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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 30.01.1997
Aktenzeichen: C-178/95
Rechtsgebiete: Verordnung 1101/89/EWG, EGV


Vorschriften:

Verordnung 1101/89/EWG Art. 8 Abs. 1a
EGV Art. 173 Abs. 4
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

3 Das nationale Gericht ist an eine an den Eigentümer eines Schiffes gerichtete Entscheidung der Kommission gebunden, nach der es sich bei diesem Schiff nicht um ein von dem Sonderbeitrag zum Abwrackfonds befreites Spezialschiff im Sinne von Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe c der Verordnung Nr. 1101/89 über die Strukturbereinigung in der Binnenschiffahrt handelt, wenn der Eigentümer bei diesem Gericht eine Klage gegen die Anwendung der Entscheidung der Kommission durch die nationalen Behörden erhebt, die er auf die Rechtswidrigkeit der Entscheidung stützt, und wenn er nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist auf der Grundlage von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages eine Nichtigkeitsklage gegen diese Entscheidung erhoben hat. Andernfalls würde nämlich dem Adressaten der Entscheidung die Möglichkeit geboten, die Bestandskraft zu umgehen, die die Entscheidung haben muß, wenn die Klagefrist abgelaufen ist, die gerade der Wahrung der Rechtssicherheit dienen soll, indem sie verhindert, daß das Rechtswirkungen entfaltende Gemeinschaftshandeln wieder und wieder in Frage gestellt wird.

4 Legt ein nationales Gericht zur Vorabentscheidung Fragen vor, die, unmittelbar oder mittelbar, ausschließlich die Gültigkeit einer Entscheidung der Kommission betreffen, die für dieses Gericht bindend ist, so können diese Fragen nicht dahin verstanden werden, daß sie die Abgrenzung des Geltungsbereichs der Verordnung betreffen, auf die die Kommission ihre Entscheidung gestützt hat. Eine inhaltliche Änderung der Vorabentscheidungsfragen des nationalen Gerichts wäre nämlich mit der dem Gerichtshof durch Artikel 177 des Vertrages übertragenen Rolle ebenso unvereinbar wie mit seiner Verpflichtung, den Regierungen der Mitgliedstaaten und den Beteiligten die Möglichkeit zur Abgabe von Erklärungen zu gewährleisten, wobei zu berücksichtigen ist, daß den Beteiligten nach Artikel 20 der Satzung des Gerichtshofes nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 30. Januar 1997. - Wiljo NV gegen Belgische Staat. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Rechtbank van koophandel Antwerpen - Belgien. - Strukturbereinigung in der Binnenschiffahrt - Sonderbeitrag - Ausnahme für 'Spezialschiffe' - Entscheidung der Kommission, mit der ein Befreiungsantrag abgelehnt wird - Entscheidung, die nicht auf der Grundlage von Artikel 173 des Vertrages angefochten wurde - Berufung auf die Ungültigkeit der Entscheidung vor dem nationalen Gericht. - Rechtssache C-178/95.

Entscheidungsgründe:

1 Die Rechtbank von Koophandel Antwerpen hat mit Urteil vom 6. Juni 1995, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Juni 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag fünf Fragen nach der Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 1101/89 des Rates vom 27. April 1989 über die Strukturbereinigung in der Binnenschiffahrt (ABl. L 116, S. 25; im folgenden: Verordnung) und nach der Gültigkeit einer Entscheidung der Kommission vom 6. Mai 1993, mit der ein Antrag auf Befreiung von dem durch Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a dieser Verordnung eingeführten Sonderbeitrag zum Abwrackfonds abgelehnt wurde, zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Wiljo NV und dem belgischen Staat wegen der Zahlung dieses Sonderbeitrags an den belgischen Abwrackfonds.

3 Durch die Verordnung soll der strukturelle Kapazitätsüberhang im Bereich der Binnenschiffahrt wesentlich verringert werden. Zu diesem Zweck führte sie ein System von auf Gemeinschaftsebene koordinierten Abwrackaktionen ein, das nach ihrem Artikel 2 sowohl für Güterschiffe als auch für Schubboote gilt.

4 Nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung errichtet jeder Mitgliedstaat, dessen Wasserstrassen mit denen eines anderen Mitgliedstaats verbunden sind und dessen Flotte eine Kapazität von 100 000 t übersteigt, einen Abwrackfonds. Nach Artikel 4 Absatz 1 entrichtet der Eigentümer für jedes unter die Verordnung fallende Schiff einen Beitrag an einen dieser Fonds.

5 Um zu verhindern, daß die Ergebnisse der Abwrackaktion durch die gleichzeitige Inbetriebnahme zusätzlichen Schiffsraums zunichte gemacht werden, sieht Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung vor, daß neu gebaute Schiffe während eines bestimmten Zeitraums nur dann auf Wasserstrassen in Betrieb genommen werden dürfen, wenn der Eigentümer des neuen Schiffes ohne Abwrackprämie eine Schiffsraumtonnage abwrackt, die der Tonnage dieses Schiffes entspricht (sogenannte Regel "alt für neu"), oder wenn er zwar kein Schiff abwrackt, aber an den Abwrackfonds einen Sonderbeitrag in Höhe der Abwrackprämie entrichtet, die für eine Tonnage, die der Tonnage des neuen Schiffes entspricht, festgelegt wurde.

6 Artikel 8 Absatz 3 sieht einige Ausnahmen von dieser Regel vor. Insbesondere bestimmt Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe c:

"Die Kommission kann nach Konsultation der Mitgliedstaaten und der Binnenschiffahrtsverbände auf Gemeinschaftsebene Spezialschiffe von Absatz 1 ausnehmen."

7 In einem Vermerk vom 7. Dezember 1990 legte die Kommission allgemeine Kriterien für die Behandlung von Befreiungsanträgen gemäß Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe c der Verordnung fest. Nach diesem Vermerk können Schiffe von der Anwendung der Regel "alt für neu" ausgenommen werden, wenn sie "mit derartigen spezifischen Einrichtungen ausgerüstet sind,... daß ihre Hinzufügung an die Flotte... die Zielsetzung der Regelung nicht in Gefahr bringt".

8 Die Wiljo NV ist ein Unternehmen, dessen Tätigkeit in der Versorgung von Seeschiffen besteht.

9 Am 19. Januar 1993 stellte sie bei der Kommission einen Befreiungsantrag gemäß Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe c der Verordnung für die Inbetriebnahme eines Versorgungsschiffs mit dem Namen "mts Smaragd". In dem Antrag beschrieb sie dieses Schiff als ein Motorversorgungsschiff mit einer Tragfähigkeit von 2 500 t, einer Länge von 100 m, einer Breite von 11,40 m und einer Höhe von 4 m und erklärte, daß es ausschließlich zur Versorgung von Seeschiffen eingesetzt werde.

10 Die Kommission teilte der Wiljo NV mit einem an sie gerichteten und von einem Kommissionsmitglied unterzeichneten Schreiben vom 6. Mai 1993 mit, daß sie nach Konsultation der Vertreter der Mitgliedstaaten und der "Sachverständigengruppe - Strukturbereinigung in der Binnenschiffahrt" zu der Auffassung gelangt sei, daß das Schiff technisch für den Transport aller Arten von Flüssigladungen geeignet sei, daß es sich hinsichtlich seiner Konstruktion und seiner Ausrüstung nicht wesentlich von konventionellen Tankschiffen unterscheide und daß das Schiff aus diesem Grund zur Erhöhung der Kapazitäten der Flotte beitrage, die den in der Verordnung festgelegten Maßnahmen zur Strukturbereinigung unterliege. Daher habe sie auf der Grundlage von Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe c der Verordnung entschieden, den Befreiungsantrag abzulehnen und den für die Verwaltung des belgischen Abwrackfonds zuständigen Behörden eine Kopie dieses Schreibens zu übersenden.

11 Aufgrund dieser Entscheidung forderten die belgischen Behörden von der Wiljo NV mit Schreiben vom 1. Oktober 1993 einen Sonderbeitrag zum Abwrackfonds gemäß Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung.

12 Mit Klageschrift vom 6. April 1995 erhob die Wiljo NV gegen diese Entscheidung Klage bei der Rechtbank van Koophandel.

13 Wie aus dem Vorlageurteil hervorgeht, trägt die Wiljo NV im Rahmen dieser Klage vor, daß sie nicht zur Entrichtung des Sonderbeitrags verpflichtet sei, weil das Motortankschiff Smaragd ein Versorgungsschiff sei, das speziell für die Belieferung von Seeschiffen mit Brennstoffen ausgerüstet sei und ausschließlich zu diesem Zweck eingesetzt werde, und weil es nicht mit einem gewöhnlichen Tankschiff verglichen werden könne. Aus diesem Grund vertritt die Wiljo NV die Ansicht, daß die Entscheidung der Kommission vom 6. Mai 1993 der allgemeinen Zielsetzung der Verordnung widerspreche und keine zutreffende technische Analyse der Merkmale und der Ausrüstung des Schiffes enthalte.

14 In Anbetracht dieses Vorbringens hat die Rechtbank van Koophandel dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Erfasst der Begriff "Spezialschiffe" in Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe c der Verordnung (EWG) Nr. 1101/89 des Rates vom 27. April 1989 über die Strukturbereinigung in der Binnenschiffahrt bei Berücksichtigung der allgemeinen und besonderen Zielsetzung dieser Verordnung Schiffe, die aufgrund ihrer spezifischen Konstruktion und Ausrüstung oder aufgrund ihrer spezifischen Verwendung den Schiffsraum oder die Tonnage in der Binnenschiffahrt nicht erhöhen und die deshalb den strukturellen Kapazitätsüberhang im Güterverkehr auf dem Netz der untereinander verbundenen Binnenwasserstrassen der EG-Mitgliedstaaten nicht beeinflussen können?

2. Widerspricht das von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in ihrer Entscheidung vom 6. Mai 1993 angewandte Kriterium der "technischen Eignung für die Binnenschiffahrt", das zur Folge hat, daß auch die Schiffe, die in Wirklichkeit nicht für den Güterverkehr auf dem Netz der untereinander verbundenen Binnenwasserstrassen der EG-Mitgliedstaaten verwendet werden, der Beitragspflicht im Rahmen der "Regelung alt für neu" unterliegen, bei Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit nicht der Zielsetzung der Verordnung Nr. 1101/89 des Rates vom 27. April 1989 über die Strukturbereinigung in der Binnenschiffahrt?

3. Reicht bei Berücksichtigung der allgemeinen und besonderen Zielsetzung der Verordnung Nr. 1101/89 des Rates vom 27. April 1989 über die Strukturbereinigung in der Binnenschiffahrt eine bloß theoretische Eignung eines Schiffes für die Binnenschiffahrt in dem Sinne, daß eine solche Eignung erst nach einem umständlichen und teuren Umbau und deshalb in einer wirtschaftlich nicht realistischen Weise hergestellt werden könnte oder daß die Verwendung des Schiffes für den Güterverkehr auf den Binnenwasserstrassen deswegen wirtschaftlich völlig unrentabel wäre, weil das Schiff nicht für die Binnenschiffahrt entworfen oder ausgerüstet worden ist, für die Begründung der Beitragspflicht im Rahmen der "Regelung alt für neu" aus?

4. Kann bei Berücksichtigung der allgemeinen und besonderen Zielsetzung der Verordnung Nr. 1101/89 des Rates vom 27. April 1989 über die Strukturbereinigung in der Binnenschiffahrt die Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 6. Mai 1993 bezueglich des Motortankschiffs "Smaragd" als gültig angesehen werden, soweit sie ein Schiff, das speziell als Bunkerschiff mit der ausschließlichen Bestimmung der Versorgung von Seeschiffen mit Brennstoff entworfen, gebaut und ausgerüstet worden ist und für die Beförderung von Brennstoffprodukten auf den Binnenwasserstrassen für Dritte oder selbst für eigene Rechnung weder besonders geeignet noch bestimmt ist und deshalb den Schiffsraum oder die Tonnage in der Binnenschiffahrt nicht erhöht, der einmaligen Beitragspflicht im Rahmen der "Regelung alt für neu" unterwirft?

5. Stellt der Umstand, daß die Kommission das Kriterium der technischen Eignung anstelle der tatsächlichen Verwendung des Schiffes anwendet, nicht einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot dar, soweit aufgrund des von der Kommission angewandten Kriteriums für die Schiffe, die in Belgien, den Niederlanden, Luxemburg, Deutschland und Frankreich in Betrieb genommen werden, der Einmalbeitrag in bestimmten Fällen geschuldet wird, ohne daß das Schiff tatsächlich für die Binnenschiffahrt verwendet wird und dadurch zur Erhöhung der Tonnage in der Binnenschiffahrt beiträgt, während der Einmalbeitrag bei der Inbetriebnahme eines Schiffes in den übrigen Mitgliedstaaten nur geschuldet wird, wenn die tatsächliche Verwendung (auf dem Netz der untereinander verbundenen Binnenwasserstrassen der Gemeinschaft) dazu Veranlassung gibt?

15 Nach Ansicht der Kommission sind die Vorabentscheidungsfragen oder zumindest bestimmte von ihnen nicht zu beantworten, weil sie unmittelbar oder mittelbar die Gültigkeit ihrer Entscheidung vom 6. Mai 1993 in Frage stellten. Der Eigentümer eines für die Binnenschiffahrt bestimmten Schiffes, dessen Befreiungsantrag gemäß Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe c der Verordnung von der Kommission abgelehnt worden sei, sei aber nicht mehr berechtigt, die Gültigkeit dieser Ablehnung im Rahmen einer Klage gegen eine nationale Maßnahme zur Durchführung dieser Entscheidung in Zweifel zu ziehen, wenn die in Artikel 173 EG-Vertrag vorgesehene Frist, innerhalb deren ihre Nichtigerklärung beantragt werden könne, abgelaufen sei. Die Kommission beruft sich insbesondere auf das Urteil vom 9. März 1994 in der Rechtssache C-188/92 (TWD Textilwerke Deggendorf, Slg. 1994, I-833).

16 Die Wiljo NV hält diese Auffassung für verfehlt. Sie trägt vor, daß die Zuständigkeit für die Verwaltung des Fonds in erster Linie bei den nationalen Behörden liege und daß sie deshalb mit guten Gründen habe annehmen können, daß die Entscheidung der Kommission im Rahmen eines Verfahrens gegen diese Behörden vor den nationalen Gerichten angefochten werden könne. Diese Annahme liege um so näher, als die Kommission in ihrem Schreiben vom 6. Mai 1993 erklärt habe, daß den belgischen Behörden eine Kopie der Entscheidung übersandt werde.

17 In diesem Zusammenhang verweist die Wiljo NV auf das Urteil vom 21. Mai 1987 in den Rechtssachen 133/85, 134/85, 135/85 und 136/85 (Rau u. a., Slg. 1987, 2289), in dem der Gerichtshof für Recht erkannt habe, daß die Möglichkeit, eine direkte Klage gemäß Artikel 173 des Vertrages gegen eine Entscheidung eines Gemeinschaftsorgans zu erheben, die Klage vor einem innerstaatlichen Gericht, mit der der Rechtsakt einer innerstaatlichen Behörde zur Durchführung dieser Entscheidung unter Berufung auf deren Rechtswidrigkeit angefochten werde, nicht ausschließe.

18 Schließlich trägt die Wiljo NV vor, daß das Urteil in der Rechtssache TWD Textilwerke Deggendorf nach Ablauf der Frist für die Erhebung einer etwaigen Nichtigkeitsklage gegen die Entscheidung der Kommission vom 6. Mai 1993 verkündet worden sei.

19 Hierzu ist festzustellen, daß nach gefestigter Rechtsprechung eine Entscheidung der Gemeinschaftsorgane, die von ihrem Adressaten nicht innerhalb der Frist des Artikels 173 des Vertrages angefochten worden ist, ihm gegenüber bestandskräftig wird (vgl. insbesondere Urteile vom 17. November 1965 in der Rechtssache 20/65, Collotti/Gerichtshof, Slg. 1965, 1112, vom 12. Oktober 1978 in der Rechtssache 156/77, Kommission/Belgien, Slg. 1978, 1881, und vom 10. Juni 1993 in der Rechtssache C-183/91, Kommission/Griechenland, Slg. 1993, I-3131, Randnrn. 9 und 10). Diese Rechtsprechung beruht vor allem auf der Erwägung, daß die Klagefristen der Wahrung der Rechtssicherheit dienen sollen, indem sie verhindern, daß das Rechtswirkungen entfaltende Gemeinschaftshandeln wieder und wieder in Frage gestellt wird.

20 Auf diese Rechtsprechung, die sich auf die Adressaten einer Entscheidung wie die Wiljo NV bezieht, wurde in dem Urteil TWD Textilwerke Deggendorf hingewiesen, in dem der Gerichtshof festgestellt hat, daß der in dieser Rechtsprechung aufgestellte Grundsatz unter bestimmten Umständen auch für den Empfänger einer staatlichen Beihilfe gelten kann, die Gegenstand einer Entscheidung der Kommission war, die unmittelbar nur an den Mitgliedstaat, dem dieser Beihilfeempfänger angehört, gerichtet wurde.

21 Der Gerichtshof hat also im wesentlichen entschieden, daß der Empfänger einer Beihilfe die Ungültigkeit einer - von der Kommission an einen Mitgliedstaat gerichteten und von diesem dem Empfänger mitgeteilten - Entscheidung, mit der diesem Mitgliedstaat die Rückforderung der an diesen Empfänger gezahlten Beihilfe aufgegeben wurde, im Rahmen eines Verfahrens, das vor den nationalen Gerichten gegen die Durchführungsentscheidung der Behörden dieses Staates eingeleitet wurde, nicht geltend machen kann, wenn er es unterlassen hat, die Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission gemäß Artikel 173 des Vertrages zu beantragen, obwohl er dies zweifellos hätte tun können. Andernfalls würde nämlich dem Beihilfeempfänger die Möglichkeit geboten, die Bestandskraft, die eine Entscheidung nach Ablauf der Klagefrist des Artikels 173 gemäß dem Grundsatz der Rechtssicherheit haben muß, zu umgehen.

22 Das auf das Urteil in den Rechtssachen Rau u. a. gestützte Vorbringen hat der Gerichtshof bereits in der Rechtssache TWD Textilwerke Deggendorf (a. a. O., Randnr. 20) mit der Begründung zurückgewiesen, daß sich in diesen Rechtssachen aus dem Sitzungsbericht ergibt, daß jede der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens beim Gerichtshof eine Nichtigkeitsklage gegen die betreffende Entscheidung erhoben hatte und daß sich der Gerichtshof daher in diesem Urteil zu den mit dem Ablauf der Klagefristen verbundenen Ausschlußwirkungen nicht geäussert hat und dies auch nicht zu tun brauchte.

23 Im vorliegenden Fall steht fest, daß Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe c der Verordnung der Kommission die ausschließliche Befugnis gibt, für Spezialschiffe eine Befreiung zu erteilen, daß die Wiljo NV bei der Kommission den Antrag gestellt hat, gemäß dieser Vorschrift eine Entscheidung zu erlassen, daß die Wiljo NV nicht auf der Grundlage des Artikels 173 des Vertrages die Nichtigerklärung der an sie gerichteten Entscheidung der Kommission vom 6. Mai 1993 beantragt hat, obwohl sie dies unzweifelhaft hätte tun können, und daß sie vielmehr bei dem innerstaatlichen Gericht eine Klage erhoben hat, mit der sie sich gegen die Anwendung der Kommissionsentscheidung durch die belgischen Behörden wendet.

24 Aus alledem ergibt sich, daß das innerstaatliche Gericht gemäß dem Grundsatz der Rechtssicherheit an die Entscheidung der Kommission vom 6. Mai 1993 gebunden ist, die an die Wiljo NV gerichtet ist und nach der es sich bei dem Motortankschiff Smaragd nicht um ein Spezialschiff im Sinne von Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe c der Verordnung handelt.

25 Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob die Vorabentscheidungsfragen nur das Ziel haben, dem innerstaatlichen Gericht eine Entscheidung über die Frage der Gültigkeit der Kommissionsentscheidung vom 6. Mai 1993 zu ermöglichen, oder ob sie sich auch auf die Auslegung der Vorschriften beziehen, die den Geltungsbereich der Verordnung festlegen.

26 Hierzu trägt die Wiljo NV vor, daß zumindest die erste und die dritte Vorabentscheidungsfrage dahin zu verstehen seien, daß sie die Abgrenzung des Geltungsbereichs der Verordnung und nicht die Gültigkeit der Entscheidung der Kommission beträfen. Ein Schiff wie das Motortankschiff Smaragd falle nicht in den Geltungsbereich der Verordnung, so daß die Entscheidung, mit der die belgischen Behörden den Sonderbeitrag zum Abwrackfonds gefordert hätten, der Verordnung widerspreche. Über ein solches Vorbringen, mit dem die Rechtmässigkeit der Entscheidung der belgischen Behörden bestritten werde, müssten die nationalen Gerichte entscheiden, die dem Gerichtshof zu diesem Zweck Fragen nach der Auslegung der Verordnung zur Vorabentscheidung vorlegen könnten.

27 Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Wie der Generalanwalt in den Nummern 14 und 15 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sind alle Vorabentscheidungsfragen dahin zu verstehen, daß sie, unmittelbar oder mittelbar, ausschließlich die Gültigkeit der Entscheidung der Kommission vom 6. Mai 1993 betreffen.

28 Aus dem Vorlageurteil geht nämlich hervor, daß die Wiljo NV vor der Rechtbank van Koophandel geltend macht, daß das Motortankschiff Smaragd ausschließlich für die Versorgung von Seeschiffen verwendet werde und nicht mit einem gewöhnlichen Tankschiff verglichen werden könne, so daß die Entscheidung der Kommission mit der allgemeinen Zielsetzung der Verordnung unvereinbar sei, und daß diese Entscheidung keine zutreffende technische Analyse der Merkmale und der Ausrüstung des Schiffes enthalte. Daraus ergibt sich eindeutig, daß die Wiljo NV vor dem nationalen Gericht die Gültigkeit der Entscheidung der Kommission mit der Begründung bestreitet, daß sie gegen die Verordnung verstosse. Diese Feststellung findet eine Bestätigung in der von der Wiljo NV bei der Rechtbank van Koophandel eingereichten Klageschrift, in der sie sich ausdrücklich auf Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe c der Verordnung beruft und daraus den Schluß zieht, daß die Entscheidung der Kommission aus den oben genannten Gründen nicht als gültig angesehen werden könne.

29 Somit ist festzustellen, daß die Fragen des nationalen Gerichts, die mit den von der Wiljo NV in ihrer Klageschrift formulierten Fragen identisch sind, es diesem Gericht in Wirklichkeit ermöglichen sollen, die Stichhaltigkeit dieser Auffassung zu überprüfen und sich zur Gültigkeit der von der Kommission in ihrer Entscheidung getroffenen Feststellung zu äussern, daß das Motortankschiff Smaragd die für eine Einstufung als Spezialschiff im Sinne von Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe c erforderlichen Voraussetzungen nicht erfuelle.

30 Unter diesen Umständen wäre eine inhaltliche Änderung der Vorabentscheidungsfragen in dem von der Wiljo NV vorgeschlagenen Sinn mit der dem Gerichtshof durch Artikel 177 des Vertrages übertragenen Rolle ebenso unvereinbar wie mit seiner Verpflichtung, den Regierungen der Mitgliedstaaten und den Beteiligten die Möglichkeit zu gewährleisten, gemäß Artikel 20 der EG-Satzung des Gerichtshofes Erklärungen abzugeben, wobei zu berücksichtigen ist, daß den Beteiligten nach dieser Vorschrift nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden (vgl. insbesondere Urteil vom 1. April 1982 in den Rechtssachen 141/81, 142/81 und 143/81, Holdijk, Slg. 1982, 1299, Randnr. 6, und Beschluß vom 19. Juli 1996 in der Rechtssache C-191/96, Modesti, Slg. 1996, I-0000, Randnr. 5).

31 Somit ist auf die gestellten Fragen zu antworten, daß das nationale Gericht an eine an den Eigentümer eines Schiffes gerichtete Entscheidung der Kommission, nach der es sich bei diesem Schiff nicht um ein Spezialschiff im Sinne von Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe c der Verordnung handelt, gebunden ist, wenn der Adressat gegen diese Entscheidung nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist auf der Grundlage von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages Klage erhoben hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

32 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

auf die ihm von der Rechtbank van Koophandel Antwerpen mit Urteil vom 6. Juni 1995 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Das nationale Gericht ist an eine an den Eigentümer eines Schiffes gerichtete Entscheidung der Kommission, nach der es sich bei diesem Schiff nicht um ein Spezialschiff im Sinne von Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe c der Verordnung (EWG) Nr. 1101/89 des Rates vom 27. April 1989 über die Strukturbereinigung in der Binnenschiffahrt handelt, gebunden, wenn der Adressat gegen diese Entscheidung nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist auf der Grundlage von Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag Klage erhoben hat.

Ende der Entscheidung

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