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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.10.2006
Aktenzeichen: 4 EO 521/06
Rechtsgebiete: ThürKO, ThürGemHV, ThürKAG


Vorschriften:

ThürKO § 54 Abs. 2
ThürKO § 55 Abs. 2 S 1 Nr. 1
ThürKO § 56 Abs. 1 S 1 Nr. 1
ThürKO § 120 Abs. 1 S. 1
ThürGemHV § 7 Abs. 1
ThürKAG § 7
Auch wenn eine Gemeinde mit ihrer Weigerung, eine Ausbaubeitragssatzung zu erlassen, gegen die Beitragserhebungspflicht verstößt, begründet dieser Verstoß keine Rechtswidrigkeit einer Haushaltssatzung und eines Haushaltsplans wegen nicht veranschlagter Beitragseinnahmen, wenn kassenwirksame Beitragseinnahmen nach den konkreten Verhältnissen im betreffenden Haushaltsjahr schon wegen einer fehlenden Beitragssatzung nicht zu erwarten sind.
THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 4. Senat - Beschluss

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausbaubeiträgen,

hier: Beschwerde nach §§ 80, 80a VwGO

hat der 4. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Aschke, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Blomenkamp und den Richter am Oberverwaltungsgericht Gravert am 9. Oktober 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gera vom 24.05.2006 - 2 E 298/06 Ge - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für das Verfahren in erster und zweiter Instanz auf jeweils 15.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist nur teilweise zulässig. Im Übrigen hat sie in der Sache keinen Erfolg.

1. Der Beschwerdeantrag des Antragsgegners richtet sich mangels erkennbarer Einschränkung bei der Beschwerdeeinlegung oder -begründung gegen die stattgebende Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts insgesamt, mithin auch gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Klage der Antragstellerin gegen die in Ziffer 2 des rechtsaufsichtlichen Bescheides vom 01.02.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.03.2006 enthaltene Aufforderung, den Gemeinderatsbeschluss Nr. 70-8/05 vom 20.12.2005 aufzuheben, aufschiebende Wirkung hat.

Die auf den vorstehend genannten Teil des Streitstoffes erstreckte Beschwerde ist mangels Darlegung der Beschwerdegründe nach § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO unzulässig.

Die Beschwerdebegründung muss gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO u. a. die Gründe darlegen, aus denen die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Die fristgerecht nachgereichte Beschwerdebegründung des Antragsgegners enthält keine Darlegungen zur Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die aufsichtsbehördliche Aufforderung in Ziffer 2 des Bescheides vom 01.02.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides und setzt sich insoweit nicht mit den tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts auseinander. Innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist hat der Antragsgegner seinen Beschwerdevortrag insoweit auch nicht ergänzt.

2. Soweit das Verwaltungsgericht dem Eilantrag der Antragstellerin gegen die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 01.02.2006 über die Beanstandung der Haushaltssatzung und des Haushaltsplanes der Antragstellerin für das Jahr 2006 (Ziffer 1) stattgegeben hat, ist die Beschwerde unbegründet. Die vom Antragsgegner im Beschwerdeverfahren insoweit fristgerecht vorgetragenen Gründe, auf deren Nachprüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, können die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht in Frage stellen.

Das Verwaltungsgericht hat seine stattgebende Entscheidung insofern im Wesentlichen darauf gestützt, dass die rechtsaufsichtliche Beanstandung der Haushaltssatzung und des Haushaltsplanes der Antragstellerin für 2006 vo raussichtlich rechtswidrig sei. Es sei nicht erkennbar, dass die Antragstellerin gegen die haushaltsrechtlichen Einnahmebeschaffungsgrundsätze gemäß § 54 Abs. 2 ThürKO verstoßen habe. Insbesondere sei bislang nicht ersichtlich, dass es sich bei den im Haushaltsplan ausgewiesenen Ausgaben für Baumaßnahmen betreffend die Fahrbahnerneuerung der "Straße des Aufbaus" in Kaulsdorf um beitragsfähige Straßenausbaumaßnahmen i. S. d. § 7 ThürKAG handele. Darüber hinaus sei auch nicht erkennbar, ob die sachliche Beitragspflicht bereits entstanden sei. Außerdem sei die Beanstandungsverfügung voraussichtlich unverhältnismäßig. Insbesondere im Hinblick darauf, dass bisher ein Verstoß gegen § 54 Abs. 2 ThürKO nicht erkennbar sei, sei die angefochtene Maßnahme vor allem im Hinblick auf die sich ergebenden Probleme im Zusammenhang mit einer vorläufigen Haushaltsführung nicht angemessen, zumal nicht ersichtlich sei, dass die Beanstandung der Haushaltssatzung das einzige Mittel sei, um den etwaigen Verlust bislang nicht erhobener Ausbaubeiträge zu verhindern. Insofern komme vorrangig die Verpflichtung der Antragstellerin zum Erlass einer entsprechenden Abgabensatzung als milderes und damit verhältnismäßiges Mittel in Betracht.

Demgegenüber macht der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren zunächst geltend, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass die im Haushaltsplan 2006 geplanten Straßenbaumaßnahmen in Kaulsdorf keine beitragsfähigen Maßnahmen darstellten. Es handele sich vielmehr um beitragsfähige Verbesserungsmaßnahmen i. S. d. § 7 ThürKAG. Die Antragstellerin sei daher verpflichtet, entsprechendes Satzungsrecht zu erlassen und Beiträge zu erheben. Auch die in der Vergangenheit bereits getätigten Ausbaumaßnahmen hätten einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Haushaltslage der Antragstellerin, sodass es nicht gerechtfertigt sei, auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen zu verzichten. Die Antragstellerin verstoße gegen die Einnahmebeschaffungsgrundsätze des § 54 Abs. 2 und 3 ThürKO, weil sie ausweislich der Haushaltsunterlagen der Jahre 1995 bis 2005 Investitionsmaßnahmen im Bereich Straßenbau im Umfang von ca. 3 Mio € vorgenommen und gleichzeitig bei einem über dem Durchschnitt in Thüringen liegenden Gewerbesteuerhebesatz vom 350 v. H. Gewerbesteuereinnahmen im Umfang von ca. 1,6 Mio € vereinnahmt habe. Zumindest für einen wesentlichen Teil der Maßnahmen bestehe die gesetzliche Verpflichtung, Beiträge zu erheben. Die fehlenden Einnahmen hätten entscheidenden Einfluss auf die Haushaltslage der Antragstellerin mit einem Schuldenstand zum Jahresende 2005 von ca. 1 Mio €. Die Beanstandung stelle daher nicht ausschließlich auf die diesjährige Baumaßnahme ab, sondern auch auf das Unterlassen der Beitragserhebung für Straßenausbaumaßnahmen in der Vergangenheit und deren Kostendeckung über die Kraft Gesetzes subsidiär zu vereinnahmenden Steuern. Entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts führe insbesondere das Nichtvorhandensein einer Satzung dazu, dass Beitragspflichten für grundsätzlich beitragsfähige Maßnahmen nicht entstehen und damit Beiträge nicht in den Haushalt eingestellt und im Haushaltsvollzug vereinnahmt werden könnten.

Im Übrigen könnten auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur fehlenden Verhältnismäßigkeit der Beanstandung nicht überzeugen. Die Antragstellerin sei fortlaufend auf das Erfordernis einer Beitragssatzung und der Beitragserhebung hingewiesen und zur Vereinnahmung von Anliegerbeiträgen angehalten worden.

Dies habe die Antragstellerin jedoch abgelehnt. Vor diesem Hintergrund treffe sie die rechtsaufsichtliche Maßnahme nicht unerwartet, unangemessen oder unzumutbar. Soweit das Verwaltungsgericht die Beanstandung für unangemessen und den Erlass einer Beitragssatzung für die Antragstellerin im Wege der Ersatzvornahme für ein milderes Mittel halte, werde verkannt, dass weder die Beanstandung des Nichterlasses einer Beitragssatzung noch deren Erlass im Wege der Ersatzvornahme die Rechtmäßigkeit einer Haushaltssatzung begründen könne, die unter Verstoß gegen die Einnahmebeschaffungsgrundsätze weiterhin keine Einnahmen aus Ausbaubeiträgen ausweise. Maßgeblich für die Beanstandung des Haushalts 2006 sei der Verzicht der Antragstellerin, Beiträge für die von den Ausbaumaßnahmen begünstigten Anlieger einzustellen, obgleich im Haushalt nachrangige Steuern veranschlagt wurden, insbesondere aus Gewerbesteuern i. H. v. ca. 150.000,-- €. Die Haushaltssatzung werde erst rechtmäßig, wenn im Haushaltsplan entsprechend der Rangfolge der Deckungsmittel Ausbaubeiträge veranschlagt würden, nicht dagegen bereits bei Erlass einer Beitragssatzung. Ungeachtet der fehlenden Eignung sei der Erlass einer Straßenausbaubeitragssatzung im Wege der Ersatzvornahme auch kein milderes Mittel.

Im Anschluss an den Erörterungstermin vom 10.08.2006 vor der Berichterstatterin hat der Antragsgegner ergänzend vorgetragen, dass die Haushaltsgrundsätze erforderten, alle Einnahmen in den Haushalt einzustellen, deren Vereinnahmung im geplanten Haushaltsjahr ermöglicht werden könne. Die Voraussetzungen für eine Kassenwirksamkeit müssten zum Zeitpunkt der Haushaltsplanung noch nicht vorliegen. Erst wenn die Gemeinde wissentlich Einnahmen einstelle, deren kassenwirksame Vereinnahmung für das Haushaltsjahr ausgeschlossen sei, werde gegen den in § 7 Abs. 1 ThürGemHV manifestierten Veranschlagungsgrundsatz der Haushaltswahrheit verstoßen. Die Schaffung der Voraussetzungen für eine Beitragserhebung und eine Vereinnahmung der eingestellten Beitragseinnahmen läge hier jedoch in der Sphäre der Antragstellerin und sei im Haushaltsvollzug sowohl zeitlich als auch sachlich jederzeit möglich. Bereits aus dem Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit nach § 53 Abs. 2 ThürKO folge, dass die Gemeinde ohne schuldhaftes Zögern die Vereinnahmungsvoraussetzungen und damit auch die Voraussetzungen für eine Beitragserhebung herzustellen habe. Auf die abgabenrechtlichen Vorschriften über die Festsetzungs- und Zahlungsverjährung komme es im Hinblick auf die Einhaltung der zwingenden Haushaltsgrundsätze nicht an. Die Rechtswidrigkeit der Haushaltssatzung sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil es für die Beitragserhebung an einer Satzungsgrundlage und auch an der Berechenbarkeit der Beiträge fehle. Die Grundsätze der Einnahmebeschaffung und Gesamtdeckung erforderten lediglich, dass - auch für Baumaßnahmen früherer Jahre - Beiträge zur Refinanzierung veranschlagt würden. Für die Voraussetzungen der Abrechenbarkeit habe die Gemeinde Sorge zu tragen. Insofern sei ein Haushalt nicht erst rechtswidrig, wenn die Gemeinde trotz Vorliegens aller Voraussetzungen keine Beitragserhebung durchführe, sondern bereits dann, wenn die Gemeinde ihrer Pflicht zur Schaffung der notwendigen Voraussetzungen nicht nachkomme, z. B. dem Satzungserlass oder der Erhebung der Grundlagendaten, dennoch aber nachrangige Steuern erhebe.

Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Vielmehr ist im Ergebnis mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen, dass sich die aufsichtsbehördliche Beanstandung der Haushaltssatzung und des Haushaltsplanes der Antragstellerin für 2006 voraussichtlich im Hauptsacheverfahren nicht als rechtmäßig erweisen wird, weil die Antragstellerin darin keine Einnahmen aus Straßenausbaubeiträgen für Baumaßnahmen eingestellt hat, die sie im laufenden Haushaltsjahr durchzuführen beabsichtigte oder in früheren Jahren durchgeführt hat. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:

Wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, setzt die Rechtmäßigkeit einer Beanstandungsverfügung durch die Rechtsaufsichtsbehörde gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 ThürKO voraus, dass der beanstandete Beschluss bzw. Verwaltungsakt oder die beanstandete Satzung rechtswidrig ist (vgl. zur Beanstandung von Satzungen nach § 120 Abs. 1 Satz 1 ThürKO das Senatsurteil vom 23.11.2005 - 4 KO 877/01 -ThürVBl. 2006, 131 ff. = KStZ 2006, 134 ff.). Ob eine der Rechtsaufsichtsbehörde gemäß § 57 Abs. 2 ThürKO vorzulegende Haushaltssatzung nebst dem erstellten Haushaltsplan für ein bestimmtes Haushaltsjahr rechtmäßig ist, richtet sich nach der Einhaltung der hierfür maßgeblichen haushaltsrechtlichen Vorschriften in §§ 53 ff. ThürKO, insbesondere den §§ 55 und 56 ThürKO, die ergänzt werden durch die Regelungen in der ThürGemHV. Danach enthält die Haushaltssatzung einer Gemeinde die Festsetzung des Haushaltsplans unter Angabe des Gesamtbetrags der Einnahmen und Ausgaben des jeweiligen Haushaltsjahres (§ 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ThürKO). Der Haushaltsplan enthält u. a. alle im Haushaltsjahr für die Erfüllung der Aufgaben der Gemeinde zu erwartenden Einnahmen (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ThürKO i. V. m. § 7 Abs. 1 GemHV).

Der Senat sieht entgegen der Auffassung des Antragsgegners keine Anhaltspunkte dafür, dass die Haushaltssatzung der Antragstellerin und der von ihr aufgestellte Haushaltsplan für das Jahr 2006 gegen haushaltsrechtliche Vorschriften verstoßen, weil die Antragstellerin darin für das Haushaltsjahr 2006 keine Einnahmen aus Beitragserlösen für früher durchgeführte oder derzeit anstehende Straßenausbaumaßnahmen eingestellt hat. Denn die Antragstellerin musste bei der Aufstellung des Haushaltsplans nicht davon ausgehen, dass im Haushaltsjahr 2006 Einnahmen aus ausbaubeitragspflichtigen Maßnahmen zu erwarten waren. Das aus § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ThürKO i. V. m. § 7 Abs. 1 GemHV folgende Prinzip der Kassenwirksamkeit fordert, dass in einem Haushaltsplan nur die Einnahmen und Ausgaben veranschlagt werden, die im betreffenden Jahr kassenwirksam werden. Daher kommt es bei der Ermittlung der Haushaltsansätze für die Einnahmen darauf an, ob die jeweiligen Zahlungsvorgänge voraussichtlich in das Haushaltsjahr fallen oder nicht. Hierfür ist nicht die rechtliche Fälligkeit entscheidend, sondern es ist zu prüfen, in welchem Umfang fällig werdende Forderungen (z. B. aus Beiträgen) im Haushaltsjahr durchsetzbar sind. Kann nicht damit gerechnet werden, dass fällige Beiträge innerhalb des Haushaltsjahres auch in voller Höhe tatsächlich eingehen, können sie nicht veranschlagt werden (vgl. hierzu Duits, Kommunales Haushalts- und Kassenrecht in Thüringen, 1994, S. 44; Schmidt-Jortzig/Makswit, Handbuch des kommunalen Finanz- und Haushaltsrechts, 1991, Rn. 380).

Die Erwartung von Beitragseinnahmen im betreffenden Haushaltsjahr setzt danach zunächst voraus, dass die Gemeinde im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Haushaltssatzung nebst Haushaltsplan davon ausgehen kann, im Verlauf des Haushaltsjahres über eine wirksame Straßenausbaubeitragssatzung zu verfügen - sei es aufgrund einer bereits erlassenen Ausbaubeitragssatzung oder dem bevorstehenden Erlass. Denn ohne eine Beitragssatzung fehlt es nicht nur an der Rechtsgrundlage für noch zu erlassende Beitragsbescheide und erst dann mögliche Beitragszahlungen, sondern in Ermangelung einer satzungsrechtlichen Maßstabsregelung ist schon der umlagefähige Aufwand nicht berechenbar oder abzuschätzen und damit nicht der Umfang voraussichtlicher Beitragseinnahmen. Ferner kann die Gemeinde für ein bestimmtes Haushaltsjahr die kassenwirksame Vereinnahmung von Beitragszahlungen nur erwarten, wenn damit zu rechnen ist, dass in diesem Haushaltsjahr auch die Beitragserhebung selbst durch den Erlass von Beitragsbescheiden mit Leistungsgeboten realisiert werden soll oder muss.

Beides ist bei der Antragstellerin nicht anzunehmen: Bei der Beschlussfassung über die Haushaltssatzung für das Jahr 2006 verfügte die Antragstellerin nicht über eine erlassene Beitragssatzung und plante einen solchen Erlass offensichtlich auch nicht. Sie musste trotz der bisherigen Hinweise der Rechtsaufsichtsbehörde auf die Beitragserhebungspflicht und der wiederholten Anmerkungen in den Rechnungsprüfungsberichten auch nicht konkret davon ausgehen, dass sie im Jahre 2006 zum Erlass einer Beitragssatzung aufgefordert werden bzw. die Aufsichtsbehörde eine Ausbaubeitragssatzung im Wege der Ersatzvornahme erlassen würde, nachdem die Aufsichtsbehörde in der Vergangenheit keine entsprechenden rechtlichen Schritte eingeleitet hatte. Deshalb musste sie auch nicht erwarten, dass im Haushaltsjahr 2006 für bestimmte Ausbaumaßnahmen sachliche Beitragspflichten entstehen würden und damit überhaupt die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass von Beitragsbescheiden vorliegen würden. Es kommt daher nicht darauf an, ob es sich bei einzelnen der bereits in der Vergangenheit durchgeführten oder den für 2006 geplanten Ausbaumaßnahmen um beitragspflichtige Maßnahmen handeln könnte.

Überdies wäre die Haushaltssatzung der Antragstellerin mit dem Haushaltsplan auch dann nicht als rechtswidrig zu beanstanden gewesen, wenn die Antragstellerin Ende 2005 bereits über eine wirksame Ausbaubeitragssatzung verfügt hätte oder von dem bevorstehenden Erlass einer Beitragssatzung noch im Haushaltsjahr 2006 hätte ausgehen können und es sich danach bei den für das Haushaltsjahr 2006 geplanten oder in der Vergangenheit durchgeführten Straßenbaumaßnahmen um beitragspflichtige Maßnahmen gehandelt hätte. Denn einen Zahlungseingang von Anliegerbeiträgen noch im Haushaltsjahr 2006 durfte die Antragstellerin nur erwarten, wenn anzunehmen war, dass noch im Jahr 2006 Beitragsbescheide mit einem Leistungsgebot erlassen würden, mithin Beiträge noch 2006 fällig würden und auch tatsächlich Beitragszahlungen eingehen würden. Die Antragstellerin ist jedoch nach abgabenrechtlichen Vorschriften nicht zur Festsetzung und Anforderung von Ausbaubeiträgen schon im Jahr des Erlasses einer wirksamen Ausbaubeitragssatzung verpflichtet. Sie muss keine Vorauszahlungen zur Vorfinanzierung von geplanten Ausbaumaßnahmen erheben und hat für die Umsetzung der Beitragserhebungspflicht durch den Erlass von endgültigen Beitragsbescheiden einen zeitlichen Spielraum, der lediglich durch die insoweit maßgeblichen Vorschriften über die Festsetzungs- und Zahlungsverjährung begrenzt wird.

Diesen Erwägungen steht nicht entgegen, dass der Senat die Auffassung des Antragsgegners teilt, dass die Antragstellerin mit ihrer Weigerung, eine Straßenausbaubeitragssatzung zu erlassen, nach derzeitiger Erkenntnislage gegen die ihr nach Thüringer Landesrecht obliegende Pflicht zum Erlass einer Straßenausbaubeitragssatzung und der Beitragserhebung verstößt (vgl. hierzu eingehend das Senatsurteil vom 31.05.2005 - 4 KO 1499/04 - ThürVBl. 2006, 63 ff. = LKV 2006, 178 ff.). Die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Behördenvorgänge - insbesondere die danach nicht unerhebliche Einnahmebeschaffung aus Gewerbesteuern trotz der Durchführung von voraussichtlich ausbaubeitragsrechtlich relevanten Straßenbaumaßnahmen - lassen keinen Schluss darauf zu, dass im Falle der Antragstellerin von atypischen Umständen auszugehen wäre, die eine Ausnahme von der Beitragserhebungspflicht rechtfertigen würden. Hierauf kommt es im Zusammenhang mit der Rechtmäßigkeit der Haushaltssatzung und des Haushaltsplanes der Antragstellerin aber nicht an. Denn die rechtswidrige Weigerung einer Gemeinde, eine Ausbaubeitragssatzung zu erlassen und Ausbaubeiträge zu erheben, bietet zwar Anlass für eine aufsichtsbehördliche Aufforderung nach § 120 Abs. 1 Satz 2 ThürKO und deren Durchsetzung im Wege der Ersatzvornahme. Der Verstoß gegen die Beitragserhebungspflicht begründet jedoch keine Rechtswidrigkeit einer Haushaltssatzung und eines Haushaltsplans wegen unterbliebener Beitragseinnahmen, wenn nach den konkreten Verhältnissen für das jeweilige Haushaltsjahr die Erwartung kassenwirksamer Beitragseinnahmen nicht gerechtfertigt ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. § 5 ZPO. Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens und des Beschwerdeverfahrens ist die sofortige Vollziehung von zwei unterschiedlichen rechtsaufsichtlichen Verfügungen in Ziffer 1. und 2. des Bescheides vom 01.02.2006. Den Wert für eine kommunalaufsichtliche Streitigkeit bemisst der Senat im Hauptsacheverfahren in Anlehnung an den "Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit" (Abschnitt II, Ziffer 22.5 des Streitwertkataloges in der Fassung 7/2004: NVwZ 2004, 1327 ff.) mit jeweils 15.000,-- € (vgl. hierzu etwa den Senatsbeschluss vom 27.03.2006 - 4 EO 87/06), hier also betreffend zwei aufsichtsbehördliche Verfügungen mit insgesamt 30.000,-- €. Dieser Wert wird im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf die Hälfte reduziert (Abschnitt II, Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges in der Fassung 7/2004).

Die Befugnis zur Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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