Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 12.12.1996
Aktenzeichen: C-104/95
Rechtsgebiete: Richtlinie 86/653/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 86/653/EWG Art. 7 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Artikel 177 des Vertrages ist es allein Sache der nationalen Gerichte, bei denen der Rechtsstreit anhängig ist und die die Verantwortung für die zu treffende Entscheidung tragen, unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlaß ihres Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihnen vorgelegten Fragen zu beurteilen. Das Ersuchen eines nationalen Gerichts kann nur zurückgewiesen werden, wenn offensichtlich kein Zusammenhang zwischen der erbetenen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits besteht.

2. Artikel 7 Absatz 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 86/653 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter ist dahin auszulegen, daß ein Handelsvertreter, dem ein Bezirk zugewiesen ist, Anspruch auf Provision auch für die Geschäfte hat, die ohne seine Mitwirkung mit Kunden abgeschlossen wurden, die diesem Bezirk angehören.

Diese Auslegung ist sowohl durch den Wortlaut der streitigen Vorschrift, die in dem von ihr geregelten Zusammenhang, nämlich den mit Kunden eines bestimmten Bezirks oder eines bestimmten Personenkreises, für den der Handelsvertreter zuständig ist, zustande gekommenen Geschäften, nicht auf irgendeine Tätigkeit des Vertreters abstellt, als auch durch die Struktur und die Konzeption des Artikels 7 geboten, der in Absatz 1 bzw. Absatz 2 für den Provisionsanspruch zwei alternative Fallgestaltungen vorsieht, nämlich den Fall, daß das Geschäft aufgrund einer Tätigkeit des Vertreters zustande gekommenen ist, sowie den Fall, daß das Geschäft mit einem Kunden zustande gekommenen ist, der einem Bezirk oder einem Personenkreis angehört, für den der Handelsvertreter zuständig ist.

3. Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 86/653 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter, wonach ein Handelsvertreter, der für einen bestimmten Bezirk zuständig ist, Anspruch auf Provision für alle Geschäfte hat, die mit einem "Kunden..., der diesem Bezirk... angehört", abgeschlossen worden sind, ist nach Maßgabe des Zusammenhangs und der mit der Richtlinie verfolgten Zielsetzung dahin auszulegen, daß dann, wenn der Kunde eine juristische Person ist, der Ort seiner tatsächlichen geschäftlichen Tätigkeit für die Feststellung maßgeblich ist, ob er dem Bezirk des Handelsvertreter angehört. Übt eine Firma ihre geschäftliche Tätigkeit an verschiedenen Orten aus oder wird der Handelsvertreter in mehreren Hoheitsgebieten tätig, können für die Feststellung des Schwerpunktes des vorgenommenen Geschäfts andere Elemente ° namentlich der Ort, an dem die Verhandlungen mit dem Handelsvertreter erfolgt sind oder normalerweise hätten erfolgen müssen, der Ort, an den die Ware geliefert worden ist, sowie der Ort der Niederlassung, die die Bestellung aufgegeben hat ° berücksichtigt werden; entscheidend ist, daß ausgeschlossen wird, daß ein und dasselbe Geschäft als zu den Bezirken von zwei oder mehr Handelsvertretern gehörend angesehen wird.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 12. Dezember 1996. - Georgios Kontogeorgas gegen Kartonpak AE. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Polymeles Protodikeio Athinon - Griechenland. - Angleichung der Rechtsvorschriften -Selbstandige Handelsvertreter - Provisionsanspruch - Während des Vertragsverhältnisses abgeschlossene Geschäfte. - Rechtssache C-104/95.

Entscheidungsgründe:

1 Das Polymeles Protodikeio Athen hat mit Urteil vom 30. November 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 31. März 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (ABl. L 382, S. 17), insbesondere ihres Artikels 7 Absatz 2, zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Kontogeorgas, einem selbständigen Handelsvertreter (im folgenden: Kläger), und der Kartonpak Ä (im folgenden: Beklagte).

3 Wie sich aus den Akten ergibt, übernahm der Kläger aufgrund eines am 10. Februar 1981 zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages ab 1. Januar 1981 den Vertrieb der Erzeugnisse der Beklagten in den Regierungsbezirken Achaïa und Ilias. Dafür stand ihm eine Provision von 3 % auf die dort erzielten Nettoverkäufe, ausschließlich Stempelsteuer, Mehrwertsteuer und Frachtkosten, zu.

4 Im Jahre 1985 wurde die Beklagte mit der Saint Ritsis Ellas AVEE (im folgenden: Firma Saint Ritsis) verschmolzen.

5 Seit 1988 hat die Beklagte nach Angaben des Klägers ihre Erzeugnisse selbst an Unternehmen aus den genannten Regierungsbezirken vertrieben, ohne ihm die diesen Umsätzen entsprechenden Provisionen zu zahlen. Die Beklagte macht geltend, es habe sich um alte Kunden der Firma Saint Ritsis gehandelt, so daß dem Kläger kein Provisionsanspruch zugestanden habe.

6 Nachdem der Vertrag sodann gekündigt worden war, erhob der Kläger beim vorlegenden Gericht Klage u. a. auf Zahlung von 2 286 770 DR entsprechend den Provisionen für die seit 1988 in dem ihm zugewiesenen Bezirk erfolgten Verkäufe. Die Beklagte bestreitet diesen Anspruch mit der Begründung, die Kundenfirmen hätten im Geschäftsbezirk des Klägers nicht ihren Sitz, sondern lediglich bestimmte Fabrikeinrichtungen gehabt.

7 Der Kläger leitet seinen Provisionsanspruch aus Artikel 6 Absatz 1 des griechischen Präsidialdekrets Nr. 219/91 über Handelsvertreter in Befolgung der Richtlinie 86/653/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften (Amtsblatt der Griechischen Republik A 81 vom 30. Mai 1991) ab, der bestimmt:

"Für ein während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenes Geschäft hat der Handelsvertreter Anspruch auf die Provision, wenn ihm ein bestimmter Bezirk zugewiesen ist und sofern das Geschäft mit einem Kunden abgeschlossen worden ist, der diesem Bezirk angehört."

8 Durch diese Vorschrift wurde Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie in griechisches Recht umgesetzt. Artikel 7 bestimmt:

"(1) Für ein während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenes Geschäft hat der Handelsvertreter Anspruch auf die Provision,

a) wenn der Geschäftsabschluß auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist oder

b) wenn das Geschäft mit einem Dritten abgeschlossen wurde, den er bereits vorher für Geschäfte gleicher Art als Kunden geworben hatte.

(2) Für ein während der Vertragsverhältnisse abgeschlossenes Geschäft hat der Handelsvertreter ebenfalls Anspruch auf die Provision,

° wenn ihm ein bestimmter Bezirk oder Kundenkreis zugewiesen ist oder

° wenn er die Alleinvertretung für einen bestimmten Bezirk oder Kundenkreis hat

und sofern das Geschäft mit einem Kunden abgeschlossen worden ist, der diesem Bezirk oder dieser Gruppe angehört.

Die Mitgliedstaaten müssen in ihr Recht die eine oder die andere der unter den beiden obigen Gedankenstrichen enthaltenen Alternativen aufnehmen."

9 Das vorlegende Gericht hält die Klage für begründet, hat jedoch Zweifel hinsichtlich der Auslegung von Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie und von Artikel 6 Absatz 1 des griechischen Durchführungsdekrets, das den Wortlaut der Richtlinie wiedergibt, sich dabei aber für die erste Alternative von Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie entscheidet. Das Polymeles Protodikeio Athen hat dem Gerichtshof daher folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Erstreckt sich der Provisionsanspruch eines Handelsvertreters, dem ein bestimmter Bezirk zugewiesen ist, auch auf Rechtsgeschäfte, die zustande gekommen sind, ohne daß er in irgendeiner Phase tätig wurde, und unabhängig davon, ob er selbst die betreffenden Kunden geworben hatte, oder nur auf Rechtsgeschäfte, die in seinem Geschäftsbezirk abgeschlossen wurden, nachdem er tätig geworden war, und mit Kunden, die er selbst gefunden hatte?

2. Welche Bedeutung hat der Begriff "Kunde..., der diesem Bezirk... angehört"?

Zweifelhaft ist insbesondere, ob sich, wenn der Kunde eine Gesellschaft ist, bei der der Ort, an dem sich ihr Sitz befindet, ein anderer Ort ist als derjenige, an dem sie ihre geschäftliche Tätigkeit ausübt, der Begriff "angehört" auf deren Sitz bezieht oder auf den Ort, an dem sie tatsächlich ihre betriebliche und geschäftliche Tätigkeit ausübt und/oder an dem sich gegebenenfalls ihre Fabrik- oder sonstigen Anlagen befinden, für deren Bedarf das Rechtsgeschäft abgeschlossen wurde, auf das sich die verlangte Provision bezieht, der zum Geschäftsbezirk des Handelsvertreters gehört und an dem das fragliche Rechtsgeschäft zustande gekommen ist, aufgrund dessen letzterem ein Provisionsanspruch zusteht.

Zur Zulässigkeit der Vorabentscheidungsfragen

10 Die Beklagte macht vor allem geltend, das Vorabentscheidungsersuchen weise keinen Zusammenhang mit der zur Prüfung anstehenden Rechtssache und deren rechtlicher Grundlage auf, so daß es unzulässig sei. In der mündlichen Verhandlung hat sie ferner vorgetragen, es handele sich um hypothetische Fragen; die Klage sei nämlich unbegründet, da die Kunden, auf die der Kläger sich berufe, alte Kunden der Firma Saint Ritsis gewesen seien, zu der dieser keine vertraglichen Beziehungen gehabt habe. Wenn die Vorabentscheidungsfragen gleichwohl zugelassen werden sollten, müsste die erste Frage dahin umformuliert werden, ob der Handelsvertreter einen Provisionsanspruch auch für Rechtsgeschäfte habe, die mit Kunden einer dritten Gesellschaft geschlossen worden seien, die mit derjenigen verschmolzen worden sei, mit der der Vertreter einen Vertrag geschlossen habe.

11 Hierzu genügt der Hinweis, daß es nach ständiger Rechtsprechung allein Sache der nationalen Gerichte ist, bei denen der Rechtsstreit anhängig ist und die die Verantwortung für die zu treffende gerichtliche Entscheidung tragen, unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlaß ihres Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihnen vorgelegten Fragen zu beurteilen. Das Ersuchen eines nationalen Gerichts kann nur zurückgewiesen werden, wenn offensichtlich kein Zusammenhang zwischen der erbetenen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits besteht (vgl. u. a. Urteil vom 28. März 1996 in der Rechtssache C-129/94, Ruiz Bernáldez, Slg. 1996, I-1829, Randnr. 7).

12 Dies trifft jedoch im vorliegenden Fall nicht zu. Das vorlegende Gericht hat klar darauf hingewiesen, daß die Entscheidung über die Klage von der Auslegung des Artikels 7 Absatz 2 der Richtlinie unter den in der ersten Frage dargestellten Umständen abhänge, einer Auslegung, die auch für die nationale Umsetzungsvorschrift gelten müsse.

13 Die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen sind daher zu prüfen, ohne ihren Gegenstand zu erweitern.

Zur ersten Frage

14 Diese Frage des nationalen Gericht geht im wesentlichen dahin, ob Artikel 7 Absatz 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie dahin auszulegen ist, daß ein Handelsvertreter, dem ein Bezirk zugewiesen ist, Anspruch auf Provision auch für die Geschäfte hat, die ohne seine Mitwirkung mit Kunden abgeschlossen wurden, die diesem Bezirk angehören.

15 Die Kommission sowie die griechische, die deutsche und die französische Regierung bejahen diese Frage unter Berufung auf den Wortlaut wie auf die Struktur von Artikel 7 der Richtlinie. Dieser sehe zwei Alternativen vor, die unterschiedlichen Voraussetzungen entsprächen; so sei nach der zweiten Alternative eine persönliche Mitwirkung des Vertreters nicht erforderlich. Diese Auslegung werde im übrigen durch die Verwendung des Wortes "ebenfalls" in Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie bestätigt.

16 Diesem Vorbringen ist zu folgen. Aus dem Wortlaut von Artikel 7 der Richtlinie folgt nämlich, daß für den Provisionsanspruch zwei alternative Fallgestaltungen vorgesehen sind. Absatz 1 bezieht sich auf den Fall einer ° gegenwärtigen oder früheren ° Tätigkeit des Handelsvertreters, während Absatz 2 bestimmt, daß der Handelsvertreter Vergütung für alle innerhalb eines bestimmten Bezirks oder eines bestimmten Personenkreises zustande gekommenen Geschäfte erhalten muß, ohne daß hierbei auf irgendeine Tätigkeit des Vertreters abgestellt wird. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Situationen findet eine Stütze darin, daß Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie ausdrücklich das Wort "auch" verwendet. Dieser Absatz kann daher nicht so ausgelegt werden, als verlange auch er eine Tätigkeit des Vertreters. Eine solche Auslegung hätte im übrigen zur Folge, daß Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie bedeutungslos würde, da Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie Anwendung findet, wenn der Handelsvertreter den betreffenden Kunden geworben hat.

17 Nach Auffassung der Beklagten ist Artikel 7 der Richtlinie jedoch in Verbindung mit Artikel 6 zu verstehen, der es den Vertragsparteien überlasse, die Vergütung des Handelsvertreters in spezifischer Weise zu regeln. Da die Ausschließlichkeit nicht gesetzlich vorgeschrieben sei, sei nicht verständlich, warum der Vertreter einen Provisionsanspruch für alle in seinem Bezirk getätigten Verkäufe haben solle.

18 Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 6 der Richtlinie die Höhe der Vergütung des Handelsvertreters betrifft, nicht aber ° im Gegensatz zu Artikel 7 ° die Geschäfte, für die eine Provision geschuldet wird. Diese beiden Vorschriften haben also unterschiedliche Anwendungsbereiche.

19 Auf die erste Frage ist daher zu antworten, daß Artikel 7 Absatz 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie dahin auszulegen ist, daß ein Handelsvertreter, dem ein Bezirk zugewiesen ist, Anspruch auf Provision auch für die Geschäfte hat, die ohne seine Mitwirkung mit Kunden abgeschlossen wurden, die diesem Bezirk angehören.

Zur zweiten Frage

20 Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob der Begriff "Kunde..., der diesem Bezirk... angehört" in Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie sich auf den Fall bezieht, daß der Kunde eine juristische Person ist, deren Sitz sich nicht am Ort der Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit befindet.

21 Nach Auffassung der Kommission ist mangels einer entgegenstehenden Vereinbarung der Parteien der Ort der tatsächlichen Ausübung der Geschäftstätigkeit ausschlaggebend. Ferner könnte der Ort berücksichtigt werden, an dem sich die Anlagen der Gesellschaft befänden, mit der das Geschäft abgeschlossen worden sei.

22 Die griechische Regierung schlägt eine Definition vor, die auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls abstellt, wobei sie als Beurteilungskriterien den Ort der Ausübung des Gewerbes, den Ort, an dem sich die Anlagen befinden, den Erfuellungsort des Rechtsgeschäftes sowie den normalen Handelsbrauch nennt.

23 Nach Auffassung der deutschen Regierung ist auf die Kunden abzustellen, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsniederlassung in dem fraglichen Bezirk haben. Befänden diese sich an verschiedenen Orten, sei der Ort der geschäftlichen Tätigkeit ausschlaggebend. Habe ein Kundenunternehmen mehrere Filialen oder führe ein Kunde mehrere Unternehmen, so sei darauf abzustellen, welche Filiale oder welches Unternehmen die Bestellung aufgegeben habe, nicht darauf, wer die Lieferung erhalten habe.

24 Die Beklagte trägt vor, maßgeblich seien im wesentlichen die vertraglichen Abreden zwischen den Parteien. Im übrigen falle in diesem Bereich dem Ort, an dem sich das Zentrum für die Entscheidung über alle für den Vertragsabschluß erforderlichen Handlungen und deren Durchführung befinde, eine entscheidende Funktion zu.

25 Hierzu ist zunächst festzustellen, daß Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie nicht die Kriterien angibt, die zu berücksichtigen sind, wenn der Kunde eine juristische Person ist, deren Sitz nicht am Ort der Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit belegen ist. Diese Vorschrift ist daher nach Maßgabe des Zusammenhangs und der mit der Richtlinie verfolgten Zielsetzung auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Januar 1984 in der Rechtssache 327/82, Ekro, Slg. 1984, 107, Randnr. 11, und vom 2. Oktober 1991 in der Rechtssache C-7/90, Vandevenne u. a., Slg. 1991, I-4371, Randnr. 6).

26 Es steht fest, daß die Richtlinie von der Erwägung ausgeht, daß ein Handelsvertreter die Aufgabe hat, Kunden zu werben und mit diesen zu verhandeln sowie gegebenenfalls Geschäfte abzuschließen (vgl. Artikel 1 Absatz 2 und 3 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie). Die Richtlinie hat somit die konkreten Geschäftsbeziehungen zwischen dem Handelsvertreter und den Kunden zum Gegenstand, wie sie sich im realen wirtschaftlichen Zusammenhang darstellen, nicht aber hypothetische Fallgestaltungen.

27 Daraus folgt, daß für den Begriff "Kunde..., der diesem Bezirk... angehört" in Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie im Falle eines Kunden, der eine juristische Person ist, der Ort ihrer tatsächlichen geschäftlichen Tätigkeit maßgeblich ist.

28 Es ist zuzugeben, daß der Unternehmer mehrere Handelsvertreter haben mag, die im Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats tätig sind und von denen jeder seinen eigenen Bezirk hat. Es ist daher wichtig, den Ort der geschäftlichen Tätigkeit des Kunden anhand eines Kriteriums zu bestimmen, durch das ausgeschlossen wird, daß ein und dasselbe Geschäft als zu den Bezirken von zwei oder mehr Handelsvertretern gehörend angesehen wird.

29 Übt eine Firma ihre geschäftliche Tätigkeit an verschiedenen Orten aus oder wird der Handelsvertreter in mehreren Hoheitsgebieten tätig, können für die Feststellung des Schwerpunktes des vorgenommenen Geschäfts andere Elemente ° namentlich der Ort, an dem die Verhandlungen mit dem Handelsvertreter erfolgt sind oder normalerweise hätten erfolgen müssen, der Ort, an den die Ware geliefert worden ist, sowie der Ort der Niederlassung, die die Bestellung aufgegeben hat ° berücksichtigt werden.

30 Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, daß Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie dahin auszulegen ist, daß für den Begriff "Kunde..., der diesem Bezirk... angehört" im Falle eines Kunden, der eine juristische Person ist, der Ort ihrer tatsächlichen geschäftlichen Tätigkeit maßgeblich ist. Übt eine Firma ihre geschäftliche Tätigkeit an verschiedenen Orten aus oder wird der Handelsvertreter in mehreren Hoheitsgebieten tätig, können für die Feststellung des Schwerpunktes des vorgenommenen Geschäfts andere Elemente ° namentlich der Ort, an dem die Verhandlungen mit dem Handelsvertreter erfolgt sind oder normalerweise hätten erfolgen müssen, der Ort, an den die Ware geliefert worden ist, sowie der Ort der Niederlassung, die die Bestellung aufgegeben hat ° berücksichtigt werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

31 Die Auslagen der griechischen, der deutschen und der französischen Regierung sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Polymeles Protodikeio mit Urteil vom 30. November 1994 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Artikel 7 Absatz 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter ist dahin auszulegen, daß ein Handelsvertreter, dem ein Bezirk zugewiesen ist, Anspruch auf Provision auch für die Geschäfte hat, die ohne seine Mitwirkung mit Kunden abgeschlossen wurden, die diesem Bezirk angehören.

2. Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 86/653 ist dahin auszulegen, daß für den Begriff "Kunde..., der diesem Bezirk... angehört" im Falle eines Kunden, der eine juristische Person ist, der Ort ihrer tatsächlichen geschäftlichen Tätigkeit maßgeblich ist. Übt eine Firma ihre geschäftliche Tätigkeit an verschiedenen Orten aus oder wird der Handelsvertreter in mehreren Hoheitsgebieten tätig, können für die Feststellung des Schwerpunktes des vorgenommenen Geschäfts andere Elemente ° namentlich der Ort, an dem die Verhandlungen mit dem Handelsvertreter erfolgt sind oder normalerweise hätten erfolgen müssen, der Ort, an den die Ware geliefert worden ist sowie der Ort der Niederlassung, die die Bestellung aufgegeben hat ° berücksichtigt werden.

Ende der Entscheidung

Zurück