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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 11.10.2007
Aktenzeichen: 4 VO 249/05
Rechtsgebiete: GVG, VwGO


Vorschriften:

GVG § 17b Abs. 2
VwGO § 152a
Eine Gegenvorstellung bleibt neben der Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO zulässig, wenn mit ihr keine Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt wird (Anschluss an die Rechtsprechung des BFH und des BSG).
THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT - 4. Senat - Beschluss

4 VO 249/05

In dem Verwaltungsstreitverfahren

wegen Anschluss- und Benutzungszwangs für kommunale Einrichtungen,

hier: sonstige Beschwerde im Klageverfahren

hat der 4. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Aschke, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Blomenkamp und den Richter am Oberverwaltungsgericht Gravert am 11. Oktober 2007 beschlossen:

Tenor:

Auf die Gegenvorstellung der Beklagten wird der Beschluss des Senats vom 5. Januar 2006 - 4 VO 249/05 - abgeändert und hinsichtlich der noch ausstehenden Kostenentscheidung wie folgt ergänzt:

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

In dem unanfechtbaren Beschluss vom 05.01.2006, mit dem die Rechtswegbeschwerde des Klägers zurückgewiesen wurde, hat der Senat in entsprechender Anwendung des § 17b Abs. 2 GVG von einer Kostenentscheidung abgesehen.

Die hiergegen von der Beklagten erhobene Gegenvorstellung ist zulässig und begründet und führt zur Abänderung des angegriffenen Beschlusses in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

Die am 23.02.2006 erhobene Gegenvorstellung gegen den (nach eigenem Bekunden der Prozessbevollmächtigten des Beklagten) am 19.01.2006 zugestellten Beschluss vom 05.01.2006 ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass die Prozessbevollmächtigte des Beklagten das Änderungsbegehren nicht innerhalb der Frist des § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO als Anhörungsrüge geltend gemacht hat. Mit Inkrafttreten dieser Vorschrift kann zwar die Rüge rechtlichen Gehörs nur noch nach Maßgabe des § 152a VwGO erhoben werden und es bleibt insoweit kein Raum mehr für die Anwendbarkeit einer Gegenvorstellung als außerordentlichem Rechtsbehelf.

Allerdings geht der Senat mit dem Bundesfinanzhof (Beschluss vom 13.10.2005 - IV S 10/05 - NJW 2006, 861) und dem Bundessozialgericht (Beschluss vom 28.07.2005 - B 13 RJ 178/05 B - NJW 2006, 860) und entgegen der teilweise abweichenden Auffassung anderer Gerichte und in der Literatur (vgl. nur Schenke, NVwZ 2005, 729; BayVGH, Beschluss vom 20.07.2006 - 5 ZB 06.462 - m. w. Nw.) davon aus, dass neben der Anhörungsrüge eine Gegenvorstellung zulässig bleibt, wenn mit ihr - wie hier - keine Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt wird (bisher offen gelassen in den Senatsbeschlüssen vom 22.12.2005 - 4 ZO 923/05 -, 02.08.2005 - 4 EO 1166/04 - und 11.02.2005 - 4 N 595/94 -; ebenso: Beschluss des ThürOVG vom 27.10.2006 - 1 ZKO 932/06 -; BVerwG, Beschluss vom 23.08.2006 - 4 A 1075.04 -; gegen die Zulässigkeit einer außerordentlichen Beschwerde: Beschluss des ThürOVG vom 05.01.2007 - 1 VO 265/06 -). Denn die Gegenvorstellung verfolgt das Ziel, den Fachgerichten die Möglichkeit zu eröffnen, ihr Verhalten unter bestimmten rechtlichen Gesichtspunkten noch einmal zu überprüfen und ggf. zu korrigieren. Durch die Schaffung gesetzlicher Regelungen über die Anhörungsrüge in allen Verfahrensordnungen sollte das Institut der Gegenvorstellung nicht ausgeschlossen werden, sondern nach dem Willen des Gesetzgebers neben der Gehörsrüge weiterhin Rechtsschutz durch die (formlose und grundsätzlich nicht fristgebundene) Gegenvorstellung im herkömmlichen Sinne gewährt werden. In der Gesetzesbegründung heißt es, dem Tenor der verfassungsgerichtlichen Plenarentscheidung folgend ergänze der Gesetzentwurf das Rechtsbehelfssystem um die Möglichkeit, einen Verstoß gegen das in Art. 103 Abs. 1 GG verbürgte Recht auf rechtliches Gehör zu rügen. Eine Erstreckung dieses Rechtsbehelfs auf die Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte sei nicht Gegenstand des vom Bundesverfassungsgericht erteilten Gesetzgebungsauftrags. Damit treffe der Entwurf keine Aussage zu der Frage, wie die Gerichte künftig mit Verletzungen etwa des Willkürverbots umgehen sollten. Insbesondere die bisher in diesen Fällen zur Anwendung gekommenen außerordentlichen Rechtsbehelfe wie die Gegenvorstellung sollten durch die Beschränkung dieses Entwurfs auf eine Erweiterung der Rügemöglichkeiten bei Anhörungsverstößen nicht ausgeschlossen werden (vgl. BT-Drucks. 15/3706, S. 14; BT-Drucks. 15/3966, S. 5; BR-Drucks. 663/04, S. 33; hierzu BFH, Beschlüsse vom 13.10.2005 - IV S 10/05 -a. a. O., vom 30.03.2005 - VII S 13/05 - und vom 13.01.2005 - VII S 31/04; BSG, Beschluss vom 28.07.2005 - B 13 RJ 178/05 B - a. a. O.; Eyermann, VwGO, 12. Auflage 2006, Rn. 8 vor § 124).

Die Gegenvorstellung ist auch begründet, weil in dem Beschluss über die Zurückweisung einer Beschwerde nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden ist. Nach erneuter Prüfung und unter Berücksichtigung der überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur hält der Senat an der in dem Beschluss dargelegten Auffassung nicht mehr fest. Im Beschwerdeverfahren über die Verweisung eines Rechtsstreits ist eine entsprechende Anwendung des § 17b Abs. 2 GVG ausgeschlossen, weil diese Vorschrift nur für die Kosten im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erster Instanz anwendbar ist. Für das Beschwerdeverfahren nach § 146 ff. VwGO bedarf es hingegen einer Kostenentscheidung nach den allgemeinen Kostenvorschriften der VwGO (so auch OVG HH, Beschluss vom 28.02.2000 - 4 So 5/00 - NVwZ-RR 2000, 842; BGH, Beschluss vom 17.06.1993 - V ZB 31/92 - NJW 1993, 2541; Zöller, ZPO, 26. Auflage 2007, Rn. 4 vor §§ 18 - 20 GVG; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 65. Auflage 2007, Rn. 6 zu § 17b GVG; Wolf in Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Auflage 2001, Rn. 10 zu § 17b GVG; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: April 2006, Rn. 8 zu § 41, Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, Rn. 31 zu § 41; a. A. Rennert in Eyermann, VwGO, 11. Auflage 2000, Rn. 45 zu § 41).

Daher waren die Kosten des erfolglosen Beschwerdeverfahrens gemäß § 154 Abs. 2 VwGO dem Kläger aufzuerlegen.

Einer Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil im vorliegenden Fall eine Festgebühr in Höhe von 50,-- € zu erheben ist (Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses als Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG; anders noch die Rechtslage vor Inkrafttreten des GKG in der Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 05.05.2004 (BGBl. I 718) i. V. m. Nr. 2504 des Kostenverzeichnisses als Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 GKG a. F. und die dieser (überholten) Rechtslage entsprechende Empfehlung im sog. Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit a. F., DVBl. 1996, 605 ff., Abschn. 1 Nr. 9; zu letzterem: OVG HH, Beschluss vom 28.02.2000 - 4 So 5/00 - a. a. O.). Auf die Ausführungen der Beteiligten zur anteiligen Höhe des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren vom Streitwert der Hauptsache kommt es daher nicht mehr an.

Ende der Entscheidung

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