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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 23.06.2009
Aktenzeichen: 4 KO 45/09
Rechtsgebiete: BauGB, ThürKAG, ThürKGG, ThürBekVO


Vorschriften:

BauGB § 242 Abs. 9
BauGB § 132 Nr. 1
BauGB § 132 Nr. 2
ThürKAG i.d.F.v. 19.09.2009 § 2 Abs. 2
ThürKAG i.d.F.v. 19.09.2009 § 7 Abs. 1
ThürKAG i.d.F.v. 19.09.2009 § 7 Abs. 4
ThürKGG § 22 Abs. 1 S. 1
ThürKGG § 22 Abs. 1 S. 2
ThürKGG § 23 Abs. 1 S. 1
ThürBekVO § 2 Abs. 1 S. 1
ThürBekVO § 2 Abs. 1 S. 2
1. Ob eine Ausbaumaßnahme nach Maßgabe des Erschließungsbeitragsrechts oder des landesrechtlichen Ausbaubeitragsrechts zu beurteilen ist, ist eine durch das Gericht von Amts wegen zu prüfende Frage der einschlägigen Rechtsgrundlage unter Beachtung des Vorrangs der bundesrechtlichen Vorschriften des Erschließungsbeitragsrechts.

2. Zur Bestimmung der beitragspflichtigen Anlage nach der natürlichen Betrachtungsweise.

3. Die wirksame Bekanntmachung einer Satzung in einem gemeinsamen Amtsblatt mehrerer Körperschaften verlangt nach § 2 Abs. 1 Satz 2 ThürBekVO die Angabe dieser Körperschaften als Herausgeber.

4. Die Festlegung des Beitragssatzes gehört nicht zum erforderlichen Mindestinhalt einer Ausbaubeitragssatzung gemäß § 2 Abs. 2 ThürKAG, sofern diese Satzung nicht lediglich die Beitragserhebung für eine einzelne Ausbaumaßnahme regeln soll. Vielmehr kommt in diesem Fall § 7 Abs. 4 ThürKAG a. F. (nunmehr § 7 Abs. 5 ThürKAG n. F.) zur Anwendung.

5. Auch im Falle des rückwirkenden Inkrafttretens einer Ausbaubeitragssatzung ergibt sich aus § 7 Abs. 4 ThürKAG a. F. keine Verpflichtung des Satzungsgebers, statt oder zusätzlich zu einer generell für alle bisherigen und künftigen Ausbaumaßnahmen im Satzungsgebiet vorgesehenen Beitragssatzung eine Einzelsatzung für jede der im Zeitpunkt des Satzungserlasses bereits abgeschlossenen Maßnahmen mit einem Einzelbeitragssatz zu erlassen (entgegen OVG Brandenburg, Urteil vom 14.07.2000 - 2 D 27/00.NE).


THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

4 KO 45/09

Verkündet am 30.06.2009

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Ausbaubeiträgen hier: Berufung

hat der 4. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Aschke, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Blomenkamp und den Richter am Oberverwaltungsgericht Gravert auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2009 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Hohe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich im Berufungsverfahren gegen die Heranziehung zu Ausbaubeiträgen für das in seinem Eigentum stehende Grundstück H (Flurstück a) in der Gemeinde L für den Ausbau der Anlage "B II".

Das bebaute Grundstück grenzt talseitig an die H und steigt im Gartenbereich hinter den Gebäuden steil an, wo es mit seiner nordwestlichen Grundstücksgrenze an den B stößt. Zu den Einzelheiten der Örtlichkeit wird auf die in den Beiakten vorgelegte Flurkarte nebst Luftbild sowie auf die eingereichten Fotos (Beiakte 4) verwiesen.

Der B war als solcher bereits vor dem 03.10.1990 existent. Nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten verfügte er damals über eine befestigte, aus einem Packlager mit einer Frostschutzschicht sowie einer sandgeschlämmten Deckschicht bestehenden Fahrbahn, eine an die Ortskanalisation angeschlossene Straßenentwässerung in Form von Rinnen und Einläufen und eine Straßenbeleuchtung.

Zwischen 1994 und 1996 baute die Beklagte den B mit den Teileinrichtungen Fahrbahn, Straßenentwässerung und Straßenbeleuchtung aus und betrachtete dabei den B in seinem gesamten Verlauf als einheitliche Anlage. Die Schlussrechnung des Ingenieurbüros datiert vom 10.07.1996. Der teilweise erforderliche Grunderwerb, der nach der Satzung der Beklagten über die Erhebung einmaliger Beiträge für öffentliche Verkehrsanlagen (Straßenausbaubeiträge) - SAB - aus dem Jahre 1998 zum beitragsfähigen Aufwand gehörte, wurde im Jahre 2002 abgeschlossen.

Der Kläger wurde zunächst auf der Grundlage der zwischenzeitlich erlassenen Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 15.04.2003 - SAB 2003 - in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 20.07.2005 mit Bescheid vom 28.10.2005 für die Erneuerung der einheitlichen Anlage "B " zu einem Beitrag in Höhe von 11.091,99 € herangezogen. Auf seinen Widerspruch wurde die Vollziehung des Beitragsbescheides ausgesetzt.

Nachdem das Verwaltungsgericht Weimar dem Eilantrag eines anderen Grundstückseigentümers mit der Begründung stattgegeben hatte, der B sei keine einheitliche Erschließungsanlage, sondern zerfalle in mindestens zwei Anlagen (Beschluss des VG Weimar vom 22.06.2006 - 3 E 1681/05 We -), änderte die Beklagte ihre Beitragsbescheide:

Mit Abhilfebescheid vom 14.06.2006 wurde der bisherige Beitragsbescheid an den Kläger abgeändert und für die Anlage "B I" unter Berücksichtigung der satzungsrechtlichen Mehrfacherschließungsermäßigung ein Beitrag in Höhe von 9.551,29 € festgesetzt.

Für die Anlage "B II" erließ die Verwaltungsgemeinschaft "Oberes Geratal" für die Beklagte einen neuen Beitragsbescheid vom 24.07.2006, mit dem sie den Kläger (wiederum unter Berücksichtigung der satzungsrechtlichen Mehrfacherschließungsermäßigung) zu einem Ausbaubeitrag in Höhe von 7.175,31 € heranzog.

Gegen den Beitragsbescheid vom 24.07.2006 für den "B II" erhob der Kläger Widerspruch und am 09.05.2007 Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht Weimar - 3 K 720/07 We. Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2007 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Zu den Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil Bezug genommen.

Gegen das am 26.11.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.12.2007 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt und diesen am 28.01.2008, einem Montag, begründet.

Mit dem am 02.02.2009 dem Kläger zugestellten Beschluss vom 15.01.2009 hat der Senat die Berufung zugelassen.

Der Kläger hat die Berufung am 27.02.2009 im Wesentlichen damit begründet, dass sich der "B II" nicht als selbstständige Anlage darstelle und sich das Verwaltungsgericht im Klageverfahren in Widerspruch setze zu seinen Ausführungen im Eilverfahren. Der B bestehe vielmehr aus einem halbringartigen unteren Teil (gebildet aus einem Teil des "B I" und dem "B II") und einer oberen, ca. 126 m langen Erschließungsanlage (Teil des "B I"). Die SAB 2003 stelle auch keine wirksame Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung dar, weil sie keine Festsetzung des Beitragssatzes enthalte, der nach § 2 Abs. 2 ThürKAG zum Mindestinhalt der Abgabensatzung gehöre. Das Verwaltungsgericht habe § 7 Abs. 5 ThürKAG fehlerhaft angewendet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 29. Oktober 2007 - 3 K 720/07 We - abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und verweist im Berufungsverfahren ergänzend auf die nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens von der Beklagten erlassene und im Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft "Oberes Geratal" vom 14.12.2007 bekannt gemachte "Satzung über die Erhebung einmaliger Beiträge für den Ausbau der öffentlichen Verkehrsanlagen "B , Anlage I" und "B , Anlage II" der Beklagten - SAS LSBW - vom 05.12.2007, mit der sie in § 2 für die Anlagen "B " und "B " den jeweiligen Einzelbeitragssatz festgelegt hat.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 23.06.2009 über den Verlauf und die Gestaltung des B Beweis erhoben durch Einnahme des Augenscheins.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte des Berufungsverfahrens (1 Band), der beigezogenen Gerichtsakte des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens 3 E 1681/05 We (Beiakte 4) und der Behördenakten der Beklagten (6 Heftungen: Beiakten 1 - 3, 5 - 7), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber in der Sache nicht begründet.

Der Ausbaubeitragsbescheid der Verwaltungsgemeinschaft "Oberes Geratal" als Behörde der Beklagten vom 24.07.2006, mit dem der Kläger für den Ausbau des "B II" in L zu einem Ausbaubeitrag für sein Grundstück in Höhe von 7.175,31 € herangezogen wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Anhaltspunkte für eine formelle Rechtswidrigkeit des Bescheides bestehen nicht. Der Erlass des Beitragsbescheides durch die Verwaltungsgemeinschaft "Oberes Geratal" als Behörde der Beklagten ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 2 ThürKO nicht zu beanstanden (vgl. hierzu den Senatsbeschluss vom 26.11.2003 - 4 ZEO 796/01).

Der Ausbaubeitragsbescheid erweist sich im Berufungsverfahren auch als materiell rechtmäßig. Das Verwaltungsgericht ist in der erstinstanzlichen Entscheidung im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei dem "B II" um eine selbstständige, bereits erstmals hergestellte Erschließungsanlage handelt, die gemäß § 242 Abs. 9 BauGB aus dem Erschließungsbeitragsrecht entlassen und nach Maßgabe des Ausbaubeitragsrechts abzurechnen ist (1.). Die Erhebung eines Straßenausbaubeitrags durch die Beklagte beruht auch auf einer wirksamen satzungsrechtlichen Grundlage (2.) und ist in der Höhe nicht zu beanstanden (3.).

1. Ob die von der Beklagten durchgeführte Ausbaumaßnahme nach Maßgabe des Erschließungsbeitragsrechts oder des landesrechtlichen Ausbaubeitragsrechts zu beurteilen ist, hängt entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht von dem unstreitigen Vortrag der Beteiligten ab oder davon, ob diese Beitragsart für den Kläger die günstigere darstellt, sondern ist eine durch das Gericht von Amts wegen zu prüfende Frage der einschlägigen Rechtsgrundlage unter Beachtung des Vorrangs der bundesrechtlichen Vorschriften des Erschließungsbeitragsrechts. Denn der Anwendungsbereich des ThürKAG ist - bezogen auf den Ausbau von öffentlichen Verkehrsanlagen - erst eröffnet, sofern es sich dabei um bereits erstmalig hergestellte Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen i. S. d. § 242 Abs. 9 BauGB handelt oder um solche, die nicht vom Erschließungsbeitragsrecht erfasst werden (z. B. eine nicht zum Anbau bestimmte Außenbereichsstraße; vgl. den Senatsbeschluss vom 22.01.2008 - 4 EO 660/03 -ThürVBl. 2008, 162). Es ist daher im Berufungsverfahren zu klären, ob es sich bei dem abgerechneten "B II" um eine selbstständige Erschließungsanlage handelt und ob diese Anlage gemäß § 242 Abs. 9 BauGB in ihrer gesamten Länge und mit den vorhandenen Teileinrichtungen bereits vor dem 03.10.1990 entsprechend einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten erstmals hergestellt war.

Um den Verlauf und die räumliche Ausdehnung des "B II" rechtlich beurteilen zu können, ist nach der Senatsrechtsprechung eine Gesamtbetrachtung der Anlage geboten (vgl. den Senatsbeschluss vom 27.04.2006 - 4 EO 1089/04 -ThürVGRspr. 2007, 133 = KStZ 2007, 11). Der Begriff der beitragsfähigen Einrichtung (Anlage) im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 ThürKAG ist wegen des engen Zusammenhangs der ausbaubeitragsrechtlichen Vorschriften des Thüringer Landesrechts mit der erschließungsbeitragsrechtlichen Überleitungsvorschrift in § 242 Abs. 9 BauGB bei öffentlichen Verkehrsanlagen grundsätzlich deckungsgleich mit dem Erschließungsanlagenbegriff des BauGB (vgl. den Senatsbeschluss vom 22.01.2008 - 4 EO 660/03 - ThürVBl. 2008, 162). Der Anlagenbegriff stellt auf eine selbstständige Verkehrsanlage in ihrer gesamten Ausdehnung unter Zugrundelegung einer "natürlichen Betrachtungsweise" ab; maßgebend ist das durch die tatsächlichen Gegebenheiten geprägte Erscheinungsbild, nicht eine etwa nur "auf dem Papier stehende" planerische Festsetzung. Die natürliche Betrachtungsweise ist auch geboten, wenn zu entscheiden ist, wie weit die (Straßen-)Fläche einer bestimmten Anbaustraße reicht (hierzu Beschluss des Senats vom 30.06.2003 - 4 EO 206/96 -ThürVGRspr. 2003, 145 = LKV 2004, 39). Eine abschließende Beurteilung lässt sich insoweit nur auf Grund einer Besichtigung der Örtlichkeit im Rahmen einer Beweisaufnahme treffen. Dabei sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht maßgebend, so dass es grundsätzlich auf den Gesamteindruck vom Ausbauzustand nach Abschluss der Maßnahme ankommt (vgl. den Senatsbeschluss vom 22.05.2002 - 4 EO 805/01 -; ebenso Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Auflage 2007, Rn. 15 zu § 31; Seppelt, NordÖR 2009, 291 ff. (292) zum Anlagenbegriff nach der Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern).

Nach der Augenscheinseinnahme durch den Senat in der mündlichen Verhandlung vom 23.06.2009 ist in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht und entgegen der Auffassung des Klägers davon auszugehen, dass es sich bei dem abgerechneten "B II" nach dem durch die tatsächlichen Gegebenheiten geprägten Erscheinungsbild um eine selbstständige Anlage handelt, die an der Abzweigung von der H (H ) beginnt, hangaufwärts ansteigt und an der Kreuzung mit dem "B I" endet. Der Senat vermag sich nach dem Eindruck der Augenscheinseinnahme insbesondere nicht der Auffassung anzuschließen, wonach der "B II" über die Kreuzung mit dem "B I" hinaus führe und rechts abbiegend zusammen mit dem in östlicher Richtung hangabwärts zur H verlaufenden Teilstück des "B I" eine einheitliche, als R gestaltete Anlage bilde. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Von keinem der bei der Augenscheinseinnahme eingenommenen Standorte vermittelt sich dem Betrachter der Eindruck, dass der "B II" über die am Scheitelpunkt des Anstiegs befindliche Kreuzung hinaus weitergeführt werde und dabei entweder über die Kreuzung hinaus in Richtung Burgruine führe oder nach dem Anstieg zur Kreuzung rechts abbiege, um hangabwärts bis zur Einmündung in die H fortgesetzt zu werden. Vielmehr ist für den Senat nach der Straßenführung von "B I" und "B II", ihrer Anpassung an den Geländeverlauf und der Gestaltung der Straßenoberfläche der Eindruck prägend, dass der "B I" von der Abzweigung der H hangaufwärts über die Kreuzung mit dem "B II" und dem Abzweig zur Burgruine geradeaus bis zum Ausbauende weitergeführt wird, während der "B II" an der Kreuzung mit dem "B I" endet. Hierfür sprechen sowohl der Straßen- und Geländeverlauf als auch das Verlegemuster der Pflastersteine als Gestaltungselement. Das Muster der Pflasterung und das Höhenprofil des Straßenverlaufs im Kreuzungsbereich lassen den "B I" als durchgehende Straße erscheinen, von der der "B II" auf der einen Seite und der Abzweig zur Burgruine auf der anderen Seite abgegrenzt werden. Dieser Eindruck wird zunächst durch das Muster der Pflasterung der Fahrbahnen hervorgerufen, das im Kreuzungsbereich durchgehend dem Verlauf des "B I" und weder dem Verlauf vom "B II" über den Kreuzungsbereich hinaus zur Burgruine noch dem Verlauf vom "B II" in den unteren Teil des "B I" folgt. Die Fahrbahn des "B I" wird dabei optisch auf beiden Seiten durch eine Abschlussreihe von Pflastersteinen betont, die diagonal zum "B II" und zur Zufahrt zur Burgruine verläuft und als Abgrenzung wirkt. Dieser optische Eindruck der Pflasterung wird durch das Höhenprofil des Straßenverlaufs im Kreuzungsbereich noch verstärkt. Während der Anstieg der Fahrbahn vom "B II" kommend im Kreuzungsbereich unterbrochen wird, weist der "B I" über den Kreuzungsbereich hinweg eine gleichmäßigere Steigung auf.

Dieser Eindruck wird auch nicht dadurch entscheidend beeinträchtigt, dass der seitlich der Fahrbahn angelegte, leicht erhöht gepflasterte Randstreifen des "B II" im Gegensatz zur Fahrbahn in einem durchgängigen Bogen rechts abbiegt und in die erhöhte Pflasterung seitlich der Fahrbahn des "B I" übergeht. Denn der nur fünf Pflastersteine breite Bogen des Randstreifens findet keine Entsprechung in der Gestaltung des Verlegemusters der Pflasterung der übrigen Fahrbahn. Schon wegen der geringen Breite der leicht erhöhten Seitenpflasterung überwiegt nach dem gesamten Erscheinungsbild des Kreuzungsbereichs der Eindruck, dass die Fahrbahn des "B II" in ihrer gesamten Breite an der Kreuzung endet. Der einheitlich gestaltete Verlauf des "B I" hangaufwärts über die Kreuzung hinaus und die damit verbundene Unterbrechung des entgegenkommenden, ebenfalls ansteigenden "B____ II" wird besonders an dem im Protokoll der mündlichen Verhandlung beschriebenen vierten Standort (Haus B ) deutlich.

Nachdem somit davon auszugehen ist, dass es sich bei dem abgerechneten "B II" um eine selbstständige Erschließungsanlage handelt, spricht nach den Erkenntnissen im Berufungsverfahren auch nichts gegen die Annahme der Beklagten, dass diese Anlage gemäß § 242 Abs. 9 BauGB in ihrer gesamten Länge bereits vor dem 03.10.1990 als eine im Innenbereich liegende Anbaustraße entsprechend den örtlichen Ausbaugepflogenheiten erstmals hergestellt und nach Maßgabe des § 7 ThürKAG i. V. m. der einschlägigen Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten abzurechnen war.

Ob eine Gemeinde für den Ausbau einer Verkehrsanlage einen Erschließungsbeitrag nach § 127 BauGB oder einen Ausbaubeitrag gemäß § 7 Abs. 1 ThürKAG erheben kann, richtet sich danach, ob es sich bei der Ausbaumaßnahme um die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage handelt oder um deren spätere Erweiterung, Verbesserung oder Erneuerung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 ThürKAG. Gemäß § 242 Abs. 9 Satz 1 BauGB kann im Beitrittsgebiet nach diesem Gesetz ein Erschließungsbeitrag nicht erhoben werden für Erschließungsanlagen und Teile von Erschließungsanlagen, die (irgendwann) vor dem Wirksamwerden des Beitritts bereits hergestellt worden sind. Bereits hergestellte Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen sind gemäß § 242 Abs. 9 Satz 2 BauGB die einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertig gestellten Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen. Diese Regelung verdrängt im Beitrittsgebiet die allgemeinere Überleitungsvorschrift des § 242 Abs. 1 BauGB und gilt für die neuen Bundesländer in deren Gebiet auch dann, wenn Erschließungsanlagen bereits vor der Teilung Deutschlands hergestellt worden sind (vgl. im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 18.11.2002 - 9 C 2.02 - BVerwGE 117, 200; Senatsbeschluss vom 30.06.2003 - 4 EO 206/96 - a. a. O.). Die beiden Alternativen des § 242 Abs. 9 Satz 2 BauGB, das "technische Ausbauprogramm" und die "örtlichen Ausbaugepflogenheiten", stehen dabei gleichwertig nebeneinander. Gelingt - wie hier - der Nachweis eines (schriftlichen) technischen Ausbauprogramms nicht, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die zweite Alternative zu prüfen (BVerwG, Urteil vom 11.07.2007 - 9 C 5.06 - BVerwGE 129, 100). Danach setzen die Ausbaugepflogenheiten insbesondere einen Grundbestand an kunstmäßigem Ausbau voraus. Die Erschließungsanlagen oder ihre Teileinrichtungen müssen durch künstliche Veränderung der Erdoberfläche planvoll straßenbautechnisch bearbeitet worden sein; das bloße Ausnutzen und grobe Herrichten natürlicher Geländegegebenheiten ist nicht ausreichend (z. B. das bloße Verfestigen und "Hobeln" einer vorhandenen "Sandpiste"). Erforderlich ist danach ein Mindestmaß an bautechnischer Herrichtung, nämlich das Vorhandensein einer hinreichend befestigten Fahrbahn (wofür z. B. auch eine Schotterdecke genügen kann), einer - wenn auch primitiven - Form von Straßenentwässerung sowie einer eigenen Straßenbeleuchtung, die einen ungefährdeten Haus-zu-Haus-Verkehr ermöglicht (hierzu im Einzelnen: BVerwG, Urteil vom 11.07.2007 - 9 C 5.06 - a. a. O.).

Von diesen Voraussetzungen ist für den "B____ II" mit seinen vor dem 03.10.1990 bereits vorhandenen und bautechnisch bearbeiteten Teileinrichtungen Fahrbahn, Straßenentwässerung und Straßenbeleuchtung nach dem Vortrag der Beklagten im Berufungsverfahren ebenso auszugehen wie davon, dass diese Art des Ausbaus den örtlichen Gepflogenheiten in der Gemeinde L für eine Anliegerstraße im maßgeblichen Zeitpunkt vor dem 03.10.1990 entsprach.

2. Die Erhebung eines Straßenausbaubeitrags durch die Beklagte beruht auch auf einer wirksamen satzungsrechtlichen Grundlage. Danach ist für das klägerische Grundstück die sachliche Beitragspflicht erst mit Inkrafttreten der SAB 2003 am 10.05.2003 entstanden, weil die vorherigen Ausbaubeitragssatzungen der Beklagten wegen Bekanntmachungsfehlern nicht wirksam geworden sind. Auf die nachgeschobene Satzung über die Erhebung einmaliger Beiträge für den Ausbau der öffentlichen Verkehrsanlagen "B , Anlage I" und "B , Anlage II" der Beklagten vom 05.12.2007 - SAS LSBW - kommt es hingegen für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht nicht an:

Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass die Beklagte vor der Bekanntmachung der SAB 2003 nicht über eine wirksame Ausbaubeitragssatzung verfügte, weil die früheren Fassungen dieser Satzung unwirksam waren. Allerdings kommt es dabei nicht darauf an, ob die insoweit jeweils maßgebliche Hauptsatzung der Beklagten als Bekanntmachungsorgan auf den Gemeindeboten als Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft verwiesen hat, ein solches Bekanntmachungsorgan jedoch nicht existiert habe, weil der Gemeindebote als gemeinsames Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft und des Wasser-/Abwasserzweckverbandes "Obere Gera" herausgegeben wurde (so der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommene Beschluss vom 04.12.2006 - 3 E 804/05 We -). Die Wirksamkeit der früheren Ausbaubeitragssatzungen der Beklagten scheitert schon daran, dass deren Bekanntmachungen nach Aktenlage in dem jeweiligen "Gemeindeboten" als einem gemeinsamen Amtsblatt mehrerer Körperschaften erfolgten, diese Körperschaften im Amtsblatt aber nicht als Herausgeber benannt werden. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ThürBekVO darf grundsätzlich nur die Gemeinde Herausgeber des Amtsblatts sein, es kann aber auch von mehreren Gemeinden oder zusammen mit dem Landkreis herausgegeben werden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 und § 5 Abs. 1 Satz 1 ThürBekVO) oder von einer Verwaltungsgemeinschaft (§ 4 Abs. 1 ThürBekVO) oder von einem Zweckverband (§ 22 Abs. 1 Satz 1 ThürKGG). Wegen der aus diesen landesrechtlichen Vorschriften folgenden Notwendigkeit einer hinreichend nach außen zu dokumentierenden Dispositionsbefugnis und Verantwortlichkeit der das Amtsblatt herausgebenden Körperschaft(en) ist für die Wahrung des Formerfordernisses die im Amtsblatt selbst dokumentierte Angabe des Herausgebers maßgeblich (vgl. das Senatsurteil vom 26.02.2003 - 4 N 1325/97). In dem jeweiligen Gemeindeboten, in dem die Vorgängerfassungen der Ausbaubeitragssatzung der Beklagten bekannt gemacht wurden, wird der Gemeindebote bezeichnet als "Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft "Oberes Geratal", der Gemeinden F , G , G , G , G , L sowie der Stadt P und des Wasser/Abwasser-Zweckverbandes "Obere Gera", als Herausgeber werden jedoch weder die Verwaltungsgemeinschaft Oberes Geratal noch der Zweckverband benannt, sondern die nicht näher bezeichnete "Stadt- bzw. Gemeindeverwaltung". Dieser Bekanntmachungsfehler wurde erst mit der Bekanntmachung der SAB 2003 im Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft "Oberes Geratal" vom 09.05.2003 behoben, bei dem es sich nicht (mehr) um ein gemeinsames Amtsblatt mehrerer Körperschaften handelt, sondern das (allein) die Verwaltungsgemeinschaft als Herausgeber benennt und auf das die Hauptsatzung der Beklagten vom 15.04.2003 als Publikationsorgan verweist.

Es kommt daher auch nicht darauf an, ob die Herausgabe eines gemeinsamen Amtsblatts einer Verwaltungsgemeinschaft, ihrer Mitgliedsgemeinden und eines Zweckverbandes nach Thüringer Landesrecht überhaupt zulässig wäre. Zwar könnte es entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts schon wegen der Verweisung in § 4 Abs. 5 ThürBekVO auf § 2 ThürBekVO zulässig sein, wenn eine Verwaltungsgemeinschaft wie eine Gemeinde in entsprechender Anwendung von § 2 Abs. 1 Satz 2 ThürBekVO ein gemeinsames Amtsblatt zusammen mit einer oder mehreren Gemeinden bzw. mit dem Landkreis herausgibt (a. A. VG Weimar, Beschluss vom 04.12.2006 - 3 E 804/05 We - und Urteil vom 07.11.2002 - 3 K 3089/99.We - ThürVBl. 2003, 211 [noch nicht rechtskräftig], wo von der Unzulässigkeit eines gemeinsamen Amtsblatts von Verwaltungsgemeinschaften und Gemeinden sowie von der teilweisen Nichtigkeit des § 2 Abs. 1 Satz 2 ThürBekVO ausgegangen wird; ebenso: Uckel/Hauth/Hoffmann, Kommunalrecht in Thüringen, Stand: Juli 2009, Anm. 1.1 zu § 2 ThürBekVO). Es bestehen aber Zweifel, ob ein Zweckverband zusammen mit einer Gemeinde oder einer Verwaltungsgemeinschaft ein gemeinsames Amtsblatt herausgeben kann, wenn er kein eigenes Amtsblatt unterhält. Denn für Zweckverbände ist in § 22 Abs. 1 Satz 2 und 3 ThürKGG kraft Gesetzes vorgegeben, dass der Zweckverband für den Fall, dass er kein eigenes Amtsblatt unterhält, im Amtsblatt des Landkreises bzw. der Aufsichtsbehörde bzw. in deren Publikationsorgan bekannt macht. Bei der gesetzlichen Bestimmung über die Bekanntmachung von Satzungen und Verordnungen eines Zweckverbandes in § 22 ThürKGG handelt es sich um eine besondere Vorschrift im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 ThürKGG, die insoweit keinen Raum für eine entsprechende Anwendung der für Gemeinden geltenden Vorschriften belässt (vgl. den Senatsbeschluss vom 31.07.2007 - 4 EO 1119/03 -).

Inhaltliche, zur Nichtigkeit führende Mängel der SAB 2003 werden von dem Kläger nicht geltend gemacht und sind im Berufungsverfahren auch nicht ersichtlich. Für die in den Jahren 1994 bis 1996 durchgeführte Ausbaumaßnahme ist daher die sachliche Beitragspflicht frühestens am Tag nach der Bekanntmachung der ohne Rückwirkung in Kraft gesetzten SAB 2003 entstanden. Im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides der Beklagten vom 24.07.2006 an den Kläger war somit der festgesetzte Beitrag offensichtlich noch nicht gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 4 b, bb und cc ThürKAG i. V. m. §§ 169, 170 Abs. 1 AO verjährt.

Die im Amtsblatt der Verwaltungsgemeinschaft "Oberes Geratal" vom 14.12.2007 bekanntgemachte SAS LSBW der Beklagten vom 05.12.2007 hat demgegenüber rechtlich keine Bedeutung für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht. Insofern hat das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung im Ergebnis zutreffend (und entgegen der Rechtsauffassung der Kammer im Beschluss vom 04.12.2006 - 3 E 804/05 We -) ausgeführt, dass die Beklagte in der SAB 2003 gemäß § 7 Abs. 4 ThürKAG in der hier anzuwendenden Fassung der Neubekanntmachung vom 19.09.2000 - ThürKAG a. F. - auf die Festlegung eines Beitragssatzes verzichten konnte und die SAB 2003 daher nicht wegen eines Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 ThürKAG unwirksam ist.

Die Festlegung des Beitragssatzes gehört nicht zum erforderlichen Mindestinhalt einer Ausbaubeitragssatzung gemäß § 2 Abs. 2 ThürKAG, sofern diese Satzung nicht lediglich die Beitragserhebung für eine einzelne Ausbaumaßnahme regeln soll. Vielmehr kommt in diesem Fall § 7 Abs. 4 ThürKAG a. F. (nunmehr § 7 Abs. 5 ThürKAG n. F.) zur Anwendung. Danach kann in Abweichung von § 2 Abs. 2 ThürKAG davon abgesehen werden, den Abgabesatz festzulegen, wenn im Zeitpunkt des Satzungserlasses der Aufwand nach § 7 Abs. 1 ThürKAG (also für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung oder Erneuerung einer bestimmten öffentlichen Einrichtung bzw. Verkehrsanlage) noch nicht feststeht. Statt des Abgabesatzes müssen aber die wesentlichen Bestandteile der einzelnen Einrichtungen (im Ausbaubeitragsrecht: Verkehrsanlagen) in der Satzung nach Art und Umfang bezeichnet und der umzulegende Teil der Gesamtkosten (im Ausbaubeitragsrecht: der umlagefähige Beitragsaufwand, sog. Anliegeranteil) bestimmt werden. Diese Maßgaben sind den Mindestregelungen vergleichbar, die eine Erschließungsbeitragssatzung gemäß § 132 Nr. 1 und 2 BauGB enthalten muss, die keinen Beitragssatz für eine einzelne Erschließungsmaßnahme enthält, weil sie die Beitragserhebung für alle erstmals hergestellten und herzustellenden Erschließungsanlagen im Satzungsgebiet regelt. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Festlegung eines Beitragssatzes nach § 7 Abs. 4 ThürKAG a. F. sind im Straßenausbaubeitragsrecht schon deshalb regelmäßig erfüllt, weil eine Ausbaubeitragssatzung - anders als eine Abwasserbeitragssatzung - typischerweise nicht die Beitragserhebung für eine einzelne beitragsfähige Maßnahme regelt, sondern - ähnlich wie eine Erschließungsbeitragssatzung - eine satzungsrechtliche Grundlage für die Erhebung von Beiträgen für eine Vielzahl verschiedener (bisheriger und künftiger) Ausbaumaßnahmen der Erweiterung, Verbesserung oder Erneuerung von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen schafft (ebenso Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 40. Erg.Lfg. März 2009, Rn. 250 zu § 8; Wuttig/Hürholz/Thimet/Nöth, Gemeindliches Satzungsrecht, Stand: April 2009, Teil IVa, Frage 6, Anm. 10). Im Zeitpunkt des Erlasses einer solchen generellen Ausbaubeitragssatzung kann jedoch "der Aufwand" für alle bisherigen und zukünftigen Ausbaumaßnahmen nicht feststehen. Daher kann der Satzungsgeber in einer Ausbaubeitragssatzung nach Maßgabe des § 7 Abs. 4 ThürKAG a. F. statt der Festlegung von Einzelbeitragssätzen für eine Vielzahl von möglichen Einzelmaßnahmen im Satzungsgebiet regeln, welche beitragsfähigen Verkehrsanlagen mit ihren Bestandteilen/Teileinrichtungen der Beitragserhebung unterliegen und wie hoch der für die Ermittlung des umlagefähigen Beitragsaufwands und damit des Beitragssatzes maßgebliche Gemeinde- bzw. Anliegeranteil sein soll (ebenso: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15.06.2005 - 4 L 655/04 - zitiert nach Juris).

Dem ist die Beklagte mit der Regelung in § 4 SAB 2003 nachgekommen, in der sie statt der Festlegung von Einzelbeitragssätzen für einzelne Ausbaumaßnahmen den Anteil der Gemeinde und der Beitragspflichtigen am Aufwand für Anliegerstraßen, Haupterschließungsstraßen und Hauptverkehrsstraßen festgelegt sowie in § 4 Abs. 5 SAB 2003 bestimmt hat, die anrechenbaren Breiten und Anteile der Beitragspflichtigen am Aufwand für Fußgängergeschäftsstraßen, verkehrsberuhigte Bereiche und sonstige Fußgängerstraßen im Einzelfall durch gesonderte Satzung festzusetzen. Mit dem Inkrafttreten dieser Satzungsregelung am Tag nach der Bekanntmachung der SAB 2003 ist den Anforderungen des § 7 Abs. 4 ThürKAG a. F. Genüge getan und die sachliche Beitragspflicht für diejenigen Ausbaumaßnahmen im Gemeindegebiet entstanden, die in diesem Zeitpunkt bereits beendet waren und bisher mangels wirksamer Satzung nicht entstehen konnten.

Etwas anderes würde im Übrigen auch dann nicht gelten, wenn die SAB 2003 der Beklagten rückwirkend in Kraft gesetzt worden wäre und dadurch für diejenigen Ausbaumaßnahmen, die im Zeitpunkt des Satzungserlasses technisch bereits beendet waren, die sachliche Beitragspflicht nachträglich zu einem vor dem Satzungserlass liegenden Zeitpunkt entstanden wäre (a. A.: AnwHiThürKAG, Nr. 7.5, ThürStAnz. 2005, 567 ff., 571, unter Bezugnahme auf OVG Brandenburg, Urteil vom 14.07.2000 - 2 D 27/00.NE -). Erlässt der Satzungsgeber erstmals oder zum Zwecke der Heilung einer zuvor unwirksamen Satzung eine Ausbaubeitragssatzung für alle bisherigen und zukünftigen Ausbaumaßnahmen im Satzungsgebiet, ist er nach Thüringer Landesrecht schon nicht verpflichtet, die Satzung rückwirkend in Kraft zu setzen, um die in der Vergangenheit bereits abgeschlossenen Maßnahmen zu erfassen. Denn der Landesgesetzgeber hatte schon in der Ausgangsfassung des ThürKAG vom 07.08.1991 (GVBl. S. 329 ff.) ausdrücklich in § 7 Abs. 8 geregelt, dass ein Beitrag auch für öffentliche Einrichtungen erhoben werden kann, die vor Inkrafttreten der Abgabesatzung hergestellt, angeschafft, erweitert, verbessert oder erneuert wurden (vgl. nunmehr § 7 Abs. 12 ThürKAG in der derzeit geltenden Fassung). Die Beitragsfähigkeit von Anlagen i. S. d. § 7 ThürKAG, die vor Erlass einer Beitragssatzung hergestellt wurden, wird insoweit der Rechtslage im Erschließungsbeitragsrecht des Bundes gleichgestellt, wonach Erschließungsbeiträge nach dem Inkrafttreten einer gültigen Beitragssatzung auch für solche Anlagen gefordert werden können, die zuvor (technisch) endgültig hergestellt worden sind. Denn die Beitragspflicht entsteht erst in dem Zeitpunkt, in dem alle gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Entstehung erfüllt sind; zu diesen Voraussetzungen gehört auch die Geltung einer Beitragssatzung. Nach der Thüringer Gesetzeslage bleibt damit auch kein Raum für die in anderen Bundesländern zum landesrechtlichen Beitragsrecht teilweise vertretene Auffassung, dass spätestens zum Zeitpunkt des Abschlusses der beitragsfähigen Maßnahme eine rechtsgültige - ggfs. rückwirkende - Beitragssatzung in Kraft gesetzt sein muss, damit eine Beitragspflicht für die Maßnahme entstehen kann (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur den Beschluss vom 29.09.1999 - 4 ZEO 844/98 -; anders teilweise die Rechtsprechung in anderen Bundesländern: OVG Brandenburg, Urteile vom 23.03.2000 - 2 A 226/98 - zitiert nach Juris und vom 14.07.2000 - 2 D 27/00.NE -; hierzu: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, a. a. O., Rn. 250a zu § 8; Seppelt, NordÖR 2000, 276 ff., 277; Aussprung, DVBl. 2005, 740 ff., 743).

Es steht dem Satzungsgeber jedoch frei, eine Ausbaubeitragssatzung dennoch mit Rückwirkung zu erlassen, um dadurch ggf. bereits erlassene Beitragsbescheide auch im Falle eines zwischenzeitlichen Eigentumswechsels zu heilen (hierzu im Einzelnen Driehaus, Kommunalabgabenrecht, a. a. O., Rn. 175 zu § 8). Für diesen Fall ergibt sich aus der Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 4 ThürKAG a. F. aber keine Verpflichtung des Satzungsgebers, statt oder zusätzlich zu einer generell für alle bisherigen und künftigen Ausbaumaßnahmen im Satzungsgebiet vorgesehenen Beitragssatzung eine Einzelsatzung für jede der im Zeitpunkt des Satzungserlasses bereits abgeschlossenen Maßnahmen mit einem Einzelbeitragssatz zu erlassen. Denn auch wenn ein Satzungsgeber die Ausbaubeitragssatzung rückwirkend erlassen will, obliegt es seiner uneingeschränkten Entscheidung, ob er die Erhebung von Ausbaubeiträgen für alle bisherigen und künftigen Ausbaumaßnahmen im Satzungsgebiet in einer (einzigen) Beitragssatzung regeln oder ob er für eine konkrete Einzelmaßnahme eine Einzelsatzung mit einem darauf bezogenen Einzelbeitragssatz erlassen will (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.04.1978 - 7 B 48.78 u. a. - KStZ 1980, 31 im Zusammenhang mit dem Grundsatz der regionalen Teilbarkeit; hierzu auch das Senatsurteil vom 25.06.2009 - 4 KO 615/08 -). Soll die rückwirkend erlassene Ausbaubeitragssatzung nach dem Willen des Satzungsgebers grundsätzlich alle bisherigen und zukünftigen Ausbaumaßnahmen in der Gemeinde erfassen, ist "der" Aufwand für eine Einzelmaßnahme schon nicht Gegenstand der Beschlussfassung des Satzungsgebers und steht daher bei Satzungserlass auch nicht fest. Im Übrigen stehen der beitragsfähige und der umlagefähige Beitragsaufwand für eine bestimmte Ausbaumaßnahme gemäß § 7 Abs. 4 ThürKAG a. F. grundsätzlich noch nicht im Zeitpunkt des Erlasses der generellen Ausbaubeitragssatzung, also mit ihrer Beschlussfassung durch den Gemeinderat fest, sondern erst mit der ordnungsgemäßen Bekanntmachung dieser Satzung (a. A. OVG Brandenburg, Urteil vom 14.07.2000 - 2 D 27/00.NE - zur Rechtslage in Brandenburg vor Inkrafttreten des § 2 Abs. 1 Satz 3 BrbgKAG zum 01.02.2004; hierzu Driehaus, Kommunalabgabenrecht, a. a. O., Rn. 250a zu § 8). Zwar entstehen im Fall des rückwirkenden Inkrafttretens einer Ausbaubeitragssatzung die sachlichen Beitragspflichten für die in der Vergangenheit bereits abgeschlossenen Ausbaumaßnahmen nachträglich zu einem Zeitpunkt, der vor dem Erlass der Beitragssatzung liegt. Gleichwohl bestehen erst mit der Bekanntmachung einer wirksamen Ausbaubeitragssatzung verbindliche Regelungen über die Ermittlung des beitragsfähigen und umlagefähigen Aufwandes, der somit im Zeitpunkt des Satzungserlasses auch dann noch nicht "feststeht", wenn einzelne Maßnahmen technisch bereits beendet sowie abgenommen wurden und jeweils die letzte Unternehmerrechnung vorliegt. Der Senat hat dementsprechend auch in seiner bisherigen Rechtsprechung den Anwendungsbereich einer erst später erstmals wirksam erlassenen Ausbaubeitragssatzung auf in der Vergangenheit bereits (technisch) abgeschlossene Maßnahmen erstreckt, ohne für diese Maßnahmen die satzungsrechtliche Festlegung von Einzelbeitragssätzen zu verlangen (vgl. nur den Beschluss vom 30.06.2003 - 4 EO 206/96 - a. a. O.).

3. Die Beitragsfestsetzung für das klägerische Grundstück im Bescheid der Beklagten vom 24.07.2006 ist auch in der Höhe nicht zu beanstanden.

Der auf den "B II" entfallende Anteil der Baukosten wurde von der Beklagten nach der Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts und der danach erfolgten Trennung des ursprünglich als einheitliche Anlage angesehenen B in die beiden Anlagen "B I" und "B II" herausgerechnet und der jeweiligen Anlage zugeordnet, ohne dass der anteilige beitragsfähige Aufwand für den "B II" und die Verteilung des umlagefähigen Aufwands auf die bevorteilten Grundstücke im Berufungsverfahren in Zweifel gezogen worden wären. Fehler bei der Heranziehung des klägerischen Grundstücks sind im Übrigen weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere hat die Beklagte in dem Bescheid vom 24.07.2006 die in § 5 Abs. 11 SAB 2003 vorgesehene Mehrfacherschließungsermäßigung für das an mehreren Anlagen, nämlich der H und den Anlagen "B I" und "B II", anliegende Grundstück berücksichtigt.

Ob der Kläger wegen der Dreifacherschließung seines Grundstücks einen über die berücksichtigte Mehrfacherschließungsermäßigung hinausgehenden (teilweisen) Erlass der entstandenen und festgesetzten Beitragsschuld beanspruchen könnte, ist nicht im Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung zu prüfen, sondern wäre auf einen entsprechenden Erlassantrag gemäß § 227 AO zunächst von der Beklagten nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden. Insoweit sei nur ergänzend angemerkt, dass die Belastung des Beitragspflichtigen durch eine Dreifacherschließung seines Grundstücks grundsätzlich einen Anspruch auf einen Teilerlass der Beitragsschuld wegen sachlicher Unbilligkeit begründen kann (hierzu OVG NW , Urteil vom 24.06.2008 - 15 A 285/06 - KStZ 2008, 171). Allerdings entspricht die von der Beklagten in dem Beitragsbescheid gewährte Mehrfacherschließungsermäßigung in Höhe eines Drittels des ansonsten entstehenden Beitrags für die Inanspruchnahmemöglichkeit des "B II" dem, was der Kläger im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung nach der o. g. Entscheidung beanspruchen könnte.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO entsprechend.

IV.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren auf 7.175,31 € festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG. Dabei legt der Senat in Anlehnung an den "Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit" (Fassung 7/2004: NVwZ 2004, 1327 ff.) im abgabenrechtlichen Hauptsacheverfahren den Wert der in der Rechtsmittelinstanz noch streitigen Abgabe zu Grunde.

Ende der Entscheidung

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