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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 23.11.2005
Aktenzeichen: 4 KO 877/01
Rechtsgebiete: VwGO, ThürKO, ThürKAG


Vorschriften:

VwGO § 114 Abs. 1 S. 4
VwGO § 80 Abs. 1
ThürKO § 21 Abs. 3
ThürKO § 120 Abs. 1
ThürKAG § 2 Abs. 5
ThürKAG § 12 Abs. 4 S. 1
ThürKAG § 12 Abs. 5 S. 1
1. Wird eine kommunale Satzung der Rechtsaufsichtsbehörde angezeigt (gemäß § 21 Abs. 3 ThürKO bzw. § 2 Abs. 5 ThürKAG), so ist die Nichtbeanstandung innerhalb der Monatsfrist als negatives Tatbestandsmerkmal für die Wirksamkeit der Satzung und ihrer Inkraftsetzung anzusehen. Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und ggf. Anfechtungsklage führt nicht dazu, dass die Satzung als unbeanstandet gelten könnte.

2. Zur Systematik und Reichweite der Ermächtigungsgrundlage für kommunalaufsichtliche Maßnahmen gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 und 2 ThürKO.

3. Die rechtsaufsichtliche Prüfung einer Satzung im Anzeigeverfahren nach § 2 Abs. 5 ThürKAG lässt die möglichen Maßnahmen auf Grund der allgemeinen kommunalaufsichtlichen Ermächtigungsgrundlage gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 ThürKO unberührt.

4. Ein Maßstab, der die Einleitungsgebühr nach Einwohnergleichwerten (EGW) bemisst, ist im Hinblick auf das Äquivalenzprinzip dem sog. Frischwassermaßstab unterlegen. Er erfüllt zudem nicht das durch § 12 Abs. 5 Satz 1 ThürKAG angeordnete Gebot, dass die Gebührenbemessung dem schonenden und sparsamen Umgang mit Wasser zu dienen hat (hier Sonderfall, in dem der EGW-Maßstab wegen besonderer Umstände des Einzelfalls bei der Einleitungsgebühr ausnahmsweise zulässig ist).

5. Die mit der Festlegung eines Gebührenmaßstabs verbundene Wahrscheinlichkeitsannahme setzt nicht voraus, dass die zugrunde gelegten Tatsachen ihrerseits erwiesen sind. Vielmehr reicht es grundsätzlich aus, wenn der Satzungsgeber plausible und stichhaltige Anhaltspunkte vorweisen kann, die die Tatsachengrundlage so wahrscheinlich machen, wie es eine sachgerechte Auswahl unter mehreren in Betracht kommenden Maßstäben erfordert.

6. Der EGW-Maßstab ist bei der Beseitigungsgebühr für die dezentrale Entsorgung unzulässig.


THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 4. Senat - Im Namen des Volkes Urteil

4 KO 877/01

Verkündet am 23.11.2005

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Kommunalaufsichtsrecht, hier: Berufung

hat der 4. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Aschke, den Richter am Oberverwaltungsgericht Gravert und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Hinkel auf Grund der mündlichen Verhandlung am 23. November 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Ziffern 1.1. und 2.1. des Beanstandungsbescheids vom 16.07.1996 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird das erstinstanzliche Urteil geändert und der Antrag des Klägers festzustellen, dass der Beanstandungsbescheid des Landratsamtes Nordhausen vom 16.07.1996 in Ziffer 1.2. und 2.2., in Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 16.10.1996 und des Widerspruchsbescheides vom 27.01.1997, rechtswidrig war, abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens im ersten und zweiten Rechtszug hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, ein kommunaler Abwasserzweckverband, wendet sich gegen eine aufsichtsbehördliche Maßnahme im Zusammenhang mit seiner Gebührensatzung.

Der Kläger ist ein aus 13 Städten und Gemeinden hervorgegangener Abwasserzweckverband mit Sitz in Bleicherode. Die Verbandssatzung vom 25.02.1993 wurde zusammen mit der rechtsaufsichtlichen Genehmigung vom 02.03.1993 im Amtsblatt des Landkreises Nordhausen vom 10.03.1993 bekannt gemacht. In der Verbandsversammlung vom 21.04.1993 beschloss der Kläger eine Entwässerungssatzung sowie eine erste Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS-EWS). Auf Empfehlung der Rechtsaufsichtsbehörde wurden §§ 1, 7, 13, 16, 20 und 21 der BGS-EWS durch Eilentscheidung des Verbandsvorsitzenden neu gefasst. Die so geänderte BGS-EWS wurde im Amtsblatt des Landkreises Nordhausen vom 12.05.1993 öffentlich bekannt gemacht. Durch Beschluss vom 15.06.1993 erließ der Kläger eine 1. Änderungssatzung, die inhaltlich die vom Verbandsvorsitzenden vorgenommenen Änderungen nachvollzog. Die 1. Änderungsatzung wurde im Amtsblatt des Landkreises Nordhausen vom 28.07.1993 bekannt gemacht. Die hier relevanten Vorschriften enthalten in dieser Fassung folgende Regelungen:

Die Vorschrift über den Gebührenmaßstab in § 12 Abs. 1 Satz 1 der BGS-EW S des Klägers regelt, dass die Kanalbenutzungsgebühr für die Beseitigung von Schmutzwasser nach der Anzahl der auf dem Grundstück ansässigen Personen und nach den für gewerbliche Betriebe und andere Abwassereinleiter festgesetzten Einwohnergleichwerten (EGW) bemessen wird. Für Sonderfälle kann die Abwassergebühr nach dem Frischwasserverbrauchsmaßstab abgerechnet werden (§ 12 Abs. 1 Satz 2 BGS-EW S). Nach § 12 Abs. 2 ist der EGW die Berechnungseinheit für das in den Haushaltungen und in gewerblichen und sonstigen Betrieben anfallende Abwasser. § 13 Abs. 1 bestimmt, dass die Abwassergebühr für die Einleitung der Schmutzwassermenge je Person und EGW ab 01.01.1993 bis 30.04.1993 monatlich 10,- DM beträgt und ab 01.05.1993 13,- DM. § 14 enthält Regelungen darüber, wie die EGW für andere Abwassereinleiter zu bemessen sind. § 17 Abs. 2 regelt, dass bei einer Veränderung der EGW die Anpassung am 1. Tag des Folgemonats erfolgt. Nach § 21 sollte die Satzung rückwirkend zum 01.01.1993 in Kraft treten, die Regelung über den ab 01.05.1993 gültigen Gebührensatz zum 01.05.1993.

Durch eine 2. Änderungssatzung zur BGS-EWS vom 30.11.1994 wurde in § 13 Abs. 1 die Abwassergebühr für die Einleitung von Schmutzwasser bei der zentralen Entsorgung ab 01.01.1995 pro Person und EGW auf 14,- DM festgesetzt. In einem neu eingefügten Abs. 2 wurde die Abwassergebühr für die Beseitigung von Schmutzwasser bei der dezentralen Entsorgung ab 01.01.1995 pro Person und EGW auf 13,- DM festgesetzt. In Art. II der 2. Änderungssatzung wurde § 21 dahin geändert, dass die Satzung zum 01.01.1995 in Kraft tritt. Die Satzung wurde im Amtsblatt des Landkreises vom 21.12.1994 bekannt gemacht.

Durch Bescheid vom 16.07.1996 beanstandete der Beklagte die BGS-EWS vom 21.04.1993 und forderte zum Erlass einer Änderungssatzung auf. So beanstandete er das rückwirkende Inkrafttreten zum 01.01.1993 (Nr. 1.1. des Bescheids) und die Erhebung der Abwassergebühren nach dem Einwohnergleichwert (Nr. 1.2. des Bescheids). Der Kläger wurde aufgefordert, bis zum 31.10.1996 rückwirkend zum 11.03.1993 eine förmliche Änderungssatzung zu beschließen, die als neuen Zeitpunkt des Inkrafttretens frühestens den 11.03.1993 (= Entstehung des Verbands) regelt (Nr. 2.1. des Bescheids) und den Maßstab des Einwohnergleichwerts in §§ 12 Abs. 1 und 2, 14, 17 Abs. 2 durch einen anderen, rechtlich zulässigen Maßstab (z. B. Frischwassermaßstab) ersetzt (Nr. 2.2. des Bescheids). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der EGW-Maßstab nicht mit dem Thüringer Kommunalabgabengesetz (ThürKAG) in Einklang stehe. Denn gemäß § 12 Abs. 4 ThürKAG seien Gebühren nach dem Ausmaß zu bemessen, in dem die Gebührenschuldner die öffentliche Einrichtung oder das kommunale Eigentum benutzen. Gemäß § 12 Abs. 5 ThürKAG müsse die Gebührenbemessung u. a. bei der Abwasserbeseitigung dem schonenden und sparsamen Umgang mit Wasser dienen. Im Bereich der zentralen Abwasserbeseitigung sei der sog. Frischwassermaßstab, für den Bereich der Fäkalschlammentsorgung der Maßstab der Vormenge anerkannt. Hingegen stelle der Maßstab des Einwohnergleichwerts keine genügende wahrscheinliche Relation zwischen dem individuellen Maß der Inanspruchnahme und den Kosten her. Ferner müssten die Kosten getrennt für die zentrale Entwässerung und die mobile Fäkalschlammentsorgung kalkuliert und durch gesonderte Gebührensätze festgesetzt werden. Darüber hinaus sei die BGS-EWS rechtswidrig, soweit die Satzung rückwirkend zum 01.01.1993 in Kraft treten solle. Der Kläger sei erst am Tag nach der Bekanntmachung der Verbandssatzung im Amtsblatt vom 10.03.1993, d. h. am 11.03.1993 entstanden. Die BGS-EW S könne nicht zu einem Zeitpunkt in Kraft gesetzt werden, der vor der Entstehung des Verbands liege. Ob der Kläger berechtigt sei, Gebühren rückwirkend für den Zeitraum vor Bekanntmachung des Vorankündigungsbeschlusses am 17.03.1993 zum 11.03.2003 zu erheben, hänge davon ab, ob er zuvor auf die Absicht der Gebührenerhebung hingewiesen habe.

Gegen diesen am 23.07.1996 zugestellten Bescheid hat der Kläger mit Schreiben vom 13.08.1996 Widerspruch erhoben, der am 14.08.1996 einging. Zur Begründung führte der Kläger an, dass er die Satzung ordnungsgemäß angezeigt habe und innerhalb der Monatsfrist keine Einwände erhoben worden seien. Hiervon gehe für den Kläger ein Vertrauensschutz aus. Bei der Wahl des EGW-Maßstabs habe der Kläger seinen Ermessenspielraum nicht verletzt. Er habe diesen Maßstab gewählt, weil er nach den tatsächlichen Verhältnissen im Verbandsgebiet der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme am nächsten komme. Der Verband sei überwiegend ländlich strukturiert. Der Durchschnittsverbrauch der Benutzer weiche erheblich voneinander ab. Es gebe eine beachtliche Zahl von Nutzern, die nur sehr geringe Wassermengen aus dem öffentlichen Netz nähmen. Dies führte zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung dieser Nutzer im Verhältnis zu denjenigen, die höhere Mengen aus dem Frischwassernetz entnehmen. Grund sei, dass Wasser noch aus eigenen Brunnen und nicht aus dem Wassernetz entnommen werde. Der Reinwasserverbrauch reduziere sich auch dadurch, dass das auf den Grundstücken anfallende Niederschlagswasser ökologisch sinnvoll für die Abwasserbeseitigung auf den Grundstücken eingesetzt werde (z. B. Toilettenspülung). Davon könnten nicht alle, insbesondere in den städtischen Bereichen Gebrauch machen, so dass der Frischwassermaßstab den städtischen Bereich unzulässig benachteiligen würde. Die zusätzlichen Wassermengen, die aus eigenen Brunnen und aus Niederschlagswasser abgeleitet würden, seien nur mit einem unverhältnismäßig hohen technischen, personellen und verwaltungsmäßigen Aufwand zu erfassen, eine völlig korrekte Erfassung sei nie möglich. Für die Nutzung der Abwasseranlagen sei im Übrigen auch nicht das zugeführte Reinwasser, sondern die Schmutzfracht von Bedeutung.

Durch Bescheid vom 16.10.1996 half der Beklagte dem Widerspruch teilweise ab und änderte den Bescheid vom 16.07.1996 dahin, dass die unter Nr. 2.2. des Tenors angeordnete Änderung des Gebührenmaßstabs rückwirkend erst zum 01.01.1996 zu beschließen sei. Im Übrigen wurde dem Widerspruch nicht abgeholfen. Hinsichtlich des noch angefochtenen Teils wies das Thüringer Landesverwaltungsamt den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 27.01.1997 zurück.

Der Kläger hat am 20.02.1997 Klage erhoben. Darin hat er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und nochmals betont, dass der Maßstab des EGW in seinem Verbandsgebiet der Wirklichkeit näher komme.

Er hat beantragt,

den Beanstandungsbescheid des Landratsamtes Nordhausen vom 16.07.1996 in der Gestalt des Abhilfebescheids des Landratsamtes Nordhausen und des Widerspruchsbescheids des Thüringer Landesverwaltungsamts vom 27.01.1997 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat den angegriffenen Bescheid damit verteidigt, dass die Verwendung des EGW-Gebührenmaßstabs für die Schmutzwasser- und Fäkalschlammbeseitigung gegen § 12 Abs. 1 Satz 1 ThürKAG verstoße. Die vom Kläger angeführten Gesichtspunkte seien berücksichtigt und für die erste Phase der Gebührenerhebung als vertretbar angesehen worden. Auf Dauer lasse sich dieser Gebührenmaßstab jedoch nicht aufrechterhalten. Der EGW-Maßstab, der die eingeleitete Schmutzfracht pauschal unterstelle, könne das Ziel des sparsamen Wasserverbrauchs nicht fördern. Unzutreffend sei die Annahme, dass für die Nutzung der Abwasseranlagen nicht die zugeführten Abwassermengen, sondern die eingeleiteten Schmutzfrachten von Bedeutung seien. Die hydraulische Leistung, d. h. die Dimensionierung der Ortsnetze, Sammler und Pumpwerke hänge wesentlich von den Abwassermengen ab, während die Schmutzfracht unerheblich sei. Die Verwendung des EGW-Maßstabs lasse sich wegen des gesetzlichen Ziels des sparsamen Wasserverbrauchs auch nicht auf Dauer damit begründen, dass zahlreiche Eigentümer Wasser in erheblichem Umfang nicht aus dem Wasserversorgungsnetz bezögen. Der Kläger habe dies nicht mit Zahlen belegt. Er habe übersehen, dass der Trinkwasserzweckverband die Möglichkeit besitze, den Benutzungszwang durchzusetzen.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Urteil vom 10.12.1997 stattgegeben und den Ausgangsbescheid vom 16.07.1996 in der Gestalt des Teilabhilfebescheids vom 16.10.1997 und des Widerspruchsbescheids vom 27.01.1997 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, für die Beanstandung der BGS-EWS fehle es bereits an einer Ermächtigungsgrundlage. Eine Beanstandung gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 ThürKO sei nach dem Wortlaut der Vorschrift nur gegen Beschlüsse und Verwaltungsakte möglich. Eine ordnungsgemäß in Kraft getretene Satzung könne nicht durch nachträgliche Beanstandung der Rechtsaufsichtsbehörde wieder aufgehoben werden. Der Landkreis sei jedoch als Kommunalaufsichtsbehörde nach § 120 ThürKO ermächtigt, dem Kläger den Beschluss einer förmlichen Änderungssatzung zur BGS-EWS aufzugeben. Wenn eine in Kraft getretene Satzung rechtswidrig sei, sei es aufgrund des Grundsatzes der Rechtmäßigkeit der Verwaltung nach Art. 20 Abs. 3 GG Aufgabe des Satzungsgebers, die Rechtmäßigkeit dieser Satzungen durch Erlass einer Aufhebungs- oder Änderungssatzung herzustellen. Erfülle er diese Pflicht nicht, habe ihn die Rechsaufsichtsbehörde gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 ThürKO hierzu aufzufordern. Die BGS-EWS in der Fassung der 2. Änderungssatzung sei jedoch rechtmäßig. Die unter Nr. 2.1. geforderte Aufhebung der Regelung in § 21 Satz 1 der Satzung über ein rückwirkendes Inkrafttreten habe sich durch die 2. Änderungssatzung erledigt, weil darin § 21 insoweit geändert worden sei, dass die Satzung erst zum 01.01.1995 in Kraft trete. Auch die Verwendung des EGW als Gebührenmaßstab sei jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt rechtmäßig. Im Verbandsgebiet sei dieser Maßstab für die Inanspruchnahme der Abwassereinrichtung mindestens ebenso wahrscheinlich wie der Frischwassermaßstab. In manchen Dörfern besäßen viele Einwohner noch einen funktionierenden Brunnen. Diese würden auch genutzt und das Wasser der Abwasserbeseitigungsanlage des Klägers zugeführt. Daher entspreche die Frischwassermenge nicht der Abwassermenge. Das gleiche gelte für Einwohner, die Niederschlagswasser als Toilettenwasser benutzten. Aufgrund dieser Besonderheiten sei der EGW-Maßstab zumindest ebenso für eine Wahrscheinlichkeitsprognose der Abwassermenge geeignet wie der Frischwassermaßstab. Auch die Möglichkeit, einen Anschluss- und Benutzungszwang für die Frischwasserversorgung durchzusetzen, ändere nichts. Zum einen sei der Kläger hierfür nicht zuständig, zum anderen frage sich, ob ausreichende Gründe des öffentlichen Wohls im Sinne des § 20 Abs. 2 ThürKO schon vorlägen, nur um die Menge des zugeleiteten Abwassers festzustellen. Die Anwendung des EGW-Maßstabs verstoße auch nicht gegen § 12 Abs. 5 Satz 1 ThürKAG, wonach die Gebührenbemessung dem schonenden und sparsamen Umgang mit Wasser dienen müsse. Zwar belohne der EGW-Maßstab nicht den sparsamen Wasserverbrauch. Andererseits bewirke die Einführung eines Frischwassermaßstabs in Verbindung mit einem Anschluss- und Benutzungszwang, dass eine ökologisch sinnvolle Nutzung des Niederschlagswassers nur deshalb unterbleiben müsste, um die Abwassermenge möglichst exakt feststellen zu können. Außerdem seien Anreize geschaffen worden, indem ein Nachlass auf die Gebühren für die Niederschlagswasserbeseitigung gegeben werde, wenn das Niederschlagswasser zurückgehalten, versickert, gespeichert oder verbraucht werde.

Gegen dieses am 29.01.1998 zugestellte Urteil hat der Beklagte Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, die der Senat durch Beschluss vom 20.12.2001 zugelassen hat. Im Berufungsrechtszug macht der Beklagte geltend: Unrichtig sei, dass die Rechtsaufsichtsbehörde nicht befugt sei, eine in Kraft getretene Satzung nachträglich zu beanstanden. Eine so enge Auslegung des § 120 Abs. 1 Satz 1 ThürKO schränke die Einwirkungsmöglichkeiten der Rechtsaufsichtsbehörde unangemessen ein. Durch die Beanstandung solle die Satzung auch nicht nachträglich aufgehoben, sondern nur festgestellt werden, dass sie rechtswidrig sei. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei der Einwohnergleichwert auch für die Zeit ab 01.01.1996 kein rechtmäßiger Gebührenmaßstab. Bereits erstinstanzlich sei dargestellt worden, dass die Kosten der öffentlichen Entwässerungseinrichtung des Verbands überwiegend von den Abwassermengen und nicht von den eingeleiteten Schmutzfrachten abhängig sei. Zumindest für den Bereich der mobilen Entsorgung könnten Art und Umfang der abgefahrenen Mengen problemlos erfasst werden. Hier verbiete sich ein einheitlicher Gebührenmaßstab für die Benutzung des zentralen Entwässerungssystems und der mobilen Fäkalschlammentsorgung. Ab 01.01.1998 habe der Kläger den Abfuhrmengenmaßstab für die mobile Fäkalschlammentsorgung eingeführt. Örtliche Besonderheiten, die der Verwendung des Frischwassermaßstabs entgegenstünden, habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht nach dem Vorbringen des Klägers unterstellt. Es fehle aber ein substantiierter Vortrag. Bei den Fällen niedrigen Wasserverbrauchs könne es sich auch um Haushalte handeln, in denen sich die Angehörigen nur vorübergehend aufhielten. Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Aufstellung über den Wasserverbrauch sei missverständlich, weil die hohen Verbrauchsdaten für die Stadt Bleicherode auf einem großen Anteil der gewerblichen Abnehmer beruhten. Mithin stehe nicht fest, dass örtliche Besonderheiten der Verwendung des Frischwassermaßstabs entgegenstehen. Die Wasserversorger könnten den Verbrauch von Frischwasser auf der Grundlage des Anschluss- und Benutzungszwangs durchsetzen.

Das rechtsaufsichtliche Beanstandungsverfahren habe sich dadurch erledigt, dass der Kläger die beanstandete Satzung durch eine am 19.03.2001 von der Verbandsversammlung beschlossene Neufassung der Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (GS-EWS), bekannt gemacht im Amtsblatt des Landkreises Nordhausen vom 02.05.2001, durch die dortige Bestimmung in § 22 Abs. 2 außer Kraft gesetzt habe. Allerdings habe der Beklagte und Berufungskläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die ursprünglich beanstandete Beitrags- und Gebührensatzung wegen der Verwendung des Einwohnergleichwerts als Gebührenmaßstab rechtswidrig sei. Die neue Gebührensatzung sei unter Aufhebung der BGS-EW S 1993 einschließlich der bis zum 04.10.1999 beschlossenen Änderungen rückwirkend zum 13.05.1993 in Kraft gesetzt worden. Die neue Gebührensatzung entspreche im Wesentlichen der Satzung von 1993. Der Einwohnergleichwert als Gebührenmaßstab sei auch für die Jahre 1996 und 1997 beibehalten worden. Der Abfuhrmengenmaßstab sei erst mit Wirkung vom 01.01.1998 eingeführt worden.

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Ziffern 1.1. und 2.1. des Beanstandungsbescheids vom 16.07.1996 übereinstimmend für erledigt erklärt haben, beantragt der Beklagte,

soweit der Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils den Feststellungsantrag des Klägers abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

soweit der Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, die Berufung zurückzuweisen und unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils festzustellen, dass der Beanstandungsbescheid des Landratsamtes Nordhausen vom 16.06.1996 in Ziffer 1.2. und 2.2., in Gestalt des Teilabhilfebescheids vom 16.10.1996 und des Widerspruchsbescheids vom 27.01.1997 rechtswidrig war.

Das Verwaltungsgericht habe richtig ausgeführt, dass die Beanstandung von der Ermächtigungsgrundlage des § 120 Abs. 1 Satz 1 ThürKO nicht gedeckt sei. Die Möglichkeit, dem Kläger durch Bescheid den Beschluss einer Änderungssatzung aufzugeben, reiche aus. Der Hauptgrund für den Kläger, im Jahre 1993 den EGW-Maßstab einzuführen, habe darin gelegen, dass sich im Verbandsgebiet des Klägers besonders viele ehemalige Brunnendörfer befänden. Zwar sei auch in diesen Dörfern mittlerweile eine zentrale Trinkwasserversorgung eingerichtet worden. Mit steigenden Trinkwasserpreisen hätten jedoch die Grundstückseigentümer die noch vorhandenen grundstückseigenen Brunnen wieder aktiviert. Die eingeleitete Abwassermenge in den ländlich strukturierten Gebieten entspreche immer noch nicht annähernd dem abgerechneten Frischwasserverbrauch. Dies sei nachweisbar an dem stark unterschiedlichen Wasserverbrauch pro Einwohner und Jahr. Dies werde durch eine Liste des Frischwasserverbrauchs der Einwohner der Gemeinde Niedergebra belegt. In der vom Trinkwasserzweckverband erstellten Liste falle auf, dass der Wasserverbrauch zwischen 0 m³ und 61 m³ pro Einwohner und Jahr schwankte und dass es sich hierbei nicht nur um vereinzelte Ausreißer handele. Diese Unterschiede seien nicht allein auf das unterschiedliche Verbrauchsverhalten bzw. den besonders sparsamen Umgang mit Wasser und auch nicht auf die Unterschiede zwischen gewerblicher und privater Nutzung zurückzuführen. Auch bei der allgemeinen Tendenz sinkenden Wasserverbrauchs ließen sich diese Zahlen nur damit plausibel erklären, dass ein nicht feststellbarer, aber erheblicher Anteil der Wasserversorgung durch private Brunnen gedeckt werde. Andere Erklärungen des Beklagten für einen niedrigeren Wasserverbrauch (Berufspendler, Wochenendnutzung) könnten im Einzelfall, aber nicht für den signifikant geringen Wasserverbrauch in den ländlichen Regionen des Verbandsgebietes in Betracht kommen. An dieser Situation habe sich bis zum heutigen Tage nichts geändert. In Thüringen sei die Fäkalschlammentsorgung als Teil der öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung anzusehen, weil vom aufgabenbezogenen Einrichtungsbegriff auszugehen sei. Daher sei es nicht zwingend geboten, zwischen zentraler und dezentraler Entsorgung zu unterscheiden und getrennte Gebühren zu erheben. Das Argument, dass die beanstandete Regelung keinerlei Anreize zum schonenden und sparsamen Umgang mit Wasser schaffe, lasse völlig die tatsächlichen Verhältnisse außer Acht. Wie dargelegt, würde nämlich der abgerechnete Frischwasserverbrauch nicht der tatsächlich eingeleiteten Abwassermenge entsprechen. Zudem könne der Einsatz von Niederschlagswasser zum Beispiel für Toilettenspülungen und die Nutzung der vorhandenen Brunnen durch den Verband nicht nur geduldet, sondern empfohlen werden. Wesentlicher Faktor bei der Bemessung einer Abwasserbehandlungsanlage sei nicht die Wassermenge, sondern der biologische Sauerstoffbedarf (Schmutzfracht).

Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat keinen Antrag gestellt und sich zur Sache nicht geäußert.

Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (2 Ordner und 14 Heftungen) Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung waren.

Entscheidungsgründe:

I. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 125 Abs. 1 VwGO einzustellen, das Urteil des Verwaltungsgerichts in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Klarstellung für wirkungslos zu erklären und über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden (dazu unten).

II. Im Übrigen hat die Berufung Erfolg. Die Auffassung des Klägers zur Frage der Rechtmäßigkeit des von ihm gewählten Maßstabs ist zwar weitgehend zutreffend. Letztlich ist die vom Kläger begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit des Beanstandungsbescheids dennoch abzulehnen, weil der Beklagte die Satzung aus einem anderen Grund im Ergebnis zu Recht beanstandet hat.

Nach der ursprünglich erhobenen Anfechtungsklage ist das Begehren des Klägers nunmehr als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in entsprechender Anwendung). Der Wechsel zum Fortsetzungsfeststellungsantrag stellt eine zulässige Klageänderung dar (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m § 264 Nr. 2 ZPO), die nicht den Bindungen des § 91 VwGO unterworfen ist (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22.01.1998 - 2 C 4/97 -, NVwZ 1999, S. 404 [405]). Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Fortsetzungsfeststellungsklage sind erfüllt. Inwieweit hierzu gehört, dass die zunächst erhobene Anfechtungsklage zulässig war, kann dahinstehen; denn dies war der Fall. Der mit der ursprünglichen Anfechtungsklage angefochtene Beanstandungsbescheid hat sich auch erledigt, weil die Verbandsversammlung des Klägers unter dem 19.03.2001 eine neue Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (GS-EWS) beschlossen hat, die rückwirkend zum 13.05.1993 in Kraft gesetzt wurde und die hier streitige BGS-EWS von 1993 aufgehoben hat.

Der Wirksamkeit der neuen Satzung, und damit der Erledigung, steht nicht entgegen, dass der Beklagte auch diese Satzung in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Anzeigeverfahren gemäß § 2 Abs. 5 ThürKAG durch Bescheid vom 23.04.2001 rechtsaufsichtlich beanstandet hat.

Dies folgt allerdings entgegen der Auffassung des Beklagten nicht daraus, dass der Widerspruch gegen die Beanstandungsverfügung vom 23.04.2001 aufschiebende Wirkung hätte. Nach teilweise vertretener Auffassung kann einem Widerspruch gegen die Beanstandung keine aufschiebende Wirkung zukommen, weil die kommunale Körperschaft die Geltendmachung von Rechtsverstößen nicht als ungeschehen betrachten und eine Satzung nicht in Kraft setzen dürfe. Eine Vorschrift, nach der die Satzung nur in Kraft gesetzt werden darf, wenn die Aufsichtsbehörde Rechtsverstöße nicht fristgerecht geltend macht, sei ein anderes Gesetz im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, das die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage entfallen lasse (so Gaentzsch in: Schlichter/Stich, BauGB, 2. Aufl. 1995, § 11 Rn. 14 a. E., zur ähnlichen Gesetzeslage des BauGB). Der Senat schließt sich dieser Auffassung nicht an. Die Annahme, dass die aufschiebende Wirkung bei einem Widerspruch oder einer Klage gegen einen Beanstandungsbescheid (hier gemäß § 21 Abs. 3 ThürKO oder § 2 Abs. 5 ThürKAG) entfalle, findet im Gesetz keinen hinreichenden Niederschlag. Denn die nach § 80 Abs. 1 VwGO vorgeschriebene aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage ist eine grundsätzliche Regel öffentlich-rechtlicher Anfechtungsprozesse; die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts bildet demgegenüber die Ausnahme und bedarf jeweils einer besonderen Regelung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.03.1985 - 2 BvR 1642/83 -, BVerfGE 69, 220 <227>; ständige Rspr.). Andererseits ist dem Wortlaut und dem erkennbaren Ziel der gesetzlichen Regelung des § 2 Abs. 5 ThürKAG zu entnehmen, dass die Gemeinde bzw. der Zweckverband, wenn die Rechtsaufsichtsbehörde eine Satzung als rechtswidrig bemängelt, an der Inkraftsetzung bis zur endgültigen Klärung gehindert sein soll. Dazu bedarf es indessen nicht der Annahme, dass dem Widerspruch gegen die Beanstandungsverfügung auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung keine aufschiebende Wirkung zukomme. Als vereinfachte Form des Genehmigungsverfahrens besteht der Sinn der gesetzlichen Regelung darin, dass die Satzung von der Rechtsaufsichtsbehörde unbeanstandet bleiben muss, damit die kommunale Körperschaft sie in Kraft setzen darf und die Satzung wirksam wird. Die Nichtbeanstandung kann darin bestehen, dass die Rechtsaufsichtsbehörde die Beanstandungsfrist verstreichen lässt, ohne Maßnahmen zu ergreifen, oder darin, vorzeitig mitzuteilen, dass sie keine Mängel geltend macht. Der Umstand, dass die Satzung innerhalb der Frist unbeanstandet bleibt, ist mithin als negatives Tatbestandsmerkmal für die Wirksamkeit der Satzung und ihrer Inkraftsetzung anzusehen. Wird die Satzung entgegen der gesetzlichen Regelung versehentlich vorzeitig veröffentlicht, ist sie schwebend unwirksam, bis das negative Tatbestandsmerkmal erfüllt ist (vgl. Urteil des Senats vom 12.12.2001 - 4 N 595/94 -, LKV 2002, S. 534 [536]). Daran ändert nichts, dass die Beanstandung einen belastenden Verwaltungsakt darstellt, der mit Widerspruch und ggf. Anfechtungsklage anzugreifen ist. Nur führt die aufschiebende Wirkung dieser Rechtsbehelfe nicht dazu, dass die Satzung als unbeanstandet gelten könnte. Denn es reicht nicht aus, dass aus der Beanstandungsverfügung einstweilen keine rechtlichen Folgen gezogen werden dürfen; die Nichtbeanstandung innerhalb der Monatsfrist muss sich vielmehr positiv feststellen lassen.

Bewirkt demnach die fristgerechte Beanstandung im Anzeigeverfahren grundsätzlich, dass die Satzung nicht wirksam bekannt gemacht werden kann, so führt die Beanstandungsverfügung vom 23.04.2001 hier ausnahmsweise nicht zur Unwirksamkeit der GS-EWS vom 19.03.2001. Denn die Auslegung an Hand des Verfahrensablaufs und der Begründung des Bescheids ergibt, dass der Beklagte diese Rechtsfolge so nicht gewollt hat. Dies erschließt sich aus der Eingangsbestätigung vom 03.04.2001, in welcher der Beklagte bereits ankündigte, die Satzung zu beanstanden, gleichzeitig aber deren vorzeitige Veröffentlichung gemäß § 2 Abs. 5 Satz 3 ThürKAG zuließ. Des Weiteren ist in der Begründung des Beanstandungsbescheids vom 23.04.2001 ausgeführt, dass der - nach Vorgesprächen erwartete - Widerspruch des Klägers aufschiebende Wirkung haben werde und der Verband bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit des Gebührenmaßstabs einstweilen befugt sei, die Gebühren entsprechend der Satzung zu erheben. Hieraus wird deutlich, dass der Beklagte sich einerseits die Möglichkeit des rechtsaufsichtlichen Zugriffs auf die Satzung sichern wollte, damit der Kläger sich nicht erneut auf die unterbliebene Beanstandung im Anzeigeverfahren beruft; andererseits wollte er dem Kläger gerade nicht die Möglichkeit nehmen, während der Dauer des anhängigen Rechtsstreits Gebühren vorläufig zu vereinnahmen, auf die der Verband dringend angewiesen ist.

Das für die geänderte Klage erforderliche besondere Feststellungsinteresse folgt daraus, dass die in erster Linie streitige Rechtsfrage zwischen den Beteiligten weiterhin streitig bleibt, weil der Kläger den beanstandeten Gebührenmaßstab in der Satzung vom 19.03.2001 beibehalten hat und weiter beibehalten will. Insofern hat der Kläger ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung, dass der ursprüngliche Bescheid rechtswidrig war, weil eine Wiederholung nicht möglich, sondern bereits eingetreten ist.

Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der Bescheid des Beklagten rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

Die Ermächtigungsgrundlage für die angegriffene Verfügung ergibt sich aus § 120 Abs. 1 Satz 1 ThürKO in Verbindung mit § 44 Abs. 1 Nr. 3 ThürKGG. Auch soweit der Beklagte die streitige Satzung in Ziffer 1.2. des Bescheids beanstandet hat, fehlt es daran nicht. § 120 Abs. 1 ThürKO folgt einer anderen Regelungssystematik, als das Verwaltungsgericht angenommen hat. § 120 Abs. 1 Satz 1 ThürKO ist nicht auf die Fälle rechtswidriger Beschlüsse und Verwaltungsakte im engen Sinne begrenzt, mit der Folge, dass aufsichtliche Maßnahmen bei allen sonstigen Rechtsverstößen generalklauselartig auf § 120 Abs. 1 Satz 2 ThürKO gestützt werden müssten und Satz 1 der Vorschrift obsolet würde. Vielmehr ist die Vorschrift so zu verstehen, dass § 120 Abs. 1 Satz 1 ThürKO zu rechtsaufsichtlichem Einschreiten gegen ein aktives Tun der beaufsichtigten Behörde ermächtigt, während Satz 2 der Aufsichtsbehörde die Befugnis verleiht, Maßnahmen gegen ein rechtswidriges Unterlassen zu ergreifen. § 120 Abs. 1 Satz 1 ThürKO ist daher nicht eng auszulegen, ungeachtet dessen, dass es sich auch bei der Satzung um einen Beschluss des normsetzenden Organs handelt (vgl. zum Vorstehenden VG Weimar, Beschluss vom 08.12.2000 - 2 E 2653/00 -, NVwZ-RR 2002, S. 137 f.; Uckel/Hauth/Hoffmann, KommunalR in Thüringen, Stand 5/2005, § 120 ThürKO, Anm. 2.1., 2.2.; zur bay. Regelung Hölzl/Hien, GemO mit LandkreisO und BezirksO, Stand 6/2000, Art. 112 GO, Anm. 3). Die allgemeine kommunalaufsichtliche Beanstandung gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 ThürKO führt zwar nicht automatisch zur Unwirksamkeit der bereits in Kraft getretenen Satzung. Sie ist andererseits aber kein milderes Mittel gegenüber einem Änderungsverlangen nach derselben Vorschrift oder nur alternativ dazu zulässig. Vielmehr wird durch die Beanstandung die Rechtswidrigkeit der Satzung bemängelt und auf dieser Grundlage mit der Änderungsanordnung die Kommune zum Erlass einer rechtmäßigen Satzung aufgefordert (vgl. ThürOVG, Urteil vom 19.10.1999 - 2 KO 822/96 - zur Frage der isolierten Beanstandung mit abl. Ergebnis).

Der Beklagte war an dem Ergreifen kommunalaufsichtlicher Maßnahmen nicht dadurch gehindert, dass der Kläger die BGS-EWS bereits im Jahr 1993 im Rahmen des Anzeigeverfahrens gemäß § 2 Abs. 5 ThürKAG vorgelegt hatte, ohne dass der EGW-Maßstab beanstandet worden wäre. Denn die sachlich-rechtliche Nachprüfung im Anzeigeverfahren nach § 2 Abs. 5 ThürKAG, das der Bekanntmachung vorgeschaltet ist, steht neben der regelmäßig nachgehenden kommunalaufsichtsrechtlichen Kontrolle. Die möglichen Maßnahmen auf der einen oder anderen Grundlage schließen sich weder verfahrensrechtlich noch materiellrechtlich aus (zur vergleichbaren Rechtslage nach dem BauGB vgl. BVerwG, Urteil vom 21.11.1986 - 4 C 22.83 -, BVerwGE 75, 142 [146]). Dass insbesondere die Kommunalaufsichtsbehörde die Möglichkeit haben muss, nachträglich einzuschreiten, wird ohne weiteres deutlich, wenn eine Satzung sich durch später ergangene Rechtsprechung als fehlerhaft herausstellt oder nach einer Gesetzesänderung anpassungsbedürftig wird. In beiden Fällen muss die Aufsichtsbehörde Maßnahme ergreifen können, um rechtmäßige Zustände herzustellen. § 2 Abs. 5 Satz 4 ThürKAG lässt daher die Befugnisse der allgemeinen kommunalen Rechtsaufsicht ausdrücklich unberührt.

Auch inhaltlich hat der Beklagte die BGS-EWS vom 21.04.1993 im Ergebnis zu Recht beanstandet. Der Kläger hat in seiner Satzung eine fehlerhafte Regelung über den Gebührenmaßstab getroffen, die zur Unwirksamkeit des gesamten Gebührenteils der Satzung führt. Die Maßstabsregelung ist nämlich zu unbestimmt und, soweit sie für die Gebührenbemessung den EGW-Maßstab vorsieht, teilweise nicht mit höherrangigem Recht vereinbar.

Die Vorschrift über den Gebührenmaßstab in § 12 Abs. 1 Satz 1 der BGS-EW S des Klägers regelt, dass die Kanalbenutzungsgebühr für die Beseitigung von Schmutzwasser nach der Anzahl der auf dem Grundstück ansässigen Personen und nach den für gewerbliche Betriebe und andere Abwassereinleiter festgesetzten Einwohnergleichwerten (EGW) bemessen wird. Nach § 12 Abs. 2 ist EGW im Sinne dieser Gebührenordnung die Berechnungseinheit für das in den Haushaltungen und in gewerblichen und sonstigen Betrieben anfallende Abwasser. § 14 Nr. 1 BGS-EWS bestimmt, dass eine (natürliche) Person mit einem EGW zu bemessen ist; im Anschluss daran regelt ein Katalog von 20 weiteren Nummern für andere typische Fälle, wie viele EGW bei öffentlichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen und anderen Abnehmern anzusetzen sind (bspw. je 3 Betriebsangehörige in Geschäftshäusern 1 EGW). Die Vorschrift trifft jedoch in § 12 Abs. 1 Satz 2 BGS-EWS weiter die Bestimmung, dass für Sonderfälle die Abwassergebühr nach dem Frischwasserverbrauchsmaßstab abgerechnet werden kann, wobei für Starkverschmutzer entsprechende Zuschläge erhoben werden, die sich aus dem Verschmutzungsgrad des abgeleiteten Abwassers ergeben. Wann von einem Sonderfall auszugehen ist, regelt die Satzung allerdings weder in § 12 noch in § 14 oder einer anderen Satzungsvorschrift. Der Anwendungsbereich der Bestimmung ist auch nicht durch Auslegung zu ermitteln, weil verschiedene Konstellationen denkbar sind, die nach der Vorstellung des Satzungsgebers ein Abweichen vom EGW-Maßstab angezeigt erscheinen lassen könnten und damit einen Sonderfall bilden. Anwendungsfälle wären etwa, dass der Gebührenpflichtige überhaupt nicht von dem Katalog der Nr. 2 bis Nr. 21 erfasst wird, oder dass er zwar unter den Katalog zu subsumieren wäre, aber ein vom Normtypus abweichendes oder stark schwankendes Abwasseraufkommen hat, oder dass das von ihm eingeleitete Schmutzwasser besonders gering oder stark verschmutzt ist. Diese Aufzählung ist nicht abschließend und zeigt, dass die Regelung über Sonderfälle die nötige Abgrenzung zum grundlegenden Gebührenmaßstab des § 12 Abs. 1 Satz 1 nach Einwohnergleichwerten vermissen lässt. Ihr fehlt es an der hinreichenden Bestimmtheit, weil es dem Normadressaten auch durch Auslegung nicht möglich ist, den Sonderfall nach Art und Maß vom Regelfall zu unterscheiden. Nur hinzu kommt, dass die Satzung für den Frischwassermaßstab keinen Gebührensatz enthält, so dass auch offen bliebe, wie die Gebühr in den Sonderfällen zu berechnen wäre. Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erläutert, die Sonderfallregelung sei in dem Sinne verstanden und angewandt worden, dass in atypischen Fällen, in denen die Anwendung des Katalogs zu unangemessenen Ergebnissen geführt hätte, der gemessene Frischwasserverbrauch nach durchschnittlichen Erfahrungssätzen auf Einwohnergleichwerte umgerechnet worden sei (bspw. leer stehendes Gasthaus). Diese Erläuterung mag plausibel sein. Sie findet aber in der Satzung selbst keinen ausreichenden Niederschlag; auch nicht in § 12 Abs. 2 BGS-EW S, der auf durchschnittliche Werte unter Zugrundelegung der Fachliteratur der Abwasserwirtschaft hinweist. Zudem hätte dies systematisch in der Norm über die Bemessung der Einwohnergleichwerte (§ 14 BGS-EWS) geregelt werden müssen und nicht als scheinbar eigenständige Maßstabsregelung in § 12 Abs. 1 BGS-EWS. Mit der Unbestimmtheit der Regelung für Sonderfälle ist zwangsläufig auch die Unbestimmtheit des Geltungsbereichs der Maßstabsregelung für den Regelfall verbunden, so dass der Gebührenmaßstab insgesamt rechtswidrig ist und vom Beklagten im Ergebnis zu Recht - wenn auch ohne Angabe dieses Grundes - beanstandet wurde.

Soweit der Kläger in seiner BGS-EW S für die Bemessung der Abwassergebühren den EGW-Maßstab zugrunde gelegt hat, hat der Beklagte dies dagegen nur zum Teil zu Recht beanstandet. Nach den gesetzlichen Vorgaben des Thüringer Kommunalabgabengesetzes muss die Gebührenerhebung zweierlei Forderungen erfüllen: Gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1 ThürKAG müssen Gebühren nach dem Ausmaß bemessen werden, in dem der Gebührenschuldner die öffentliche Einrichtung benutzt; sonstige Merkmale können zusätzlich berücksichtigt werden, wenn öffentliche Belange dies rechtfertigen. Nach § 12 Abs. 5 Satz 1 ThürKAG hat die Gebührenbemessung bei der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung dem schonenden und sparsamen Umgang mit Wasser zu dienen.

Der Senat hat zu der Frage, welches Ermessen einem kommunalen Aufgabenträger bei der Wahl des Gebührenmaßstabs zukommt, im Urteil vom 11.06.2001 grundlegend Stellung genommen (4 N 47/96 - LKV 2002, S. 526 ff.). Demnach folgt aus § 12 Abs. 4 Satz 1 ThürKAG, der das gebührenrechtliche Äquivalenzprinzip konkretisiert und eine leistungsgerechte Differenzierung der Gebühr verlangt, nicht, dass der Satzungsgeber einen Wirklichkeitsmaßstab zugrunde legen müsste. Der Satzungsgeber ist sowohl nach § 19 ThürKO als auch nach der speziellen Ermächtigungsgrundlage in § 2 ThürKAG im Ausgangspunkt frei, einen geeigneten Gebührenmaßstab nach seinem Satzungsermessen zu wählen. Dabei muss ihm ein Spielraum zugestanden werden, der es ihm ermöglicht, den besonderen örtlichen Verhältnissen, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung und den Gesichtspunkten der Verwaltungspraktikabilität und der Wirtschaftlichkeit des jeweiligen Gebührenmodells Rechnung zu tragen. Das Äquivalenzprinzip des § 12 Abs. 4 Satz 1 ThürKAG ersetzt dieses Satzungsermessen nicht vollständig zugunsten strikter Vorgaben, sondern schränkt es nur ein. Der Satzungsgeber ist deshalb nicht verpflichtet, ohne Rücksicht auf den Verwaltungsaufwand oder auf nachteilige Auswirkungen für die Erfüllung der Aufgabe einen Wirklichkeitsmaßstab zu wählen. Er ist ebenso wenig verpflichtet, denjenigen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu wählen, der dem wirklichen Maß der Inanspruchnahme am nächsten kommt. Wegen des dem Aufgabenträger zustehenden Organisations- und Satzungsermessens unterliegt dessen Entscheidung nur einer begrenzten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Sie könnte nur dann beanstandet werden, wenn sie auf evident falschen, sachwidrigen Erwägungen beruhen und die Grenze zur Willkür überschreiten würde.

Bezogen auf Abwassergebühren müsste ein Wirklichkeitsmaßstab die genaue Menge des beseitigten Abwassers, den Schadstoffeintrag, die Beschaffenheit (etwa Schmutzwasser oder Fäkalschlamm) und die Art der Beseitigung erfassen. Das ist schon hinsichtlich der beiden erstgenannten Faktoren technisch kaum möglich. Aus diesem Grund hat für die Schmutzwasserbeseitigung der sog. Frischwassermaßstab verbreitete Anerkennung gefunden, der - mit verschiedenen Varianten in den Einzelheiten - als Menge des beseitigten Abwassers die der Abnahmestelle zugeführte Frischwassermenge zugrunde legt (vgl. die Übersicht bei Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 9/2005, § 6, Rdnr. 370 ff.). Dieser Maßstab erzielt zumindest bei einem wesentlichen Faktor, der Menge des eingeleiteten Abwassers, in der Regel eine recht hohe Wahrscheinlichkeit und verursacht nur einen geringen Verwaltungsaufwand.

Dennoch hat sich der Kläger nicht für den Frischwassermaßstab, sondern für die Bemessung nach Einwohnergleichwerten entschieden. Auch der EGW-Maßstab erfüllt bei der Einleitungsgebühr grundsätzlich noch das Äquivalenzgebot des § 12 Abs. 4 Satz 1 ThürKAG, weil er eine Differenzierung nach der Zahl der Bewohner, Beschäftigten, der Gästekapazität usw. und somit nach dem wahrscheinlichen Maß der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung trifft. Er ist allerdings unter normalen Umständen im Vergleich zum Frischwassermaßstab der Maßstab mit der wesentlich geringeren Wahrscheinlichkeit, weil er die Gebührenbemessung nicht in Beziehung setzen kann zu einer zumindest im Zufluss gemessenen Wassermenge und weil er das tatsächliche individuelle Abwasseraufkommen völlig vernachlässigen muss. Auch bei der Schmutzfracht ergeben sich keine entscheidenden Vorzüge, jedenfalls keine, die der Frischwassermaßstab bei entsprechender Satzungsgestaltung nicht ebenfalls bieten könnte (Starkverschmutzerzuschläge). Der EGW-Maßstab wird daher in der Rechtsliteratur allenfalls für Übergangszeiträume für zulässig gehalten, solange noch kein flächendeckender Anschluss an das Trinkwassernetz und damit keine Möglichkeit besteht, die Menge des bezogenen Frischwassers exakt zu messen (vgl. Lichtenfeld in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 9/2005, § 6, Rdnr. 757g; vgl. auch OVG Nds., Urteil vom 16.02.1990 - 9 L 61/89 -, das den EWG-Maßstab grds. für unzulässig hält, allerdings auf abweichender landesrechtlicher Grundlage).

Soweit der Kläger für die Einleitungsgebühren bei der zentralen Entsorgung den EGW -Maßstab zugrunde gelegt hat (§ 12 Abs. 1 Satz 1, § 13 Abs. 1 BGS-EWS i. d. F. der 2. Änderungssatzung vom 30.11.1994), ist dies aber ausnahmsweise mit höherrangigem Recht vereinbar. Denn der Kläger hat erhebliche, in den besonderen Verhältnissen des Verbandsgebiets liegende Gründe dafür ins Feld geführt, warum er den EGW-Maßstab für vorzugswürdig erachtet hat. Er hat schriftsätzlich und mündlich nachvollziehbar dargelegt, dass in dem ländlich strukturierten Verband zahlreiche Nutzer nur sehr geringe Wassermengen aus dem öffentlichen Netz nehmen. Auch nach Herstellung der zentralen Trinkwasserversorgung bezögen viele Nutzer das Wasser aus eigenen Brunnen, um Wassergebühren zu sparen. Des Weiteren hat der Kläger eingehend erklärt, dass er die Planungen für die Abwasserbeseitigung schon in einem frühen Stadium darauf gerichtet habe, die Einrichtungsteile für das Niederschlagswasser möglichst gering dimensionieren zu können. Er habe daher darauf hingewirkt, dass die angeschlossenen Grundstückseigentümer das auf den Grundstücken anfallende Niederschlagswasser für die Abwasserbeseitigung (z. B. Toilettenspülung) nutzen. Auch dadurch reduziere sich der Reinwasserverbrauch erheblich. Durch die Nutzung von Brunnen und Regewassergewinnungsanlagen entspreche die eingeleitete Abwassermenge nicht annähernd dem Frischwasserverbrauch.

Der Kläger hat zum Beleg dieser Behauptung beispielhaft für eine Gemeinde Datenmaterial vorgelegt. Diese detaillierten, vom Trinkwasserzweckverband erstellten Auswertungen des Jahres 2001 ergeben, dass der Wasserverbrauch privater Haushalte in der betreffenden Gemeinde zwischen 0 m³ und 72 m³ pro Einwohner und Jahr schwankte. Dabei handelte es sich ersichtlich nicht um Ausreißer. So betrug der Anteil der Einwohner mit einem Wasserverbrauch bis zu 5 m³ pro Jahr 6,46 %, mehr als 5 m³ und bis 10 m³ Wasser bezogen 10,68 %, 10 m³ bis 15 m³ 15,52 %, 15 m³ bis 20 m³ 16,45 %, 20 m³ bis 25 m³ 24,95 %, 25 m³ bis 30 m³ 11,05 % und über 30 m³ 14,90 % der Einwohner. Unter Berücksichtigung der Erläuterungen des Klägers spricht wenig dafür, dass diese erheblichen Unterschiede auf unterschiedliches Verbrauchsverhalten, sparsamen Umgang mit Wasser oder Wochenendnutzung zurückzuführen sein könnten. Der Senat hält demnach die Einschätzung des Klägers für vertretbar, dass erhebliche Wassermengen nicht aus dem öffentlichen Frischwassernetz bezogen, aber der Abwasserbeseitigung zugeführt werden.

Entgegen der Rüge des Beklagten musste der Kläger für seine Annahme keinen umfassenderen oder gar lückenlosen Nachweis erbringen. Der vom Kläger verwandte Gebührenmaßstab ist, wie viele andere Maßstäbe auch, ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Eine solche Wahrscheinlichkeitsannahme setzt nicht voraus, dass die zugrunde gelegten Tatsachen ihrerseits erwiesen sind. Vielmehr reicht es grundsätzlich aus, wenn der Satzungsgeber plausible und stichhaltige Anhaltspunkte vorweisen kann, die die Tatsachengrundlage so wahrscheinlich machen, wie es eine sachgerechte Auswahl unter mehreren in Betracht kommenden Maßstäben erfordert. Der Satzungsgeber kann sich im Rahmen seines satzungsgeberischen Ermessens unter anderem aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität für einen realitätsferneren Wahrscheinlichkeitsmaßstab entscheiden, etwa wenn realitätsnähere Alternativen einen technischen oder verwaltungsmäßigen Aufwand verursachen würden, der in keinem angemessenen Verhältnis zu der auf diese Weise erreichbaren Gerechtigkeit des Gebührenmaßstabs steht. Aus den gleichen Gründen der Verwaltungspraktikabilität und der Angemessenheit von Verwaltungsaufwand und Ergebnis müssen aber auch die Anforderungen an die Ermittlung der tatsächlichen Grundlagen für die Beurteilung der Eignung der alternativen Maßstäbe begrenzt werden. Die Grenzen des satzungsgeberischen Ermessens wären nur dann überschritten, wenn der Satzungsgeber sich auf bloße Annahmen und Mutmaßungen stützen könnte und nahe liegende Möglichkeiten, tragfähigere Beurteilungsgrundlagen mit vertretbarem Verwaltungsaufwand zu ermitteln, außer Acht blieben. So liegt es hier aber nicht. Einerseits gehen die Beurteilungsgrundlagen, auf die der Kläger sich stützt, deutlich über bloße Mutmaßungen hinaus. Die exemplarischen Erhebungen des Klägers belegen eine überdurchschnittliche Schwankungsbreite des Trinkwasserbezugs aus dem Leitungsnetz. Mangels anderer plausibler Erklärungen liegt es daher nahe, dass in erheblichem Umfang und nicht nur in Einzelfällen ein erheblicher Teil des Wasserbedarfs aus privaten Brunnen gedeckt wird. Damit ist aber die grundlegende Voraussetzung, von der der Frischwassermaßstab ausgeht, die annähernde Übereinstimmung der eingeleiteten Schmutzwassermenge mit der aus dem Leitungsnetz bezogenen Trinkwassermenge, nicht erfüllt. Andererseits vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die Annahmen des Klägers mit vertretbarem Aufwand wesentlich besser erhärtet oder gar flächendeckend bestätigt werden könnten. Jedenfalls war der Satzungsgeber schon wegen des immensen Verwaltungsaufwands, aber auch wegen der damit verbundenen Belastungen für die Bürger nicht gehalten, in seinem gesamten Verbandsgebiet zu ermitteln, ob und in welchem Ausmaß auf den einzelnen Grundstücken Brunnen betriebsbereit sind und tatsächlich zum Bezug von Trink- und Brauchwasser benutzt werden. Da der Beklagte dafür darlegungs- und beweispflichtig ist, dass sein Beanstandungsbescheid rechtmäßig ist, hätte es ihm oblegen, der Darstellung des Klägers mit substantiierten Gründen und ggf. Daten entgegenzutreten. Solange dies nicht geschieht, besteht für den Senat kein Anlass, vom Kläger weitergehende Nachweise zu fordern oder weitere Ermittlungen anzustellen. Auf der Grundlage dieser besonderen Verhältnisse ergibt sich, dass der Frischwassermaßstab hier ausnahmsweise eine wesentlich geringere Wahrscheinlichkeit aufweist, weil ein größerer Teil der Angeschlossenen mit einer erheblich unterschiedlichen Mengengebühr veranlagt würde, obwohl die gleiche Schmutzwassermenge mit vergleichbarer Schmutzfracht eingeleitet wurde.

Allerdings kann der EGW-Maßstab das durch § 12 Abs. 5 Satz 1 angeordnete Gebot, einen Sparanreiz zu schaffen, nicht erfüllen. Dies ist jedoch hier bei der Einleitungsgebühr hinzunehmen. Es kann offen bleiben, welchem Gebot - dem Gebot leistungsgerechter Differenzierung oder dem Sparanreiz - im Falle einer Abwägung der Vorrang einzuräumen wäre, wenn nur eines davon verwirklicht werden könnte. Der Senat neigt dazu, das verfassungsrechtlich in Art. 3 Abs. 1 GG verwurzelte Äquivalenzgebot als höherrangig einzustufen, zumal eine proportionale Bemessung der Abwassergebühr - tendenziell - auch Anreize zur Abwasservermeidung enthält. Dies bedarf hier jedoch keiner abschließenden Klärung, weil auf Grund der besonderen Verhältnisse im Verbandsgebiet des Klägers kein anderer geeigneter Maßstab zur Verfügung stand, der eine äquivalente Gebührenregelung mit Sparanreiz geboten hätte. Namentlich der Frischwassermaßstab, der dies im Regelfall zu leisten im Stande ist, versagt hier ebenfalls. Zwar würden diejenigen Abnehmer, die ihr Wasser ausschließlich dem Trinkwassernetz entnehmen, angehalten, weniger Wasser zu zapfen und als Schmutzwasser der Kanalisation zuzuführen. Jedoch bliebe die erhebliche Zahl von Abwassereinleitern, die Wasser aus Brunnen und Regenwassergewinnungsanlagen beziehen, von diesem Sparanreiz unbeeindruckt. Darüber hinaus kann unterstellt werden, dass in noch höherem Maß andere Quellen genutzt würden, um neben der Wassergebühr nun auch noch Abwassereinleitungsgebühren zu sparen. Bei diesem Teil der Nutzer fände nur eine Verlagerung des Wasserbezugs statt, ohne dass weniger Abwasser anfiele und das Ziel des gesetzlichen Sparanreizes erreicht würde. Der vom Gesetz beabsichtigte Effekt träte lediglich bei der verstärkten Nutzung von Regenwassergewinnungsanlagen ein, weil nicht Trinkwasser aus dem Netz verunreinigt würde, sondern das ohnehin geringfügig vorbelastete Regenwasser. Diesen Anreiz bietet aber bereits die BGS-EWS des Klägers, weil sie in § 13 Abs. 2 der Fassung vom 21.04.1993 bzw. § 13 Abs. 3 in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 30.11.1994 eine Ermäßigung für die Niederschlagswassergebühr gewährt, wenn das Niederschlagswasser auf dem Grundstück zurückgehalten, versickert, gespeichert oder verbraucht wird.

Nicht mit höherrangigem Recht vereinbar ist allerdings, dass der Kläger auch für die Beseitigungsgebühr bei der dezentralen Entsorgung gemäß § 13 Abs. 2 BGS-EWS in der Fassung vom 30.11.1994 den EGW-Maßstab zugrunde gelegt hat. Insofern stand nämlich mit dem Maßstab der Abfuhrmenge ein Bemessungsfaktor zur Verfügung, der zum einen dem Äquivalenzprinzip gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1 ThürKAG gerecht wird. Denn hierbei hätte sich die Nutzung von Brunnen- oder Regenwasser nicht verfälschend ausgewirkt, weil die Gebühr unabhängig von der Herkunft des Wassers nach der abgefahrenen Menge Fäkalschlamm berechnet worden wäre. Der Abfuhrmengenmaßstab hätte darüber hinaus auch den durch § 12 Abs. 5 Satz 1 ThürKAG geforderten Sparanreiz verwirklicht. Der Kläger hat diesen Maßstab in seiner BGS-EWS in der ab 01.01.1998 beschlossenen 3. Fassung eingeführt. Nach § 13 Abs. 2 dieser Satzungsfassung wird die Abwasserbeseitigungsgebühr je m³ Fäkalschlamm berechnet; darüber hinaus enthält sie eine sachgerechte - wenn nicht sogar zwingende - Binnendifferenzierung zwischen den Gebühren für Fäkalschlamm aus Kleinkläranlagen und abflusslosen Gruben. Der Kläger hat keine stichhaltigen Gründe dafür angeführt, dass vor 1998 entscheidend andere Verhältnisse vorgelegen hätten, die der Verwendung dieses Maßstabs entgegen gestanden hätten. Ein Sparanreiz bei der Abfuhrmengengebühr schafft zwar in gewissem Maß die Gefahr, dass Kleinkläranlagen und abflusslose Gruben ordnungswidrig anderweit entleert bzw. durchlässig gemacht werden. Dem kann allerdings durch technische Überprüfungen entgegengewirkt werden. Diese, auch andernorts üblichen technischen Gesichtspunkte geben keine hinreichende Rechtfertigung, sich über das gesetzlich geforderte und grundsätzlich erfüllbare Gebot des Sparanreizes hinwegzusetzen. Dies gilt im Übrigen auch für die einleuchtenden technischen Gründe, die der Kläger gegen den Sparanreiz und insbesondere den Frischwasserverbrauchsmaßstab angeführt hat. Solange diese Gründe nicht zwingend sind, ist die Entscheidung des Gesetzgebers zu respektieren.

III. Die Kostenentscheidung für den durch Urteil entschiedenen Teil folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ergibt sich die Kostenentscheidung aus § 161 Abs. 2 VwGO. Nach dieser Vorschrift ist über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Danach fallen auch die Kosten des erledigten Teils dem Kläger zur Last, weil der angefochtene Bescheid hinsichtlich der für erledigt erklärten Ziffern 1.1. und 2.1. ebenfalls rechtmäßig war. Der Senat geht nämlich - anders als das Verwaltungsgericht - davon aus, dass der Kläger mit der 2. Änderungsatzung zur BGS-EWS vom 30.11.1994 die In-Kraft-Tretens-Bestimmung in § 21 nicht dahin ändern wollte, dass die BGS-EWS insgesamt erstmals zum 01.01.1995 in Kraft tritt.

Denn dann wäre für die Zeit ab 1993 bis 31.12.1994 ein satzungs- und gebührenloser Zustand entstanden, den der Kläger kaum gewollt hat (vgl. Klammerzusatz zu § 13 Abs. 2 Satz 2 "[unverändert gegenüber 1994]"). Vielmehr legt der Senat den - missglückten - Wortlaut so aus, dass auf der Grundlage der Jahresgebührenkalkulation für 1995 eine bloße Anpassung der Gebührensätze ab diesem Gebührenjahr gemeint war. Demnach hatte die BGS-EW S vom 01.01.1993 bis 31.12.1994 nach der 2. Änderungssatzung noch Bestand. Die Rechtmäßigkeit der aufsichtsrechtlichen Verfügung ergibt sich dann daraus, dass der Kläger für den Zeitraum vor seiner Entstehung am 11.03.1993 keine Gebühren erheben durfte.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO entsprechend.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstands wird auch für das Verfahren im zweiten Rechtszug auf 20.000,-- DM (entspricht 10.225,84 Euro) festgesetzt, wobei im Berufungsverfahren auf den für erledigt erklärten und den durch Urteil entschiedenen Teil jeweils 10.000,-- DM (entspricht 5.112,92 Euro) entfallen.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 25 Abs. 2 Satz 1 und 2, 14, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG (in der bis zum 31.12.2001 gültigen und hier noch anzuwendenden Fassung). In Fällen der Anfechtung rechtsaufsichtlicher Verfügungen bewertet der Senat das Interesse an der Aufhebung entsprechend Ziff. I.19.5 des sog. Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (hier noch in der Fassung DVBl. 1996, S. 605 ff.) mit einem Streitwert von 20.000,-- DM.

Ende der Entscheidung

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