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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 19.07.1996
Aktenzeichen: C-196/96
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, VerfO Gerichtshof


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 177
VerfO Gerichtshof Art. 92
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Eine sachdienliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts ist nur möglich, wenn das nationale Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen der gestellten Fragen umreisst oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen.

Die Angaben und Fragen in den Vorlageentscheidungen sollen nicht nur dem Gerichtshof sachdienliche Antworten ermöglichen, sondern auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit geben, gemäß Artikel 20 der Satzung des Gerichtshofes Erklärungen abzugeben.

Der Gerichtshof hat darauf zu achten, daß diese Möglichkeit gewahrt wird; dabei ist zu berücksichtigen, daß den Beteiligten nach der vorgenannten Vorschrift nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden.

Daher ist die Vorlage eines nationalen Gerichts, das lediglich Straftatbestände des nationalen Urheberrechts nennt und nur weiter ausführt, in diesem Zusammenhang stelle sich die Frage, ob das Monopol einer Gesellschaft, die zur ausschließlichen Verwertung von Urheberrechten und zur ° durch strafrechtliche Sanktionen gesicherten ° Erhebung von Gebühren befugt sei, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei, in seinem Vorlagebeschluß aber weder den tatsächlichen Kontext des Ausgangsverfahrens noch den Rahmen im nationalen Recht, noch die genauen Gründe, aus denen ihm die Auslegung des Gemeinschaftsrechts fraglich und die Vorlage von Vorabentscheidungsfragen an den Gerichtshof erforderlich erscheint, in hinreichender Weise erläutert, offensichtlich unzulässig, da sie dem Gerichtshof nicht ermöglicht, eine sachdienliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben.


Beschluss des Gerichtshofes vom 19. Juli 1996. - Strafverfahren gegen Lahlou Hassan. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Pretura circondariale di Roma - Italien. - Auslegung der Vertragsbestimmungen über den freien Warenverkehr und die Dienstleistungsfreiheit im Hinblick auf nationale Rechtsvorschriften über die Verwertung von Urheberrechten durch eine öffentlich-rechtliche Einrichtung. - Rechtssache C-196/96.

Entscheidungsgründe:

1 Die Pretura circondariale Rom, Auswärtige Abteilung in Tivoli, hat mit Beschluß vom 15. Mai 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Juni 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, um die Vereinbarkeit nationaler Vorschriften über die Verwertung von Urheberrechten mit verschiedenen Artikeln des EG-Vertrags beurteilen zu können.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Strafverfahren gegen Herrn Lahlou, dem die unbefugte Ausstrahlung von Musikwerken und die unzulässige Vervielfältigung von Magnetband- und Schallplattenaufnahmen zur Last gelegt wird.

3 Das Strafverfahren wirft nach Auffassung des nationalen Gerichts Fragen nach der Auslegung des EG-Vertrags auf. Es hat dem Gerichtshof daher folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Dürfen nationale Rechtsvorschriften, nach denen die SIÄ (Italienische Gesellschaft der Urheber und Verleger) die ausschließliche Befugnis zur Verwertung von Urheberrechten besitzt, die Einfuhr oder Ausfuhr von Tonträgern unmöglich machen oder beschränken, die in einem ausländischen Staat rechtmässig in den Vertrieb gebracht worden sind?

2. Darf die SIÄ im Rahmen des einheitlichen, durch den freien Warenverkehr und die Dienstleistungsfreiheit gekennzeichneten Binnenmarkts weiterhin in allen Fällen die Zahlung von Gebühren im Namen der Urheber fordern und diese Forderungen mittels der Strafbewehrung dieser Befugnis durchsetzen?

3. Führen die nationalen Rechtsvorschriften und die nationale Rechtsprechung, auf die sich die SIÄ in ihrem Nebenklageschriftsatz stützt, zu einer willkürlichen Diskriminierung oder verschleierten Beschränkung des Handels zwischen Italien und den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Zusammenhang mit der gewerblichen Verwertung von Urheberrechten?

4 Eine sachdienliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts ist nur möglich, wenn das nationale Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen der gestellten Fragen umreisst oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen (vgl. insbesondere Urteil vom 26. Januar 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-320/90, C-321/90 und C-322/90, Telemarsicabruzzo u. a., Slg. 1993, I-393, Randnr. 6, und Beschlüsse vom 19. März 1993 in der Rechtssache C-157/92, Banchero, Slg. 1993, I-1085, Randnr. 4, vom 23. März 1995 in der Rechtssache C-458/93, Saddik, Slg. 1995, I-511, Randnr. 12, vom 7. April 1995 in der Rechtssache C-167/94, Grau Gomis u. a., Slg. 1995, I-1023, Randnr. 8, vom 21. Dezember 1995 in der Rechtssache C-307/95, Max Mara, Slg. 1995, I-5083 und vom 20. März 1996 in der Rechtssache C-2/96, Sunino und Data, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 4).

5 Die Angaben und Fragen in den Vorlageentscheidungen sollen nicht nur dem Gerichtshof sachdienliche Antworten ermöglichen, sondern auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit geben, gemäß Artikel 20 der EG-Satzung des Gerichtshofes Erklärungen abzugeben (Beschluß in der Rechtssache Sunino und Data, a. a. O., Randnr. 5). Der Gerichtshof hat darauf zu achten, daß diese Möglichkeit gewahrt wird; dabei ist zu berücksichtigen, daß den Beteiligten nach der vorgenannten Vorschrift nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden (vgl. Urteil vom 1. April 1982 in den verbundenen Rechtssachen 141/81, 142/81 und 143/81, Holdijk u. a., Slg. 1982, 1299, Randnr. 6, und Beschlüsse in den Rechtssachen Saddik, Randnr. 13, Grau Gomis, Randnr. 10, Max Mara, Randnr. 8, und Sunino und Data, Randnr. 5, a. a. O.).

6 Der Vorlagebeschluß enthält keine diesen Anforderungen genügenden Angaben zum tatsächlichen und rechtlichen Kontext. Das vorlegende Gericht nennt lediglich Straftatbestände des italienischen Urheberrechts und führt weiter nur aus, in diesem Zusammenhang stelle sich die Frage, ob das Monopol einer Gesellschaft, die zur ausschließlichen Verwertung von Urheberrechten und zur ° durch strafrechtliche Sanktionen gesicherten ° Erhebung von Gebühren befugt sei, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei. Im übrigen erläutert es in hinreichender Weise weder den tatsächlichen Kontext des Ausgangsverfahrens noch den Rahmen im italienischen Recht, noch die genauen Gründe, aus denen ihm die Auslegung des Gemeinschaftsrechts fraglich und die Vorlage von Vorabentscheidungsfragen an den Gerichtshof erforderlich erscheint.

7 Somit erlauben es die Angaben des Vorlagebeschlusses wegen ihrer zu ungenauen Bezugnahme auf die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse, von denen das nationale Gericht ausgeht, dem Gerichtshof nicht, eine sachdienliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben.

8 Unter diesen Umständen ist bereits in diesem Stadium des Verfahrens gemäß den Artikeln 92 und 103 der Verfahrensordnung festzustellen, daß das Ersuchen des nationalen Gerichts offensichtlich unzulässig ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

9 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

beschlossen:

Das von der Pretura circondariale Rom, Auswärtige Abteilung Tivoli, mit Beschluß vom 15. Mai 1996 vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen ist unzulässig.

Luxemburg, den 19. Juli 1996

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