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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 27.09.2001
Aktenzeichen: C-235/99
Rechtsgebiete: Beschluss 94/908/EWG


Vorschriften:

Beschluss 94/908/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Artikel 45 Absatz 1 des Assoziationsabkommens Gemeinschaften-Bulgarien, der den Mitgliedstaaten verbietet, bulgarische Staatsangehörige aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminierend zu behandeln, stellt für den Geltungsbereich dieses Abkommens einen klaren und unbedingten Grundsatz auf, der vom nationalen Gericht angewandt werden und deshalb die Rechtslage von Privaten regeln kann. Die unmittelbare Wirkung, die der Bestimmung somit zukommt, bedeutet, dass bulgarische Staatsangehörige das Recht haben, sich vor den Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats auf sie zu berufen, auch wenn dieser Mitgliedstaat nach Artikel 59 Absatz 1 des Abkommens die Befugnis behält, auf diese Staatsangehörigen sein nationales Einreise-, Aufenthalts- und Niederlassungsrecht anzuwenden.

( vgl. Randnrn. 33, 39, Tenor 1 )

2. Das Niederlassungsrecht im Sinne des Artikels 45 Absatz 1 des Assoziationsabkommens Gemeinschaften-Bulgarien setzt als Nebenrechte ein Einreise- und ein Aufenthaltsrecht der bulgarischen Staatsangehörigen voraus, die gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten in einem Mitgliedstaat ausüben wollen. Jedoch ergibt sich aus Artikel 59 Absatz 1 des Abkommens, dass dieses Einreise- und Aufenthaltsrecht nicht schrankenlos gewährleistet ist, seine Ausübung gegebenenfalls vielmehr durch die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung bulgarischer Staatsangehöriger beschränkt werden kann.

( vgl. Randnr. 91, Tenor 2 )

3. Artikel 45 Absatz 1 des Assoziationsabkommens Gemeinschaften-Bulgarien, der den Mitgliedstaaten verbietet, bulgarische Staatsangehörige bei ihrer Niederlassung aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminierend zu behandeln, in Verbindung mit Artikel 59 Absatz 1 dieses Abkommens, wonach der Aufnahmemitgliedstaat sein nationales Recht über Einreise, Aufenthalt und Niederlassung anwenden darf, sofern er dies nicht in einer Weise tut, die bulgarischen Staatsangehörigen die Ausübung der ihnen in Artikel 45 Absatz 1 eingeräumten Rechte unmöglich macht oder übermäßig erschwert, steht grundsätzlich einer Regelung vorheriger Kontrolle nicht entgegen, nach der die Erteilung einer Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung durch die Zuwanderungsbehörden voraussetzt, dass der Antragsteller seine wirkliche Absicht nachweist, eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen, ohne zugleich auf eine unselbständige Beschäftigung oder öffentliche Mittel zurückzugreifen, und dass er von Anfang an über hinreichende Mittel und vernünftige Erfolgsaussichten verfügt.

( vgl. Randnrn. 56, 91, Tenor 3 )

4. Nach Artikel 59 Absatz 1 des Assoziationsabkommens Gemeinschaften-Bulgarien, wonach der Aufnahmemitgliedstaat sein nationales Recht über Einreise, Aufenthalt und Niederlassung anwenden darf, sofern er dies nicht in einer Weise tut, die bulgarischen Staatsangehörigen die Ausübung der ihnen in Artikel 45 Absatz 1 des Abkommens eingeräumten Rechte unmöglich macht oder übermäßig erschwert, dürfen die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats einen nach Artikel 45 Absatz 1 des Abkommens gestellten Antrag eines bulgarischen Staatsangehörigen mit der alleinigen Begründung zurückweisen, sein Aufenthalt in diesem Staat sei zur Zeit der Stellung des Antrags rechtswidrig gewesen, weil er bei Stellung eines ursprünglichen Antrags auf Einreise in diesen Mitgliedstaat aufgrund einer anderen Vorschrift bei den Behörden falsche Erklärungen abgegeben oder erhebliche Tatsachen nicht offen gelegt habe. Der Mitgliedstaat kann daher verlangen, dass dieser Staatsangehörige formgerecht einen auf das Abkommen gestützten neuen Niederlassungsantrag stellt, indem er ein Einreisevisum bei den zuständigen Stellen in seinem Herkunftsstaat oder gegebenenfalls in einem anderen Land beantragt, soweit diese Maßnahmen nicht verhindern, dass die Lage dieses Staatsangehörigen bei der Einreichung des neuen Antrags überprüft wird.

Im Übrigen dürfen solche Maßnahmen die Grundrechte dieses Staatsangehörigen, namentlich das Recht auf Familienleben und auf Eigentum, nicht verletzen, die der betroffene Mitgliedstaat aufgrund der völkerrechtlichen Verträge zu achten hat, denen er möglicherweise beigetreten ist.

( vgl. Randnrn. 82, 90-91, Tenor 4 )


Urteil des Gerichtshofes vom 27. September 2001. - The Queen gegen Secretary of State for the Home Department, ex parte Eleanora Ivanova Kondova. - Ersuchen um Vorabentscheidung: High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Divisional Court) - Vereinigtes Königreich. - Außenbeziehungen - Assoziationsabkommen EG-Bulgarien - Niederlassungsfreiheit - Durch Täuschung erlangte Einreisegenehmigung - Verpflichtung eines Mitgliedstaats zum Ersatz des Schadens, der einem Einzelnen entstanden ist, der auf der Grundlage des Assoziationsabkommens ein unmittelbar anwendbares Niederlassungsrecht geltend macht. - Rechtssache C-235/99.

Parteien:

In der Rechtssache C-235/99

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Divisional Court), (Vereinigtes Königreich) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

The Queen

gegen

Secretary of State for the Home Department,

ex parte:

Eleanora Ivanova Kondova,

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 45 und 59 des Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Bulgarien andererseits, im Namen der Gemeinschaft geschlossen und genehmigt durch den Beschluss 94/908/EG, EGKS, Euratom des Rates und der Kommission vom 19. Dezember 1994 (ABl. L 358, S. 1),

erlässt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten C. Gulmann, A. La Pergola (Berichterstatter), M. Wathelet und V. Skouris, der Richter D. A. O. Edward, J.-P. Puissochet, P. Jann, L. Sevón und R. Schintgen sowie der Richterin F. Macken,

Generalanwalt: S. Alber

Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der Klägerin Kondova, vertreten durch T. Eicke, Barrister, im Auftrag von J. Coker, Solicitor,

- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch M. Ewing als Bevollmächtigte im Beistand von E. Sharpston, QC,

- der belgischen Regierung, vertreten durch A. Snoecx als Bevollmächtigte,

- der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing und C.-D. Quassowski als Bevollmächtigte,

- der spanischen Regierung, vertreten durch S. Ortiz Vaamonde als Bevollmächtigten,

- der französischen Regierung, vertreten durch K. Rispal-Bellanger und A. Lercher als Bevollmächtigte,

- der irischen Regierung, vertreten durch M. A. Buckley als Bevollmächtigten im Beistand von A. Barron und E. Barrington, BL,

- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. A. Fierstra als Bevollmächtigten,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Benyon, M.-J. Jonczy und N. Yerrell als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Klägerin Kondova, vertreten durch T. Eicke, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch G. Amodeo als Bevollmächtigte im Beistand von E. Sharpston und S. Kovats, Barrister, der deutschen Regierung, vertreten durch C.-D. Quassowski, der griechischen Regierung, vertreten durch G. Karipsiadis und T. Papadopoulou als Bevollmächtigte, der spanischen Regierung, vertreten durch N. Díaz Abad als Bevollmächtigte, der französischen Regierung, vertreten durch A. Lercher, der irischen Regierung, vertreten durch E. Barrington, der italienischen Regierung, vertreten durch F. Quadri, avvocato dello Stato, der niederländischen Regierung, vertreten durch M. A. Fierstra, der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Hesse als Bevollmächtigten, und der Kommission, vertreten durch F. Benyon, M.-J. Jonczy und N. Yerrell, in der Sitzung vom 13. Juni 2000,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. September 2000,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Der High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Divisional Court), hat mit Beschluss vom 18. Dezember 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Juni 1999, gemäß Artikel 234 EG fünf Fragen nach der Auslegung der Artikel 45 und 59 des Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Bulgarien andererseits, im Namen der Gemeinschaft geschlossen und genehmigt durch den Beschluss 94/908/EG, EGKS, Euratom des Rates und der Kommission vom 19. Dezember 1994 (ABl. L 358, S. 1; Europa-Abkommen) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Klägerin Kondova, einer bulgarischen Staatsangehörigen, und dem Secretary of State for the Home Department (Secretary of State oder Beklagter) über dessen Entscheidung, der Klägerin keine Aufenthaltsgenehmigung für das Vereinigte Königreich zu erteilen.

Das Europa-Abkommen

3 Das Europa-Abkommen wurde am 8. März 1993 in Brüssel unterzeichnet und trat gemäß seinem Artikel 124 Absatz 2 am 1. Februar 1995 in Kraft.

4 Nach Artikel 1 Absatz 2 des Europa-Abkommens ist es u. a. dessen Ziel, einen geeigneten Rahmen für den politischen Dialog zwischen den Vertragsparteien zu schaffen, der die Entwicklung enger politischer Beziehungen ermöglicht, die Ausweitung des Handels und ausgewogene Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien zu fördern und so die dynamische wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand in Bulgarien zu begünstigen, sowie einen geeigneten Rahmen für die schrittweise Integration Bulgariens in die Gemeinschaft zu bieten, da Bulgarien nach der siebzehnten Begründungserwägung des Europa-Abkommens letztlich die Mitgliedschaft in die Gemeinschaft anstrebt.

5 Die für das Ausgangsverfahren einschlägigen Bestimmungen des Europa-Abkommens finden sich in Titel IV - Freizügigkeit der Arbeitnehmer, Niederlassungsrecht, Dienstleistungsverkehr.

6 Artikel 38 Absatz 1 des Europa-Abkommens in Titel IV Kapitel I - Freizügigkeit der Arbeitnehmer - lautet wie folgt:

Vorbehaltlich der in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Bedingungen und Modalitäten

- wird den Arbeitnehmern bulgarischer Staatsangehörigkeit, die im Gebiet eines Mitgliedstaats rechtmäßig beschäftigt sind, eine Behandlung gewährt, die hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, der Entlohnung oder der Entlassung keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Benachteiligung gegenüber den eigenen Staatsangehörigen bewirkt;

- haben die rechtmäßig im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnhaften Ehegatten und Kinder der dort rechtmäßig beschäftigten Arbeitnehmer während der Geltungsdauer der Arbeitserlaubnis dieser Arbeitnehmer Zugang zum Arbeitsmarkt dieses Mitgliedstaats; eine Ausnahme bilden Saisonarbeitnehmer und Arbeitnehmer, die unter bilaterale Abkommen im Sinne von Artikel 42 fallen, sofern diese Abkommen nichts anderes bestimmen."

7 Artikel 45 des Europa-Abkommens in Titel IV Kapitel II - Niederlassungsrecht - bestimmt:

Die Mitgliedstaaten gewähren vom Inkrafttreten dieses Abkommens an für die Niederlassung bulgarischer Gesellschaften und Staatsangehöriger und für die Geschäftstätigkeit der in ihrem Gebiet niedergelassenen bulgarischen Gesellschaften und Staatsangehörigen eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die Behandlung ihrer eigenen Gesellschaften und Staatsangehörigen, mit Ausnahme der in Anhang XVa aufgeführten Bereiche.

...

(5) Im Sinne dieses Abkommens

a) bedeutet ,Niederlassung

i) im Falle der Staatsangehörigen das Recht auf Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie auf Gründung und Leitung von Unternehmen, insbesondere von Gesellschaften, die sie tatsächlich kontrollieren. Die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit und einer Geschäftstätigkeit umfasst nicht die Suche oder Annahme einer Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt der anderen Vertragspartei und verleiht nicht das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt der anderen Vertragspartei. Die Bestimmungen dieses Artikels gelten nicht für diejenigen, die nicht ausschließlich eine selbständige Tätigkeit ausüben;

...

c) umfassen ,Erwerbstätigkeiten insbesondere gewerbliche Tätigkeiten, kaufmännische Tätigkeiten, handwerkliche Tätigkeiten und freiberufliche Tätigkeiten.

..."

8 Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens in Titel IV Kapitel IV - Allgemeine Bestimmungen - bestimmt:

Für die Zwecke des Titels IV werden die Vertragsparteien durch keine Bestimmung dieses Abkommens daran gehindert, ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Einreise und Aufenthalt, Beschäftigung, Beschäftigungsbedingungen, Niederlassung von natürlichen Personen und Erbringung von Dienstleistungen anzuwenden, sofern sie dies nicht in einer Weise tun, durch die die Vorteile, die einer Vertragspartei aus einer Bestimmung des Abkommens erwachsen, zunichte gemacht oder verringert werden."

Nationales Recht

9 Das für das Ausgangsverfahren einschlägige Recht findet sich im Wesentlichen in den United Kingdom Immigration Rules (House of Commons Paper 395) (vom Parlament des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland 1994 angenommene Regeln über die Zuwanderung; Immigration Rules oder HC 395) in ihrer entscheidungserheblichen Fassung. Die Immigration Rules regeln die Einreise in das Vereinigte Königreich und den Aufenthalt dort.

10 Die Immigration Rules sollen das Recht des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland den Bestimmungen über das Niederlassungsrecht im Europa-Abkommen sowie in den anderen Europa-Abkommen über die Gründung von Assoziationen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und den Ländern Mittel- und Osteuropas andererseits anpassen.

11 Teil 6 der Immigration Rules - Personen, die die Einreise in das Vereinigte Königreich oder den Aufenthalt dort als Geschäftsleute, Selbständige, Investoren, Schriftsteller, Komponisten oder Künstler beantragen - enthält Bestimmungen über die Behandlung von Anträgen von Personen, die nach Bestimmungen eines Europa-Abkommens eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben wollen". Die §§ 217 und 219, die sich in diesem Teil unter dem Titel Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung, um weiterhin nach einem Europa-Abkommen eine Erwerbstätigkeit auszuüben" finden, lauten wie folgt:

§ 217

Voraussetzung für eine Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung, um weiterhin im Vereinigten Königreich eine Erwerbstätigkeit auszuüben, ist der Nachweis, dass

(i) der Antragsteller im Vereinigten Königreich eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt;

(ii) sein Anteil am Gewinn des Betriebs ausreicht, um seinen und den Lebensunterhalt Unterhaltsberechtigter einschließlich der Wohnung ohne Rückgriff auf nicht selbständige Arbeit oder öffentliche Mittel zu bestreiten;

(ii) er seine Erwerbstätigkeit nicht durch die Aufnahme oder die Suche nach anderer Arbeit im Vereinigten Königreich als seine Arbeit für den Betrieb ergänzt oder ergänzen wird;

(iv) zudem die Voraussetzungen von... § 219 erfuellt.

...

§ 219

Hat sich jemand als Alleinunternehmer oder Teilhaber einer Personengesellschaft im Vereinigten Königreich niedergelassen, so muss er zusätzlich zu den Erfordernissen nach § 217 nachweisen:

(i) dass er... bulgarischer Staatsangehöriger ist;

(ii) dass er am Handel oder an Dienstleistungen auf eigene Rechnung oder als Gesellschafter im Vereinigten Königreich aktiv beteiligt ist;

(iii) dass er, gegebenenfalls zusammen mit anderen Gesellschaftern, Eigentümer des Betriebs ist;

(iv) im Fall einer Gesellschaft, dass sein Anteil an dem Betrieb keine verschleierte Anstellung darstellt;

(v) ferner hat er die derzeitige finanzielle Lage in Form einer geprüften Rechnungslegung für den Betrieb darzulegen."

12 § 322 HC 395 gehört zu Teil 9 - Allgemeine Gründe für die Ablehnung einer Einreise- oder Aufenthaltsgenehmigung für das Vereinigte Königreich oder der Änderung einer solchen Genehmigung; er lautet:

Die folgenden Bestimmungen gelten für die Ablehnung eines Antrags auf Änderung einer Einreise- oder Aufenthaltsgenehmigung oder gegebenenfalls für deren Verkürzung:

...

Gründe, aus denen ein Antrag auf Änderung einer Einreise- oder Aufenthaltsgenehmigung regelmäßig abgelehnt werden sollte:

(2) Abgabe falscher Erklärungen oder unterbliebene Offenlegung eines wesentlichen Umstands, um eine Einreisegenehmigung oder eine frühere Änderung der Genehmigung zu erhalten;

..."

13 Wer eine befristete Aufenthaltsgenehmigung erhalten hat und über die erlaubte Zeit hinaus im Vereinigten Königreich verbleibt, macht sich nach Section 24(1)(b) des Immigration Act 1971 strafbar und kann nach Section 3(5) ausgewiesen werden.

14 Die Abgabe falscher Erklärungen in Beantwortung von Fragen eines Zuwanderungsbeamten (Immigration Officer) kann nach Section 26(1)(c) des Immigration Act 1971 mit Geldstrafe und Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit einer dieser Strafen bestraft werden.

Das Ausgangsverfahren

15 Nach dem Vorlagebeschluss ist die Klägerin, eine Studentin der Tierheilkunde, am 17. Juli 1993 im Vereinigten Königreich eingetroffen. Am 8. Juni 1993 hatte sie in Bulgarien eine Einreiseerlaubnis (entry clearance) in Form eines Visums für die einmalige Einreise in das Vereinigte Königreich erhalten, um vom 7. Juli 1993 bis zum 7. August 1993 im Friday Bridge International Farm Camp zu arbeiten. In ihrem Visumsantrag hatte sie angegeben, sie wolle drei Monate als Landarbeiterin im Vereinigten Königreich bleiben; diese Angaben hat sie bei der Anhörung durch den Zuwanderungsbeamten bestätigt.

16 Am 23. Juli 1993 beantragte die Klägerin politisches Asyl. Dieser Antrag wurde am 19. April 1994 vom Immigration and Nationality Directorate (IND) abgelehnt. Hiergegen legte die Klägerin Beschwerde zum Special Adjudicator ein. Gemäß dem nationalen Zuwanderungsrecht wurde nach Ablauf ihrer ursprünglichen Einreiseerlaubnis bis zur Entscheidung über die Beschwerde nichts gegen sie unternommen. Die Beschwerde wurde am 24. Februar 1995 zurückgewiesen; den Antrag der Klägerin auf Zulassung eines Rechtsbehelfs lehnte das Immigration Appeal Tribunal am 14. März 1995 ab.

17 Am 25. April 1995 teilte das IND den Anwälten der Klägerin schriftlich mit, nachdem ihre Rechtsbehelfe abgewiesen worden seien, gebe es keine Grundlage für ihren Aufenthalt im Vereinigten Königreich mehr; sie müsse sofort ausreisen. Das tat sie nicht. Am 25. Juli 1995 heiratete sie Armen Moothien, einen Bürger von Mauritius, der auf der Grundlage einer früheren Ehe, die geschiedenen worden war, eine unbeschränkte Aufenthaltsgenehmigung für das Vereinigte Königreich hatte. Am 2. August 1995 beantragte die Klägerin beim Secretary of State eine Aufenthaltsgenehmigung für das Vereinigte Königreich auf der Grundlage dieser Ehe.

18 Die Klägerin räumte bei einer Anhörung ein, ihre wahre Absicht bei der Einreise in das Vereinigte Königreich sei es gewesen, Asyl zu beantragen; sie hatte daher sowohl den Konsularbeamten, der ihr in Bulgarien ein Visum erteilt hatte, als auch den Zuwanderungsbeamten, der sie bei ihrer Ankunft anhörte, absichtlich getäuscht. Aufgrund dessen kam der Secretary of State zu dem Ergebnis, die Klägerin sei rechtswidrig in das Vereinigte Königreich eingereist. Daher wurde ihr am 9. November 1995 eine Notice to an Illegal Entrant" (Vermerk für jemanden, der rechtswidrig eingereist ist) zugestellt und ihr als Alternative zu ihrer sofortigen Inhaftierung eine vorübergehende Erlaubnis" bis zu ihrer Abschiebung aus dem Vereinigten Königreich unter dem Vorbehalt erteilt, dass sie sich regelmäßig melde.

19 Am 2. Januar 1996 nahm die Klägerin eine Tätigkeit als selbständige Reinigungsfrau auf.

20 Mit Schreiben vom 4. April 1996 beantragte die Klägerin eine Aufenthaltsgenehmigung im Vereinigten Königreich auf der Grundlage des Europa-Abkommens. Sie machte geltend, sie habe sich als Selbständige für allgemeine Haushaltsdienstleistungen niederlassen; ihr Ehemann habe eine Anstellung gefunden und sich verpflichtet, seine Frau nach Kräften zu unterstützen, bis ihre Erwerbstätigkeit einen hinreichenden Gewinn abwerfe. Die Klägerin legte eine Schätzung monatlicher Einnahmen und Ausgaben, eine Bestätigung ihrer Finanzmittel und ein Schreiben bei, in dem bestätigt wurde, dass die Klägerin ausschließlich als Selbständige tätig sein werde. Am 11. Juli 1996 zog die Klägerin ihren früheren Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung im Vereinigten Königreich auf der Grundlage ihrer Ehe zurück.

21 Den Antrag vom 4. April 1996 lehnte der Beklagte nach § 217 (ii) HC 395 am 24. Juli 1996 mit der Begründung ab, er sei nicht überzeugt, dass der Gewinn, den die Klägerin aus ihrer beabsichtigten Tätigkeit ziehen werde, ausreichen werde, um ihren Lebensunterhalt ohne Rückgriff auf nicht selbständige Arbeit oder öffentliche Mittel zu bestreiten. Am 26. Juli 1996 ordnete er an, die Klägerin wegen ihrer rechtswidrigen Einreise aus dem Vereinigten Königreich abzuschieben.

22 Am 10. September 1996 wurde die Klägerin festgenommen und im Polizeirevier mit der Absicht inhaftiert, sie abzuschieben. Vor dem vorlegenden Gericht legte der Secretary of State dar, nach nationalem Recht werde eine Person, die rechtswidrig eingereist sei, manchmal zum Zwecke ihrer Abschiebung aus dem Vereinigten Königreich inhaftiert. Die Einreisegeschichte der Klägerin, ihr erfolgloser Asylantrag und ihr Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung, der auf eine zweifelhafte Ehe gestützt gewesen sei, gäben ernstlichen Grund zu der Annahme, dass die Klägerin ihrer Ausreisepflicht nicht nachkommen würde.

23 Am 24. September 1996 beantragte die Klägerin Zulassung einer Klage gegen die Entscheidung des Secretary of State, ihr keine Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen. Am 10. Oktober 1996, einen Monat nach ihrer Festnahme, wurde sie freigelassen.

24 Mit Schreiben vom 23. Oktober 1996 legte der Secretary of State erneut die Berechnung des Gewinns dar, auf den die Ablehnung des Antrags der Klägerin gestützt worden war. Zugleich forderte er sie auf, eine realistische Prognose zu liefern, die zeige, dass ihre Tätigkeit langfristig hinreichenden Gewinn abwerfen werde, um ihre Ausgaben zu decken. Es sei akzeptabel, dass das Einkommen der Klägerin kurzfristig von Mitteln ihres Ehemannes ergänzt werde.

25 In einer neuen Berechnung der langfristigen Gewinnträchtigkeit ihrer Tätigkeit in einem Schreiben vom 4. November 1996 setzte die Klägerin dieselben Stundensätze und dieselben Ausgaben an, die sie dem Beklagten am 4. Juli 1996 unterbreitet hatte. Da jedoch eine andere Wochenarbeitszeit der Klägerin zugrunde gelegt wurde, führte die neue Berechnung zu dem Ergebnis, dass ihre Tätigkeit gewinnträchtig sei.

26 Mit Schreiben vom 3. Dezember 1996 teilte der Secretary of State der Klägerin mit, im Licht der neuen Rentabilitätsberechnung ihrer Tätigkeit werde er sein Ermessen dahin gebrauchen, ihr ungeachtet ihrer rechtswidrigen Einreise in das Vereinigte Königreich aufgrund des Europa-Abkommens eine Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen. Zugleich forderte er sie auf, ihren Antrag auf Zulassung der Klage zurückzuziehen. Die Klägerin wollte jedoch ihre Rechtsstellung insbesondere im Hinblick auf den offenen Schadensersatzanspruch schützen. Sie stellte deshalb mit Schreiben vom 15. Januar 1997 eine Reihe von Bedingungen, unter denen sie ihren Antrag zurückziehen würde.

27 Mit Schreiben vom 21. Januar 1997 teilte der Secretary of State mit, er nehme diese Bedingungen nicht an.

28 Dem Antrag der Klägerin auf Zulassung der Klage, der im Anschluss an die Entscheidung des Secretary of State vom 3. Dezember 1996 geändert worden war, wurde am 22. Januar 1997 stattgegeben. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin einerseits die Feststellung, dass sie während des gesamten streitigen Zeitraums Anspruch auf eine Aufenthaltsgenehmigung für das Vereinigte Königreich hatte, um dort ihr Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht nach dem Europa-Abkommen auszuüben, und dass die ursprünglichen Entscheidungen des Secretary of State wegen Verletzung dieses Rechts rechtswidrig gewesen seien, und andererseits Ersatz des Schadens, der ihr aus der unterbliebenen Anerkennung ihres unmittelbar aus dem Europa-Abkommen fließenden Rechts sowie aus ihrer rechtswidrigen Haft erwachsen sei.

Die Vorabentscheidungsfragen

29 Der High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Divisional Court), hielt für die Entscheidung des Rechtsstreits die Auslegung des Europa-Abkommens für erforderlich. Er hat dem Gerichtshof die folgenden fünf Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Räumt Artikel 45 des Europa-Abkommens... einem bulgarischen Staatsangehörigen, dessen Aufenthalt in dem Mitgliedstaat nach nationalem Zuwanderungsrecht rechtswidrig ist, ein Niederlassungsrecht ein?

2. Bejahendenfalls: Hat Artikel 45 des Abkommens in der nationalen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten ungeachtet des Artikels 59 des Abkommens unmittelbare Wirkung?

3. Bejahendenfalls:

i) Inwieweit kann ein Mitgliedstaat Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Einreise und Aufenthalt, Beschäftigung, Beschäftigungsbedingungen, Niederlassung von natürlichen Personen und Erbringung von Dienstleistungen auf Personen anwenden, die sich auf Artikel 45 des Abkommens berufen, ohne den Vorbehalt im vorletzten Satz des Artikels 59 Absatz 1 des Abkommens und u. a. den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu verletzen?

ii) Unter welchen Umständen gestattet Artikel 59 (falls überhaupt), einen Antrag nach Artikel 45 des Abkommens abzulehnen, wenn die ursprüngliche Einreise des Antragstellers in den Mitgliedstaat aus sonstigen Gründen rechtswidrig war?

4. Falls die zweite Frage bejaht wird: Erlaubt Artikel 45 und/oder Artikel 59 des Abkommens die Anwendung einer nationalen Vorschrift, nach der die zuständigen nationalen Behörden von einem bulgarischen Staatsangehörigen, der seine Rechte als Selbständiger ausüben möchte, den Nachweis verlangen können,

a) dass sein Anteil an den Einnahmen aus einer Tätigkeit (unter Ausschluss aller anderen Mittel) ausreichend sein wird, um seinen Lebensunterhalt und den etwaiger Unterhaltsberechtigter ohne Rückgriff auf eine unselbständige Beschäftigung oder öffentliche Mittel zu bestreiten, und

b) dass er, bis ihm seine Tätigkeit ein solches Einkommen (unter Ausschluss aller sonstigen Mittel) liefert, ohne Rückgriff auf unselbständige Beschäftigung oder öffentliche Mittel hinreichende zusätzliche Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts und desjenigen etwaiger Unterhaltsberechtigter haben wird?

5. Wird auf die vorherigen Fragen geantwortet, dass ein bulgarischer Staatsangehöriger, der rechtswidrig eingereist ist, sich auf unmittelbar wirksame Niederlassungsrechte nach dem Abkommen berufen kann:

a) welche Umstände sollte das nationale Gericht nach einem solchen Abkommen bei der Entscheidung in Rechnung stellen, ob eine Verletzung der unmittelbar wirksamen Rechte des Antragstellers durch die zuständigen Behörden hinreichend schwer war, damit ein Schadensersatzanspruch gegen den betroffenen Mitgliedstaat erwächst; insbesondere

b) stellte das Vorgehen der zuständigen nationalen Behörden beim seinerzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts (d. h. als die Entscheidungen vom August/September 1996, den Antrag der Klägerin auf Aufenthaltsgenehmigung als Selbständige abzulehnen und/oder die Entscheidung, die Klägerin festzunehmen, getroffen wurden) eine schwere und offenkundige Verletzung" einer höherrangigen Rechtsnorm dar?

Die zweite Frage

30 Die zweite Frage ist zunächst zu erörtern. Sie geht dahin, ob sich ein Einzelner vor dem Gericht eines Mitgliedstaats auf Artikel 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens berufen kann, obwohl die Behörden des Aufnahmestaats nach Artikel 59 Absatz 1 des Abkommens die Befugnis behalten, auf den bulgarischen Staatsangehörigen, der sich auf Artikel 45 beruft, ihre Rechtsvorschriften über Einreise, Aufenthalt und Beschäftigung anzuwenden.

31 Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Bestimmung eines von der Gemeinschaft mit Drittländern geschlossenen Abkommens unmittelbar anwendbar, wenn sie unter Berücksichtigung ihres Wortlauts und im Hinblick auf Zweck und Wesen des Abkommens eine klare und eindeutige Verpflichtung enthält, deren Erfuellung oder deren Wirkungen nicht vom Erlass eines weiteren Akts abhängen (vgl. insbesondere Urteil vom 4. Mai 1999 in der Rechtssache C-262/96, Sürül, Slg. 1999, I-2685, Randnr. 60).

32 Es ist zunächst zu prüfen, ob Artikel 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens nach seinem Wortlaut diese Kriterien erfuellt.

33 Die Bestimmung verbietet den Mitgliedstaaten klar, eindeutig und unbedingt, bulgarische Staatsangehörige, die auf ihrem Gebiet als Selbständige oder als Gründer oder Geschäftsführer von Firmen tätig sind, die sie tatsächlich kontrollieren, aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminierend zu behandeln.

34 Dieses Gleichbehandlungsgebot begründet eine Verpflichtung zur Erreichung eines ganz bestimmten Ergebnisses und ist seinem Wesen nach geeignet, vom Einzelnen vor einem nationalen Gericht zur Stützung des Begehrens geltend gemacht zu werden, diskriminierende Vorschriften des Rechts eines Mitgliedstaats unangewendet zu lassen, die die Niederlassung eines bulgarischen Staatsangehörigen von einer Voraussetzung abhängig macht, die für Inländer nicht gilt; des Erlasses ergänzender Durchführungsvorschriften bedarf es insoweit nicht (in diesem Sinne Urteil Sürül, Randnr. 63).

35 Auch Zweck und Wesen des Europa-Abkommens stehen der Feststellung, dass das Gleichbehandlungsgebot des Artikels 45 Absatz 1 für Einzelne unmittelbar gilt, nicht entgegen.

36 Nach der siebzehnten Begründungserwägung sowie nach Artikel 1 Absatz 2 des Europa-Abkommens hat dieses zum Ziel, eine Assoziation zu schaffen, die die Ausweitung des Handels und ausgewogene Wirtschaftsbedingungen zwischen den Vertragsparteien fördern und so die dynamische wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand in Bulgarien begünstigen soll, um seinen Beitritt zur Gemeinschaft zu erleichtern.

37 Zudem schließt der Umstand, dass mit dem Abkommen im Wesentlichen die wirtschaftliche Entwicklung Bulgariens gefördert werden soll und deshalb ein Ungleichgewicht zwischen den jeweiligen Verpflichtungen der Gemeinschaft und des betreffenden Drittlands besteht, nicht aus, dass die Gemeinschaft die unmittelbare Wirkung einiger seiner Bestimmungen anerkennt (in diesem Sinne Urteil Sürül, Randnr. 72).

38 Auch Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens steht der Feststellung nicht entgegen, dass Artikel 45 Absatz 1 unmittelbar anwendbar ist. Aus Artikel 59 Absatz 1 ergibt sich nur, dass die Mitgliedstaaten die Befugnis behalten, im Rahmen des Europa-Abkommens ihr nationales Einreise-, Aufenthalts- und Niederlassungsrecht anzuwenden. Artikel 59 Absatz 1 betrifft daher nicht die Durchführung der Bestimmungen des Europa-Abkommens über die Niederlassung durch die Mitgliedstaaten und macht die Durchführung oder die Wirkungen des Gleichbehandlungsgebots des Artikels 45 Absatz 1 nicht vom Erlass zusätzlicher nationaler Maßnahmen abhängig.

39 Auf die zweite Frage ist somit zu antworten, dass Artikel 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens für dessen Geltungsbereich einen klaren und unbedingten Grundsatz aufstellt, der vom nationalen Gericht angewandt werden und deshalb die Rechtslage von Privaten regeln kann. Die unmittelbare Wirkung, die der Bestimmung somit zukommt, bedeutet, dass bulgarische Staatsangehörige das Recht haben, sich vor den Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats auf sie zu berufen, auch wenn dieser Mitgliedstaat nach Artikel 59 Absatz 1 des Abkommens die Befugnis behält, auf diese Staatsangehörigen sein nationales Einreise-, Aufenthalts- und Niederlassungsrecht anzuwenden.

Die Fragen eins, drei und vier

40 Die Fragen eins, drei und vier sind gemeinsam zu erörtern. Sie gehen dahin, ob Artikel 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens angesichts des Artikels 59 Absatz 1 geeignet ist, einem bulgarischen Staatsangehörigen ein Niederlassungsrecht und ein dementsprechendes Aufenthaltsrecht in dem Mitgliedstaat zu verleihen, in dem er sich unter Verstoß gegen das nationale Zuwanderungsrecht aufhält und als Selbständiger einer Geschäftstätigkeit nachgeht, wenn dieser Verstoß zu einer Zeit erfolgt ist, zu der er noch kein Niederlassungsrecht auf der Grundlage des Artikels 45 Absatz 1 hatte. Gefragt wird insbesondere, ob es mit den genannten Bestimmungen des Europa-Abkommens vereinbar ist, dass das Recht des fraglichen Mitgliedstaats die Ausübung des Niederlassungsrechts durch bulgarische Staatsangehörige davon abhängig macht, dass diese aus einer selbständigen Tätigkeit ohne Rückgriff auf unselbstständige Beschäftigung oder öffentliche Mittel hinreichende Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts ziehen.

41 Im Interesse einer sachdienlichen Antwort auf diese Fragen ist zu prüfen, inwieweit der Aufnahmemitgliedstaat ohne Verstoß gegen die Klausel am Ende des Artikels 59 Absatz 1 Satz 1 des Europa-Abkommens sein Einreise-, Aufenthalts- und Niederlassungsrecht auf bulgarische Staatsangehörige anwenden kann, die sich auf Artikel 45 Absatz 1 des Abkommens berufen.

42 Nach Artikel 45 Absatz 5 Buchstaben a und c des Europa-Abkommens betrifft das Diskriminierungsverbot in Artikel 45 Absatz 1 das Recht auf Zugang zu gewerblichen Tätigkeiten, kaufmännischen Tätigkeiten, handwerklichen Tätigkeiten und freiberuflichen Tätigkeiten, ferner das Recht, sie als Selbständiger auszuüben, sowie das Recht, Firmen zu gründen und zu leiten.

43 Das Recht eines bulgarischen Staatsangehörigen auf Zugang zu Erwerbstätigkeiten, die unabhängig vom Arbeitsmarkt sind, setzt voraus, dass er ein Einreise- und Aufenthaltsrecht im Aufnahmestaat hat. Daher ist die Bedeutung des Artikels 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens zu erörtern.

Die Bedeutung des Artikels 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens und die allfällige Erstreckung der Auslegung des Artikels 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG) auf diese Bestimmung

44 Die Klägerin bringt vor, das Recht, das sie auf der Grundlage des Artikels 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens geltend mache, entspreche dem Niederlassungsrecht des Artikels 52 EG-Vertrag. Dass in Artikel 52 EG-Vertrag ein Aufenthaltsrecht nicht erwähnt werde, habe den Gerichtshof nicht an der Auffassung gehindert, diese Bestimmung verleihe den Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats unabhängig von der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung durch den Aufnahmestaat unmittelbar das Recht auf Einreise in diesen und auf Aufenthalt dort (Urteil vom 8. April 1976 in der Rechtssache 48/75, Royer, Slg. 1976, 497, Randnrn. 31 f.).

45 Einem bulgarischen Staatsangehörigen stuenden die Rechte auf Niederlassung und Aufenthalt, die Artikel 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens indirekt verleihe, immer dann zu, wenn seine Erwerbstätigkeiten echt und nachprüfbar seien. Die angefochtenen Entscheidungen des Secretary of State belegten, dass die Erwerbstätigkeiten der Klägerin nicht nur unbedeutend oder nebensächlich gewesen seien.

46 Freilich unterlägen die fraglichen Rechte der Begrenzung nach Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens. Bestimmungen über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von natürlichen Personen dürften die Mitgliedstaaten jedoch nur erlassen, wenn diese Rechte nicht unvernünftig und übermäßig eingeschränkt würden. Eine Auslegung, nach der die Ausübung des Rechts auf diskriminierungsfreie Niederlassung in einem Mitgliedstaat im unbeschränkten Ermessen dieses Staates läge, würde dem Kapitel des Europa-Abkommens über das Niederlassungsrecht jede Bedeutung nehmen.

47 Da die Angehörigen des Vereinigten Königreichs nach dessen Recht nicht zeigen müssten, dass sie hinreichende Mittel besäßen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, bevor sie eine selbständige Tätigkeit ausüben dürften, stelle es einen Verstoß gegen das unmittelbar anwendbare Niederlassungsrecht bulgarischer Staatsangehöriger dar, von ihnen einen solchen Nachweis zu verlangen.

48 Daher würden die in Artikel 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens anerkannten Rechte bereits dadurch ihrer Wirkung beraubt, dass der Aufnahmemitgliedstaat nationales Zuwanderungsrecht anwende, das von bulgarischen Staatsangehörigen eine Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung verlange.

49 Dem halten die Regierung des Vereinigten Königreichs, die anderen Regierungen, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, und die Kommission entgegen, dass die Artikel 45 Absatz 1 und 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens nach dessen Sinn und Zweck im Zusammenhang gesehen werden müssten. Da Artikel 38 des Europa-Abkommens kein Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats vorsehe, sei eine nationale Überwachungsregelung, die auf der Pflicht zur Erlangung einer vorherigen Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung beruhe, erforderlich, um zu verhindern, dass sich bulgarische Staatsangehörige auf die Bestimmungen über das Niederlassungsrecht in diesem Abkommen beriefen, die in Wirklichkeit auf diesem Weg als Arbeitnehmer Zugang zum Arbeitsmarkt gewinnen wollten.

50 Nach ständiger Rechtsprechung zur Auslegung der Bestimmungen des EG-Vertrags wie des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (ABl. 1964, 217, S. 3687) setzt das Recht auf Inländerbehandlung bei der Niederlassung, das Artikel 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens in einer Weise beschreibt, die derjenigen des Artikels 52 EG-Vertrag ähnlich oder analog ist, als Nebenrecht zum Niederlassungsrecht der bulgarischen Staatsangehörigen, die gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten in einem Mitgliedstaat ausüben wollen, durchaus ein Einreise- und Aufenthaltsrecht voraus (siehe Urteile Royer, Randnrn. 31 f., und vom 11. Mai 2000 in der Rechtssache C-37/98, Savas, Slg. 2000, I-2927, Randnrn. 60 und 63).

51 Andererseits genügt eine schlicht ähnliche Fassung einer Bestimmung eines Gründungsvertrags der Gemeinschaften und eines völkerrechtlichen Vertrags zwischen der Gemeinschaft und einem Drittland nicht, um der Bestimmung des völkerrechtlichen Vertrags die Bedeutung zu geben, die den Bestimmungen der Gründungsverträge zukommt (vgl. Urteile vom 9. Februar 1982 in der Rechtssache 270/80, Polydor und RSO, Slg. 1982, 329, Randnrn. 14 bis 21; vom 26. Oktober 1982 in der Rechtssache 104/81, Kupferberg, Slg. 1982, 3641, Randnrn. 29 bis 31, und vom 1. Juli 1993 in der Rechtssache 312/91, Metalsa, Slg. 1993, I-3751, Randnrn. 11 bis 20).

52 Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass die Übertragung der Auslegung einer Bestimmung des EG-Vertrags auf eine vergleichbar, ähnlich oder übereinstimmend gefasste Bestimmung eines Abkommens zwischen der Gemeinschaft und einem Drittland insbesondere davon abhängt, welchen Zweck diese Bestimmungen in dem ihnen je eigenen Rahmen verfolgen. Insoweit kommt dem Vergleich von Zweck und Kontext des Abkommens und des EG-Vertrags erhebliche Bedeutung zu (siehe Urteil Metalsa, Randnr. 11).

53 Das Europa-Abkommen bezweckt schlicht, einen geeigneten Rahmen für die schrittweise Integration Bulgariens in die Gemeinschaft zum Zwecke seines späteren Beitritts zu bieten, während der Zweck des EG-Vertrags die Schaffung eines Binnenmarktes ist, der durch die Beseitigung der Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gekennzeichnet ist (vgl. Artikel 3 Buchstabe c EG-Vertrag [jetzt nach Änderung Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c EG]).

54 Im Übrigen ergibt sich aus Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens, dass das Einreise- und das Aufenthaltsrecht der bulgarischen Staatsangehörigen als Nebenrechte des Niederlassungsrechts nicht schrankenlos gewährleistet sind, ihre Ausübung gegebenenfalls vielmehr durch die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung bulgarischer Staatsangehöriger beschränkt werden kann.

55 Daher kann die in der Rechtsprechung des Gerichtshofes gefundene Auslegung des Artikels 52 EG-Vertrag nicht auf Artikel 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens übertragen werden.

56 Das Vorbringen der Klägerin, die den bulgarischen Staatsangehörigen in Artikel 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens zuerkannten Rechte würden bereits dadurch ihrer Wirkung beraubt, dass ein Mitgliedstaat sein nationales Zuwanderungsrecht, das eine Einreisegenehmigung für bulgarische Staatsangehörige vorsehe, anwende, ist daher zurückzuweisen.

57 Freilich ergibt sich aus Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens, dass die Befugnis des Aufnahmemitgliedstaats, sein nationales Einreise-, Aufenthalts- und Niederlassungsrecht für natürliche Personen auf Anträge bulgarischer Staatsangehörigen anzuwenden, die Vorteile, die Bulgarien aus diesem Abkommen erwachsen, nicht zunichte machen oder verringern darf.

58 Zu prüfen ist daher, ob die im Zuwanderungsrecht des Aufnahmemitgliedstaats vorgesehenen Beschränkungen des Niederlassungsrechts, das den bulgarischen Staatsangehörigen in Artikel 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens direkt eingeräumt wird, sowie das Einreise- und das Aufenthaltsrecht, die Nebenrechte dazu darstellen, mit der Klausel in Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens vereinbar sind.

Die Vereinbarkeit der Einschränkungen des Niederlassungsrechts durch das Zuwanderungsrecht des Aufnahmemitgliedstaats mit der Klausel in Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens

59 Zu prüfen ist, ob die vom Mitgliedstaat angewandten Zuwanderungsbestimmungen geeignet sind, das angestrebte Ziel zu erreichen, und im Hinblick auf dieses Ziel keinen Eingriff in den Wesensgehalt der den bulgarischen Staatsangehörigen in Artikel 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens gewährten Rechte darstellen, die die Ausübung dieser Rechte unmöglich oder übermäßig schwierig machen würden.

60 Da Artikel 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens nur auf Personen anwendbar ist, die ausschließlich eine selbständige Tätigkeit im Sinne des Artikels 45 Absatz 5 Buchstabe a Ziffer i letzter Satz ausüben, muss festgestellt werden, ob die nach dieser Bestimmung Berechtigten im Aufnahmemitgliedstaat eine Arbeitnehmer- oder eine selbständige Tätigkeit ausüben wollen.

61 Daher verfolgt eine nationale Regelung, die die vorherige Kontrolle der genauen Art der vom Antragsteller beabsichtigten Tätigkeit vorsieht, ein legitimes Ziel, da sie erlaubt, die Ausübung des Einreise- und Aufenthaltsrechts durch bulgarische Staatsangehörige, die sich auf Artikel 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens berufen, nur solchen zu gestatten, die Rechte aus dieser Bestimmung ziehen können.

62 Hingegen ergibt sich aus Artikel 45 Absatz 1 und Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens, dass der Aufnahmemitgliedstaat einem bulgarischen Staatsangehörigen die Einreise und den Aufenthalt, die der Niederlassung in diesem Staat dienen sollen, nicht etwa wegen der Staatsangehörigkeit des Antragstellers, seines Wohnsitzlandes oder deshalb verweigern darf, weil das nationale Recht eine allgemeine Zuwanderungsbeschränkung vorsieht. Auch darf das Recht zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit in diesem Staat nicht aus wirtschaftlichen Erwägungen oder im Hinblick auf den Arbeitsmarkt von der Feststellung eines Bedürfnisses abhängig gemacht werden.

63 Materielle Anforderungen der Art, wie sie in den §§ 217 und 219 HC 395 enthalten sind, verfolgen, wie die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission vorgetragen haben, das Ziel, den zuständigen Behörden die Prüfung zu erlauben, ob ein bulgarischer Staatsangehöriger, der sich im Vereinigten Königreich niederlassen will, wirklich die Absicht hat, dort eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen, ohne zugleich auf eine unselbständige Beschäftigung oder öffentliche Mittel zurückzugreifen, und ob er von Anfang an über hinreichende Mittel und vernünftige Erfolgsaussichten verfügt. Materielle Anforderungen wie sie die §§ 217 und 219 HC 395 vorsehen, sind zudem geeignet, dieses Ziel zu erreichen.

64 Zu Recht trägt die Regierung des Vereinigten Königreichs weiter vor, dass in der Folge des Inkrafttretens des Europa-Abkommens sowie anderer Europa-Abkommen über die Assoziation von Ländern Mittel- und Osteuropas das nationale Recht über die Einreise von Staatsangehörigen von Drittländern, die sich als Selbständige niederlassen wollten, überprüft und geändert worden sei. Insbesondere die Verpflichtung, über ein Investitionskapital von 200 000 GBP zu verfügen, gelte immer noch für Personen, die nicht unter Europa-Abkommen über die Assoziation fallen, nicht mehr aber für bulgarische Staatsangehörige.

65 Darüber hinaus gestattet das fragliche nationale Recht einer Person, die sich im Aufnahmemitgliedstaat kraft der Bestimmungen eines Europa-Abkommens über die Assoziation niederlassen will, eine Genehmigung, in diesem Staat als Selbständiger verbleiben zu dürfen, auch dann zu beantragen, wenn sie ursprünglich zu einem anderen Zweck einreisen durfte. Bestimmungen wie die §§ 217 und 219 HC 395 erleichtern daher die Niederlassung bulgarischer Staatsangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat und sind mit dem Europa-Abkommen vereinbar.

66 Der Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung, den die Klägerin aufgrund des Europa-Abkommens gestellt hatte, wurde vom Secretary of State jedoch aus Gründen abgelehnt, die mit den materiellen Anforderungen des nationalen Zuwanderungsrechts an die Niederlassung bulgarischer Staatsangehöriger nichts zu tun hatten.

67 Dass der Secretary of State, wie in Randnummer 26 angegeben, aufgrund der zweiten Berechnung der langfristigen Rentabilität der Tätigkeit der Klägerin, die ihm am 4. November 1996 unterbreitet worden war, sich bereit erklärt hatte, sein Ermessen dahin auszuüben, ihr das Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich nach Artikel 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens zu gewähren, berührt nämlich nicht die frühere Feststellung, die Einreise der Klägerin in das Vereinigte Königreich sei rechtswidrig gewesen, weil sie sowohl vor dem Konsularbeamten, der ihr in Bulgarien ein Visum ausgestellt hatte, wie vor dem Zuwanderungsbeamten, der sie bei ihrer Ankunft im Vereinigten Königreich angehört hatte, falsche Erklärungen abgegeben hatte.

68 Die ablehnende Entscheidung des Secretary of State, die im Ausgangsverfahren angefochten ist, ist also auf diese Feststellung gestützt.

69 Daher ist zu prüfen, ob Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens es dem Aufnahmemitgliedstaat gestattet, die von einem bulgarischen Staatsangehörigen unter Berufung auf Artikel 45 Absatz 1 des Abkommens beantragte Aufenthaltsgenehmigung mit der Begründung zu versagen, dass sich der Antragsteller rechtswidrig im Staatsgebiet aufhalte, weil er zum Zwecke der Erlangung der ursprünglichen Einreisegenehmigung falsche Erklärungen abgegeben habe, obwohl diese Rechtswidrigkeit eintrat, bevor der Antragsteller selbständig wurde und sein Niederlassungsrecht auf der Grundlage des Europa-Abkommens geltend machte.

70 In einer solchen Lage befand sich nämlich die Klägerin, die seit März 1995 rechtswidrig im Vereinigten Königreich lebte und erstmals im Juli 1996 das durch das Europa-Abkommen eröffnete Niederlassungsrecht in Anspruch nahm.

Die Befugnis des Aufnahmemitgliedstaats, die von einem bulgarischen Staatsangehörigen unter Berufung auf Artikel 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens beantragte Genehmigung allein mit der Begründung zu versagen, dass seine Anwesenheit im Staatsgebiet rechtswidrig sei

71 Die Klägerin macht geltend, Artikel 45 des Europa-Abkommens setze einen rechtmäßigen Aufenthalt nicht voraus. Diesem Artikel lasse sich nicht entnehmen, dass ein Niederlassungsrecht bulgarischen Staatsangehörigen nicht zustehe, wenn sie gegen das Zuwanderungsrecht des fraglichen Mitgliedstaats verstoßen hätten.

72 Daher könne ein Mitgliedstaat den nach Artikel 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens gestellten Antrag einer Person, deren Aufenthalt im Staatsgebiet rechtswidrig sei, nur nach Maßgabe der materiellen Anforderungen dieses Abkommens ablehnen.

73 Bei der Prüfung dieses Vorbringens ist von Belang, dass eine Regelung der vorherigen Kontrolle, wie sie die Immigration Rules vorsehen, nach den Ausführungen in den Randnummern 60 bis 65 grundsätzlich mit Artikel 45 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens vereinbar ist, wenn der Aufnahmemitgliedstaat mit dieser Regelung die Erteilung einer Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung davon abhängig macht, dass die Zuwanderungsbehörden überprüfen, ob der Antragsteller im Aufnahmestaat wirklich ausschließlich einer gewinnbringenden selbständigen Tätigkeit nachgehen will.

74 Stellt sich im Rahmen einer solchen vorherigen Kontrolle heraus, dass ein bulgarischer Staatsangehöriger, der formgerecht einen Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung im Hinblick auf die Niederlassung gestellt hat, den materiellen Anforderungen entspricht, die das Zuwanderungsrecht des Aufnahmemitgliedstaats für diese Zwecke aufstellt, so verpflichtet die Beachtung der Klausel in Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens den Mitgliedstaat, ihm das Niederlassungsrecht als Selbständiger und zu diesem Zweck eine Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung zuzuerkennen.

75 Stellt sich hingegen wie im Ausgangsverfahren heraus, dass der vorherige Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung im Hinblick auf die Niederlassung nicht gestellt wurde, steht es den Zuwanderungsbehörden des Aufnahmemitgliedstaats grundsätzlich frei, einem bulgarischen Staatsangehörigen, der sich auf Artikel 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens beruft, diese Genehmigung unabhängig davon zu versagen, ob die übrigen materiellen Anforderungen des nationalen Rechts erfuellt sind.

76 Wie die Kommission zu Recht vorgetragen hat, hängt die Wirksamkeit einer solchen vorherigen Kontrollregelung in hohem Umfang davon ab, dass die Antragsteller in dem Zeitpunkt, in dem sie in ihrem Herkunftsstaat bei den zuständigen Stellen ein Einreisevisum beantragen, oder bei ihrer Ankunft im Aufnahmemitgliedstaat richtige Erklärungen abgeben.

77 Wäre es nämlich bulgarischen Staatsangehörigen erlaubt, im Aufnahmemitgliedstaat ungeachtet eines früheren Verstoßes gegen das nationale Zuwanderungsrecht jederzeit einen Niederlassungsantrag zu stellen, so könnte dies sie, wie der Generalanwalt in Nummer 84 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, geradezu dazu verführen, zunächst rechtswidrig im Gebiet des Aufnahmemitgliedstaats zu verbleiben und sich der nationalen Kontrollregelung erst dann zu unterwerfen, wenn die dort vorgesehenen materiellen Anforderungen erfuellt sind.

78 Der Antragsteller könnte sich dann auf den Kundenkreis und das Betriebsvermögen, das er während seines rechtswidrigen Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat möglicherweise gewonnen hat, oder auf finanzielle Mittel berufen, die er dort - gegebenenfalls auch durch Ausübung einer unselbständigen Tätigkeit - zusammengetragen hat, und sich den nationalen Behörden dann als Selbständiger stellen, der nunmehr eine gewinnbringende Tätigkeit ausübt oder ausüben kann und dessen Rechte nach dem Europa-Abkommen anzuerkennen sind.

79 Eine solche Auslegung könnte Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens wirkungslos machen und Missbräuche erlauben, indem sie Verstöße gegen das nationale Einreise- und Aufenthaltsrecht von Ausländern billigte.

80 Ein bulgarischer Staatsangehöriger, der beabsichtigt, in einem Mitgliedstaat eine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit auszuüben, und der die entsprechenden Kontrollen der nationalen Behörden dadurch vereitelt, dass er wahrheitswidrig erklärt, sich zu Zwecken einer Saisonarbeit in diesen Staat zu begeben, fällt daher nicht in den Schutzbereich des Europa-Abkommens (vgl. entsprechend für den Fall der Vereitelung nationalen Rechts durch Gemeinschaftsangehörige, die Gemeinschaftsrecht missbrauchen, Urteil vom 9. März 1999 in der Rechtssache C-212/97, Centros, Slg. 1999, I-1459, Randnr. 24, und die dort zitierte Rechtsprechung).

81 Unerheblich ist es hierfür, dass der bulgarische Staatsangehörige den Verstoß gegen das Zuwanderungsrecht des Aufnahmemitgliedstaats zu einer Zeit begangen hat, zu der das Europa-Abkommen noch nicht in Kraft war, soweit - wie im Ausgangsverfahren - die rechtswidrige Lage im Zeitpunkt des Inkrafttretens und auch im Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Niederlassung noch fortbestand. Im Übrigen hat der Secretary of State, wie in Randnummer 26 ausgeführt, den Antrag der Klägerin auf der Grundlage des Europa-Abkommens wie einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung behandelt und wegen der rechtswidrigen Lage der Klägerin im Zeitpunkt seiner Entscheidung abgelehnt.

82 Es ist daher mit Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens vereinbar, dass der Aufnahmemitgliedstaat einen nach Artikel 45 Absatz 1 des Abkommens gestellten Antrag mit der Begründung ablehnt, dass der Antragsteller sich bei der Antragstellung aufgrund falscher Erklärungen gegenüber den Behörden oder der unterbliebenen Offenlegung von Tatsachen, die für die aufgrund einer anderen Vorschrift beantragte ursprüngliche Aufenthaltsgenehmigung in diesem Mitgliedstaat erheblich waren, rechtswidrig in seinem Gebiet aufhalte.

Die Vereinbarkeit der Anforderung, dass ein neuer formgerechter Niederlassungsantrag zu stellen ist, mit dem Gleichbehandlungsgebot des Artikels 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens und der Klausel in Artikel 59 Absatz 1 des Abkommens

83 Zu prüfen ist die Frage, ob es mit dem Gleichbehandlungsgebot des Artikels 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens vereinbar ist, von einem bulgarischen Staatsangehörigen, dessen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat rechtswidrig ist, einen neuen, formgerechten Antrag auf Niederlassung zu verlangen, der im Herkunftsstaat oder gegebenenfalls in einem anderen Land zu stellen ist, obwohl von den Angehörigen des Aufnahmemitgliedstaats solches nicht gefordert wird. Wie der Gerichtshof zur Arbeitnehmerfreizügigkeit entschieden hat, erlaubt der Vorbehalt in Artikel 48 Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 39 Absatz 3 EG) den Mitgliedstaaten, gegenüber den Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten aus den in dieser Bestimmung genannten Gründen, darunter Gründen der öffentlichen Ordnung, Maßnahmen zu ergreifen, die sie gegenüber ihren eigenen Staatsangehörigen deshalb nicht treffen könnten, weil sie nicht die Befugnis haben, diese abzuschieben oder ihnen die Einreise zu untersagen (vgl. Urteile vom 4. Dezember 1974 in der Rechtssache 41/74, Van Duyn, Slg. 1974, 1337, Randnr. 22, 18. Mai 1982 in den Rechtssachen 115/81 und 116/81, Adoui und Cornuaille, Slg. 1982, 1665, Randnr. 7, vom 7. Juli 1992 in der Rechtssache C-370/90, Singh, Slg. 1992, I-4265, Randnr. 22, vom 17. Juni 1997 in den Rechtssachen C-65/95 und C-111/95, Shingara und Radiom, Slg. 1997, I-3343, Randnr. 28, und vom 16. Juli 1998 in der Rechtssache C-171/96, Pereira Roque, Slg. 1998, I-4607, Randnr. 37).

84 Diese unterschiedliche Behandlung eigener Staatsangehöriger und von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten beruht auf dem völkerrechtlichen Grundsatz, dass es einem Mitgliedstaat verwehrt ist, seinen eigenen Staatsangehörigen die Einreise und den Aufenthalt im Inland zu untersagen, worauf auch immer sie gestützt werden; es ist nicht anzunehmen, dass der EG-Vertrag diesen Grundsatz in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten außer Acht lässt (Urteile Van Duyn, Randnr. 22, und Pereira Roque, Randnr. 38).

85 Aus denselben Gründen ist eine solche Ungleichbehandlung zugunsten der Angehörigen des Aufnahmemitgliedstaats mit Artikel 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens vereinbar.

86 Weiter stellt sich die Frage, ob es mit Artikel 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens in Verbindung mit der Klausel am Ende von Artikel 59 Absatz 1 Satz 1 dieses Abkommens vereinbar ist, in einem Fall wie dem der Klägerin die Einreichung eines formgerechten neuen Niederlassungsantrags im Herkunftsland des bulgarischen Staatsangehörigen oder gegebenenfalls in einem anderen Land zu verlangen.

87 Die Abgabe falscher Erklärungen verletzt die Verpflichtung, seine Absichten offen zu erklären, die nach den Ausführungen in Randnummer 76 jedem obliegt, der sich im Aufnahmemitgliedstaat niederlassen will. Die Beachtung dieser Verpflichtung ist erforderlich, um dem Aufnahmemitgliedstaat die Prüfung zu erlauben, ob die vom bulgarischen Staatsangehörigen beabsichtigte selbständige Erwerbstätigkeit in diesem Staat ausschließlich und gewinnbringend ist. Angesichts der Schwere eines solchen Verstoßes ist es gerechtfertigt, wenn das Zuwanderungsrecht des Aufnahmemitgliedstaats verlangt, dass dieser Staatsangehörige einen neuen formgerechten Niederlassungsantrag in seinem Herkunftsstaat oder gegebenenfalls in einem anderen Land stellt.

88 Aus den in den Randnummern 73 bis 82 angegebenen Gründen würde nämlich die von der Klägerin vertretene Auslegung des Europa-Abkommens, dass mögliche rechtswidrige Lagen unter Berücksichtigung dessen bereinigt werden könnten, dass die materiellen Anforderungen für die Niederlassung, die das Zuwanderungsrecht des Aufnahmemitgliedstaats stellt, zwischenzeitlich erfuellt sind, die Wirksamkeit und Verlässlichkeit der nationalen Regelung der vorherigen Kontrolle beeinträchtigen.

89 Jedoch verlangt die Beachtung der Klausel am Ende von Artikel 59 Absatz 1 Satz 1 des Europa-Abkommens auch in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, dass das Vorgehen des Aufnahmemitgliedstaats weder bezweckt noch bewirkt, den Wesensgehalt des Einreise-, Aufenthalts- und Niederlassungsrechts zu beeinträchtigen, das das Europa-Abkommen den bulgarischen Staatsangehörigen einräumt.

90 Weist der Aufnahmemitgliedstaat den auf Artikel 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens gestützten Niederlassungsantrag eines bulgarischen Staatsangehörigen mit der Begründung zurück, dieser habe bei Stellung eines ursprünglichen Einreiseantrags bei den Behörden falsche Erklärungen abgegeben oder erhebliche Tatsachen nicht offen gelegt, und verlangt er, dass dieser Staatsangehörige einen auf das Abkommen gestützten neuen Niederlassungsantrag formgerecht stellt, indem er ein Einreisevisum bei den zuständigen Stellen in seinem Herkunftsstaat oder gegebenenfalls in einem anderen Land beantragt, so darf dies also nicht verhindern, dass die Lage dieses Staatsangehörigen bei der Einreichung des neuen Antrags überprüft wird. Im Übrigen dürfen solche Maßnahmen die Grundrechte dieses Staatsangehörigen, namentlich das Recht auf Familienleben und auf Eigentum, nicht verletzen, die der betroffene Mitgliedstaat aufgrund der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 oder anderer völkerrechtlicher Verträge zu achten hat, denen er möglicherweise beigetreten ist.

91 Nach alledem ist auf die Fragen eins, drei und vier wie folgt zu antworten:

- Das Niederlassungsrecht im Sinne des Artikels 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens setzt als Nebenrechte ein Einreise- und ein Aufenthaltsrecht der bulgarischen Staatsangehörigen voraus, die gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten in einem Mitgliedstaat ausüben wollen. Jedoch ergibt sich aus Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens, dass dieses Einreise- und Aufenthaltsrecht nicht schrankenlos gewährleistet ist, seine Ausübung gegebenenfalls vielmehr durch die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung bulgarischer Staatsangehöriger beschränkt werden kann.

- Artikel 45 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens steht grundsätzlich einer Regelung vorheriger Kontrolle nicht entgegen, nach der die Erteilung einer Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung durch die Zuwanderungsbehörden voraussetzt, dass der Antragsteller seine wirkliche Absicht nachweist, eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen, ohne zugleich auf eine unselbständige Beschäftigung oder öffentliche Mittel zurückzugreifen, und dass er von Anfang an über hinreichende Mittel und vernünftige Erfolgsaussichten verfügt. Materielle Anforderungen, wie sie die §§ 217 und 219 HC 395 vorsehen, sollen den zuständigen Behörden diese Prüfung erlauben und sind geeignet, dieses Ziel zu erreichen.

- Nach Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens dürfen die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats einen nach Artikel 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens gestellten Antrag eines bulgarischen Staatsangehörigen mit der alleinigen Begründung zurückweisen, sein Aufenthalt in diesem Staat sei zur Zeit der Stellung des Antrags rechtswidrig gewesen, weil er bei Stellung eines ursprünglichen Antrags auf Einreise in diesen Mitgliedstaat aufgrund einer anderen Vorschrift bei den Behörden falsche Erklärungen abgegeben oder erhebliche Tatsachen nicht offen gelegt habe. Der Mitgliedstaat kann daher verlangen, dass dieser Staatsangehörige formgerecht einen auf das Abkommen gestützten neuen Niederlassungsantrag stellt, indem er ein Einreisevisum bei den zuständigen Stellen in seinem Herkunftsstaat oder gegebenenfalls in einem anderen Land beantragt, soweit diese Maßnahmen nicht verhindern, dass die Lage dieses Staatsangehörigen bei der Einreichung des neuen Antrags überprüft wird.

Die fünfte Frage

92 Angesichts der Antwort auf die Fragen eins, drei und vier braucht die fünfte Frage nicht beantwortet zu werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

93 Die Auslagen der Regierung des Vereinigten Königreichs, der belgischen, der deutschen, der griechischen, der spanischen, der französischen, der irischen, der italienischen, der niederländischen und der österreichischen Regierung sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Divisional Court), mit Beschluss vom 18. Dezember 1998 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Artikel 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Bulgarien andererseits, im Namen der Gemeinschaft geschlossen und genehmigt durch den Beschluss 94/908/EG, EGKS, Euratom des Rates und der Kommission vom 19. Dezember 1994, stellt für dessen Geltungsbereich einen klaren und unbedingten Grundsatz auf, der vom nationalen Gericht angewandt werden und deshalb die Rechtslage von Privaten regeln kann. Die unmittelbare Wirkung, die der Bestimmung somit zukommt, bedeutet, dass bulgarische Staatsangehörige das Recht haben, sich vor den Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats auf sie zu berufen, auch wenn dieser Mitgliedstaat nach Artikel 59 Absatz 1 des Abkommens die Befugnis behält, auf diese Staatsangehörigen sein nationales Einreise-, Aufenthalts- und Niederlassungsrecht anzuwenden.

2. Das Niederlassungsrecht im Sinne des Artikels 45 Absatz 1 dieses Europa-Abkommens setzt als Nebenrechte ein Einreise- und ein Aufenthaltsrecht der bulgarischen Staatsangehörigen voraus, die gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten in einem Mitgliedstaat ausüben wollen. Jedoch ergibt sich aus Artikel 59 Absatz 1 des Europa-Abkommens, dass dieses Einreise- und Aufenthaltsrecht nicht schrankenlos gewährleistet ist, seine Ausübung gegebenenfalls vielmehr durch die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung bulgarischer Staatsangehöriger beschränkt werden kann.

3. Artikel 45 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 59 Absatz 1 dieses Europa-Abkommens steht grundsätzlich einer Regelung vorheriger Kontrolle nicht entgegen, nach der die Erteilung einer Einreise- und Aufenthaltsgenehmigung durch die Zuwanderungsbehörden voraussetzt, dass der Antragsteller seine wirkliche Absicht nachweist, eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen, ohne zugleich auf eine unselbständige Beschäftigung oder öffentliche Mittel zurückzugreifen, und dass er von Anfang an über hinreichende Mittel und vernünftige Erfolgsaussichten verfügt. Materielle Anforderungen, wie sie die §§ 217 und 219 der United Kingdom Immigration Rules (House of Commons Paper 395) vorsehen, sollen den zuständigen Behörden diese Prüfung erlauben und sind geeignet, dieses Ziel zu erreichen.

4. Nach Artikel 59 Absatz 1 dieses Europa-Abkommens dürfen die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats einen nach Artikel 45 Absatz 1 des Europa-Abkommens gestellten Antrag eines bulgarischen Staatsangehörigen mit der alleinigen Begründung zurückweisen, sein Aufenthalt in diesem Staat sei zur Zeit der Stellung des Antrags rechtswidrig gewesen, weil er bei Stellung eines ursprünglichen Antrags auf Einreise in diesen Mitgliedstaat aufgrund einer anderen Vorschrift bei den Behörden falsche Erklärungen abgegeben oder erhebliche Tatsachen nicht offen gelegt habe. Der Mitgliedstaat kann daher verlangen, dass dieser Staatsangehörige formgerecht einen auf das Abkommen gestützten neuen Niederlassungsantrag stellt, indem er ein Einreisevisum bei den zuständigen Stellen in seinem Herkunftsstaat oder gegebenenfalls in einem anderen Land beantragt, soweit diese Maßnahmen nicht verhindern, dass die Lage dieses Staatsangehörigen bei der Einreichung des neuen Antrags überprüft wird.

Ende der Entscheidung

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