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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 17.03.2009
Aktenzeichen: 4 EO 269/07
Rechtsgebiete: ThürKAG


Vorschriften:

ThürKAG § 7 Abs. 1 S. 1
Zur Beitragspflicht eines Hinterliegergrundstücks bei Eigentümeridentität (Ausbaubeitragsrecht)
THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 4. Senat - Beschluss

4 EO 269/07

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausbaubeitrags,

hier: Beschwerde nach §§ 80, 80a VwGO

hat der 4. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Aschke, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Blomenkamp und den Richter am Oberverwaltungsgericht Gravert am 17. März 2009 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 19. März 2007 - Az: 1 E 171/05 Me - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstands wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 516,82 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die in der Beschwerde vorgebrachten Gründe, auf deren Nachprüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ergeben nicht, dass das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 17.11.2004 zu Unrecht abgelehnt hat.

Das Verwaltungsgericht hat seine ablehnende Entscheidung unter anderem darauf gestützt, dass dem Beitragsbescheid eine formell wirksame Straßenausbaubeitragssatzung zugrunde liege. Es bestünden aber Zweifel, ob die Straßenausbaubeitragssatzung für die abgerechnete Maßnahme aus materiellen Gründen in Betracht komme. Denn an der ausgebauten Straße "B "grenzten einige baulich nicht nutzbare, im Außenbereich gelegene Grundstücke an, die die Antragsgegnerin unter Berücksichtigung einer undifferenzierten Tiefenbegrenzungsregelung auch teilweise veranlagt habe. Daher sei zweifelhaft, ob die Straßenausbaubeitragssatzung für diese Grundstücke einen wirksamen Verteilungsmaßstab vorsehe (wird ausgeführt). Jedoch müsse die Frage, ob die Verteilungsregelung ausreiche, um die Straße abzurechnen, dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Gegen die konkrete Beitragsermittlung bestünden keine Bedenken. Entgegen der Auffassung des Antragstellers sei sein Flurstück Nr. a in die Verteilung einzubeziehen. Das betreffende Flurstück sei als Hinterliegergrundstück zu veranlagen, da es nicht selbst an die ausgebaute Straße angrenze, sondern nur über das ebenfalls im Eigentum des Antragstellers stehende, damit einheitlich und gewerblich genutzte Flurstück b__ an das Straßengrundstück der Gemeinde angeschlossen sei. Wenn Anlieger- und Hinterliegergrundstück demselben Eigentümer gehörten, sei das Hinterliegergrundstück nach ganz herrschender Meinung in die Verteilung des Aufwands einzubeziehen, weil der Eigentümer vom Hinterliegergrundstück über das Anliegergrundstück eine dauerhafte Möglichkeit zur Inanspruchnahme der ausgebauten Straße besitze. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Straße entfalle nur in Ausnahmefällen, etwa dann, wenn es wegen einer weitgehenden Bebauung des Anliegergrundstücks ausgeschlossen sei, sich einen Zugang zur Straße zu verschaffen. Davon könne hier nicht ausgegangen werden. Denn das Flurstück b sei an der Seite zur Straße "B " nicht durchgehend bebaut, sondern nach dem Lageplan im Kreuzungsbereich unbebaut, so dass über das Flurstück b ein Zugang zur Straße "B " möglich sei.

Hiergegen trägt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren vor, dass ein Grundstück in Fällen der Eigentümeridentität beim Vorliegen einer einheitlichen Nutzung zwar stets beitragspflichtig sei. Die Beitragspflicht setze jedoch voraus, dass das Grundstück von der Straße aus erreichbar sei. Das Hinterliegergrundstück müsse also einen Zugang zur ausgebauten Straße haben. Das sei hier nicht der Fall, weil das Flurstück a von der ausgebauten Straße nicht zu erreichen sei. Um zum Flurstück a_ zu gelangen, sei es erforderlich, zuerst das Flurstück b__ im unbebauten Bereich und anschließend das in Fremdeigentum stehende Flurstück c___ zu überqueren. Der Antragsteller besitze jedoch kein Geh- und Fahrrecht für das Flurstück c, da er zur Hauptstraße einen eigenen Zugang habe. Zudem sei dieses Grundstück eingezäunt. Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Flurstück a__ über das Flurstück b__ erreicht werden könne. Das Flurstück a__ bilde mit dem Flurstück b__ keine wirtschaftliche Einheit und werde über dieses Grundstück aus Richtung der beitragspflichtigen Straßenbaumaßnahme nicht erschlossen. Nach Ablauf der Beschwerdefrist führt der Antragsteller ergänzend an, dass das Gebäude auf dem Flurstück b mit der Grundstücksgrenze an die ausgebaute Straße angrenze. Mit dem Gebäude auf dem Flurstück a__ bilde es eine geschlossene Häuserfront. Das Flurstück b__ könne daher von der ausgebauten Straße nicht erreicht werden, sondern nur von der Hauptstraße aus.

Mit dieser Begründung kann der Antragsteller die erstinstanzliche Entscheidung nicht in Zweifel ziehen. Dabei kann dahinstehen, ob sein nachträgliches Vorbringen lediglich als Ergänzung der fristgerechten Beschwerdebegründung zu werten wäre oder als neuer Vortrag außerhalb der Beschwerdefrist läge. Denn auch diese Argumente ergeben nicht, dass das Verwaltungsgericht dem Antrag hätte stattgeben müssen.

Der Senat hat sich mit der Frage der Beitragspflicht eines Hinterliegergrundstücks, das im Eigentum derselben Person steht wie das Anliegergrundstück, bereits mehrfach befasst. Im Beschluss vom 15.01.2007 (Az. 4 ZKO 1215/05, Abdruck S. 5 - 7, m. w. Nw.), der den Beteiligten bekannt ist, hat er ausgeführt, durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Ortsstraße hätten diejenigen Grundstücke besondere Vorteile (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 und 3 ThürKAG), bei denen im Verhältnis zu anderen Grundstücken davon ausgegangen werden kann, dass sie wegen ihrer räumlich engen Beziehung zur ausgebauten Anlage diese in stärkerem Umfang in Anspruch nehmen, um das Grundstück zu erreichen - also in erster Linie die unmittelbar anliegenden Grundstücke. Eine vorteilsrelevante, die Beitragserhebung rechtfertigende Inanspruchnahmemöglichkeit gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 ThürKAG haben jedoch auch die nicht direkt an der ausgebauten Straße liegenden Hinterliegergrundstücke, wenn von ihnen eine dauerhafte Möglichkeit zur Inanspruchnahme der ausgebauten Straße besteht. Diese Möglichkeit ist in den Fällen der Eigentümeridentität am Anlieger- und Hinterliegergrundstück bei einer einheitlichen Nutzung beider Grundstücke im Grundsatz immer gegeben. Eine einheitliche Nutzung ist allerdings nicht zwingend vorauszusetzen. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Straße besteht in allen Fällen, in denen die Straße vom Hinterliegergrundstück aus erreicht werden kann. Der Zugang zur Straße vom Hinterliegergrundstück über das Anliegergrundstück ist unabhängig vom Vorhandensein einer einheitlichen Nutzung in den Fällen der Eigentümeridentität - anders als bei Eigentümerverschiedenheit - regelmäßig gewährleistet. Denn der Eigentümer hat es in der Hand, den Mangel, der in dem Nichtanliegen des Hinterliegergrundstücks liegt, jederzeit durch die Vereinigung des Hinterliegergrundstücks mit dem Anliegergrundstück gemäß § 890 Abs. 1 BGB zu beseitigen. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme der ausgebauten Straße erfordert mithin bei Eigentümeridentität keine tatsächlich vorhandene Zufahrt über das Anliegergrundstück zum Hinterliegergrundstück, die eine einheitliche Nutzung dokumentieren soll.

Der Standpunkt des Antragstellers, das Flurstück a_ könne nicht beitragspflichtig sein, weil es zwar über das Vorderliegergrundstück, aber nicht von der ausgebauten Straße aus erreicht werde, erweist sich danach nicht als stichhaltig. Die Beitragspflicht des Hinterliegergrundstücks (Flurstück a_) setzt nicht voraus, dass eine Zufahrt von der abgerechneten Anlage über das Vorderliegergrundstück (Flurstück b_) vorhanden ist. Ausreichend ist, dass das Vorderliegergrundstück an der ausgebauten Anlage liegt und von diesem Vorderliegergrundstück aus auch das Hinterliegergrundstück betreten werden kann. Denn für die Annahme einer vorteilsrelevanten Inanspruchnahmemöglichkeit reicht es im Straßenausbaubeitragsrecht grundsätzlich aus, wenn an das Grundstück herangefahren werden kann, d. h. wenn auf der Fahrbahn der Straße bis zur Höhe des Grundstücks gefahren und es von da aus betreten werden kann (vgl. Beschlüsse des Senats vom 10.02.2003, 4 ZEO 1139/98; und vom 10.11.2003, 4 ZEO 817/00). Für die beitragsrechtlich relevante Möglichkeit, das Hinterliegergrundstück von der ausgebauten Anlage aus über das Vorderliegergrundstück erreichen zu können, gilt nichts anderes. Auch dafür ist grundsätzlich nicht erforderlich, etwa über eine verlängerte Zufahrt auf das Hinterliegergrundstück herauffahren zu können.

So ist es hier. Ausweislich der in den Akten befindlichen Pläne und Fotos grenzt das Flurstück b__ direkt an die ausgebaute Anlage "B ". Es ist bereits deshalb Anliegergrundstück, ohne dass es auf seine Bebauung ankäme. Darüber hinaus verfügt es an der nordwestlichen Seite, d. h. im Kreuzungsbereich zur Hauptstraße, über eine (vordere) Freifläche, die direkt von der Straße "B " aus betreten werden kann. Das Flurstück a____ liegt - sowohl von der Straße "B____" als auch von der Hauptstraße aus gesehen - hinter dem Flurstück b. Es ist nach Aktenlage jedenfalls über die Freifläche, die auf beiden Grundstücken hinter der Bebauung liegt und die für das Gewerbe des Antragstellers wohl einheitlich gewerblich genutzt wird, ohne weiteres zugänglich. Zwar ist dem Antragsteller zuzugestehen, dass der Zugang zum Flurstück a__ von der ausgebauten Straße über das Flurstück b nicht allein über Freifläche möglich ist. Darauf kommt es jedoch nach den dargestellten Maßstäben nicht an. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass auf Grund der Art der gewerblichen Nutzung des Grundstücks andere Anforderungen zu stellen wären (wie etwa im Fall eines planungsrechtlich festgesetzten Industriegebiets). Soweit vertreten wird, die Erreichbarkeit über das Anliegergrundstück könne in eng begrenzten Ausnahmefällen entfallen, wenn es wegen einer Überbauung des Anliegergrundstücks ausgeschlossen ist, sich vom Hinterliegergrundstück aus einen Zugang zu verschaffen (vgl. dazu Beschluss vom 15.01.2007, a. a. O., S. 6, m. Nw.), ist ein solcher Ausnahmefall bei dem Hinterliegergrundstück des Antragstellers nach den vorliegenden Unterlagen nicht erkennbar.

Ein anderes Ergebnis folgt nicht daraus, dass das Flurstück a auch von der Hauptstraße, aber wiederum über das unmittelbar anliegende Flurstück b erschlossen ist. Wie der Senat bereits im Beschluss vom 15.01.2007 (a. a. O.) ausgeführt hat, teilt er nicht die Auffassung, dass die Inanspruchnahmemöglichkeit über das Vorderliegergrundstück trotz Eigentümeridentität im Falle einer bereits anderweitigen vollen Erschließung des Hinterliegergrundstücks nur dann beitragsrelevant sein soll, wenn tatsächlich eine Zweiterschließung durch die Herstellung einer Zufahrt über das Vorderliegergrundstück erfolgt. (so u. a. OVG NW, Beschluss vom 14.10.2005, 15 A 240/04, KStZ 2006, S. 16 [17]; Urteil vom 25.01.2005, 15 A 548/03, NVwZ-RR 2006, S. 63). Der Senat sieht einstweilen keinen Anlass, von der in diesem Beschluss geäußerten Auffassung abzugehen; zum einen deshalb, weil es sich vorliegend lediglich um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes handelt; zum anderen, weil die hieran geübte Kritik auf einer neuen differenzierten Bewertung der Beitragspflicht von Hinterliegergrundstücken beruht, die hier allerdings zu keiner abweichenden Bewertung führt (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 9/08, § 8 Rdnr. 401a ff., 401j; anders noch ders., Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Auflage 2004, § 35 Rdnr. 17, mit der im Senatsbeschluss vom 15.01.2007 zitierten Begründung). Dies wäre nämlich nur der Fall, wenn ein nicht "gefangenes" Hinterliegergrundstück bereits an eine eigene (andere) Anbaustraße angrenzte und daher nicht zu erwarten wäre, dass die ausgebaute Verkehrsanlage von dem Hinterliegergrundstück in relevantem Umfang in Anspruch genommen werden wird. Dies ist hier schon deshalb anders, weil sich das Flurstück a sowohl im Verhältnis zur Hauptstraße als auch zur ausgebauten Straße "B " als sog. gefangenes Hinterliegergrundstück darstellt und darüber hinaus mit dem Anliegergrundstück einheitlich genutzt wird. Wollte man mit Blick auf den bereits bestehenden Zugang zur Hauptstraße die Beitragspflicht für die ausgebaute Verkehrsanlage verneinen, liefe dies darauf hinaus, ein Hinterliegergrundstück besserzustellen als ein unmittelbar an zwei Verkehrsanlagen anliegendes Grundstück oder letztlich auch die Beitragspflicht für die Zweiterschließung eines unmittelbar anliegenden Grundstücks in Zweifel zu ziehen, sofern nach den tatsächlichen Verhältnissen mit einer Inanspruchnahme der weiteren Anlage typischerweise nicht gerechnet werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des für die Kostenberechnung maßgebenden Streitwerts beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

Hinweis:

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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