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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 21.02.1990
Aktenzeichen: 267/88
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 804/68, VO (EWG) Nr. 857/84, EWG-Vertrag


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 804/68 Art. 5c
VO (EWG) Nr. 857/84 Art. 1
VO (EWG) Nr. 857/84 Art. 10
EWG-Vertrag Art. 40 Abs. 3
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Das Diskriminierungsverbot des Artikels 40 Absatz 3 EWG-Vertrag ist nur der spezifische Ausdruck des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes, der zu den Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts gehört und nach dem vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen, es sei denn, daß eine Differenzierung objektiv gerechtfertigt wäre. Bei der gerichtlichen Nachprüfung der Einhaltung dieser Grundsätze ist jedoch zu berücksichtigen, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik über einen Ermessensspielraum verfügt, der seiner politischen Verantwortung, die ihm die Artikel 40 und 43 EWG-Vertrag übertragen, entspricht.

Ist der Gemeinschaftsgesetzgeber insbesondere für den Erlaß einer Regelung genötigt, deren künftige Auswirkungen zu beurteilen, und lassen sich diese nicht genau vorhersehen, so kann seine Beurteilung vom Gericht nur dann beanstandet werden, wenn sie im Hinblick auf die Erkenntnisse, über die der Gesetzgeber im Zeitpunkt des Erlasses der Regelung verfügte, offensichtlich irrig erscheint.

2. Dadurch, daß er den Mitgliedstaaten bei der Durchführung der zusätzlichen Abgabe für Milch die Wahl lässt zwischen einer Formel A, nach der die Abgabe bei den Erzeugern erhoben wird, und einer Formel B, nach der diese Erhebung bei den Käufern erfolgt, hat der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht gegen das Verbot der Diskriminierung zwischen Erzeugern der Gemeinschaft verstossen. Der Rat konnte nämlich vernünftigerweise davon ausgehen, daß die im Rahmen dieser Wahlmöglichkeit, die grundsätzlich durch die Notwendigkeit gerechtfertigt ist, angesichts der unterschiedlichen Strukturen der Milcherzeugung und Milcherfassung in den verschiedenen Regionen der Gemeinschaft die volle Wirksamkeit der Regelung in der gesamten Gemeinschaft zu sichern, erfolgte Festsetzung des Abgabensatzes im Rahmen der Formel B auf 100 % des Milchrichtpreises gegenüber 75 % im Rahmen der Formel A geeignet sein würde, den Vorteil auszugleichen, den die der Formel B unterworfenen Erzeuger aus der Möglichkeit ziehen konnten, eine Verrechnung auf der Ebene der Molkerei vorzunehmen, und daß auf diese Weise sichergestellt wäre, daß die Abgabe im Rahmen der beiden Formeln tatsächlich die gleiche Höhe erreichen würde. Zudem wirkt sich die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, im Rahmen sowohl der einen als auch der anderen Formel die von Erzeugern oder Käufern nicht genutzten Mengen Erzeugern oder Käufern der gleichen Region und gegebenenfalls anderer Regionen zuzuteilen, ebenfalls dahin aus, daß die Vorteile abgeschwächt werden, die sich für die Erzeuger bei Anwendung der Formel B aus der Möglichkeit einer Verrechnung auf der Ebene der Molkerei ergeben.

3. Sowohl Italien als auch Griechenland weisen im Verhältnis zu den übrigen Mitgliedstaaten hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Strukturen vor allem auf dem Gebiet der Milcherzeugung und -vermarktung Besonderheiten auf. Die im erstgenannten Mitgliedstaat anwendbaren speziellen Vorschriften für die Anpassung der individuellen Referenzmengen im Falle aussergewöhnlicher Ereignisse sowie diejenigen, die im zweiten Mitgliedstaat die Anwendungsmodalitäten für die Formel B betreffen, entsprechen der Notwendigkeit, die besondere Lage dieser Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Anwendung der zusätzlichen Abgabe auf Milch zu berücksichtigen. Aufgrund dessen ist die hieraus folgende unterschiedliche Behandlung von Erzeugern aus Italien oder Griechenland und solchen aus anderen Mitgliedstaaten objektiv gerechtfertigt und begründet somit keine verbotene Diskriminierung zwischen Erzeugern der Gemeinschaft.

4. Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung Nr. 857/84 ist dahin auszulegen, daß ein Mitgliedstaat befugt ist, sein ganzes Gebiet als eine einzige Region im Sinne von Artikel 5 c Absatz 1 der Verordnung Nr. 804/68 anzusehen, auch wenn dieses Gebiet keine geographische Einheit darstellt, in der die natürlichen Verhältnisse, die Produktionsstrukturen und die durchschnittliche Milchleistung vergleichbar wären, es sei denn, daß eine solche Entscheidung den Strukturen des betroffenen Mitgliedstaats offensichtlich nicht angemessen ist.

Hieraus ergibt sich kein Verstoß gegen Artikel 39 Absatz 2 EWG-Vertrag, dem zufolge die strukturellen und naturbedingten Unterschiede der verschiedenen landwirtschaftlichen Gebiete berücksichtigt werden müssen, da die Regelung zur Durchführung der zusätzlichen Abgabe für Milch, zu der Artikel 1 Absatz 2 gehört, hinreichend elastisch ist, um es den Mitgliedstaaten bei ihrer Anwendung zu ermöglichen, diese Unterschiede angemessen zu berücksichtigen.

Ebensowenig liegt ein Verstoß gegen die Richtlinien 75/268 und 75/269 vor; diese haben einen eigenständigen, von dem der Gemeinschaftsregelung über die zusätzliche Abgabe für Milch unterschiedlichen Gegenstand, nämlich die Gewährung staatlicher Beihilfen zugunsten der landwirtschaftlichen Betriebe in bestimmten benachteiligten Gebieten, deren Verzeichnis nach gemeinschaftlichen Kriterien und in einem gemeinschaftlichen Verfahren erstellt wird, und können daher nicht so ausgelegt werden, als müssten die Regionen, auf die sie Anwendung finden, unterschiedliche Regionen im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung Nr. 857/84 darstellen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (DRITTE KAMMER) VOM 21. FEBRUAR 1990. - GUSTAVE WUIDART UND ANDERE GEGEN LAITERIE COOPERATIVE EUPENOISE SC UND ANDERE. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: TRIBUNAL DE PREMIERE INSTANCE DE VERVIERS - BELGIEN. - LANDWIRTSCHAFT - ZUSAETZLICHE ABGABE FUER MILCH. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN 267/88 BIS 285/88.

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunal de première instance Verviers ( Belgien ) hat mit Urteilen vom 20. September 1988, beim Gerichtshof eingegangen am 29. September 1988, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag vier in allen 19 verbundenen Rechtssachen gleichlautende Fragen nach der Auslegung und der Gültigkeit bestimmter Vorschriften der Gemeinschaftsregelung über die zusätzliche Abgabe für Milch zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich im Rahmen von Klagen, die verschiedene Milcherzeuger der Regionen Lüttich und Hochardennen vor dem Tribunal de première instance Verviers, 1. gegen die Molkereien, denen sie angeschlossen sind, 2. gegen das Office national du lait und die diesem nachgeordneten Stellen sowie 3. gegen den belgischen Staat mit dem Ziel erhoben haben, bestimmte Beträge zurückerstattet zu erhalten, die die Molkereien aufgrund der Regelung über die zusätzliche Abgabe vom Preis der von den Klägern gelieferten Milch einbehalten hatten.

3 Vor dem vorlegenden Gericht machten die Kläger der Ausgangsverfahren geltend, die Gemeinschaftsregelung über die zusätzliche Abgabe für Milch und demzufolge die zu deren Durchführung erlassene nationale Regelung, auf deren Grundlage die Abgabe erhoben wurde, seien rechtswidrig, da sie gegen das in Artikel 40 Absatz 3 EWG-Vertrag ausgesprochene Verbot der Diskriminierung zwischen Erzeugern der Gemeinschaft verstießen, den Gemeinschaftscharakter der Gemeinsamen Agrarpolitik verkennten und unter Verletzung von Artikel 39 Absatz 2 Buchstabe a des Vertrages die strukturellen und materiellen Ungleichheiten zwischen den verschiedenen landwirtschaftlichen Regionen unberücksichtigt ließen.

4 Um sich ein Urteil über dieses Vorbringen bilden zu können, hat das Tribunal de première instance Verviers das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen vorgelegt :

"a ) Verstösst Artikel 5 c der Verordnung ( EWG ) Nr. 804/68 dadurch, daß er den Mitgliedstaaten die Wahl zwischen zwei Anwendungsmodalitäten lässt, von denen die eine ( Formel A ), ohne die Möglichkeit einer Verrechnung vorzusehen, jeden einzelnen Erzeuger, der seine Referenzmenge überschritten hat, mit einer Abgabe belegt, während die andere ( Formel B ) durch die Erhebung der Abgabe beim Erstkäufer eine Verrechnung zwischen den diesen Käufer beliefernden Erzeugern zulässt und somit dazu führen kann, daß ein Erzeuger trotz Überschreitung seiner Quote von der Zahlung einer Abgabe befreit wird, gegen die Artikel 39 und 40 EWG-Vertrag, weil dies eine Diskriminierung zwischen den Erzeugern innerhalb der Gemeinschaft zur Folge hat?

b ) Verstösst Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 857/84 in seiner zwischen dem 2. April 1984 und dem 31. März 1987 geltenden Fassung gegen dieses Diskriminierungsverbot, indem er je nach der Entscheidung der Mitgliedstaaten für die Formel A oder die Formel B Abgaben in Höhe von 75 % oder 100 % des Milchrichtpreises vorsieht?

c ) Sind die Artikel 3 Buchstabe d, 38, 39 und 40 EWG-Vertrag sowie die Verordnung Nr. 13/64/EWG dahin auszulegen, daß sie jede Renationalisierung der Agrarpolitik insbesondere auf dem Milchsektor verbieten, und sind bejahendenfalls als Renationalisierungsmaßnahmen, die gegen die angeführten Bestimmungen und/oder das Verbot der Diskriminierung zwischen den Erzeugern verstossen, anzusehen :

1 ) die Verordnung Nr. 1305/85, da sie Italien erlaubt, die Anwendung bestimmter Vorschriften für die ersten drei Jahre der Geltung der Milchquoten zurückzustellen,

2 ) Artikel 10 der Verordnung ( EWG ) Nr. 857/84, da er Griechenland erlaubt, die Gesamtheit der Käufer als einen einzigen Käufer anzusehen,

3 ) die Verordnung Nr. 590/85, da sie Frankreich erlaubt, in Abweichung von der allgemeinen Regelung einen Käuferzusammenschluß als einen einzigen Käufer anzusehen,

4 ) Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung ( EWG ) Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung ( EWG ) Nr. 590/85, da er der Bundesrepublik Deutschland die Möglichkeit gibt, Nutzen aus einer Änderung der Gemeinschaftsregelung zu ziehen,

5 ) die Verordnungen Nrn. 1335/86 und 1343/86, da sie den spanischen Erzeugern bestimmte verwaltungsmässige Erleichterungen einräumen?

d ) Ist Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung ( EWG ) Nr. 857/84, wonach als Region im Sinne von Artikel 5 c Absatz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 804/68 das ganze Gebiet eines Mitgliedstaats oder ein Teil dieses Gebiets gilt, der eine geographische Einheit darstellt und in dem die natürlichen Verhältnisse, die Produktionsstrukturen und die durchschnittliche Milchleistung vergleichbar sind, dahin auszulegen, daß ein Mitgliedstaat sich als eine einzige Region ansehen kann, obwohl er keine geographische Einheit darstellt, in ihm die natürlichen Verhältnisse, die Produktionsstrukturen und die durchschnittliche Milchleistung nicht vergleichbar sind und ein Hoheitsgebiet benachteiligte landwirtschaftliche Gebiete enthält?

Verstösst Artikel 1 Absatz 2 bei dieser Auslegung gegen den EWG-Vertrag, insbesondere Artikel 39 Absatz 2, sowie gegen die Richtlinien 75/268/EWG über die Landwirtschaft in Berggebieten und in bestimmten benachteiligten Gebieten und 75/269/EWG betreffend das Gemeinschaftsverzeichnis der benachteiligten landwirtschaftlichen Gebiete im Sinne der Richtlinie 75/268/EWG ( Belgien )?"

5 Wegen weiterer Einzelheiten des den Ausgangsverfahren zugrundeliegenden Sachverhalts, der betroffenen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen, der zu deren Durchführung erlassenen belgischen Regelung sowie des Verfahrensablaufs und der vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur ersten und zur zweiten Frage

6 Die erste und die zweite Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, gehen im wesentlichen dahin, ob Artikel 5 c Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung ( EWG ) Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse in der Fassung der Verordnung ( EWG ) Nr. 856/84 des Rates vom 31. März 1984 ( ABl. L 90, S. 10 ) sowie Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5 c der Verordnung ( EWG ) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse ( ABl. L 90, S. 13 ) insoweit gültig sind, als sie es den Mitgliedstaaten gestatten, bei der Durchführung der Regelung über die zusätzliche Abgabe für Milch zwischen zwei Formeln zu wählen, von denen die eine ( Formel A ) vorsieht, daß die Abgabe mit einem Satz von 75 % des Milchrichtpreises auf die Milchlieferungen erhoben wird, die die Referenzmengen der Erzeuger überschreiten, während die andere ( Formel B ) vorsieht, daß die Abgabe mit einem Satz von 100 % des Milchrichtpreises auf die Milchlieferungen erhoben wird, die die Referenzmengen der Käufer überschreiten.

7 Gemäß Artikel 5 c Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 804/68 in der Fassung der Verordnung Nr. 856/84 "(( wird )) die Abgaberegelung... in den einzelnen Regionen der Mitgliedstaaten nach einer der folgenden Formeln durchgeführt :

Formel A

- Jeder Milcherzeuger zahlt eine Abgabe für die Milch - und/oder Milchäquivalenzmengen, die von ihm an einen Käufer geliefert wurden und die in dem betreffenden Zwölfmonatszeitraum eine zu bestimmende Referenzmenge überschreiten.

Formel B

- Jeder Käufer von Milch oder anderen Milcherzeugnissen, die ihm vom Erzeuger geliefert werden, zahlt eine Abgabe auf die Milch - oder Milchäquivalenzmengen, die in dem betreffenden Zwölfmonatszeitraum eine zu bestimmende Referenzmenge überschreiten.

- Der Käufer, der die Abgabe zu zahlen hat, wälzt diese allein auf die Erzeuger ab, die ihre Lieferungen erhöht haben, und zwar im Verhältnis zu ihrem Beitrag an der Überschreitung der Referenzmenge des Käufers."

8 Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 28. April 1988 in der Rechtssache 61/87 ( Thevenot, Slg. 1988, 2375, Rdnrn. 11 und 12 ) festgestellt hat, besagen diese Vorschriften im wesentlichen, daß die Abgabe im Rahmen der Formel A von dem Milcherzeuger für die Milch - oder Milchäquivalenzmengen geschuldet wird, die er an einen Käufer geliefert hat und die in dem betreffenden Zwölfmonatszeitraum die ihm zugeteilte Referenzmenge überschreiten. Dagegen können den Erzeugern im Rahmen der Formel B innerhalb des betreffenden Zwölfmonatszeitraums die individuellen Referenzmengen zugute kommen, die andere, derselben Molkerei angeschlossene Erzeuger nicht ausgenutzt haben, soweit diese Mengen in den durch die Regelung vorgesehenen Fällen der nationalen Reserve des betroffenen Mitgliedstaats zugewiesen worden sind. Infolgedessen wird im Rahmen der Formel B die Abgabe nicht geschuldet, wenn die Zunahme der Lieferungen eines einer Molkerei angeschlossenen Erzeugers durch eine entsprechende Abnahme der Lieferungen anderer, derselben Molkerei angeschlossener Erzeuger ausgeglichen wird, so daß die von dieser Molkerei gekaufte Gesamtmenge innerhalb der Grenzen ihrer Referenzmenge bleibt.

9 Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 857/84 in seiner während des Zeitraums vom 2. April 1984 bis 31. März 1987 geltenden Fassung setzt die Abgabe nach Artikel 5 c der Verordnung Nr. 804/68 auf 75 % des Milchrichtpreises bei Anwendung der Formel A und auf 100 % dieses Preises bei Anwendung der Formel B fest.

10 Die Kläger der Ausgangsverfahren sind der Auffassung, die vorgenannte Regelung begründe eine Diskriminierung zwischen den dem Rechtssystem der Formel A und den dem Rechtssystem der Formel B unterworfenen Erzeugern. Im Rahmen der Formel A hätten die Erzeuger nämlich die Abgabe für jede Überschreitung ihrer Referenzmenge zu entrichten, während sie im Rahmen der Formel B die Folgen einer Steigerung ihrer Lieferungen nur nach Maßgabe der Gesamtsituation der Molkerei zu tragen hätten, der sie angeschlossen seien. Dieser sich für die Erzeuger aus der Anwendung der Formel B ergebende Vorteil werde durch die Differenzierung des Abgabensatzes - 100 % für die Formel B, 75 % für die Formel A - nicht hinreichend ausgeglichen.

11 Hierzu ist zunächst festzustellen, daß die Schaffung eines Wahlrechts zwischen einer Formel, die die Erhebung der Abgabe auf der Stufe der Erzeuger im Falle einer Überschreitung ihrer Referenzmenge ( Formel A ), und einer Formel, die diese Erhebung auf der Stufe der Käufer für den Fall vorsieht, daß sie ihre Referenzmenge überschreiten ( Formel B ), grundsätzlich durch die Notwendigkeit gerechtfertigt ist, angesichts der unterschiedlichen Strukturen der Milcherzeugung und Milcherfassung in den verschiedenen Regionen der Gemeinschaft die volle Wirksamkeit der Regelung in der gesamten Gemeinschaft zu sichern.

12 Es ist jedoch zu prüfen, ob die streitige Regelung nicht insofern zu einer nach Artikel 40 Absatz 3 EWG-Vertrag verbotenen Diskriminierung zwischen Erzeugern der Gemeinschaft führt, als sie zur Folge hätte, daß den dem System der Formel A unterliegenden Erzeugern insgesamt eine höhere finanzielle Belastung auferlegt würde als den Erzeugern, für die das System der Formel B gilt. Eine solche Wirkung könnte sich daraus ergeben, daß der Vorteil, den die letztgenannten Erzeuger daraus ziehen, daß ihnen im Gegensatz zu den erstgenannten Erzeugern die von anderen, derselben Molkerei angeschlossenen Erzeugern nicht genutzten Mengen zugute kommen, durch die Differenz zwischen den Abgabensätzen - 75 % des Milchrichtpreises im Rahmen der Formel A, 100 % dieses Preises im Rahmen der Formel B - nicht völlig ausgeglichen würde.

13 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist das Diskriminierungsverbot des Artikels 40 Absatz 3 EWG-Vertrag nur der spezifische Ausdruck des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes, der zu den Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts gehört. Nach diesem Grundsatz dürfen vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden, es sei denn, daß eine Differenzierung objektiv gerechtfertigt wäre ( siehe das Urteil vom 25. November 1986 in den verbundenen Rechtssachen 201/85 und 202/85, Klensch u. a., Slg. 1986, 3477, Randnr. 9, sowie das Urteil vom 17. Mai 1988 in der Rechtssache 84/87, Erpelding, Slg. 1988, 2647, Randnr. 29 ).

14 Da es vorliegend um die gerichtliche Kontrolle der Art und Weise der Durchführung dieses Verbotes geht, ist jedoch klarzustellen, daß der Gesetzgeber der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Gemeinsamen Agrarpolitik über einen weiten Ermessensspielraum verfügt, der der politischen Verantwortung entspricht, die ihm die Artikel 40 und 43 EWG-Vertrag übertragen ( siehe das Urteil vom 11. Juli 1989 in der Rechtssache 265/87, Schräder, Slg. 1989, 2237, Randnr. 22 ). Ist er insbesondere für den Erlaß einer Regelung genötigt, die künftigen Auswirkungen dieser Regelung zu beurteilen, und lassen sich diese Auswirkungen nicht genau vorhersehen, so kann seine Beurteilung nur dann beanstandet werden, wenn sie im Hinblick auf die Erkenntnisse, über die er im Zeitpunkt des Erlasses der Regelung verfügte, offensichtlich irrig erscheint.

15 Wie aus den Begründungserwägungen der Verordnung Nr. 857/84 hervorgeht, war sich der Rat der Tatsache bewusst, daß, wenn "die Abgabe auf der Stufe des Käufers erhoben (( wird )),... ihre Anwendung nicht zwangsläufig alle Milchmengen (( betrifft )), die von jedem Erzeuger über eine Menge hinaus geliefert werden, die der für die Referenzmenge des Käufers maßgeblichen Menge entspricht", und daß "im Interesse der Gleichheit der Ergebnisse... ein höherer Abgabenbetrag festzusetzen (( ist )), wenn die Abgabe vom Käufer geschuldet wird ". Die Festsetzung der jeweils im Rahmen der Formel A und der Formel B anwendbaren Abgabensätze beruhte somit auf einer vom Rat vorgenommenen Schätzung des Ausmasses, in dem den Erzeugern bei Anwendung der Formel B die von anderen, derselben Molkerei angeschlossenen Erzeugern nicht genutzten Referenzmengen tatsächlich zugute kommen würden. Es steht aber fest, daß der Umfang dieses Ausgleichs auf der Ebene der Molkereien im Augenblick der Inkraftsetzung der Neuregelung nicht mit Sicherheit vorhersehbar war, da sich diese Regelung nicht auf Erfahrungswerte stützen konnte.

16 Unter diesen Umständen konnte der Rat vernünftigerweise davon ausgehen, daß die Festsetzung der im Rahmen der Formel B zu entrichtenden Abgabe auf einen Satz, der um 25 Punkte unter dem im Rahmen der Formel A anwendbaren Satz lag, geeignet sein würde, den Vorteil auszugleichen, den die der Formel B unterworfenen Erzeuger aus der Möglichkeit ziehen konnten, eine Verrechnung auf der Ebene der Molkerei vorzunehmen, und auf diese Weise sichergestellt wäre, daß die Abgabe im Rahmen der beiden Formeln tatsächlich die gleiche Höhe erreichen würde.

17 Diese Feststellung drängt sich um so mehr auf, als die Vorschriften über den Satz der Abgabe nicht ohne Berücksichtigung von Artikel 4 a der Verordnung Nr. 857/84 gewürdigt werden können. Diese durch die Änderungsverordnung ( EWG ) Nr. 590/85 des Rates vom 26. Februar 1985 ( ABl. L 68, S. 1 ) rückwirkend für den ersten Zwölfmonatszeitraum eingeführte und später für die gesamte Geltungsdauer der Regelung aufrechterhaltene Bestimmung ermächtigt die Mitgliedstaaten, im Rahmen sowohl der Formel A als auch der Formel B die von Erzeugern oder Käufern nicht genutzten Mengen Erzeugern oder Käufern der gleichen Region und gegebenenfalls anderer Regionen zuzuteilen. Die genannte Bestimmung erlaubt hierbei auf regionaler und sogar auf interregionaler Ebene eine Verrechnung zwischen den Erzeugern, die es diesen im Rahmen der Formel A gestattet, aus den von anderen Erzeugern nicht genutzten Referenzmengen einen Vorteil zu ziehen. Sie wirkt sich also in gleicher Weise wie die unterschiedlichen Abgabensätze dahin aus, daß die Vorteile abgeschwächt werden, die sich für die Erzeuger bei Anwendung der Formel B aus der Möglichkeit einer Verrechnung auf der Ebene der Molkerei ergeben.

18 Hiernach lässt sich nicht feststellen, daß der Gesetzgeber der Gemeinschaft bei der Ausübung des weiten Ermessens, über das er auf diesem Gebiet verfügt, gegen das Verbot der Diskriminierung zwischen Erzeugern der Gemeinschaft verstossen hätte.

19 Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, daß die Prüfung dieser Fragen nichts ergeben hat, was die Gültigkeit von Artikel 5 c Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 in der Fassung der Verordnung Nr. 856/84 des Rates vom 31. März 1984 oder von Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 beeinträchtigen könnte.

Zur dritten Frage

20 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob bestimmte Gemeinschaftsverordnungen und -vorschriften über die zusätzliche Abgabe für Milch insoweit gültig sind, als sie besondere Regeln einführen, die nur für die Erzeuger bestimmter Mitgliedstaaten gelten.

21 Um diese Frage sinnvoll beantworten zu können, ist einleitend festzustellen, daß, wie sich im Laufe des Verfahrens herausgestellt hat, und abweichend von dem, was das vorlegende Gericht anzunehmen scheint, nur zwei der in dieser Frage genannten Vorschriften spezielle Ausnahmen vorsehen, die lediglich für die Erzeuger eines bestimmten Mitgliedstaats gelten.

22 So wird Italien aufgrund des - durch die Änderungsverordnung ( EWG ) Nr. 1305/85 des Rates vom 23. Mai 1985 ( ABl. L 137, S. 12 ) angefügten - letzten Absatzes von Artikel 3 Nr. 3 der Verordnung Nr. 857/84 ermächtigt, für die ersten drei Zwölfmonatszeiträume die Anwendung des ersten Absatzes dieser Nummer zurückzustellen. Nach den Bestimmungen dieser Nr. 3 können Erzeuger, deren Milcherzeugung in dem gewählten Referenzjahr von aussergewöhnlichen Ereignissen, die vor oder während des betreffenden Jahres eingetreten sind, nachhaltig betroffen wurden, auf Antrag erwirken, daß ein anderes Kalenderreferenzjahr innerhalb des Zeitraums 1981 bis 1983 berücksichtigt wird.

23 Was Artikel 10 letzter Absatz der Verordnung Nr. 857/84 betrifft, so sieht er im wesentlichen vor, daß im Falle der Anwendung der Formel B in Griechenland die Gesamtheit der Käufer als ein einziger Käufer gilt, soweit es um die Abwälzung der vom Käufer geschuldeten Abgaben auf die Erzeuger sowie um etwaige Anpassungen der individuellen Mengen dieser Erzeuger geht.

24 Dagegen gelten alle anderen in der dritten Frage genannten Vorschriften allgemein für alle Mitgliedstaaten. So sieht Artikel 12 Buchstabe e letzter Absatz der Verordnung Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung Nr. 590/85, ohne in dieser Beziehung zwischen den Mitgliedstaaten zu unterscheiden, vor, daß unter bestimmten Voraussetzungen auch ein Käuferzusammenschluß in einem bestimmten geographischen Gebiet als ein einziger Käufer gilt. Artikel 7 Absatz 4 der Verordndung Nr. 857/84 in der Fassung der Verordnung Nr. 590/85 gestattet es allen Mitgliedstaaten, für auslaufende Pachtverträge, bei denen keine Möglichkeit einer Vertragsverlängerung besteht, zu bestimmen, daß dem ausscheidenden Pächter die auf den Betrieb entfallende Referenzmenge ganz oder teilweise gutgeschrieben wird, sofern er die Milcherzeugung fortsetzen will. Schließlich enthält weder die Verordnung ( EWG ) Nr. 1335/86 des Rates vom 6. Mai 1986 zur Änderung der Verordnung ( EWG ) Nr. 804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse ( ABl. L 119, S. 19 ) noch die Verordnung ( EWG ) Nr. 1343/86 des Rates vom 6. Mai 1986 zur Änderung der Verordnung ( EWG ) Nr. 857/84 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5 c der Verordnung ( EWG ) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse ( ABl. L 119, S. 34 ) irgendwelche Vorschriften, die lediglich den Erzeugern eines bestimmten Mitgliedstaats einen Vorteil sichern würden.

25 Unter diesen Umständen kann sich die vom vorlegenden Gericht erbetene Gültigkeitsprüfung auf die Bestimmungen der Artikel 3 Nr. 3 letzter Absatz und 10 letzter Absatz der Verordnung Nr. 857/84 beschränken.

26 Die Kläger der Ausgangsverfahren tragen vor, die beiden vorgenannten Bestimmungen verletzten den Grundsatz der Nichtdiskriminierung dadurch, daß sie ohne objektive Rechtfertigung die Erzeuger bestimmter Mitgliedstaaten zum Nachteil der Erzeuger anderer Mitgliedstaaten begünstigten und hierdurch die Einführung einer Gemeinsamen Agrarpolitik gefährdeten.

27 Hierzu ist daran zu erinnern, daß, wie oben dargelegt, das Diskriminierungsverbot nach ständiger Rechtsprechung der unterschiedlichen Behandlung vergleichbarer Sachverhalte dann nicht entgegensteht, wenn die Differenzierung objektiv gerechtfertigt ist. Die umstrittene Regelung erfuellt diese Voraussetzung.

28 Was zunächst Artikel 3 Nr. 3 letzter Absatz der Verordnung Nr. 857/84 in der geänderten Fassung betrifft, so stellen die Begründungserwägungen der Änderungsverordnung Nr. 1305/85 fest, daß in Italien besonders stark in kleine Produktionseinheiten aufgegliederte Wirtschaftsstrukturen bestehen, daß sich hieraus erhebliche Schwierigkeiten für die Durchführung der in Artikel 3 Nr. 3 der Verordnung Nr. 857/84 vorgesehenen Regelung zur Anpassung der Referenzmengen ergeben und daß deshalb Italien gestattet werden sollte, die Anwendung bestimmter Teile dieser Regelung vorübergehend zurückzustellen. Die italienische Regierung hat hierzu in der mündlichen Verhandlung noch näher dargelegt, daß die Zahl der Naturkatastrophen, die dieses Land heimgesucht und die Produktion geschädigt hätten, besonders hoch gewesen sei, was erhebliche Kontrollschwierigkeiten für den Fall zur Folge gehabt hätte, daß eine grosse Anzahl der betroffenen Erzeuger die Zugrundelegung eines anderen Referenzjahres gefordert hätte.

29 Was weiterhin Artikel 10 letzter Absatz der Verordnung Nr. 857/84 betrifft, so heisst es in den Begründungserwägungen dieser Verordnung, daß die gesamte Milcherzeugung Griechenlands weniger als 1 % der Gemeinschaftserzeugung ausmacht und daß die Gesamtzahl der Käufer dort sehr hoch ist, so daß es angebracht ist, diese Gesamtheit wie einen einzigen Käufer zu behandeln, um die Durchführung der Regelung über die zusätzliche Abgabe in diesem Mitgliedstaat zu erleichtern. Die griechische Regierung hat hierzu in der mündlichen Verhandlung noch ausgeführt, daß für Griechenland das Bestehen kleiner gemischter landwirtschaftlicher Betriebe, in der Regel Familienbetriebe, kennzeichnend sei, die geographisch weit verstreut seien und strukturell erhebliche Rückstände aufwiesen.

30 Aus alledem geht hervor, daß sowohl Italien als auch Griechenland im Verhältnis zu den übrigen Mitgliedstaaten hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Strukturen vor allem auf dem Gebiet der Milcherzeugung und -vermarktung Besonderheiten aufweisen. Da die beanstandete Regelung der Notwendigkeit entspricht, die besondere Lage dieser Mitgliedstaaten zu berücksichtigen, ist die unterschiedliche Behandlung von Erzeugern aus Italien oder Griechenland und solchen aus anderen Mitgliedstaaten, die sich aus der Anwendung dieser Regelung ergibt, objektiv gerechtfertigt und kann infolgedessen nicht als diskriminierend im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes bezeichnet werden. Das Vorbringen, daß diese Regelung den Gemeinschaftscharakter der Agrarpolitik beeinträchtige, indem sie eine verbotene Diskriminierung zwischen Erzeugern der Gemeinschaft schaffe, ist daher zurückzuweisen.

31 Aus diesen Gründen ist die dritte Frage dahin zu beantworten, daß ihre Prüfung nichts ergeben hat, was die Gültigkeit von Artikel 3 Nr. 3 letzter Absatz der Verordnung Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 in der Fassung der Verordnung Nr. 1305/85 des Rates vom 23. Mai 1985 oder von Artikel 10 letzter Absatz der Verordnung Nr. 857/84 beeinträchtigen könnte.

Zur vierten Frage

32 Der erste Teil der vierten Frage des vorlegenden Gerichts zielt im wesentlichen darauf, ob Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 dahin auszulegen ist, daß ein Mitgliedstaat befugt ist, sein ganzes Gebiet als eine einzige Region im Sinne von Artikel 5 c Absatz 1 der Verordnung Nr. 804/68 anzusehen, auch wenn dieses Gebiet keine geographische Einheit darstellt, in der die natürlichen Verhältnisse, die Produktionsstrukturen und die durchschnittliche Milchleistung vergleichbar wären.

33 In Artikel 1 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 857/84 heisst es :

"Als Region im Sinne von Artikel 5 c Absatz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 804/68 gilt das ganze Gebiet eines Mitgliedstaats oder ein Teil dieses Gebietes, der eine geographische Einheit darstellt und in dem die natürlichen Verhältnisse, die Produktionsstrukturen und die durchschnittliche Milchleistung vergleichbar sind."

34 Aus dieser Bestimmung geht hervor, daß die Mitgliedstaaten bei ihrer Entscheidung, ob sie ihr ganzes Gebiet als eine einzige Region ansehen oder aber es in mehrere Regionen aufteilen, verpflichtet sind, sowohl die geographische Struktur ihres Gebietes als auch die natürlichen Verhältnisse, die Produktionsstrukturen und die durchschnittliche Milchleistung in den verschiedenen Teilen dieses Gebietes zu berücksichtigen.

35 Es ist jedoch klarzustellen, daß es hier darum geht, Kriterien zu würdigen, die sich auf komplexe wirtschaftliche Sachverhalte beziehen, so daß die Mitgliedstaaten über einen weiten Ermessensspielraum verfügen, dessen Grenzen nur dann als überschritten angesehen werden können, wenn die von ihnen vorgenommene Beurteilung offensichtlich irrig ist. Infolgedessen sind die Mitgliedstaaten auch dann, wenn die geographischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in den verschiedenen Teilen ihres Gebietes nicht die gleichen sind, befugt, ihr ganzes Gebiet als eine einzige Region anzusehen, es sei denn, daß eine solche Entscheidung den Strukturen des betroffenen Mitgliedstaats offensichtlich nicht angemessen ist.

36 Auf den ersten Teil der vierten Frage ist daher zu antworten, daß Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 dahin auszulegen ist, daß ein Mitgliedstaat befugt ist, sein ganzes Gebiet als eine einzige Region im Sinne von Artikel 5 c Absatz 1 der Verordnung Nr. 804/68 anzusehen, auch wenn dieses Gebiet keine geographische Einheit darstellt, in der die natürlichen Verhältnisse, die Produktionsstrukturen und die durchschnittliche Milchleistung vergleichbar wären, es sei denn, daß eine solche Entscheidung den Strukturen des betroffenen Mitgliedstaats offensichtlich nicht angemessen ist.

37 Im zweiten Teil der vierten Frage geht es um die Gültigkeit von Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 im Hinblick auf die Auslegung, die als Antwort auf den ersten Teil dieser Frage gegeben wurde. Im besonderen fragt das vorlegende Gericht, ob die in Rede stehende Bestimmung mit den Erfordernissen vereinbar ist, die sich aus Artikel 39 Absatz 2 EWG-Vertrag sowie aus den Richtlinien 75/268/EWG des Rates vom 28. April 1975 über die Landwirtschaft in Berggebieten und in bestimmten benachteiligten Gebieten ( ABl. L 128, S. 1 ) und 75/269/EWG des Rates vom 28. April 1975 betreffend das Gemeinschaftsverzeichnis der benachteiligten landwirtschaftlichen Gebiete im Sinne der Richtlinie 75/268/EWG ( Belgien ) ( ABl. L 128, S. 8 ) ergeben.

38 Was zunächst die behauptete Verletzung von Artikel 39 Absatz 2 EWG-Vertrag betrifft, so heisst es in dieser Bestimmung, daß "bei der Gestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik und der hierfür anzuwendenden besonderen Methoden... folgendes zu berücksichtigen (( ist )): a ) die besondere Eigenart der landwirtschaftlichen Tätigkeit, die sich aus... den strukturellen und naturbedingten Unterschieden der verschiedenen landwirtschaftlichen Gebiete ergibt..."

39 Dieses Erfordernis ist im vorliegenden Fall beachtet worden. Aus der Antwort auf den ersten Teil der vierten Frage geht nämlich hervor, daß Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung Nr. 857/84 den Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Artikel 5 c Absatz 1 der Verordnung Nr. 804/68 die Möglichkeit einräumt, die strukturellen und naturbedingten Unterschiede der verschiedenen Teile ihres Gebietes zu berücksichtigen.

40 Im übrigen muß Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung Nr. 857/84 im Zusammenhang mit den anderen, das gleiche Sachgebiet regelnden Bestimmungen gewürdigt werden, die die Berücksichtigung der strukturellen und naturbedingten Unterschiede der landwirtschaftlichen Regionen gestatten oder gebieten.

41 Nach Artikel 2 Absatz 2 zweiter Satz der Verordnung Nr. 857/84 können die Mitgliedstaaten mämlich, wenn sie das Kalenderjahr 1982 oder 1983 als Referenzjahr wählen, den Prozentsatz, den sie auf die während dieses Jahres gelieferte oder gekaufte Milchmenge anwenden, anpassen, um die Referenzmenge nach Maßgabe insbesondere "der Entwicklung der Lieferungen in bestimmten Regionen zwischen 1981 und 1983" berechnen zu können.

42 Überdies ermächtigt Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 857/84 die Mitgliedstaaten, "zur erfolgreichen Umstrukturierung der Milcherzeugung auf nationaler oder regionaler Ebene oder auf Ebene der Erfassungszonen" den Erzeugern unter bestimmten Voraussetzungen eine Vergütung zu gewähren, wenn sie sich zur endgültigen Aufgabe der Milcherzeugung verpflichten, oder ihnen zusätzliche Referenzmengen zuzuweisen, wenn sie einen Entwicklungsplan im Bereich der Milcherzeugung durchführen oder die Landwirtschaft hauptberuflich betreiben.

43 Schließlich gestattet es Artikel 4 a derselben Verordnung in der Fassung der Verordnung Nr. 590/85 den Mitgliedstaaten, die von Erzeugern oder Käufern nicht genutzten Referenzmengen "Erzeugern oder Käufern derselben Region und gegebenenfalls auch anderer Regionen" zuzuteilen, wobei diese Zuteilungen "mit Vorrang innerhalb derselben Region, danach unter Aufteilung auf andere Regionen" erfolgen.

44 Diese Regelung ist im ganzen gesehen hinreichend elastisch, um es den Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Systems zu ermöglichen, die strukturellen und naturbedingten Unterschiede der verschiedenen landwirtschaftlichen Regionen ihres Gebietes angemessen zu berücksichtigen. Das auf eine Verletzung von Artikel 39 Absatz 2 EWG-Vertrag gestützte Vorbringen ist daher zurückzuweisen.

45 Was ausserdem die behauptete Verletzung der vorerwähnten Richtlinien 75/268 und 75/269 betrifft, so genügt die Feststellung, daß diese Richtlinien einen anderen Gegenstand haben als die Gemeinschaftsregelung über die zusätzliche Abgabe für Milch. Sie sollen es nämlich den Mitgliedstaaten erlauben, eine besondere Beihilferegelung zugunsten der landwirtschaftlichen Betriebe in bestimmten benachteiligten Gebieten einzuführen, deren Verzeichnis nach gemeinschaftlichen Kriterien und in einem gemeinschaftlichen Verfahren erstellt wird. Daß bestimmte Teile des Gebietes eines Mitgliedstaats als benachteiligte landwirtschaftliche Gebiete im Sinne dieser Richtlinien anerkannt sind, bedeutet daher nicht, daß sie zwangsläufig unterschiedliche Regionen im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung Nr. 857/84 darstellen.

46 Aus allen diesen Gründen ist auf den zweiten Teil der vierten Frage zu antworten, daß deren Prüfung nichts ergeben hat, was die Gültigkeit von Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 beeinträchtigen könnte.

Kostenentscheidung:

Kosten

47 Die Auslagen der belgischen, der griechischen und der italienischen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie des Rates und der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen,

hat

DER GERICHTSHOF ( Dritte Kammer )

auf die ihm vom Tribunal de première instance Verviers mit Urteilen vom 20. September 1988 vorgelegten Fragen für Recht erkannt :

1 ) Die Prüfung der gestellten Fragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Artikel 5c Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung ( EWG ) Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 in der Fassung der Verordnung ( EWG ) Nr. 856/84 des Rates vom 31. März 1984 oder von Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 beeinträchtigen könnte.

2 ) Die Prüfung der gestellten Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Artikel 3 Nr. 3 letzter Absatz der Verordnung ( EWG ) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 in der Fassung der Verordnung ( EWG ) Nr. 1305/85 des Rates vom 23. Mai 1985 oder von Artikel 10 letzter Absatz der Verordnung ( EWG ) Nr. 857/84 beeinträchtigen könnte.

3 ) Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung ( EWG ) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 ist dahin auszulegen, daß ein Mitgliedstaat befugt ist, sein ganzes Gebiet als eine einzige Region im Sinne von Artikel 5c Absatz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 804/68 anzusehen, auch wenn dieses Gebiet keine geographische Einheit darstellt, in der die natürlichen Verhältnisse, die Produktionsstrukturen und die durchschnittliche Milchleistung vergleichbar wären, es sei denn, daß eine solche Entscheidung den Strukturen des betroffenen Mitgliedstaats offensichtlich nicht angemessen ist.

4 ) Die Prüfung der gestellten Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung ( EWG ) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 beeinträchtigen könnte.

Ende der Entscheidung

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