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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.06.1988
Aktenzeichen: 33/87
Rechtsgebiete: EWG/EAGBeamtStat


Vorschriften:

EWG/EAGBeamtStat Art. 67 Abs. 4
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Anwendung von Berichtigungsköffizienten auf die Gehälter der Beamten wie auch auf die an sie gezahlten Familienzulagen verfolgt den Zweck, daß alle Beamten Diestbezuege erhalten, die ihnen unabhängig von ihrem Dienstort die gleiche Kaufkraft sichern.

Die Familienzulagen sind zwar Bestandteil der Dienstbezuege, jedoch nicht für den Unterhalt des Beamten, sondern für den des Kindes bestimmt. Gemäß Artikel 67 Absatz 4 des Statuts unterliegen die unmittelbar an eine mit dem Sorgerecht für die Kinder betraute andere Person als den Beamten gezahlten Familienzulagen dem für das Aufenthaltsland dieser Person geltenden Berichtigungsköffizienten. Diese Bestimmung kann nicht unter Berufung auf den Grundsatz der Gleichbehandlung beanstandet werden, dessen Beachtung zugunsten der Kinder sie gerade gewährleisten will, indem sie den Sorgeberechtigten unter dem Gesichtspunkt der Kaufkraft gleichwertige Leistungen sichert.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (ERSTE KAMMER) VOM 14. JUNI 1988. - WASSILY CHRISTIANOS GEGEN GERICHTSHOF DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BERICHTIGUNGSKOEFFIZIENT - FAMILIENZULAGEN. - RECHTSSACHE 33/87.

Entscheidungsgründe:

1 Herr Christianos, Beamter des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften, hat mit Klageschrift, die am 3. Februar 1987 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, eine Klage erhoben, mit der er im wesentlichen beantragt,

- die Verwaltungsentscheidung vom 4. November 1986 aufzuheben, mit der der zuständige Ausschuß des Gerichtshofes seine Beschwerde gegen die Anwendung des Berichtigungsköffizienten auf den Betrag der Familienzulagen zurückgewiesen hat, die an seine - mit dem Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn betraute - frühere Ehefrau gezahlt werden;

- anzuordnen, daß diese Zulagen seiner früheren Ehefrau ohne Anwendung des Berichtigungsköffizienten zu überweisen sind und daß an den Kläger die Differenz zwischen den von seinem Gehalt einbehaltenen und den seit dem 15. Mai 1986 an die Empfängerin der Zulagen überwiesenen Beträgen zu zahlen ist.

2 Der Kläger ist geschieden. Seine frühere Ehefrau wohnt mit ihrem Sohn, für den ihr das Sorgerecht übertragen wurde, in der Griechischen Republik. Bis April 1986 erhielt Herr Christianos selbst die Familienzulagen und überwies sie anschließend an seine frühere Ehefrau.

3 Im März 1986 teilte die Personalabteilung des Gerichtshofes dem Kläger mit, daß die Familienzulagen ab Mai 1986 gemäß den neuen Bestimmungen - die durch die Verordnung ( EWG, Euratom, EGKS ) Nr. 2074/83 des Rates vom 21. Juli 1983 ( ABl. L 203, S. 1 ) in Artikel 67 und 68 des Statuts sowie in die Artikel 1 bis 3 seines Anhangs VII eingefügt worden waren - an seine mit dem Sorgerecht für das Kind betraute frühere Ehefrau ausbezahlt werden würden.

4 Die Artikel 10 bis 12 der Verordnung Nr. 2074/83 haben die Artikel 1 bis 3 des Anhangs VII des Statuts über die Familienzulagen - d. h. die Haushaltszulage, die Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder und die Erziehungszulage - abgeändert. Nach den neuen Bestimmungen werden die verschiedenen Zulagen für Rechnung und im Namen des Beamten an diejenige Person ausbezahlt, der durch Gesetz oder durch Beschluß eines Gerichts bzw. der zuständigen Verwaltungsbehörde das Sorgerecht für die Kinder übertragen wurde.

5 Überdies wurde durch Artikel 5 der Verordnung Nr. 2074/83 in Artikel 67 des Statuts ein Absatz 4 eingefügt, dem zufolge die Familienzulagen in der Währung des Aufenthaltslandes der genannten Person gezahlt werden und, wenn diese Person nicht der Beamte ist, dem für dieses Land geltenden Berichtigungsköffizienten unterliegen.

6 Durch Entscheidung des Leiters der Personalabteilung des Gerichtshofes vom 15. Mai 1986 wurde der Gehaltszettel des Klägers für diesen Monat um einen Betrag von 15 822 BFR gekürzt, der der Summe aus Haushalts -, Kinder - und Erziehungszulage entsprach. Diese Zulagen wurden an die frühere Ehefrau des Klägers unter Anwendung des für Griechenland geltenden Berichtigungsköffizienten in Drachmen überwiesen.

7 Der Kläger trägt vor, der Gegenwert des Betrages von 15 822 BFR habe sich im Mai 1986 auf 48 680 DR belaufen; dem Bankkonto seiner früheren Ehefrau sei jedoch nach Anwendung des Berichtigungsköffizienten nur ein Betrag von 32 520 DR gutgeschrieben worden.

8 Da der Kläger sich durch die Anwendung der neuen Statutsbestimmungen beschwert fühlte, legte er am 13. August 1986 gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts Beschwerde gegen die Entscheidung des Leiters der Personalabteilung vom 15. Mai 1986 ein. Nachdem die Beschwerde am 4. November 1986 vom zuständigen Ausschuß des Gerichtshofes zurückgewiesen worden war, hat er die vorliegende Klage erhoben.

Zum ersten Klageantrag

9 Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, ist die Klageschrift dahin zu verstehen, daß sich die gegen die individuelle Verwaltungsentscheidung gerichtete Klage auf die angebliche Rechtswidrigkeit der durch die Verordnung Nr. 2074/83 eingeführten Neuregelung der Familienzulagen stützt. Daher ist zunächst festzustellen, ob diese neuen Bestimmungen rechtmässig sind.

10 Die Neuregelung hat die früheren Vorschriften über die Zulagen zweifach geändert. Erstens sind die Gemeinschaftsorgane künftig gehalten, die Zulagen unmittelbar an diejenige Person zu zahlen, der durch Gesetz oder durch Beschluß eines Gerichts bzw. der zuständigen Verwaltungsbehörde das Sorgerecht für die Kinder übertragen wurde. Zweitens unterliegen diese Zulagen dem für das Aufenthaltsland des Zahlungsempfängers geltenden Berichtigungsköffizienten.

11 Der Kläger beanstandet nicht den erstgenannten Aspekt der Neuregelung, d. h. die Regel, nach der die Zulagen unmittelbar an den Sorgeberechtigten zu zahlen sind.

12 Dagegen macht er geltend, der zweite Aspekt der Neuregelung, nämlich die Anwendung des für das Aufenthaltsland des Sorgeberechtigten geltenden Berichtigungsköffizienten auf den Betrag der Familienzulagen, führe zu einer Ungleichbehandlung der Beamten.

13 Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 19. November 1981 in der Rechtssache 194/80 ( Benassi/Kommission, Slg. 1981, 2815 ) entschieden hat, bezwecken die Berichtigungsköffizienten, soweit sie auf die Gehälter angewendet werden, daß alle Beamten Dienstbezuege erhalten, die ihnen unabhängig von ihrem Dienstort die gleiche Kaufkraft sichern.

14 Die Anwendung der Berichtigungsköffizienten auf die Familienzulagen, soweit diese an den Beamten selbst gezahlt werden, verfolgt das gleiche Ziel.

15 Die Familienzulagen sind zwar Bestandteil der Dienstbezuege; sie sind jedoch nicht für den Unterhalt des Beamten bestimmt, sondern für den des Kindes. Es entspricht daher dem Ziel der Gleichbehandlung, daß auf diese Zulagen, wenn sie an eine mit dem Sorgerecht betraute andere Person als den Beamten gezahlt werden, der für das Aufenthaltsland dieses Sorgeberechtigten geltende Berichtigungsköffizient angewandt wird.

16 Nach alledem verfolgt die Bestimmung, durch die in Artikel 67 des Statuts ein neuer Absatz 4 eingefügt wurde, das Ziel, die Gleichbehandlung der Kinder zu gewährleisten, indem sie den Sorgeberechtigten unter dem Gesichtspunkt der Kaufkraft gleichwertige Leistungen sichert.

17 Im übrigen kann sich der Kläger nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen, um die Aufrechterhaltung von Vergünstigungen zu erwirken, die ihm nach einer früheren Regelung zugute kamen.

18 Die Rüge, die auf die angebliche Rechtswidrigkeit der in Artikel 67 des Statuts eingefügten Neuregelung gestützt wird, greift daher nicht durch.

19 Der Kläger bringt indessen noch eine Reihe weiterer Rügen vor, die die Anwendung dieser Regelung auf seinen Fall betreffen.

20 Er führt zunächst aus, die buchstabengetreue Anwendung von Artikel 67 Absatz 4 des Statuts auf seinen besonderen Fall schaffe eine zutiefst ungerechte Lage und verletze sowohl seine eigenen Interessen als auch die seines minderjährigen Sohnes.

21 Diese Rüge kann keinen Erfolg haben. Artikel 67 Absatz 4 des Statuts gilt unterschiedslos für alle Beamten mit einem oder mehreren Kindern, für die das Sorgerecht einer anderen Person übertragen wurde. Insofern ist die Lage des Klägers in keiner Weise aussergewöhnlich. Nach dem Gesagten hätte ganz im Gegenteil die Nichtanwendung der Neuregelung auf den Kläger zu einer ungerechten Behandlung anderer, in der gleichen Lage befindlicher Zahlungsempfänger geführt.

22 Der Kläger macht weiterhin geltend, die Verwaltung des Gerichtshofes habe mit der Anwendung der Neuregelung gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der ordnungsgemässen Verwaltung verstossen und ihre Fürsorgepflicht verletzt.

23 Diese Rügen sind zurückzuweisen. Der Grundsatz der ordnungsgemässen Verwaltung verpflichtet die zuständige Behörde, die geltenden Vorschriften korrekt anzuwenden. Ausserdem kann ein Beamter sich nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen, um der rechtmässigen Anwendung einer neuen Verordnungsbestimmung entgegenzutreten.

24 Schließlich macht der Kläger noch geltend, er und sein Sohn seien "entreichert" worden.

25 Auch diese Rüge geht fehl. Hierzu genügt die Feststellung, daß die Kürzung des der früheren Ehefrau des Klägers in Drachmen überwiesenen Betrags auf den Willen des Gesetzgebers zurückgeht, allen Zahlungsempfängern ohne Rücksicht auf ihren Aufenthaltsort unter dem Gesichtspunkt der Kaufkraft gleichwertige Leistungen zu sichern.

26 Der erste Klageantrag ist daher zurückzuweisen.

Zu den übrigen Klageanträgen

27 Da der erste Klageantrag zurückzuweisen ist, braucht über die übrigen Anträge nicht entschieden zu werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

28 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Der Kläger ist mit seinem Vorbringen unterlegen.

29 Nach Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Gemeinschaftsorgane in Rechtsstreitigkeiten mit ihren Bediensteten ihre Kosten selbst.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Erste Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird abgewiesen.

2 ) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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