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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 13.07.1989
Aktenzeichen: 361/87
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Eine Entscheidung ist nur dann ermessensmißbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, daß sie zu anderen als den angegebenen Zwecken getroffen wurde.

2. Die den Prüfungsausschüssen für ein Auswahlverfahren durch Artikel 5 Absatz 6 des Anhangs III zum Statut auferlegte Pflicht, einen mit Gründen versehenen Bericht zu erstellen, der der Anstellungsbehörde mit dem Verzeichnis der geeigneten Bewerber zugeleitet wird, soll diese in die Lage versetzen, von ihrer Wahlfreiheit einen sinnvollen Gebrauch zu machen, was voraussetzt, daß sie sowohl über die allgemeinen Bewertungsgrundsätze, von denen der Prüfungsausschuß ausgegangen ist, als auch darüber unterrichtet wird, wie der Ausschuß diese Grundsätze auf die in das Verzeichnis der geeigneten Bewerber aufgenommenen Personen angewandt hat.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (DRITTE KAMMER) VOM 13. JULI 1989. - LUIS CATURLA-POCH UND FELIX DE LA FUENTE PASCUAL GEGEN EUROPAEISCHES PARLAMENT. - BEAMTE - NICHTZULASSUNG ZU EINEM INTERNEN AUSWAHLVERFAHREN. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN 361/87 UND 362/87.

Entscheidungsgründe:

1 Mit Klageschriften, die am 4. Dezember 1987 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen sind, haben Herr Luis Caturla-Poch und Herr Félix de la Fünte Pascual, Beamte des Europäischen Parlaments, Klage erhoben auf Aufhebung der ihnen am 27. Januar 1987 mitgeteilten Entscheidungen des Prüfungsausschusses für das interne Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen Nr. LA/103 zur Besetzung der Stellen der Leiter der spanischen und der portugiesischen Übersetzungsabteilung, sie nicht in die Eignungsliste aufzunehmen, und hilfsweise auf Aufhebung sämtlicher Maßnahmen des betreffenden Auswahlverfahrens.

2 Die Kläger legten am 27. April bzw. am 15. April 1987 gegen diese Entscheidungen Beschwerden ein, die durch Schreiben des Präsidenten des Europäischen Parlaments vom 8. September 1987 zurückgewiesen wurden. Nach Nennung der verschiedenen Kriterien, die der Prüfungsausschuß bei der Prüfung der Befähigungsnachweise der Bewerber festgelegt hatte, wies der Präsident darauf hin, daß die Kläger nach dieser Prüfung eine Punktzahl von weniger als 24 von 40 Punkten erhalten hätten und dies insbesondere auf Grund der ihnen für "organisatorische Fähigkeiten" zuerkannten Benotung.

3 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

4 Die Kläger stützen ihre Klage auf vier Klagegründe, die aus der Verletzung der in Artikel 5 Absatz 6 des Anhangs III des Beamtenstatuts vorgeschriebenen Formalitäten, aus der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, aus einem Ermessensmißbrauch und aus dem Fehlen einer Begründung der angefochtenen Entscheidungen hergeleitet werden.

5 In der Sitzung haben die Kläger einen weiteren Klagegrund geltend gemacht, der sich auf die fehlende Übereinstimmung zwischen den in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens bekanntgegebenen Kriterien und den vom Prüfungsauschuß festgelegten Bewertungskriterien stützt. Gemäß Artikel 42 § 2 der Verfahrensordnung können neue Angriffs - und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden. Über diesen Klagegrund ist daher nicht zu entscheiden.

Zum ersten Klagegrund

6 Die Kläger machen geltend, der Prüfungsausschuß habe unter Verstoß gegen Artikel 5 Absatz 6 des Anhangs III des Statuts die Kriterien zur Bewertung der Befähigungsnachweise erst nach Aufstellung des Verzeichnisses der zum Verfahren zugelassenen Bewerber festgelegt.

7 Artikel 5 Absatz 1 bestimmt : "Der Prüfungsausschuß nimmt von den Unterlagen Kenntnis und stellt das Verzeichnis der Bewerber auf, die den Bedingungen der Stellenausschreibung entsprechen." Absatz 3 dieser Vorschrift lautet : "Bei einem Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen legt der Prüfungsausschuß die Grundsätze für die Bewertung der Befähigungsnachweise der Bewerber fest und prüft die Befähigungsnachweise der Bewerber, die in dem in Absatz 1 genannten Verzeichnis aufgeführt sind."

8 Aus diesen Vorschriften ergibt sich, daß der Prüfungsausschuß zunächst die Liste der Bewerber aufzustellen hat, die zum Verfahren zugelassen werden. Anschließend legt er die Kriterien für die Beurteilung der Befähigungsnachweise fest und prüft auf der Grundlage dieser Kriterien die Befähigungsnachweise der zum Verfahren zugelassenen Bewerber. Es ist festzustellen, daß der Prüfungsausschuß diese Vorschriften beachtet hat.

9 Es ist weiter darauf hinzuweisen, daß das Urteil vom 6. Februar 1986 ( Rechtssache 143/84, Vlachou, Slg. 1986, 459 ), auf das sich die Kläger zur Stützung dieses Klagegrundes berufen, einen vom vorliegenden abweichenden Sachverhalt betrifft. Die Kläger bringen nämlich nicht vor, der Prüfungsausschuß habe die Bewertungskriterien anhand der Befähigungsnachweise der Bewerber festgelegt, um bestimmte Bewerber zu bevorzugen und andere zu benachteiligen, was einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung bedeutet hätte.

10 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß der erste Klagegrund zurückzuweisen ist.

Zum zweiten Klagegrund

11 Die Kläger machen geltend, der Prüfungsausschuß habe bei der Beurteilung der Qualifikationen und Kenntnisse der zum Verfahren zugelassenen Bewerber den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt.

12 Der Kläger Caturla-Poch macht geltend, er habe für mehr als 18 Jahre Berufserfahrung 12 Punkte erhalten. Hieraus ergebe sich, daß ein Jahr Berufserfahrung mit 0,67 Punkten bewertet worden sei und infolgedessen der ausgewählte Bewerber, dessen Berufserfahrung merklich geringer als die des Klägers gewesen sei, nicht die von ihm erzielten 11 Punkte habe erhalten können. Er macht ferner geltend, daß seine organisatorischen Fähigkeiten in zwei Probezeitberichten als gut beurteilt worden seien und er damit beauftragt worden sei, den Dokumentationsdienst der spanischen Übersetzungsabteilung aufzubauen. Bei Berücksichtigung dieser Tatsachen habe der Prüfungsausschuß ihm für seine organisatorischen Fähigkeiten nicht lediglich einen Punkt zuerkennen dürfen.

13 Der Kläger de la Fünte macht geltend, seine Nichtaufnahme in die Eignungsliste des betreffenden Auswahlverfahrens müsse, da er in dem Auswahlverfahren Nr. 84/0341/01, dessen Prüfungen 1985 stattgefunden hätten, den ersten Platz belegt habe, auf die Zugrundelegung abweichender Kriterien für die Bewertung der Befähigungsnachweise der Bewerber durch den Prüfungsausschuß zurückgeführt werden. Er erklärt, es sei schwer zu begreifen, daß ein Beamter, der acht Jahre lang die sozialen und religiösen Dienste einer spanischen Emigrantenorganisation in Deutschland geleitet und mit dem Aufbau und der Koordinierung der Arbeiten des spanischen Teams der Abteilung für die Übersetzung der Sitzungsprotokolle des Parlaments betraut gewesen sei, für seine organisatorischen Fähigkeiten lediglich 5,5 Punkte erhalten könne.

14 Hierzu ist festzustellen, daß der Prüfungsausschuß, soweit es um das Kriterium "spezifische Berufserfahrung" ging, auf der Grundlage der bei der Prüfung der Befähigungsnachweise und bei dem in der Ausschreibung des Verfahrens vorgesehenen Gespräch mit den Bewerbern erlangten Kenntnisse nicht nur die Zahl der Jahre der Berufsausübung, sondern auch deren Natur berücksichtigen durfte. So konnte z. B. die Erfahrung als Übersetzer von Gemeinschaftsakten als eine angemessenere Erfahrung für die Ausübung der betreffenden Aufgaben angesehen werden als eine Erfahrung, die zwar von längerer Dauer, aber auf Gegenstände beschränkt war, die nicht denselben Bezug zu den Arbeiten des Europäischen Parlaments aufwiesen.

15 Demgemäß kann den von den Klägern vorgebrachten und auf eine vergleichende Untersuchung der Dauer ihrer Berufserfahrung im Verhältnis zu der anderer Bewerber gestützten Argumenten nicht gefolgt werden.

16 Zu dem Kriterium "organisatorische Fähigkeiten" ist festzustellen, daß nach der Ausschreibung des Auswahlverfahrens zu den Aufgaben des Leiters der spanischen Übersetzungsabteilung die Führung der Übersetzer und Dolmetscher sowie des Sekretariatspersonals, die Planung und Zuweisung der Arbeiten sowie die materielle Organisation der Dienststelle gehören. Solche Aufgaben erfordern andere organisatorische Fähigkeiten als diejenigen, die für die Aufgaben eines Übersetzers oder Revisors erforderlich sind oder für die Gesamtheit der von den Klägern wahrgenommenen Aufgaben wie den Aufbau einer Dokumentationsstelle wie derjenigen der spanischen Übersetzungsabteilung oder die Koordinierung eines Teams der Protokollabteilung.

17 Es trifft zwar für den Kläger Caturla-Poch zu, daß ihm für seine organisatorischen Fähigkeiten - dieses Kriterium war mit 0 bis 15 Punkten zu bewerten - lediglich ein Punkt zuerkannt worden ist. Der Prüfungsausschuß hat jedoch unter Berücksichtigung der vorstehend erwähnten Gründe sowie der während des Gesprächs erlangten Kenntnisse keinen offensichtlichen Fehler begangen, wenn er annahm, daß der Kläger trotz der von ihm vorgelegten Befähigungsnachweise nicht alle für die betreffende Stelle erforderlichen Eigenschaften besaß.

18 Was den Kläger de la Fünte betrifft, so ist ebenfalls festzustellen, daß unter Berücksichtigung der vorstehend erwähnten Gründe eine leicht unter dem Mittel liegende Benotung für sich genommen keinen Beurteilungsfehler des Prüfungsausschusses erkennen lässt.

19 Die Prüfung der Akten erlaubt dem Gerichtshof nicht die Feststellung, daß der Prüfungsausschuß einen offenbaren Beurteilungsfehler begangen hat, der zu einer Ungleichbehandlung der Bewerber geführt hätte. Auch der insoweit geltend gemachte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zum dritten Klagegrund

20 Zur Stützung dieses Klagegrundes bringt der Kläger Caturla-Poch als Indiz für den Ermessensmißbrauch den Umstand vor, daß er 23 Punkte erhalten habe, d. h. einen Punkt weniger, als erforderlich gewesen wäre, um auf die Eignungsliste gesetzt zu werden. Der Kläger de la Fünte weist darauf hin, daß der ausgewählte Bewerber nicht einmal an dem Auswahlverfahren aufgrund von Prüfungen und Befähigungsnachweisen teilgenommen habe, bei dem er den ersten Platz belegt habe. Im übrigen habe dieser Bewerber selbst mündlich den Ermessensmißbrauch eingeräumt.

21 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ( siehe u. a. das Urteil vom 21. Juni 1984 in der Rechtssache 69/83, Lux/Rechnungshof, Slg. 1984, 2447 ) ist eine Entscheidung nur dann ermessensmißbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, daß sie zu anderen als den angegebenen Zwecken getroffen wurde.

22 Insoweit erlauben die von den Klägern angeführten Umstände nicht die Feststellung, daß der Prüfungsausschuß einen anderen als einen legitimen Zweck verfolgt hätte. Infolgedessen ist auch der Klagegrund des Ermessensmißbrauchs zurückzuweisen.

Zum vierten Klagegrund

23 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß dieser Klagegrund nicht das Fehlen einer Begründung der Entscheidung des Prüfungsausschusses gegenüber den Klägern, sondern lediglich gegenüber der Anstellungsbehörde betrifft.

24 Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 14. Dezember 1965 in der Rechtssache 21/65 ( Morina/Europäisches Parlament, Slg. 1965, 1360 ) entschieden hat, muß die Begründung die Anstellungsbehörde in die Lage versetzen, von ihrer Wahlfreiheit einen sinnvollen Gebrauch zu machen, was voraussetzt, daß sie sowohl über die allgemeinen Bewertungsgrundsätze, von denen der Prüfungsausschuß ausgegangen ist, als auch darüber unterrichtet wird, wie der Ausschuß diese Grundsätze auf die in das Verzeichnis der geeigneten Bewerber aufgenommenen Personen angewandt hat.

25 Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß vorliegend der Bericht des Prüfungsausschusses die bezifferten, den Bewertungskriterien entsprechenden Ergebnisse der Bewerber enthielt.

26 Hieraus folgt, daß der auf das Fehlen einer Begründung gestützte Klagegrund zurückzuweisen ist und daß damit die Klagen insgesamt abzuweisen sind.

Kostenentscheidung:

Kosten

27 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Rechtsstreitigkeiten mit Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Dritte Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klagen werden abgewiesen.

2 ) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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