erhebung von Beiträgen zur Entwässerungssatzung für die Orte Kälberfeld, Sättelstädt und Sondra aufgefordert worden ist.

Die aufsichtsbehördliche Aufforderung in Ziffer 2. und 3. des Beanstandungsbescheides beruht auf § 120 Abs. 1 Satz 2 ThürKO. Nach § 120 Abs. 1 Satz 2 ThürKO hat die Rechtsaufsichtsbehörde die Gemeinde bei Nichterfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben oder Verpflichtungen zur Durchführung der notwendigen Maßnahmen aufzufordern (zur Erstreckung dieser Norm auf rechtswidrige Satzungsregelungen vgl. Senatsurteil vom 23.11.2005 - 4 KO 877/01 - ThürVBl 2006, 131 = KStZ 2006, 134).

Grundsätzlich hat der Antragsgegner als Rechtsaufsichtsbehörde die richtige Maßnahme ergriffen, um die Voraussetzungen für eine Rückzahlung von gezahlten Abwasserbeiträgen nach § 21a Abs. 4 ThürKAG zu schaffen. Die Antragstellerin wäre, wenn sie die Abwasserbeitragsbescheide nicht, ausgehend von der Rechtswidrigkeit ihrer Satzungsregelungen, aufgehoben und die Beiträge daraufhin zurückerstattet hätte, zur Rückzahlung der erhobenen Beiträge und damit zum Erlass einer Satzung zur Anpassung der beitragsrechtlichen Regelungen im Sinne von § 21a Abs. 2 ThürKAG verpflichtet, soweit sie vor dem 01.01.2005 als Beitragsgläubigerin Beiträge erhoben und erhalten hat.

Gemäß § 21a Abs. 4 Satz 2 ThürKAG erfolgt die auf Antrag vorzunehmende Rückzahlung von Abwasserbeiträgen im Sinne von § 21a Abs. 4 Satz 1 ThürKAG unverzüglich oder spätestens 12 Monate nach der Anpassung des Satzungsrechts an die Neuregelungen des § 7 Abs. 2 und 7 ThürKAG. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Kreis der zur Rückzahlung von Abwasserbeiträgen verpflichteten Aufgabenträger auf bestimmte Beitragsgläubiger beschränkt: Eine Rückzahlungspflicht für Abwasserbeiträge besteht nicht für jeden Beitragsgläubiger, der vor dem 01.01.2005 Beitragszahlungen erhalten hat, sondern nur für diejenigen Aufgabenträger, die vor dem 01.01.2005 Abwasserbeiträge erhoben haben und seit Inkrafttreten der Neuregelungen des Thüringer Kommunalabgabengesetzes nach ihrem zum 01.01.2005 angepassten Satzungsrecht noch Abwasserbeiträge nach Maßgabe der Privilegierungstatbestände in § 7 Abs. 7 ThürKAG erheben. Einem neuen Aufgabenträger, der nach seinem Satzungsrecht erst seit dem 01.01.2005 Beiträge für seine öffentliche Abwasserentsorgungseinrichtung erhebt, obliegt dagegen keine Rückzahlungsverpflichtung nach § 21a Abs. 4 ThürKAG, da er selbst bis zum 31.12.2004 keine Abwasserbeiträge nach altem Recht erhoben hat und sachliche Beitragspflichten nur nach Maßgabe seines ab dem 01.01.2005 erstmals in Kraft getretenen Satzungsrechts gemäß § 7 Abs. 7 ThürKAG entstehen können, so dass die Privilegierungstatbestände des ThürKAG 2005 von vornherein berücksichtigt werden. Für diesen Aufgabenträger gibt es also keine Altfälle, die durch Rückzahlung erst den Neufällen gleichgestellt werden müssten. Die Beitragssatzung begründet im Abwasserbeitragsrecht Beitragspflichten nur für eine bestimmte beitragsfähige Maßnahme, die der öffentlichen Einrichtung eines bestimmten kommunalen Einrichtungsträgers zugeordnet ist. Nur für diese in der Entwässerungssatzung des Einrichtungsträgers definierten öffentlichen Einrichtungen gelten die Bestimmungen in der Beitragssatzung über den anzuwendenden Beitragsmaßstab, den Beitragssatz und die durchschnittliche Grundstücksfläche im Verteilungsgebiet der Einrichtung dieses Aufgabenträgers nach den dort gegebenen örtlichen Verhältnissen gemäß § 7 Abs. 7 Satz 3 und 4 ThürKAG. Eine Gleichstellung der Alt- und Neufälle durch Rückzahlungspflichten nach der Übergangsregelung des § 21a Abs. 4 ThürKAG ist nur erforderlich, wenn der Beitragsgläubiger und Satzungsgeber vor und nach dem Stichtag 01.01.2005 in beiden Fällen derselbe ist (Beschluss des Senats vom 03.05.2007 - 4 EO 101/07 -DVBl. 2007, 1187, nur Leitsätze).

In Fortführung dieser Rechtsprechung sieht der Senat einen Aufgabenträger auch dann als zur Rückzahlung von Abwasserbeiträgen verpflichtet an, wenn er vor dem 01.01.2005 Beiträge eingenommen hat, zu diesem Stichtag noch Aufgabenträger war und erst im Laufe der 12-Monats-Frist nach § 21a Abs. 2 ThürKAG die Aufgaben der Abwasserentsorgung auf einen neuen Aufgabenträger übertragen hat. Die Satzungskompetenz, die der frühere Aufgabenträger für seine Einrichtung im Zeitraum zwischen dem 01.01.2005 und dem Zeitpunkt des Übergangs der Aufgaben auf den neuen Einrichtungsträger hatte, bleibt bestehen. Ohne die Annahme dieser nachwirkenden Satzungskompetenz zur Anpassung an die Rechtslage seit dem 01.01.2005 liefe § 21a Abs. 4 ThürKAG für diesen Fall des Aufgabenträgerwechsels leer. Denn der neue Aufgabenträger ist, wie bereits festgestellt, nicht verpflichtet, Abwasserbeiträge zurückzuzahlen, die nicht er eingenommen hat, und hat nicht die Kompetenz, für eine andere Einrichtung in einem anderen Satzungsgebiet eines anderen Einrichtungsträgers rückwirkend dessen beitragsrechtliche Regelungen in der Entwässerungssatzung anzupassen oder solche erstmals zu erlassen. Die Satzungsanpassung ist nur durch den ursprünglich dafür zuständigen Aufgabenträger möglich. Denn die nachträgliche Änderung des Umfangs der Fälligkeit eines begründeten Beitragsanspruches kann nur innerhalb des Beitragsschuldverhältnisses vollzogen werden. In den Fällen, in denen eine Heranziehung zu Abwasserbeiträgen bereits durch Zahlung vollzogen wurde, wird der festgesetzte und geforderte Beitrag auf Antrag gestundet und zurückgezahlt. Mit der Regelung in § 21a Abs. 4 Satz 1, 2. HS. ThürKAG wird nachträglich ein neuer landesgesetzlicher Stundungsanspruch geschaffen, mit dem die Fälligkeit des Anspruchs aus einem begründeten Beitragsschuldverhältnis im Umfang der Privilegierungstatbestände des § 7 Abs. 7 ThürKAG nachträglich und unabhängig von den Voraussetzungen der Bestimmungen in § 7b ThürKAG und § 222 AO hinausgeschoben und ein Rückzahlungsanspruch begründet wird (Beschluss des Senats vom 03.05.2007). Solange das Beitragsschuldverhältnis aber noch fortbesteht und daraus Rechte und Pflichten zwischen den am Schuldverhältnis Beteiligten resultieren, hat der gesetzlich zur Rückzahlung verpflichtete Einrichtungsträger mit der Pflicht zur Anpassung seines Satzungsrechtes auch noch die dafür erforderliche Satzungshoheit.

Da der TAVEE in der Vergangenheit für die damalige Entwässerungseinrichtung der Antragstellerin nicht nach Maßgabe seiner Beitragssatzung Beiträge erhoben hat, ist er nicht zur Rückzahlung verpflichtet. Vor dem 01.01.2005 hat vielmehr die Antragstellerin Beiträge für eine andere öffentliche Einrichtung als die des TAVEE erhoben, eine andere beitragsfähige Maßnahme, ihr lagen andere Verteilungsmaßstäbe und eine andere für die Bestimmung des angewendeten Beitragssatzes maßgebliche Berechnung von Investitionsaufwand und Verteilungsflächen zugrunde, so dass sie an sich aus dem Beitragschuldverhältnis zur Rückzahlung verpflichtet wäre.

Ausnahmsweise besteht für die Antragstellerin jedoch trotz der ihr obliegenden und nicht erfüllten Anpassungspflicht nach § 21a Abs. 2 ThürKAG keine Rückzahlungspflicht nach § 21a Abs. 4 ThürKAG mehr. Sie kann folglich nicht zum Erlass einer (Änderungs-) Satzung nach § 21a Abs. 2 ThürKAG angehalten werden. Ein solches Verlangen der Aufsichtsbehörde verstößt hier gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, denn für die Gemeinde als Satzungsgeber besteht kein Anlass mehr zum Tätigwerden. Nach unbestrittenem Vortrag hat die Antragstellerin sämtliche Beitragsbescheide wegen einer fehlerhaften Kalkulation des Beitrages mittlerweile aufgehoben. Der Anspruch auf Erstattung des gezahlten Beitrags für die Herstellung der Abwasserentsorgungseinrichtung folgt in diesem Falle nicht aus § 21a Abs. 4 ThürKAG, weil die Rückgewähr des gezahlten Beitrags keine Folge der Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes zum 01.01.2005 ist. Wenn ein Abgabenbescheid von der Ausgangsbehörde, der Widerspruchsbehörde oder einem Gericht aufgehoben wird, ist Anspruchsgrundlage für den Anspruch auf Erstattung § 15 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) ThürKAG in Verbindung mit § 37 Abs. 2 AO, während es sich bei dem Rückzahlungsanspruch nach § 21a Abs. 4 Satz 2 ThürKAG um einen Anspruch aus dem Beitragsschuldverhältnis entsprechend § 37 Abs. 1 AO handelt (Beschluss vom 03.05.2007 - 4 EO 101/07). Ist eine Abgabe ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrags (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b), Abs. 2 Buchst. b) ThürKAG in Verbindung mit § 37 Abs. 2 Satz 1 AO). Dies gilt nach § 37 Abs. 2 Satz 2 AO auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt. Durch die Aufhebung der Beitragsbescheide ist der Rechtsgrund für die erbrachte Beitragszahlung weggefallen, das Beitragsschuldverhältnis erloschen und ein Rückgewährschuldverhältnis entstanden. Einen Rückzahlungsberechtigten im Sinne von § 21a Abs. 4 ThürKAG sowie rückzuerstattende Beiträge gibt es nach dieser Umwandlung des Rechtsverhältnisses nicht mehr. Dies gilt auch für den Fall, dass Beitragsschuldner und Rückzahlungsberechtigter nach § 21a Abs. 4 ThürKAG nicht personenidentisch sein sollten. Den Erstattungsanspruch hat auch nach einer Eigentumsübertragung derjenige, auf dessen Rechnung die ursprüngliche Beitragsschuld gezahlt wurde, nicht der neue Eigentümer des veranlagten Grundstückes (vgl. Beschluss des Senats vom 02.04.2007 - 4 ZKO 196/07 - amtlicher Umdruck S. 4). Diesem können möglicherweise wegen der Rückerstattung des gezahlten Beitrages seinerseits Erstattungsansprüche aus einer rechtsgrundlosen Leistung, etwa wenn die Beitragszahlung im Kaufpreis berücksichtigt wurde, gegen den vormaligen Eigentümer entstehen, aber kein Rückzahlungsanspruch nach § 21a Abs. 4 ThürKAG gegen die Gemeinde.

Wegen der Aufhebung der Bescheide und des Erlöschens der Beitragsschuldverhältnisse ist die angegriffene Maßnahme hier unverhältnismäßig.

Auch Maßnahmen der Kommunalaufsicht stehen unter dem Gebot der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.02.1985 - 2 BvR 1145/83 - E 69,161 <169>; OVG Nordrhhein-Westfalen, Urteil vom 23.09.2003 - 15 A 2053/98 - zitiert nach juris; SächsOVG, Beschluss vom 11.03.2003 - 4 BS 362/03 - SächsVBl. 2004, 216 ff.). Der Eingriff muss zur Erreichung des Eingriffsziels geeignet sein und darf nicht weiter gehen, als es die Gemeinwohlbelange erfordern. Ferner müssen Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.06.1980 - 1 BvR 687/77 - E 54, 301 <313>; Beschluss vom 15.12.1999 - 1 BvR 1904/95 - E 101, 331 <347>). Diesen Anforderungen genügt die angegriffene Maßnahme nicht.

Ihr liegen zwar grundsätzlich legitime Zwecke zugrunde, zu deren Erreichung die Aufforderung zum Satzungserlass im Allgemeinen auch geeignet und grundsätzlich erforderlich ist, jedoch erweist sich die Regelung im konkreten Fall nicht als angemessen. Der mit der geforderten Satzungsanpassung verbundene Aufwand zur Ermittlung der durchschnittlichen Grundstücksgrößen im Verteilungsgebiet der Einrichtung, der tatsächlich bebauten Flächen sowie der zulässigen Bebauung und, sofern es die örtlichen Verhältnisse erfordern, der Art der Bebauung, um zwischen Grundstücken, die vorwiegend Wohnzwecken dienen und sonstigen Grundstücken unterscheiden zu können, steht hier außer Verhältnis zu dem damit verfolgten Zweck, der Rückzahlung von Abwasserbeiträgen nach § 21a Abs. 4 ThürKAG. Denn eine Rückzahlung kann mangels bestehender Beitragsschuldverhältnisse nicht mehr in Betracht kommen. Vielmehr ist der Anwendungsbereich des § 21a Abs. 4 ThürKAG erst eröffnet, wenn vor dem 01.01.2005 sachliche Beitragspflichten entstanden und noch nicht wieder untergegangen sind.

Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Antragstellerin die Bescheide nicht hätte aufheben und die erhobenen Beträge nach § 37 Abs. 2 AO rückerstatten dürfen, sondern nach § 21a Abs. 4 ThürKAG hätte zurückzahlen müssen. Eine Sperrwirkung dergestalt, dass nach dem 01.01.2005 die Aufhebung rechtswidriger Beitragsbescheide zugunsten einer Rückzahlung nach § 21a Abs. 4 ThürKAG untersagt wäre, entfaltet § 21a ThürKAG nicht. Vielmehr tritt der Anspruch aus § 21a Abs. 4 ThürKAG neben den Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO (Blomenkamp in: Driehaus (Hrsg.) Kommunalabgabenrecht, Rn. 1532 zu § 8).

Der Senat teilt auch die Bedenken des Antragsgegners hinsichtlich des Vorliegens eines hinreichenden Grundes für die Aufhebung nicht. Ein Satzungsgeber kann von sich aus Bescheide aufheben oder ändern, wenn er Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Satzungsrechts hat und ist insoweit nicht zunächst auf eine Entscheidung im Normenkontrollverfahren angewiesen. Die Bedenken der Antragstellerin sind hier zudem aufgrund der Einstellung von nicht angefallenen (Herstellungs-) Kosten in die Kalkulation nachvollziehbar. Denn die Festlegung des Beitragssatzes durch den Satzungsgeber beruht auf einer Ermittlung des beitragsfähigen Investitionsaufwandes und dessen Verteilung auf die errechneten Maßstabseinheiten. Nach der Rechtsprechung des Senats sind unter dem beitragsfähigen Investitionsaufwand für die Herstellung einer öffentlichen Einrichtung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 ThürKAG aber nur die dem Einrichtungsträger tatsächlich entstandenen Herstellungskosten nach dem Nominalwertprinzip zu verstehen (vgl. Urteil des Senats vom 21.06.2006 - 4 N 574/98 - KStZ 2006, 212-220 = ThürVBl 2007, 9-16). Wenn ein satzungsrechtlich festgelegter Beitragssatz durch die Einstellung nicht angefallener Investitionskosten im Ergebnis zu Lasten der Beitragspflichtigen nicht nur geringfügig überhöht ist, liegt ein Verstoß gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot vor, der zur Unwirksamkeit des Beitragssatzes führt.

Soweit die Antragstellerin, wie zumindest für die Gemeinde Kälberfeld, keine Abwasserbeiträge erhoben hat, ist sie bereits aus diesem Grunde nicht zur Rückzahlung und folglich auch nicht zum Satzungserlass verpflichtet. Eine Rückzahlung nach § 21a Abs. 4 ThürKAG kann in diesem Fall nicht in Betracht kommen, da die Regelung nur für die Rückzahlung bereits gezahlter Beiträge gilt.

Die Antragstellerin ist ebenfalls nicht zur Rückzahlung der Abwasserbeiträge, die der AZV Hörsel-Emsetal für Sättelstädt eingenommen hat, verpflichtet. Ein Aufgabenträger ist nicht verpflichtet, Abwasserbeiträge zurückzuzahlen, die nicht er selbst erhoben und eingenommen hat, sondern ein anderer Aufgabenträger (vgl. Beschluss des Senats vom 03.05.2007 - 4 EO 101/07). Auch insoweit ist deshalb eine Anpassungssatzung nicht erforderlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des für die Kostenberechnung maßgebenden Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47, 52 Abs. 1 GKG. Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehung einer rechtsaufsichtlichen Verfügung. Den Wert für eine kommunalaufsichtliche Streitigkeit bemisst der Senat im Hauptsacheverfahren in Anlehnung an den "Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit" (Abschnitt II, Ziffer 22.5 des Streitwertkataloges in der Fassung 7/2004: NVwZ 2004, 1327 ff.) mit 15.000,-- €. Dieser Wert wird im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf die Hälfte reduziert (Abschnitt II, Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges in der Fassung 7/2004; vgl. hierzu den Senatsbeschluss vom 27.03.2006 - 4 EO 87/06 -).

Ende der Entscheidung

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