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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 11.07.1989
Aktenzeichen: 246/86
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 85
EWG-Vertrag Art. 190
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Festsetzung gemeinsamer Preise im Rahmen eines Kartells stellt selbst dann, wenn diese in der Praxis nicht eingehalten werden, einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag dar, wenn sie die Beschränkung des Wettbewerbs zum Ziel hat.

2. Der Umstand, daß ein Kartell nur die Vermarktung von Produkten in einem einzigen Mitgliedstaat bezweckt, genügt nicht, um eine Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten auszuschließen. So verhält es sich, wenn die Mitglieder des Kartells auf einem einfuhrsensiblen Markt zur Erhaltung ihres Marktanteils gemeinsame Schutzmaßnahmen gegen ausländische Wettbewerber organisieren.

3. Die Einstufung einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht des EWG-Vertrags als vorsätzlich setzt nicht voraus, daß sich das Unternehmen des Verstosses hiergegen bewusst gewesen ist; es genügt vielmehr, daß es sich nicht in Unkenntnis darüber befinden konnte, daß das ihm zur Last gelegte Verhalten eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckte.

4. Die Kommission hat zwar nach Artikel 190 EWG-Vertrag die sachlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtmässigkeit einer Entscheidung auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts abhängt, sowie die rechtlichen Erwägungen anzuführen, die sie zum Erlaß dieser Entscheidung veranlasst haben, braucht jedoch nicht auf alle sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte einzugehen, die im Verwaltungsverfahren behandelt worden sind.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (FUENFTE KAMMER) VOM 11. JULI 1989. - SC BELASCO UND ANDERE GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - ANWENDUNG VON ARTIKEL 85 DES EWG-VERTRAGS AUF EINE VEREINBARUNG BETREFFEND DACH- UND DICHTUNGSBAHNEN. - RECHTSSACHE 246/86.

Entscheidungsgründe:

1 Die Société coopérative des asphalteurs belges ( Belasco ), die Compagnie générale des asphaltes SA ( Asphaltco ), die Antwerpse Teer - en Asphaltbedrijf NV ( ATAB ), die De Bör en Co. NV ( De Bör ), die Kempisch Asphaltbedrijf NV ( KAB ), die Limburgse Asphaltfabrieken PVBA ( LAF ), die Lummerzheim en Co. NV ( Lummerzheim ) und die Vlaams Asphaltbedrijf Huyghe en Co. PVBA ( Huyghe ) haben mit Klageschrift, die am 23. September 1986 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag eine Klage auf Aufhebung der Entscheidung 86/399 vom 10. Juli 1986 ( IV/31.371; ABl. L 232, S. 15 ), mit der die Kommission festgestellt hat, daß die Klägerinnen mehrere Verstösse gegen Artikel 85 begangen haben, sowie hilfsweise auf Aufhebung oder Kürzung der Geldbussen erhoben, die ihnen in dieser Entscheidung auferlegt wurden.

2 Die Belasco ist eine 1955 gegründete Vereinigung belgischer Hersteller von bituminierten Dach - und Dichtungsbahnen. Die übrigen Klägerinnen sind Mitglieder dieser Vereinigung, deren Haupttätigkeit in der Mitausarbeitung von IBN-Normen ( Normen des Institut belge de normalisation ) besteht.

3 Die Mitglieder der Belasco schlossen untereinander eine Vereinbarung, die am 1. Januar 1978 in Kraft trat und insbesondere die Festlegung von Mindestlieferpreisen und -bedingungen für alle Lieferungen von bituminierten Dach - und Dichtungsbahnen in Belgien, Lieferquoten, mit denen der jeweilige Marktanteil der Mitglieder festgesetzt wurde, gemeinsame Werbemaßnahmen, die Untersuchung und Förderung aller Maßnahmen zur Normung und Rationalisierung der Produktion und des Vertriebs sowie das Verbot, den Kunden Geschenke zu machen oder mit Verlust zu verkaufen, vorsah. Diese Vereinbarung trat an die Stelle einer ähnlichen Vereinbarung, die Ende 1966 geschlossen worden war.

4 Die Vereinbarung sah weiter das Treffen von Schutzmaßnahmen vor, um dem Wettbewerb ausländischer Unternehmen, neuer Unternehmen oder von Ersatzprodukten zu begegnen. Ausserdem verpflichteten sich die Mitglieder der Belasco, im Falle des Konkurses oder des Zwangsverkaufs eines Unternehmens am Ankauf aller Fabrikationseinrichtungen für die fraglichen Produkte teilzunehmen und derartige Einrichtungen nicht zu verkaufen oder zu vermieten. Die Einhaltung der Preise, der Quoten und der festgesetzten Nachlässe wurde von einem Rechnungssachverständigen überprüft; für Verstösse gegen die Vereinbarung oder die von der Mitgliederversammlung getroffenen Entscheidungen waren Sanktionen vorgesehen. In einem solchen Fall hatten die Unternehmen einen Pauschbetrag an einen gemeinsamen Fonds zu zahlen; geschah dies nicht, konnte dieser Betrag aus der Sicherheit entnommen werden, die jedes Unternehmen bei der Belasco bar entrichtet hatte.

5 Diese Vereinbarung wurde durch Entschließungen der Mitgliederversammlung der Belasco durchgeführt und mit zwei Vereinbarungen vom Mai und Oktober 1978 ergänzt, die zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern der Belasco geschlossen wurden und eine abgestimmte Kürzung der den Kunden gewährten Nachlässe zum Ziel hatten.

6 Von der Vereinbarung und den anderen Maßnahmen wurden einerseits die Belasco-Produkte, also die vom IBN anerkannten Benor-Produkte und ähnliche Produkte, die den Bestimmungen des IBN nicht entsprachen, andererseits durch Zusatz von Kunststoffen, im allgemeinen auf Polyesterbasis, modifizierte bituminierte Dachabdeckungen, sogenannte "neue Produkte", und andere Produkte wie Kitte und fluessiges Bitumen, die grösstenteils in Verbindung mit bituminierten Dach - und Dichtungsbahnen verwendet werden, sogenannte "Nebenprodukte", erfasst.

7 Die Kommission sah in diesen Vereinbarungen sowie in den zu ihrer Durchführung getroffenen Maßnahmen Verstösse gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag und hat folglich der Belasco und ihren Mitgliedern Geldbussen auferlegt.

8 Die Klägerinnen stützen ihre Klage im wesentlichen auf die Rügen, der Tatbestand des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag sei nicht erfuellt, die Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962 ( ABl. Nr. 13, S. 204 ), der Gleichbehandlungsgrundsatz, sowie wesentliche Formvorschriften seien verletzt, da die Entscheidung irrig, widersprüchlich und ungenügend begründet sei, und schließlich sei die Höhe der Geldbussen nicht gerechtfertigt.

9 Weitere Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs sowie des Parteivorbringens finden sich im Sitzungsbericht, auf den verwiesen wird. Der Inhalt der Akten ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteiles dieses erfordert.

I - Der Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag

A - Die Störung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes

1. Die Vereinbarung eines gemeinsamen Tarifs für die Belasco-Produkte und gemeinsamer Preise für die neuen und die Nebenprodukte

10 Die Klägerinnen bringen vor, Zweck der Annahme eines gemeinsamen Tarifs für die Belasco-Produkte sei es nicht gewesen, den Wettbewerb zu verfälschen, sondern ausschließlich entsprechend den Empfehlungen der Verwaltung Sammelverlangen nach Preiserhöhungen einzureichen, um die erforderlichen Genehmigungen schneller zu erhalten, als das bei Einzelverlangen möglich gewesen wäre. Jedenfalls habe der gemeinsame Tarif eine Verfälschung des Wettbewerbs nicht bewirkt, da die auf dem Markt verlangten Preise in Wirklichkeit bei jedem Unternehmen andere gewesen und die fraglichen Tarife andererseits den Nichtmitgliedern der Belasco mitgeteilt worden seien, die so ihre Preise entsprechend gestalten und ihre Stellung auf dem Markt gegenüber derjenigen der Belasco-Mitglieder hätten verbessern können.

11 Zur gemeinsamen Preisfestsetzung für die Nebenprodukte legen die Klägerinnen dar, die Kommission habe in ihrer Entscheidung selbst anerkannt, daß diese Preise in der Praxis nicht beachtet worden seien. Einen gemeinsamen Tarif für die Nebenprodukte habe es nie gegeben, wenn auch die Mitgliederversammlung zehnmal hierzu Stellung genommen habe. Auch für die neuen Produkte habe die Kommission in ihrer Entscheidung anerkannt, daß die Anwendung gemeinsamer Preise nicht nachgewiesen sei.

12 Nach den Akten haben sich die Klägerinnen nicht darauf beschränkt, Sammelverlangen nach Preiserhöhungen zu stellen, sondern sich auch über die Verteilung der genehmigten Erhöhungen auf die verschiedenen Produkte und über den günstigsten Zeitpunkt für ihre Durchführung abgesprochen. Der gemeinsame Tarif wurde durch Maßnahmen über die zu gewährenden Nachlässe ergänzt. Damit bezweckte der gemeinsame Tarif die Beschränkung des Preiswettbewerbs.

13 Die Mitteilung der Entwürfe der an die Verwaltung gerichteten Preiserhöhungsverlangen sowie der Tarife zur Durchführung der genehmigten Erhöhungen an die Nichtmitglieder der Belasco bezweckte, diese Unternehmen zur Anpassung ihrer Preise an diejenigen der Mitglieder zu bewegen, um die Wirkungen des Kartells über den Kreis der Mitglieder hinaus zu verstärken. Die Mitteilung der fraglichen Entwürfe erfolgte nämlich im Rahmen einer Abstimmung mit den Nichtmitgliedern der Belasco, die diese zur Teilnahme an den Preispraktiken, Preisnachlässen und anderen von den Mitgliedern der Belasco beschlossenen Maßnahmen gewinnen und zu einem gleichen Verhalten auf dem Markt veranlassen sollte.

14 Weiterhin wurden die gemeinsamen Preise für die neuen Produkte wiederholt von der Mitgliederversammlung festgesetzt, selbst wenn das System für diese Produkte weniger strikt war als das für die anderen Produkte, wie die Kommission dies in Randnummer 7 ihrer Entscheidung anerkennt.

15 Die gemeinsamen Preise für die Nebenprodukte schließlich wurden zwar in der Praxis nicht beachtet; gleichwohl hatten die Entscheidungen der Mitgliederversammlung, mit denen sie festgesetzt wurden, die Beschränkung des Wettbewerbs zum Ziel.

16 Das Vorbringen hinsichtlich des Ziels des gemeinsamen Tarifs sowie der mangelnden Anwendung der gemeinsamen Preise für die neuen und die Nebenprodukte greift somit nicht durch.

2. Das Verbot von Geschenken und von Verkäufen unter Verlust

17 Die Klägerinnen bringen vor, das Verbot von Geschenken und von Verkäufen unter Verlust sei nur eine Übernahme des belgischen Rechts über den unlauteren Wettbewerb.

18 Dem ist nicht zu folgen. Das belgische Gesetz vom 14. Juli 1971 über die Handelspraktiken ( Moniteur belge vom 30. 7. 1971, S. 9087 ), auf das sich die Klägerinnen berufen, betrifft nur den Verkauf an Endverbraucher und ist deshalb auf die Beziehungen zwischen Wirtschaftsunternehmen, um die es hier geht, unanwendbar. Demnach konnte das Verbot von Geschenken und von Verkäufen unter Verlust nur zum Ziel haben, zu verhindern, daß die vereinbarte Preisregelung durch solche Praktiken umgangen werde und die betroffenen Unternehmen sich damit Konkurrenz machten.

3. Die Durchführung der Quoten

19 Die Klägerinnen bringen vor, die in der Vereinbarung vorgesehene Quotenregelung, die einer Überprüfung unterworfen worden und durch ein System von als Schadensersatz fungierenden Vertragsstrafen verstärkt gewesen sei, sei niemals angewandt worden.

20 Jedoch wurde die Beachtung der Quoten tatsächlich überprüft, wie der Umstand zeigt, daß diejenigen, die ihre Quoten überschritten, teilweise erhebliche Summen als Vertragsstrafen an diejenigen gezahlt haben, die ihre Quoten nicht ausschöpften. Dieses Vorbringen widerspricht somit den Tatsachen.

4. Die Nachlässe

21 Die Klägerinnen bringen vor, die Höhe der Nachlässe sei niemals Gegenstand einer Vereinbarung gewesen. Im Gegenteil hätten alle Belasco-Mitglieder ihre eigenen Nachlässe nach Maßgabe der Bedeutung des Kunden und des Umfangs der Bestellung gewährt, wie dies eine Untersuchung der der Kommission beispielhaft zur Verfügung gestellten Rechnungen belege.

22 Die Kommission hat jedoch nachgewiesen, daß das Abkommen vom 30. Oktober 1978 eine Nachlaßregelung enthielt, die bis Juli/August 1980 angewandt wurde. Diese Regelung wurde nicht immer beachtet; wurde sie aber verletzt, so waren Beschwerden der Mitglieder, die sich geschädigt glaubten, an die Mitgliederversammlung die Folge.

23 Auch die Behauptung, eine Untersuchung der der Kommission zur Verfügung gestellten Rechnungen belege die allgemeine Missachtung der Nachlaßregelung, trifft nicht zu. Zu Recht hat die Kommission vorgebracht, diese Rechnungen bewiesen nur, daß während der Anwendungszeit der Vereinbarung von 1978 nur drei Kunden der Belasco-Mitglieder Nachlässe erhalten hätten.

5. Das Prinzip der Kristallisierung der Kundschaft

24 Die Klägerinnen tragen vor, der Grundsatz, daß jedes Unternehmen nur mit seiner Kundschaft arbeiten dürfe, das sogenannte Prinzip der Kristallisierung der Kundschaft, sei niemals beachtet worden. Die Liste der während des Bezugszeitraums verlorenen und gewonnenen Kunden belege das ganz deutlich.

25 Jedoch haben mehrere Mitglieder bei den Mitgliederversammlungen verlangt, daß günstigere Angebote bestimmten Kunden nicht vorgelegt würden. Bestimmte Mitglieder haben sich über den Verlust von Kunden an andere Mitglieder beschwert. Die Mitgliederversammlung hat diese Beschwerden untersucht und bisweilen eine Überprüfung ihrer Begründetheit angeordnet. Weiter hat die Mitgliederversammlung im Jahre 1978 bei einer von der International Roofing Company SA, einem Nichtmitglied der Belasco, geführten Preiskampagne die Mitglieder veranlasst, ihre eigene Kundschaft zu bewahren. Schließlich wurde das Prinzip Kristallisierung der Kundschaft vom Präsidenten der Mitgliederversammlung im Jahre 1981 bestätigt.

26 Somit wurde das Prinzip der Kristallisierung der Kundschaft von den Klägerinnen angewandt, wenn auch nur in beschränktem Umfang, wie die Kommission das in Randnummer 74 vi der Entscheidung anerkennt. Das entsprechende Vorbringen ist daher zurückzuweisen.

6. Abgestimmte Aktionen gegen Wettbewerber

27 Die Klägerinnen bringen vor, die abgestimmte Aktion, mit der der Ankauf der Usines Pol Madou ( UPM ), eines früheren Belasco-Mitglieds, durch Wettbewerber, insbesondere durch eine ausländische Firma, habe verhindert werden sollen, habe nicht stattgefunden. Der Konkurs der UPM sei Folge einer unachtsamen Geschäftsführung und nicht einer abgestimmten Verhaltensweise der Belasco-Mitglieder gewesen.

28 Die Kommission hat jedoch nachgewiesen, daß die Klägerinnen die Übernahme der UPM nach deren Konkurs durch ein oder mehrere ausländische Unternehmen zu verhindern suchten, da diese nicht Kartellmitglieder waren. Dieses abgestimmte Vorgehen, das ähnlichem Vorgehen gegen andere Hersteller und Importeure entsprach, bezweckte eine Beschränkung des Wettbewerbs oder eine Verstärkung der Stellung der Klägerinnen auf dem Markt. Das Vorbringen der Klägerinnen ist somit nicht begründet und zurückzuweisen. Wie die Klägerinnen im übrigen in der mündlichen Verhandlung zugestanden haben, hatte das abgestimmte Vorgehen gegen die IKO, ein Nichtmitglied der Belasco, mit der diese zur Aufgabe einer Niedrigpreispolitik veranlasst werden sollte, Erfolg.

7. Die Annahme von Normungs - und Rationalisierungsmaßnahmen

29 Die Klägerinnen machen geltend, das gemeinsame Programm für die Belasco-Produkte, die Entscheidungen über die Koordinierung der Merkmale der neuen Produkte, die Verwendung der Bezeichnung Belasco und die gemeinsamen Werbemaßnahmen für diese Bezeichnung seien nicht geeignet, den Wettbewerb zu stören, sondern stellten vielmehr Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung, zur Rationalisierung der Herstellung und Verteilung und zur Standardisierung der den Architekten angebotenen Produktpalette dar.

30 Jedoch fügten sich diese Maßnahmen in den Rahmen der Vereinbarung von 1978 ein und trugen zur Verschärfung von deren beschränkendem Ziel bei. Die Normungsmaßnahmen sollten nämlich die Mitglieder daran hindern, ihre Erzeugnisse zu differenzieren und damit miteinander in Wettbewerb zu treten. Die gemeinsamen Werbemaßnahmen wie die Verwendung des Warenzeichens Belasco beschränkten darüber hinaus den Wettbewerb, da sie das Image der Produkte auf einem Sektor vereinheitlichten, auf dem individuelle Werbung ein Mittel der Differenzierung und damit des Wettbewerbs darstellen kann. Das einschlägige Vorbringen ist damit zurückzuweisen.

31 Die Rüge, der Wettbewerb sei nicht gestört worden, ist nach alledem als unbegründet zurückzuweisen.

B - Die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten

32 Die Klägerinnen machen geltend, das beanstandete Kartell binde nur belgische Unternehmen, beziehe sich nur auf deren Produkte und gelte nur für den belgischen Markt. Die Durchführung gemeinsamer Maßnahmen gegen ausländische Hersteller sei nicht nachgewiesen; die Kommission habe eingestandenermassen keinen Hinweis darauf gefunden, daß vorgeschlagene oder beschlossene Maßnahmen auch ergriffen worden seien. Das beanstandete Kartell habe somit den Handel zwischen Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigt.

33 Nach ständiger Rechtsprechung genügt der Umstand, daß ein Kartell nur die Vermarktung von Produkten in einem einzigen Mitgliedstaat bezweckt, nicht, um die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten auszuschließen.

34 Auf einem für Einfuhren durchlässigen Markt können die Mitglieder eines nationalen Preiskartells ihren Marktanteil weiter nur bewahren, wenn sie sich gegen ausländische Konkurrenz schützen.

35 Die vorliegende Vereinbarung sah Schutzmaßnahmen insbesondere für den Fall einer Verstärkung des Wettbewerbs seitens ausländischer Unternehmen vor. Um dritte, insbesondere ausländische Unternehmen daran zu hindern, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verstärken, verpflichteten sich die Mitglieder darüber hinaus, Produktionseinrichtungen nicht auf Dritte zu übertragen, nicht für Rechnung Dritter herzustellen und Produktionseinrichtungen eines anderen Mitglieds zu übernehmen, falls dieses in Konkurs fallen sollte.

36 In diesem Sinne beschloß die Mitgliederversammlung im Februar 1984, daß ihre Mitglieder zusätzliche abgestimmte Nachlässe an die Kundschaft eines Importeurs bituminierter Dach - und Dichtungsbahnen ( Canam Sales ) gewähren sollten; so bestanden die Mitglieder im Juli 1980 bei den zuständigen Regionalbehörden darauf, daß die UPM, ein früheres Kartellmitglied, das in Konkurs gefallen war, nicht von einem ausländischen Unternehmen übernommen werde. Dabei erklärten sie auch ihr Interesse am Ankauf dieses Unternehmens.

37 Der erhebliche Marktanteil der Belasco-Mitglieder erlaubte nicht nur die Anwendung der vorgesehenen Maßnahmen, sondern auch deren Wirksamwerden. Die Klägerinnen verfügten nämlich über einen Anteil von 57 bis 60 % des Marktes an bituminierten Dach - und Dichtungsbahnen, wobei sich der Rest auf ihre Wettbewerber ( ungefähr 20 %) und die Importeure verteilte. Die Kommission hat von diesem Markt zu Recht die synthetischen Produkte ausgeschlossen, deren Preis weit über dem bituminierter Dach - und Dichtungsbahnen liegt und deren Verlegung hochqualifiziertes Personal erfordert. Solche Produkte dienen speziellen Zwecken und können somit nicht an die Stelle der Produkte treten, die Gegenstand der fraglichen Vereinbarungen und Praktiken sind.

38 Ungeachtet des Umstandes, daß das beanstandete Kartell nur die Vermarktung von Produkten in einem einzigen Mitgliedstaat bezweckte, ist damit festzustellen, daß es den Binnenhandel der Gemeinschaft beeinflussen konnte.

II - Die Verletzung des Artikels 15 der Verordnung Nr. 17

39 Die Klägerinnen bringen vor, die angefochtene Entscheidung habe Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 verletzt. Sie berufen sich dabei darauf, die begangenen Zuwiderhandlungen seien nicht vorsätzlich gewesen sowie auf deren Wirkungen auf dem Markt.

1. Der fehlende Vorsatz bei den Zuwiderhandlungen

40 Die Klägerinnen bringen vor, sie seien sich dessen nicht bewusst gewesen, daß ihre Vereinbarung in Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verboten gewesen sei; die Kommission habe dies anerkannt. Sie hätten ihre Vereinbarung von 1966 guten Glaubens weitergeführt. Reine Fahrlässigkeit könne die den Klägerinnen auferlegten Geldbussen nicht rechtfertigen, da den Nichtmitgliedern der Belasco, deren Fahrlässigkeit von der Kommission angenommen worden sei, keine Sanktion auferlegt worden sei.

41 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ( u. a. Urteil vom 1. Februar 1978 in der Rechtssache 19/77, Miller, Slg. 1978, 131 ) setzt die Einstufung einer Zuwiderhandlung als vorsätzlich nicht voraus, daß sich das Unternehmen des Verstosses gegen Artikel 85 EWG-Vertrag bewusst gewesen ist; es genügt vielmehr, daß es sich nicht in Unkenntnis darüber befinden konnte, daß das ihm zur Last gelegte Verhalten eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckte.

42 Angesichts der Art der beanstandeten Vereinbarung sowie der zu ihrer Durchführung getroffenen Maßnahmen ist das hier der Fall.

2. Wirkungen der begangenen Verstösse auf dem Markt

43 Die Klägerinnen bringen vor, die Kommission habe nicht klargestellt, wie sie die Wirkungen der Verstösse auf den Markt bei der Bemessung der Geldbussen berücksichtigt habe. Da diese Wirkungen in den Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte bestritten worden seien, sei eine solche Klarstellung erforderlich. Ihr Fehlen verletze Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17.

44 Die Kommission hat jedoch in den Randnummern 76 bis 82 der angefochtenen Entscheidung sehr wohl die Wettbewerbsbeschränkungen, die die abgestimmten Praktiken jeweils erzeugten, und ihre Auswirkung auf den Markt dargelegt.

45 Somit ist die Rüge einer Verletzung des Artikels 15 der Verordnung Nr. 17 nicht begründet und daher zurückzuweisen.

III - Die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes

46 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe den Gleichheitssatz verletzt, indem sie sie anders behandelt habe als Nichtmitglieder.

47 Jedoch sind die jeweiligen Situationen der Mitglieder und der Nichtmitglieder der Belasco nicht vergleichbar. Die Nichtmitglieder waren dem beanstandeten Kartell nicht angeschlossen; die bei ihnen festgestellten Zuwiderhandlungen betrafen nur die im Oktober 1978 geschlossenen Vereinbarungen über die Nachlässe, die sich im übrigen nicht auf die neuen Produkte bezogen.

48 Die Rüge eines Verstosses gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung ist deshalb zurückzuweisen.

IV - Die Begründung sei irrig, widersprüchlich und ungenügend

1. Die Begründung sei irrig und widersprüchlich

49 Die Klägerinnen bringen vor, die Kommission habe sich widersprochen, indem sie ihnen vorwerfe, die wesentlichen Eigenschaften der neuen Produkte gemeinsam definiert zu haben, obwohl in der Entscheidung andererseits klargestellt werde, daß dieser Beschwerdepunkt sich nicht auf die Beteiligung der Mitglieder der Belasco an der Aufstellung von IBN-Normen beziehe, deren Erstellung den zehnjährigen Vertrieb der standardisierten Erzeugnisse voraussetze. Wie oben ausgeführt, fallen die Maßnahmen zur Vereinheitlichung der Produkte jedoch in den Rahmen der Vereinbarung von 1978 und verstärken deren beschränkende Zielsetzung. Sie bezweckten somit nicht die Aufstellung von IBN-Normen.

50 Ein Widerspruch liege auch darin, daß einerseits die Wirkungen einer Absprache nach Auffassung der Kommission zu berücksichtigen seien, wenn es darum gehe, die Verstösse zu würdigen, während die Kommission andererseits die Auswirkungen des Kartells auf den Markt nirgends berücksichtigt habe. Wie oben dargelegt, hat die Kommission jedoch die Auswirkungen des Kartells auf den Markt sehr wohl untersucht.

51 Ein weiterer Widerspruch liege darin, daß die Lieferungen der an der Absprache Beteiligten einerseits auf 57 bis 60 % des Verbrauchs der in Rede stehenden Produkte geschätzt würden ( Randnr. 88 ), andererseits auf mindestens 70 % ( Randnr. 91 ). Dem kann nicht gefolgt werden. Wie die Kommission ausgeführt hat, betrifft der in Randnummer 88 erwähnte Prozentsatz nur Lieferungen der Mitglieder, der in Randnummer 91 erwähnte den Marktanteil der Mitglieder und Nichtmitglieder.

52 Einen Widerspruch finden die Klägerinnen auch zwischen Randnummer 88, wonach ein gemeinsames Vorgehen keineswegs hypothetischer Natur gewesen sei, und Randnummer 61, wonach die Kommission keinen Hinweis darauf habe, was aus den beiden Vorschlägen eines der Mitglieder der Belasco geworden sei. Dem ist nicht zu folgen. Die Klägerinnen haben nämlich in der mündlichen Verhandlung anerkannt, daß das Vorgehen gegen die IKO erfolgreich war; selbst wenn die Kommission die Wirkungen der anderen abgestimmten Maßnahmen nicht genauer beschreiben konnte, so erlauben deren Art und die Mittel, über die die Kartellmitglieder dank ihres Marktanteils verfügten, die Annahme, daß es sich nicht um rein hypothetische Aktionen handelte.

53 Schließlich sehen die Klägerinnen einen Widerspruch noch darin, daß die Kommission ihnen vorhalte, ihre Absprachen auch über neue Dachabdichtungen geschlossen zu haben, während sie die Derbit, einen Hersteller von bituminierten Dach - und Dichtungsbahnen, die nicht Mitglied der Belasco sei, nicht zur Adressatin der Entscheidung gemacht habe, da diese nur neue Produkte herstelle, womit die Kommission zumindest stillschweigend zugestanden habe, daß die Absprache diese nicht erfasse. Auch dem ist nicht zu folgen. Die Derbit wurde aus dem Kreis der Adressaten der Entscheidung nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie nur neue Produkte herstellt, sondern deshalb, weil sie nicht zu denjenigen Nichtmitgliedern gehörte, die Vereinbarungen mit den Belasco-Mitgliedern geschlossen hatten.

2. Ungenügende Begründung

54 Die Klägerinnen rügen, die Kommission habe ihre Beschwerdepunkte hinsichtlich der Quoten und der Nachlässe ungenügend begründet, habe die Berichte eines Wirtschaftsprüfers nicht beachtet, wonach die Kartellmitglieder keine der von ihnen eingegangenen Verpflichtungen eingehalten hätten, und sei auf ihre Argumente zu den Auswirkungen des Kartells auf dem Markt nicht eingegangen.

55 Wie bereits dargelegt, hat die Kommission die Wirkungen des Kartells auf dem Markt und seine Durchführung durch die Belasco-Mitglieder hinsichtlich der Einhaltung der Quoten und der Nachlässe sehr wohl untersucht. Was weiter die Rüge angeht, die Kommission sei auf das Vorbringen der Klägerinnen nicht eingegangen, so ist daran zu erinnern, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ( u. a. Urteil vom 17. November 1987 in den verbundenen Rechtssachen 142 und 156/84, British-American Tobacco Company, Slg. 1987, 4469, 4487 ) die Kommission zwar nach Artikel 190 EWG-Vertrag die sachlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtmässigkeit der Entscheidung abhängt, sowie die rechtlichen Erwägungen anzuführen hat, die sie zum Erlaß ihrer Entscheidung veranlasst haben, daß sie jedoch nicht auf alle sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte einzugehen braucht, die im Verwaltungsverfahren behandelt worden sind.

56 Nach den obigen Ausführungen lässt sich feststellen, daß die Kommission die sachlichen Gesichtspunkte und die rechtlichen Erwägungen angeführt hat, aufgrund deren sie eine Verletzung der Wettbewerbsregeln festgestellt und den Klägerinnen Geldbussen auferlegt hat. Die angefochtene Entscheidung ist damit hinreichend begründet.

57 Die Rüge, die Begründung sei irrig, widersprüchlich und ungenügend, ist deshalb zurückzuweisen.

V - Die Höhe der Geldbussen

58 Einige der Argumente, die die Klägerinnen für eine Kürzung der Geldbussen vorbringen, sind mit denen identisch, mit denen sie bereits eine Verletzung des Artikels 15 der Verordnung Nr. 17 behauptet haben; diese sind insoweit bereits zurückgewiesen worden.

59 Die Klägerinnen machen weiter geltend, die neuen Produkte fielen nicht in den Anwendungsbereich der Kartellvereinbarung; die Belasco-Mitglieder hätten insoweit ihre eigene autonome Geschäftspolitik verfolgt.

60 Nach dem Wortlaut der Kartellvereinbarung ( Punkt 1 b des Kapitels "Gegenstand der Vereinbarung ") fand diese jedoch Anwendung auf "die bituminierten Filze aller Art, und zwar sowohl diejenigen, die derzeit im Handel unter dem Namen 'bituminierte Filze' gehandelt werden, als auch diejenigen Materialien gleicher Art, die künftig zur Deckung desselben Bedarfs hergestellt werden", und damit auch auf die neuen Produkte.

61 Nach den Akten betrafen weiter bestimmte Maßnahmen zur Durchführung der Kartellvereinbarung die neuen Produkte. Diese wurden in die Berechnung der Quoten einbezogen, waren Gegenstand der Preisvereinbarungen und unterlagen den Grenzen für die Nachlässe. Auch galten die Vereinheitlichungsmaßnahmen für sie.

62 Die Kartellvereinbarung erfasste damit auch die neuen Produkte, selbst wenn sie gemäß den Randnummern 4 c und 74 xi der angefochtenen Entscheidung auf diese Produkte progressiv angewandt wurde.

63 Die Klägerinnen behaupten weiter, die Vereinbarung habe nur vom 1. Januar 1978 bis zum 31. Dezember 1983 gegolten; wenn auch nach diesem Datum noch Kontakte unter den Mitgliedern stattgefunden hätten, so seien deren Auswirkungen in noch höherem Masse vernachlässigenswert gewesen als diejenigen während der Zeit, zu der die Vereinbarung in Kraft gestanden habe.

64 Dem ist nicht zu folgen. Die Vereinbarung verlängerte sich nach ihrem Wortlaut automatisch für fünf Jahre, falls sie nicht zum 31. Dezember 1983 gekündigt würde. Die Klägerinnen haben nun die Vereinbarung nicht nur nicht gekündigt, sondern noch bis zum 9. April 1984 Maßnahmen zu ihrer Durchführung getroffen ( Quotenfestsetzung mit Wirkung ab 1. Januar 1984, Termine des Rechnungssachverständigen bei den Mitgliedern ) und spätere Änderungen diskutiert.

65 Folgende Geldbussen wurden auferlegt : 420 000 ECU der ATAB; 150 000 ECU der Asphaltco; 20 000 ECU der Lummerzheim; 30 000 ECU der LAF; 75 000 ECU der KAB; 75 000 ECU der de Bör; 50 000 ECU der Huyghe und 15 000 ECU der Belasco. Diese Geldbussen machen 0,75 bis 2,5 % der Gesamtumsätze aus, die die betroffenen Firmen 1983 tätigten, bleiben also weit unter der Hoechstgrenze von 10 %, wie sie Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vorsieht.

66 Bei der Festsetzung der Geldbussen hat die Kommission einerseits die Gesamtumsätze des jeweils betroffenen Unternehmens sowie seine Umsätze aus der Lieferung von bituminierten Dach - und Dichtungsbahnen in Belgien und im Falle der Belasco ihre jährlichen Ausgaben berücksichtigt. Andererseits hat sie erwogen, daß unter den Merkmalen des Kartells die Beschränkungen hinsichtlich der Preise und der Marktaufteilung sowie die abgestimmten Angriffe gegen Konkurrenten die schwersten Beeinträchtigungen der Wettbewerbsfreiheit bildeten.

67 Die Kommission hat auch den Umstand, daß die von den Belasco-Mitgliedern auf die neuen Produkte angewandte Regelung weniger strikt war, sowie die Dauer des Kartells und den Umstand berücksichtigt, daß der Grundsatz der Kristallisierung der Kundschaft faktisch nur eingeschränkt beachtet wurde.

68 Die Prüfung des Parteivorbringens und der Begründung der Kommission hat keine Gründe aufscheinen lassen, die eine Kürzung der Geldbussen rechtfertigten. Die entsprechende Rüge ist daher zurückzuweisen.

69 Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

70 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung trägt die unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens. Die Klägerinnen sind mit ihrem Vorbringen unterlegen; sie haben daher gesamtschuldnerisch die Kosten einschließlich derjenigen des Streithelfers zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Fünfte Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird abgewiesen.

2)Die Klägerinnen tragen gesamtschuldnerisch die Kosten einschließlich deren des Streithelfers.

Ende der Entscheidung

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