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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 17.12.1998
Aktenzeichen: C-153/97
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 1408/71/EWG


Vorschriften:

Verordnung Nr. 1408/71/EWG Anhang VI Abschnitt D Nr. 4
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe g der Verordnung Nr. 1408/71 bedeutet zum einen, daß bei der Feststellung der Renten bei Alter und Invalidität durch Anwendung der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, nach denen die Höhe der Renten anhand einer durchschnittlichen Beitragsbemessungsgrundlage berechnet wird, die dem Arbeitsentgelt entspricht, das während einer bestimmten Anzahl von Jahren vor dem Eintritt in den Ruhestand oder dem Eintritt der Invalidität bezogen wurde, die durchschnittliche Beitragsbemessungsgrundlage bei Arbeitnehmern, die, nachdem sie den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats unterlagen, in einem anderen Mitgliedstaat eine Beschäftigung aufgenommen und bis zum Ende ihres Berufslebens ausgeuebt haben, allein nach der Höhe der nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats tatsächlich entrichteten Beiträge zu berechnen ist, und zum anderen, daß dieser Betrag so aktualisiert und angepasst werden muß, daß er dem Betrag entspricht, den die Betroffenen tatsächlich entrichtet hätten, wenn sie in dem betreffenden Mitgliedstaat weiterhin unter den gleichen Bedingungen beschäftigt gewesen wären

Die durch die Verordnung Nr. 1248/92 in den Anhang VI Abschnitt D Nummer 4 der Verordnung Nr. 1408/71 eingefügten Durchführungsvorschriften zu Artikel 47 betreffend Spanien stehen mit dieser Auslegung im Einklang. Diese Bestimmungen beschränken sich nämlich darauf, die Modalitäten der Verordnung, wonach die durchschnittliche Beitragsbemessungsgrundlage gemäß den allein nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Staates zurückgelegten Versicherungszeiten zu ermitteln ist, nur näher zu regeln, ohne den Inhalt des Artikels 47 Absatz 1 Buchstabe g der Verordnung Nr. 1408/71 insoweit abzuändern, und zielen nur darauf ab, die Vereinbarkeit dieser Bestimmung mit den Grundsätzen des Artikels 51 des Vertrages zu gewährleisten.

Insoweit ist es nicht erforderlich, mit Rücksicht auf die Grundsätze des Gemeinschaftsrechts zwischen der Aktualisierung der Beitragsbemessungsgrundlage und der Anpassung des Betrages der Rente zu unterscheiden. In beiden Fällen geht es um dasselbe Ziel, nämlich ausgehend von den tatsächlichen Beitragsbemessungsgrundlagen des Versicherten vor seinem Weggang ins Ausland unter Vornahme einer effektiven Aktualisierung, bei der die Entwicklung der Lebenshaltungskosten und die Erhöhungen der Leistungen gleicher Art berücksichtigt werden, die Möglichkeit zu bieten, schließlich einen Rentenbetrag zu ermitteln, der demjenigen entspricht, den der Wanderarbeitnehmer erhalten hätte, wenn er seine Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat weiterhin unter denselben Bedingungen ausgeuebt hätte.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 17. Dezember 1998. - Aristóteles Grajera Rodríguez gegen Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS) und Tesorería General de la Seguridad Social (TGSS). - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal Supremo - Spanien. - Soziale Sicherheit - Altersrenten - Berechnung der Leistungen - Anhang VI Abschnitt D Nummer 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71. - Rechtssache C-153/97.

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunal Supremo hat mit Beschluß vom 17. März 1997, beim Gerichtshof eingegangen am 23. April 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Gültigkeit des Anhangs VI Abschnitt D Nummer 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der geänderten und aktualisierten Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6), angepasst durch Anhang I Teil VIII der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge (ABl. 1985, L 302, S. 23), später geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 1248/92 des Rates vom 30. April 1992 (ABl. L 136, S. 7), sowie nach der Auslegung dieser Verordnung zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Grajera Rodrígüz (nachstehend: Kläger) und dem Instituto Nacional de la Seguridad Social (nachstehend: INSS) sowie der Tesorería General de la Seguridad Social wegen der Berechnung der Altersrente des Klägers.

3 Artikel 46 der Verordnung legt die Vorschriften für die Feststellung der Leistungen fest. Sein Absatz 2 enthält unter anderem folgende Regelung:

"a) Der Träger berechnet den theoretischen Betrag der Leistung, auf die die betreffende Person Anspruch hätte, wenn alle nach den für den Arbeitnehmer oder Selbständigen geltenden Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungs- und Wohnzeiten nur in dem betreffenden Staat und nach den für diesen Träger zum Zeitpunkt der Feststellung der Leistung geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären. Ist nach diesen Rechtsvorschriften der Betrag der Leistung von der Dauer der zurückgelegten Zeiten unabhängig, so gilt dieser Betrag als theoretischer Betrag."

4 Artikel 47 der Verordnung enthält ergänzende Vorschriften für die Berechnung der Leistungen. Sein Absatz 1 stellt besondere Vorschriften für die Berechnung des theoretischen Betrages nach Artikel 46 Absatz 2 Buchstabe a auf, darunter folgende:

"g) Der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften bei der Berechnung von Leistungen eine durchschnittliche Beitragsbemessungsgrundlage heranzuziehen ist, ermittelt diese Durchschnittsgrundlage gemäß den allein nach den Rechtsvorschriften dieses Staates zurückgelegten Versicherungszeiten."

5 Schließlich enthält Anhang VI der Verordnung, der gemäß Artikel 89 der Verordnung die Besonderheiten bei der Anwendung der Rechtsvorschriften bestimmter Mitgliedstaaten aufführt, in Abschnitt "D. Spanien" eine Ziffer 4 mit folgenden beiden Absätzen:

"a) In Anwendung des Artikels 47 erfolgt die Berechnung der spanischen theoretischen Leistung anhand der Bemessungsgrundlagen für tatsächlich entrichtete Beiträge des Versicherten in den Jahren unmittelbar vor Entrichtung des letzten Beitrags zur spanischen sozialen Sicherheit.

b) Der so ermittelte Betrag der Rente wird für Renten gleicher Art um die für jedes bis zu dem Jahr vor Eintritt des Versicherungsfalls folgende Jahr errechneten Steigerungs- und Anpassungsbeträge erhöht."

6 Aus den Akten ergibt sich, daß nach den spanischen Rechtsvorschriften die Höhe der Renten der Arbeitnehmer bei Alter und dauernder Invalidität nicht von der Anzahl der Beitragszeiten oder der Länge der Versicherungslaufbahn der Betroffenen abhängig ist, sondern sich aus der Berücksichtigung einer durchschnittlichen Beitragsbemessungsgrundlage ergibt, die dem Arbeitsentgelt entspricht, das während einer bestimmten Anzahl von Jahren vor dem Eintritt in den Ruhestand oder dem Eintritt der Invalidität bezogen wurde. Genauer gesagt, entspricht gemäß Artikel 3 des Gesetzes 26/85 vom 31. Juli 1985, das zur Zeit der Ereignisse des Ausgangsverfahrens in Kraft war und dessen Wortlaut im wesentlichen in den Artikeln 140 und 162 des neugefassten Textes der Ley General de la Seguridad Social (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz), gebilligt durch das königliche Decreto Legislativo Nr. 1/1994 vom 20. Juni 1994, wiederaufgenommen wurde, die Berechnungsgrundlage der Renten dem Quotienten aus den Beitragsbemessungsgrundlagen des Betroffenen während der letzten 96 Monate vor dem Eintritt des Versicherungsfalls (Antrag auf Versetzung in den Ruhestand oder auf Feststellung der dauernden Invalidität) und der Zahl 112. Nach diesen Vorschriften werden die Grundlagen für die 24 Monate vor dem Monat des Eintritts des Versicherungsfalls zum Nominalwert berechnet, während die übrigen Grundlagen entsprechend der Entwicklung des Verbraucherpreisindex aktualisiert werden. Ausserdem werden, wenn während des gesamten fraglichen Zeitraums oder eines Teils davon keine Beitragspflicht besteht, die Lücken durch Anwendung der für Arbeitnehmer, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, geltenden Mindestgrundlagen geschlossen. Schließlich kann die Beitragsbemessungsgrundlage in keinem Fall niedriger als die nach den geltenden Rechtsvorschriften vorgesehene Mindestgrundlage noch höher als die Hoechstgrundlage sein.

7 Der Kläger, ein Arbeitnehmer spanischer Staatsangehörigkeit, war von 1953 bis 1961 sowie von 1967 bis 1969 in Spanien und von 1961 bis 1967 sowie von 1969 bis 1993 in Deutschland beschäftigt.

8 1993 erkannte ihm das INSS eine monatliche Altersrente in Höhe von 5 141 PTA zu, die auf der Grundlage der vor 1969 in Spanien entrichteten Beiträge einschließlich einer Anpassung aufgrund einer den Regeln des Anhangs VI Abschnitt D Nummer 4 der Verordnung entsprechenden Berechnungsmethode berechnet war. Der Kläger beanstandete die Höhe dieser Rente mit der Begründung, daß als Referenzzeitraum die Zeit von 1985 bis 1992, also die acht Jahre vor seinem Eintritt in den Ruhestand, zugrundezulegen sei.

9 Mit Urteil vom 24. Januar 1995 gab der Juzgado de lo Social Nr. 30 Madrid der Klage von Herrn Grajera Rodrígüz statt und verurteilte das INSS dazu, an diesen eine aufgrund der für die Gruppe der Hilfsarbeiter in Spanien während des letztgenannten Zeitraums geltenden Hoechstbeitragssätze einschließlich einiger Zuschläge berechnete Rente von monatlich 18 517 PTA zu zahlen.

10 Auf das vom INSS eingelegte Rechtsmittel hob das Tribunal Superior de Justicia Madrid am 9. April 1996 dieses Urteil auf und entschied, daß die Altersrente des Klägers auf der Grundlage der Beiträge der letzten acht Jahre vor 1969, dem letzten Beitragsjahr in der spanischen Sozialversicherung, mit den seither bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand geltenden Anpassungen berechnet werden müsse.

11 Das im Wege der Kassationsbeschwerde angerufene Tribunal Supremo hat Zweifel an der Gültigkeit des auf Anhang VI Abschnitt D Nummer 4 der Verordnung gestützten Berechnungssystems im Hinblick auf die Artikel 48 und 51 EG-Vertrag. Seiner Auffassung nach sind ungeachtet dessen, daß der Gerichtshof mit Urteil vom 12. September 1996 in der Rechtssache C-251/94 (Lafuente Nieto, Slg. 1996, I-4187) bereits über eine ähnliche Frage entschieden hatte, einige Unklarheiten bestehen geblieben; es hat daher folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Verstösst das Berechnungssystem des Anhangs VI Abschnitt D Nummer 4 der Verordnung Nr. 1408/71 in der Fassung der Verordnung Nr. 1248/92 gegen die Artikel 48 und 51 EG-Vertrag, wenn nach diesem System die spanische theoretische Rente gemäß den Beitragsbemessungsgrundlagen ermittelt wird, die für die Beiträge maßgebend gewesen sind, die der Arbeitnehmer in dem unmittelbar vor Entrichtung des letzten Beitrags zur spanischen sozialen Sicherheit zu berücksichtigenden Zeitraum entrichtet hat, und eine Anpassung der sich hieraus ergebenden theoretischen Rente in der gleichen Weise stattfindet, wie nach den nationalen spanischen Rechtsvorschriften eine Rente angepasst worden wäre, die zu dem Zeitpunkt entstanden wäre, in dem der letzte Beitrag in Spanien entrichtet wurde?

2. Muß, um die Gleichbehandlung des Wanderarbeitnehmers im Bereich der sozialen Sicherheit zu gewährleisten, die Bemessungsgrundlage der spanischen Rente anhand der Grundlagen ermittelt werden, die für die Beiträge des Wanderarbeitnehmers maßgebend gewesen wären, wenn er in dem vor Eintritt des Versicherungsfalls zu berücksichtigenden Zeitraum, der nach den spanischen Rechtsvorschriften allgemein festgelegt ist, in Spanien geblieben wäre?

12 Die beiden Fragen des vorlegenden Gerichts, die gemeinsam zu prüfen sind, gehen dahin, ob das Berechnungssystem gemäß Anhang VI Abschnitt D Nummer 4 der Verordnung gegen die Artikel 48 und 51 des Vertrages vertösst und ob die Bemessungsgrundlage der spanischen Rente anhand der theoretischen Grundlagen ermittelt werden muß, die für die Beiträge des Wanderarbeitnehmers maßgebend gewesen wären, wenn er in dem Zeitraum unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalls in Spanien geblieben wäre.

13 Dem Vorlagebeschluß zufolge geht das nationale Gericht anscheinend davon aus, daß lediglich die Aktualisierung der Beitragsbemessungsgrundlage den Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts entspricht, während dies bei der Anpassung der Rentenhöhe entsprechend den Vorschriften des streitigen Anhangs nicht der Fall sei. Um eine Schlechter- oder Besserstellung des Wanderarbeitnehmers, der während des nach den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Referenzzeitraums in Spanien keine Beiträge entrichtet habe, zu vermeiden, sei es besser, "als Maßstab für die Berechnungsgrundlage die Durchschnittsgrundlagen des Berechnungszeitraums vor dem Eintritt des Versicherungsfalls, d. h. den Durchschnitt zwischen der Mindest- und der Hoechstgrundlage der Tarifgruppe, die der Berufsgruppe des Arbeitnehmers in den letzten acht Jahren entsprach", heranzuziehen.

14 Der Kläger trägt vor, das durch den streitigen Anhang eingeführte Berechnungssystem verstosse insbesondere deswegen gegen die Artikel 48 und 51 des Vertrages, weil es mangels verfügbarer Angaben über die tatsächlichen Berechnungsgrundlagen des Versicherten praktisch undurchführbar sei und weil es den Wanderarbeitnehmer offensichtlich diskriminiere. Für die Berechnung der Bemessungsgrundlage müssten die Beträge berücksichtigt werden, die der Arbeitnehmer tatsächlich während des unmittelbar dem Eintritt des Versicherungsfalls vorhergehenden Zeitraums von acht Jahren erhalten habe (selbst wenn dies in einem anderen Mitgliedstaat gewesen sei), vorbehaltlich der durch die spanischen Rechtsvorschriften festgesetzten Grenzen. Hilfsweise schlägt der Kläger vor, die Bemessungsgrundlage für die spanische Rente nach Maßgabe der Beitragsbemessungsgrundlagen zu berechnen, aufgrund deren der Wanderarbeitnehmer seine Beiträge entrichtet hätte, wenn er während des berücksichtigten Zeitraums vor Eintritt des Versicherungsfalls in Spanien geblieben wäre, wie dies die spanischen Rechtsvorschriften grundsätzlich vorsähen.

15 Die spanische Regierung trägt dagegen, u. a. gestützt auf das Urteil Lafuente Nieto, vor, der streitige Anhang solle gerade die Vereinbarkeit des Artikels 47 Absatz 1 Buchstabe g mit den Vertragszielen gewährleisten. Das vorgesehene Berechnungssystem entspreche den für die Sozialversicherung in Spanien geltenden allgemeinen Grundsätzen; um eine richtige Anpassung der zeitlich zurückliegenden Beitragsbemessungsgrundlagen zu gewährleisten, erfolge eine doppelte Aktualisierung, nämlich der Beitragsbemessungsgrundlagen einerseits und der sich hieraus ergebenden Rente andererseits.

16 Auch der Rat und die Kommission schlagen vor, den vom Gerichtshof im Urteil Lafuente Nieto entwickelten Grundsätzen zu folgen, nach denen die streitigen Vorschriften bedeuteten, daß der auf der Grundlage der tatsächlich vom Versicherten nach den spanischen Rechtsvorschriften gezahlten Beiträge berechnete theoretische Betrag der Leistung entsprechend angepasst und erhöht werden müsse, als wenn der Betroffene in Spanien weiterhin unter den gleichen Bedingungen beschäftigt gewesen wäre. Probleme der Auslegung der nationalen Rechtsvorschriften wie das vom vorlegenden Gericht aufgeworfene müssten im Lichte dieser Grundsätze gelöst werden. Im übrigen sei nicht auszuschließen, daß gegebenenfalls das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Spanien am 4. Dezember 1973 geschlossene und am 1. November 1977 in Kraft getretene Übereinkommen über Soziale Sicherheit (im folgenden: Übereinkommen) zu berücksichtigen sei, soweit sich zeigen sollte, daß seine Anwendung für den Betroffenen in der Praxis günstiger sei als diejenige der Verordnung.

17 Artikel 47 der Verordnung, zu dem der streitige Anhang die Durchführungsvorschriften betreffend Spanien enthält, ist eine Ergänzungsregel für die Berechnung des theoretischen Betrages der Leistung nach Artikel 46 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung. Sie ist daher unter Berücksichtigung der letztgenannten Bestimmung und, wie der Gerichtshof im Urteil vom 9. August 1994 in der Rechtssache C-406/93 (Reichling, Slg. 1994, I-4061) festgestellt hat, unter Berücksichtigung des Zweckes des Artikels 51 des Vertrages auszulegen, der insbesondere darin besteht, daß die Wanderarbeitnehmer nicht dadurch, daß sie ihr Recht auf Freizuegigkeit ausgeuebt haben, eine Verminderung der Höhe der Leistungen der sozialen Sicherheit erleiden dürfen.

18 Entgegen dem Vorbringen des Klägers bedeutet die Verpflichtung, Wanderarbeitnehmer, die das Recht auf Freizuegigkeit ausgeuebt haben, nicht zu benachteiligen, jedoch nicht, daß die streitige Vorschrift zwangsläufig mit dem Zweck des Artikels 51 des Vertrages unvereinbar wäre, weil sie es nicht erlaubt, bei der Ermittlung der durchschnittlichen Beitragsbemessungsgrundlage die Höhe der in einem anderen Mitgliedstaat entrichteten Beiträge zu berücksichtigen. Diese Verpflichtung bedeutet lediglich, daß diese Grundlage für den Wanderarbeitnehmer die gleiche sein muß, wie wenn er sein Recht auf Freizuegigkeit nicht ausgeuebt hätte (Urteil vom 9. Oktober 1997 in den verbundenen Rechtssachen C-31/96 bis C-33/96, Naranjo Arjona u. a., Slg. 1997, I-5501, Randnr. 21).

19 So ist in einem Fall wie dem des Ausgangsrechtsstreits, wenn nach Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe g der Verordnung nur die Höhe der Beiträge zu berücksichtigen ist, die nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Staates entrichtet worden sind, dieser Betrag so zu aktualisieren und anzupassen, daß er dem Betrag entspricht, den die Betroffenen tatsächlich entrichtet hätten, wenn sie in dem betreffenden Mitgliedstaat weiterhin unter den gleichen Bedingungen beschäftigt gewesen wären (Urteil Lafuente Nieto, Randnrn. 39 f.).

20 Der Gerichtshof hat bereits im Urteil Lafuente Nieto (Randnrn. 41 f.) sowie im Urteil Naranjo Arjona u. a. (Randnrn. 23 f.) festgestellt, daß die Bestimmungen, die durch die Verordnung Nr. 1248/92 in den Anhang VI Abschnitt D Nummer 4 der Verordnung Nr. 1408/71 eingefügt worden sind, mit dieser Auslegung im Einklang stehen. Diese Bestimmungen beschränken sich nämlich darauf, die Modalitäten der Verordnung, wonach die durchschnittliche Beitragsbemessungsgrundlage gemäß den allein nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Staates zurückgelegten Versicherungszeiten zu ermitteln ist, nur näher zu regeln, ohne den Inhalt des Artikels 47 Absatz 1 Buchstabe g insoweit abzuändern, und zielen nur darauf ab, die Vereinbarkeit dieser Bestimmung mit den Grundsätzen des Artikels 51 des Vertrages zu gewährleisten.

21 Aufgrund all dessen ist es nicht erforderlich, mit Rücksicht auf die Grundsätze des Gemeinschaftsrechts zwischen der Aktualisierung der Beitragsbemessungsgrundlage und der Anpassung des Betrages der Rente zu unterscheiden. In beiden Fällen geht es um dasselbe Ziel, nämlich ausgehend von den tatsächlichen Beitragsbemessungsgrundlagen des Versicherten vor seinem Weggang ins Ausland unter Vornahme einer effektiven Aktualisierung, bei der die Entwicklung der Lebenshaltungskosten und die Erhöhungen der Leistungen gleicher Art berücksichtigt werden, die Möglichkeit zu bieten, schließlich einen Rentenbetrag zu ermitteln, der demjenigen entspricht, den der Wanderarbeitnehmer erhalten hätte, wenn er seine Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat weiterhin unter denselben Bedingungen ausgeuebt hätte.

22 Wie der Generalanwalt in Nummer 18 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sind die praktischen Schwierigkeiten bei der Anwendung der Vorschriften des streitigen Anhangs, die sich insbesondere aus dem etwaigen Fehlen zuverlässiger objektiver Angaben über die ältesten Beitragsbemessungsgrundlagen ergeben könnten, nicht geeignet, die Gültigkeit dieser Vorschriften in Frage zu stellen. Diese gebieten nämlich weder eine besondere Art und Weise der Feststellung der Beitragsbemessungsgrundlagen noch irgendeine Methode für die Aktualisierung dieser Grundlagen oder der entsprechenden Rente. Sie dienen lediglich der Erreichung des in der vorangehenden Randnummer genannten Ergebnisses, unter Berücksichtigung der in Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe g der Verordnung aufgestellten Verpflichtung, allein die nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Staates zurückgelegten Versicherungszeiten zu berücksichtigen.

23 Eine Berechnungsmethode, wie sie das vorlegende Gericht befürwortet, erlaubt es jedoch nicht, diese Verpflichtung einzuhalten, da sie als Referenzzeitraum einen Zeitraum zugrunde legt, während dessen der Wanderarbeitnehmer sich nicht tatsächlich an der Finanzierung des nationalen Systems der sozialen Sicherheit beteiligt hat und der im übrigen bereits aufgrund der Rechtsvorschriften des anderen Mitgliedstaats, in dem der Betroffene gearbeitet hat, berücksichtigt wird.

24 Der streitige Anhang verlangt daher lediglich, daß bei der Berechnung der Beitragsbemessungsgrundlage nur die Höhe der Beiträge berücksichtigt wird, die nach den spanischen Rechtsvorschriften entrichtet worden sind, und daß der theoretische Betrag so angepasst und erhöht wird, wie wenn der Betroffene weiterhin unter den gleichen Bedingungen in Spanien beschäftigt gewesen wäre. Im Falle eines Rechtsstreits über die Modalitäten der Feststellung der zu berücksichtigenden ursprünglichen Beitragsbemessungsgrundlagen und über die Methode für die Aktualisierung dieser Grundlagen und die Anpassung des Betrages der sich hieraus ergebenden Rente ist es daher Sache des angerufenen Gerichts, festzustellen, welches nach innerstaatlichem Recht die geeignetsten Mittel sind, um ein solches Ergebnis zu erreichen.

25 Schließlich ist festzustellen, daß der streitige Anhang, wie der Rat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, Gegenstand einer Änderung durch die Verordnung (EG) Nr. 1223/98 des Rates vom 4. Juni 1998 (ABl. L 168, S. 1) war, die in seinem Absatz b zum Wegfall des Satzteils "bis zu dem Jahr vor Eintritt des Versicherungsfalls" führte. Wie der Generalanwalt in Nummer 21 seiner Schlussanträge vorgetragen hat, ergibt sich aus der achten Begründungserwägung dieser Verordnung, die sich ausdrücklich auf das angeführte Urteil Lafuente Nieto bezieht, daß diese Änderung in allen Fällen eine umfassende Aktualisierung des theoretischen Betrages der Leistung ermöglichen soll.

26 Diese Änderung allein lässt jedoch nicht den Schluß zu, daß die in der früheren Fassung des streitigen Anhangs enthaltene Beschränkung des Anpassungszeitraums, die im übrigen insoweit weder vom vorlegenden Gericht noch von den Betroffenen in Frage gestellt worden ist, in Anbetracht des in Randnummer 21 des vorliegenden Urteils erwähnten Zieles nichtig ist. Selbst wenn es nämlich nach Auffassung des Rates besser mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes vereinbar war, die fragliche Formulierung zu streichen, ist diese nur von beschränkter Tragweite, da sie sich im Rahmen einer weit verbreiteten Vereinfachungspraxis darauf beschränkt, eine Aktualisierung für jedes "volle Jahr" vorzunehmen und diese Aktualisierung damit auf das letzte Jahr vor dem Jahr zu beschränken, in dem der Versicherungsfall eintritt. Jedenfalls ist diese Entscheidung in Anbetracht ihrer geringen Auswirkung auf den festzusetzenden Betrag der Rente als Teil des normalen Ermessensspielraums anzusehen, über den der Rat bei der Aufstellung der Regeln für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit der verschiedenen Mitgliedstaaten verfügt.

27 Davon abgesehen dürfen die streitigen Vorschriften der Verordnung, wie der Rat und die Kommission ausgeführt haben, nicht die eventuelle Anwendung des in Randnummer 16 dieses Urteils erwähnten Übereinkommens behindern, insoweit der Betroffene sich hierauf berufen könnte, falls es sich als für ihn günstiger erweisen sollte.

28 In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß der Gerichtshof im Urteil vom 7. Februar 1991 in der Rechtssache C-227/89 (Rönfeldt, Slg. 1991, I-323) für Recht erkannt hat, daß die Artikel 48 und 51 des Vertrages nicht zulassen, daß Arbeitnehmer Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlieren, weil in das nationale Recht eingeführte Abkommen zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten aufgrund des Inkrafttretens der Verordnung Nr. 1408/71 des Rates unanwendbar geworden sind. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht, wie der Gerichtshof in dem Urteil vom 9. November 1995 in der Rechtssache C-475/93 (Thévenon, Slg. 1995, I-3813) klargestellt hat, für Arbeitnehmer, die ihr Recht auf Freizuegigkeit erst nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung ausgeuebt haben.

29 Im Ausgangsverfahren ist unstreitig, daß der Kläger seine Arbeitnehmertätigkeit in Deutschland bereits vor dem Inkrafttreten der Verordnung in Spanien am 1. Januar 1986 ausgeuebt hatte, deren Vorschriften ausnahmslos an die Stelle derjenigen des Übereinkommens getreten sind. Diese Ersetzung darf nicht bewirken, daß dem Kläger womöglich die Rechte und Vergünstigungen genommen werden, die ihm nach dem Übereinkommen zustehen.

30 Wie der Gerichtshof in Randnummer 28 des zitierten Urteils Naranjo Arjona u. a. ausgeführt hat, verfolgt die Aktualisierung der Beiträge gemäß den Vorschriften der Verordnung, wie sie vom Gerichtshof ausgelegt werden, die gleichen Ziele wie das Übereinkommen und müsste normalerweise deren Erreichung ermöglichen. Jedoch ist nicht ausgeschlossen, daß die Anwendung der Vorschriften des Übereinkommens, die es erlauben, die Höhe der Beitragsbemessungsgrundlage, die der Arbeitnehmer am Ende seiner beruflichen Laufbahn in Deutschland erreicht, zu berücksichtigen, obwohl sie auf die in Spanien für die betreffende Berufsgruppe geltenden Beitragsbemessungsgrundlagen verweisen, für den Betroffenen zu einem günstigeren Ergebnis führt als die Anwendung der streitigen Vorschriften.

31 Somit hat das vorlegende Gericht zu prüfen, ob sich die Anwendung dieses Übereinkommens für den betroffenen Arbeitnehmer tatsächlich als günstiger oder ungünstiger als die der Verordnung erweist. Im erstgenannten Fall wären gemäß dem im Urteil Rönfeldt aufgestellten Grundsatz ausnahmsweise die Vorschriften des Übereinkommens anzuwenden. Im gegenteiligen Fall müssten die Vorschriften der Verordnung, wie sie vom Gerichtshof ausgelegt werden, angewandt werden.

32 Daher ist dem vorlegenden Gericht zu antworten, daß die Prüfung der Vorabentscheidungsfragen nichts ergeben hat, was die Gültigkeit des streitigen Anhangs beeinträchtigen könnte.

Kostenentscheidung:

Kosten

33 Die Auslagen der spanischen Regierung, des Rates und der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Tribunal Supremo mit Beschluß vom 17. März 1997 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Die Prüfung der Vorabentscheidungsfragen hat nichts ergeben, was die Gültigkeit des Anhangs VI Abschnitt D Nummer 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der geänderten und aktualisierten Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983, angepasst durch Anhang I Teil VIII der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge, später geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 1248/92 des Rates vom 30. April 1992, beeinträchtigen könnte.

Ende der Entscheidung

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