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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 23.10.1997
Aktenzeichen: C-160/94
Rechtsgebiete: EG-Vertrag


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 30
EG-Vertrag Art. 34
EG-Vertrag Art. 37
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Im Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 169 des Vertrages trägt die Kommission die Beweislast für die behauptete Verletzung.


Urteil des Gerichtshofes vom 23. Oktober 1997. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich Spanien. - Vertragsverletzung - Ausschließliche Ein- und Ausfuhrrechte für Elektrizität. - Rechtssache C-160/94.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 15. Juni 1994 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 30, 34 und 37 EG-Vertrag und Artikel 48 der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge (ABl. 1995, L 302, S. 23; nachfolgend: Beitrittsakte) verstossen hat, daß es sich ausschließliche Ein- und Ausfuhrrechte für Elektrizität vorbehalten hat.

2 Artikel 1 Absatz 1 des Gesetzes Nr. 49/84 vom 26. Dezember 1984 über den einheitlichen Betrieb des nationalen Elektrizitätssystems (BÖ Nr. 312 vom 29. Dezember 1984; nachfolgend: Betriebsgesetz) bestimmt in Spanien folgendes:

Der einheitliche Betrieb des nationalen Elektrizitätssystems über Hochspannungsnetze ist eine öffentliche Leistung des Staates mit dem Ziel, das System nach Maßgabe der in Artikel 2 genannten Funktionen und Tätigkeiten zu optimieren. Diese öffentliche Leistung wird von einem Staatsunternehmen nach den Vorschriften dieses Gesetzes und seiner Durchführungsbestimmungen erbracht.

3 Artikel 2 Absatz 1 des Betriebsgesetzes führt die Funktionen und Tätigkeiten an, die diese öffentliche Leistung ausmachen, darunter:

e) den Betrieb und die Unterhaltung aller Einrichtungen internationaler Verbindungen sicherzustellen;

i) internationale Austauschvorgänge, die als für die Versorgung mit elektrischer Energie, für die Kostenreduktion der nationalen Erzeugung oder dafür als nützlich erscheinen, vorzunehmen oder aus Gründen des Staatsinteresses den Unternehmen ihren Teil an den internationalen Austauschvorgängen zuzuweisen und deren Durchführung zu überwachen.

4 Mit der Königlichen Verordnung Nr. 91/85 vom 23. Januar 1985 (BÖ Nr. 24 vom 28. Januar 1985) zur Durchführung des Betriebsgesetzes wurden diese Funktionen und Aktivitäten der Staatsgesellschaft Red Eléctrica de España SA (nachfolgend: Redesa) übertragen.

5 Die Kommission gelangte zu der Auffassung, aus den zitierten spanischen Vorschriften ergebe sich, wenn man sie zusammen lese, daß sie dem Staat ausschließliche Ein- und Ausfuhrrechte für Elektrizität vorbehielten, die er durch die Redesa ausübe, was den Artikeln 30, 34 und 37 EG-Vertrag sowie Artikel 48 der Beitrittsakte widerspreche. Sie hat daher gegen das Königreich Spanien das Verfahren nach Artikel 169 EG-Vertrag eingeleitet.

6 Artikel 48 der Beitrittsakte bestimmt:

"(1) Unbeschadet der Absätze 2 und 3 des vorliegenden Artikels formt das Königreich Spanien vom 1. Januar 1986 an seine staatlichen Handelsmonopole im Sinne des Artikels 37 Absatz 1 EWG-Vertrag schrittweise derart um, daß spätestens am 31. Dezember 1991 jede Diskriminierung in den Versorgungs- und Absatzbedingungen zwischen den Angehörigen der Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist; dabei berücksichtigt es gegebenenfalls Artikel 90 Absatz 2.

...

(2) Das Königreich Spanien beseitigt zum 1. Januar 1986 alle ausschließlichen Ausfuhrrechte.

..."

7 Artikel 48 Absatz 3 der Beitrittsakte findet auf Elektrizität keine Anwendung.

8 Mit Beschlüssen vom 14. Dezember 1994 hat der Präsident des Gerichtshofes die Französische Republik und Irland zur Unterstützung der Anträge des Königreichs Spanien sowie das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland zur Unterstützung der Anträge der Kommission als Streithelfer zugelassen.

9 Die Kommission stützt ihre Klage darauf, daß das Betriebsgesetz in Verbindung mit der Königlichen Verordnung ein System errichte, unter dem nur der Staat über die ihm gehörige Redesa Elektrizität ein- und ausführen könne. Diese ausschließlichen Rechte widersprächen Artikel 30 und Artikel 34 sowie Artikel 37 EG-Vertrag, der durch Artikel 48 der Beitrittsakte auf das Königreich Spanien anwendbar gemacht worden sei, und seien weder nach Artikel 36 noch Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag gerechtfertigt.

10 Die spanische Regierung bestreitet zunächst, daß das Betriebsgesetz und die Königliche Verordnung der Redesa ausschließliche Ein- und Ausfuhrrechte für Elektrizität übertrügen.

11 Die Versorgung mit Elektrizität sei zwar durch eine Königliche Verordnung von 1924 zur öffentlichen Leistung erklärt worden, ohne daß jedoch deswegen die einzelnen Versorgungsleistungen - Erzeugung, Fortleitung und Abgabe - in die ausschließliche Zuständigkeit des Staates fielen.

12 Das Betriebsgesetz sei gerade erlassen worden, um den Problemen zu begegnen, die sich aus einer grossen Zahl von Energieerzeugungs- und -abgabeunternehmen insbesondere im Hinblick auf die Versorgungssicherheit und das Auftreten erheblicher, kostspieliger Überschüsse ergeben hätte. Aus der Begründung des Betriebsgesetzes, aus seinem Titel und aus seinem Text, namentlich aus Artikel 1 Absatz 1, ergebe sich jedoch, daß es keinen einheitlichen Betrieb sämtlicher Versorgungstätigkeiten einführen wolle, sondern nur den Betrieb der einzelnen Elektrizitätsunternehmen auf Dauer nach Maßgabe der wirtschaftlichen Effizienz unter Beachtung des Eigentums der Unternehmen und der Freiheit bei der Verwaltung ihrer Einrichtungen habe vereinheitlichen wollen. Aufgabe der Redesa sei nur der einheitliche Betrieb des nationalen Elektrizitätssystems über das Fortleitungsnetz.

13 Auch Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe i des Betriebsgesetzes schaffe in sich kein ausschließliches Recht für internationale Austauschvorgänge, sondern übertrage der Redesa nur die schlichte Möglichkeit, solche Austauschvorgänge vorzunehmen, wenn und nur wenn die dort ausdrücklich genannten Bedingungen des öffentlichen Interesses erfuellt seien.

14 Die Kommission erwidert, aus Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben e und i des Betriebsgesetzes ergebe sich klar, daß die Redesa Inhaberin ausschließlicher Ein- und Ausfuhrrechte sei, auch wenn solche Rechte dort nicht ausdrücklich erwähnt seien. Im übrigen habe das Königreich Spanien nicht einen einzigen Fall angeführt, in dem andere Unternehmen als die Redesa internationale Austauschvorgänge im Sinne von Buchstabe i getätigt hätten.

15 Dem Einwand der Kommission ist jedoch nicht zu folgen.

16 Die Kommission hat in ihrer Klage dem Königreich Spanien vorgeworfen, durch das Betriebsgesetz in Verbindung mit der Königlichen Verordnung ein gesetzliches Ein- und Ausfuhrmonopol für Elektrizität zugunsten des Staates geschaffen zu haben, das dieser über die Redesa ausübe.

17 Im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Artikel 169 EG-Vertrag obliegt der Kommission der Nachweis der behaupteten Vertragsverletzung. Sie hat aber nicht nachgewiesen, daß es in Spanien Rechtsvorschriften gibt, die der Redesa solche ausschließlichen Rechte gewähren.

18 Nach dem Wortlaut der von der Kommission angezogenen Bestimmungen ist die Redesa nur mit dem einheitlichen Betrieb des nationalen Elektrizitätssystems über Hochspannungsnetze betraut. In Anbetracht des Zusammenhangs und der Begründung des Betriebsgesetzes, wie sie die spanische Regierung geschildet hat, ohne daß die Kommission dem widersprochen hätte, fällt unter den Begriff des einheitlichen Betriebs die Koordinierung der Tätigkeiten, durch die die einzelnen Elektrizitätserzeugungs- und -abgabeunternehmen an der Versorgung des Landes mit Elektrizität teilnehmen, nicht aber ihre Konzentration bei einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer.

19 Dem widerspricht nicht, daß die Redesa nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe e des Betriebsgesetzes den Betrieb aller Einrichtungen internationaler Verbindungen sicherzustellen hat, da damit nicht ausgeschlossen ist, daß andere Unternehmen als die Redesa Zugang zum Fortleitungsnetz einschließlich der von der Redesa betriebenen Einrichtungen internationaler Verbindungen für Zwecke der Ein- und Ausfuhr von Elektrizität haben.

20 Zum anderen setzt Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe i des Betriebsgesetzes, wonach die Redesa unter bestimmten Umständen den einzelnen Unternehmen ihren Anteil an den internationalen Austauschvorgängen zuweist, denknotwendig voraus, daß diese Unternehmen an solchen Austauschvorgängen teilnehmen können, und schließt nicht aus, daß sie dies uneingeschränkt tun können, wenn die genannten Bedingungen nicht erfuellt sind.

21 Schließlich hat die Kommission in ihrer Klage nur das Vorliegen eines gesetzlichen Ein- und Ausfuhrmonopols für Elektrizität gerügt, wie es sich aus den beanstandeten Vorschriften ergeben soll. Daher kann sie mit dem Vorbringen nicht gehört werden, das Königreich Spanien habe nicht einen einzigen Fall angeführt, in dem ein anderes Unternehmen als die Redesa tatsächlich Elektrizitätsein- und -ausfuhren vorgenommen hätte.

22 Damit ist die Klage der Kommission abzuweisen, ohne daß das übrige Parteivorbringen erörtert werden müsste.

Kostenentscheidung:

Kosten

23 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung trägt die unterliegende Partei auf Antrag die Kosten. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, hat sie die Kosten zu tragen. Nach Artikel 69 § 4 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streithelfer Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, die Streithelferin Französische Republik und der Streithelfer Irland tragen ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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